English version see below

Mit Regina Betz, Leiterin des Center for Energy and the Environment (CEE), und Thomas Rötger vom Zentrum für Aviatik war die ZHAW auch bei der diesjährigen, wichtigen UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) mit einer Delegation vertreten. An einem Side Event der Konferenz präsentierte Regina Betz Ergebnisse aus zwei aktuellen Forschungsprojekten des CEE. Lesen Sie dazu den folgenden Erfahrungsbericht, in welchem Regina Betz ihre persönlichen Eindrücke schildert und die Ergebnisse der Konferenz fachlich einordnet.

Es ist Mitte November und ich mache mich mit Klapprad und Zug auf nach Glasgow, dort findet die 26ste UN-Klimakonferenz statt. Nach ca. 20 Stunden Fahrt – Mittagessen in Paris und Abendessen in London – erreiche ich gegen 23.00 Uhr Glasgow. Schon auf dem Bahnhof in London und Glasgow heissen mich Plakate willkommen: „Thank you for travelling by train“ oder „The world is looking to you COP26” oder “Let’s work together for our future”. Ich fühle wie grosse Erwartungen an die Verhandlungen von der britischen Bevölkerung geweckt werden und entsprechend neugierig bin ich auf das, was mich erwartet. Erst einmal habe ich Glück und erreiche mein Airbnb im 10. Stock mit Blick auf das Verhandlungszentrum. Es ist alles abgeriegelt und überall stehen Polizisten. Selbst die Schnellstrasse direkt vor meinem Appartement haben sie gesperrt, so dass es sehr ruhig ist. Im Vergleich zu amerikanischen und deutschen Projektkollegen habe ich Glück und meine Unterkunft ist kein Scam, sie ist billig, nah am Geschehen und verfügt über alles was man so braucht: stabiler Internetzugang, ein Platz für mein Fahrrad, Küche etc., und ich bin im Unterschied zu meinem ZHAW-Kollegen nicht morgens und abends über eine Stunde mit dem Bus unterwegs.

Nach zwei Wochen und mit einem Tag Verspätung gelingt es am 13.11. den Glasgow Climate Pact zu schliessen, der zwar in letzter Minute von China, Indien und ein paar Ölstaaten noch verwässert wird. Statt „phaseout of coal“ heisst es nun „phasedown of unabated coal power and phase-out of inefficient fossil fuel subsidies“, aber immerhin gehen die Verhandler nicht mit leeren Händen nach Hause. Dass überhaupt so ein Text vorgelegt wurde – mit einem Ausstieg aus Kohlekraftwerken und fossilen Subventionen – ist ein grosser Schritt vorwärts und ein Zeichen an die Industrie, welche Risiken bei fossilen Investitionen bestehen. Ich denke es war auch ein geopolitischer Schachzug von China und Indien, die hier ihre Macht demonstrieren wollten, um zu zeigen „Industrieländer seid vorsichtig, nehmt uns ernst, wir müssen mit an Bord sein“. Die weiteren Ziele für COP26 endlich Regeln für

  • Artikel 6 des Pariser Abkommens (Cooperative Approaches und Carbon Crediting Mechanism) siehe unten,
  • Artikel 13  des Pariser Abkommens (das die Transparenz der Daten wie den Emissionsinventaren beinhaltet) und
  • Common timeframes (bisher sind die Nationalen Verpflichtungen der Vertragsstaaten sehr divers und das macht die Vergleichbarkeit sehr schwierig, das soll geändert werden)

zu verabschieden, wurde auch erreicht.

Auf der COP (kurz für Conference of Parties), wie die Klimakonferenz offiziell genannt wird, treffe ich auf drei parallele Welten: Auf der einen Seite die trockenen Verhandlungen, wo Wort für Wort diskutiert wird und ein neuer Text nach dem anderen erscheint, mit immer neuen Vorschlägen und strittigen Positionen. Auf der anderen Seite diskutieren eine bunte Mischung an Menschen aus der ganzen Welt – indigene Völker, Jugendliche, UmweltaktivistInnen, UnternehmensvertreterInnen – in den Pavillons und Side Events über die neusten Optionen und Visionen die Klimakrise zu bekämpfen. Besonders stark fallen mir die vielen Veranstaltungen zu „Nature Based Solutions“, „Plant based Diet“ und „Ozean“ auf. Die Kernenergie scheint einen Revival zu haben und neue Entwicklungen zeigen sich insbesondere bei den Methanemissionen, die durch den Global Methane Pledge politisch auch im Fokus sind, sowie moderne Messtechniken und Satellitenbilder. Die dritte Welt findet draussen vor dem Konferenzzentrum im Stadtzentrum statt, wo Tausende von Umweltaktivisten für mehr Klimaschutz demonstrieren, wobei zum Teil auch Fahnen für ein freies Schottland dabei sind.

Trotz Corona haben sich fast 40‘000 Delegierte angemeldet, mehr als je zuvor und fast doppelt so viele wie in Paris. Die täglichen Corona-Tests, das Maskentragen und die 10 Tage Quarantäne – auch für Geimpfte – haben also wenige abgeschreckt. An dieser COP ist die ZHAW mit zwei VertreterInnen dabei und wird von mir als Leiterin des Center for Energy and the Environment (CEE) und Dr. Thomas Rötger aus dem Zentrum für Aviatik in Glasgow vertreten.

Luftfahrt

Obwohl die Luftfahrt zwar kein Kernthema der Verhandlungen in Glasgow war, gab es aus diesem Bereich einige Neuigkeiten, von denen Thomas Rötger Folgendes berichtete:

Der Flugverkehr ist bekanntermassen schwerer als andere Verkehrsträger zu dekarbonisieren und steht im Fokus der Öffentlichkeit als Klimasünder. Die Zwangspause durch die Corona-Krise führte offensichtlich dazu, den Neustart der Luftfahrt mit konkreten Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit zu verbinden.

Kürzlich hatten die Weltverbände der Luftverkehrswirtschaft sich zu Netto-Nullemissionen bis 2050 verpflichtet (die Einschränkung „netto“ bedeutet, dass ein – hoffentlich immer geringer werdender – Teil der Emissionen durch gesetzliche CO2-Ausgleichsmassnahmen, z.B. das oben erwähnte CORSIA, oder auch freiwillige Kompensationen ausserhalb des Luftverkehrssektors ausgeglichen werden darf). Bei einer Abendveranstaltung am Glasgower Flughafen erläuterten Vertreter der Flugzeughersteller, Fluggesellschaften, Flughäfen und Flugsicherungen, welche technischen Neuerungen, wie z.B. nachhaltiges Kerosin aus pflanzlichem Abfall und in Zukunft Wasserstoffflugzeuge, dazu beitragen sollen.

Mit der Förderung der Nutzung von nachhaltigem Kerosin befasst sich auch die „Clean Skies for Tomorrow“-Initiative des Weltwirtschaftsforums. Verkehrsminister aus so unterschiedlichen Ländern wie Kenia und den Niederlanden präsentierten ihre Pläne dazu.

Als bemerkenswerte Regierungsinitiative verkündeten 23 Staaten die Gründung einer „International Aviation Climate Ambition Coalition“ und sagten ihre Unterstützung für Klimaschutzmassnahmen in allen Bereichen der Luftfahrt zu. Weitere Staaten sind aufgefordert beizutreten – hoffentlich folgt auch die Schweiz dieser Einladung!

Auch im Luftfahrtbereich hat die Herausforderung Klimawandel zu einer beeindruckenden Vielzahl von Innovationsleistungen geführt. Zu ihrer flächendeckenden Einführung ist jetzt der geeignete politische Rahmen erforderlich – keine leichte Aufgabe, aber die allgemeine Stimmung in Glasgow war optimistischer, als viele Aussenstehende nach der allgemeinen Berichterstattung denken würden.

Marktmechanismen

Seit der Klimakonferenz in Paris vor sechs Jahren ringt man um die detaillierten Ausgestaltungsregeln zur Umsetzung des Pariser-Abkommens, das sogenannte Paris Rulebook. Im 2019 verabschiedeten Katowice Climate Package wurden viele Details beschlossen, doch einige umstrittene Teile wurden auf die nächste Klimakonferenz vertagt und stehen jetzt in Glasgow auf der Agenda. Der so genannte Artikel 6 des Paris-Abkommens, in dem es um die Gestaltung von globalen Märkten und Mechanismen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen geht, ist dabei sehr umstritten, da Länder wie z.B. Brasilien Doppelzählungen von Minderungen anstreben. Die Verhandlungen um Artikel 6 sind besonders relevant für zwei Forschungsprojekte am Center for Energy and the Environment und zu diesem Thema wurden dann in einem Side Event auch die Resultate vorgestellt.

Präsentation von Regina Betz (Foto: Thomas Rötger)

In dem vom Swiss Network of International Studies geförderten Projekt wurde untersucht, wie die Emissionsmärkte am wirksamsten gestaltet werden können und potentieller Missbrauch in den CO2-Märkten verhindert werden kann. Dazu ist ein Bericht erstellt worden, der in kürze veröffentlicht werden soll. Noch relevanter für die Verhandlungen waren die Abschätzungen zu den noch aus dem Kyoto Protokoll stammenden Emissionsminderungszertifikaten, die sich Staaten an ihre Verpflichtung unter dem Pariser Abkommen anrechnen lassen können. Die Anrechnung ist vor allem daher kritisch, wenn es sich um qualitativ minderwertige Projekte handelt, in die sowie investiert worden wäre (Mitnahmeeffekte) und die jetzt von Ländern, die wenig ambitionierte Emissionsreduktionsziele haben, anstelle von eigenen Reduktionen angerechnet werden. Hier konnten wir gemeinsam mit Perspectives zeigen, dass die Option, die schliesslich im Text überlebt hat max. ca. 25 Mio. Zertifikate ausmachen würde und dass diese vor allem aus Wind- und Wasserkraftprojekten bestehen, vorwiegend aus dem asiatischen Raum (China/ Indien) und Lateinamerika (Brasilien/Kolumbien). Das sind zum Glück sehr viel weniger Zertifikate als andere diskutierte Optionen.

Bild: Eigene Darstellung

Insgesamt sind die Regeln robuster als im letzten Text, der in Madrid auf COP 25 verhandelt wurde und am Ende nicht angenommen wurde. Dies ist vor allem auf eine Änderung der Position von Brasilien zurückzuführen, die ihre Forderung nach Doppelzählungen aufgegeben haben und es somit zu Anpassungen der Inventare bei Verkäufen und Käufen von Emissionsrechten – sogenannten International Transferable Mitigation Outcomes – kommt. Bei Artikel 6.4 sind auch Fortschritte erzielt worden, da es nicht mehr um ein 1: 1 Offsetting geht, sondern eine Aufteilung der erreichten Reduktionen zwischen Gastland und Investor als auch 2% der erreichten Emissionsminderungen als Geschenk für die Atmosphäre (Overall Mitigation in global emissions, OMGE) vorgeschrieben werden. Das grösste Risiko für die Umweltintegrität entsteht durch CORSIA – das Offsettingprogramm für den internationalen Flugverkehr von ICAO – bei Gastländer mit einem Jahresziel (Schneider 2019) und die Anrechenbarkeit und Transition von alten CDM Projekten an die Ziele des Pariser Abkommens. Es bleibt abzuwarten, ob die Schlupflöcher in Artikel 6 und beim Clean Development Mechanism von Staaten genutzt werden. Ich bin gespannt wie es weiter mit Artikel 6 geht, denn die Regeln zur Behandlung von Kohlenstoffsenken sind noch offen und auch wie der freiwillige Kohlenstoffmarkt reagieren wird, steht noch aus.

Ein Problem sehe ich für die Kompensation der Schweizer Emissionen aus dem Transportsektor, die durch KLIK organisiert werden. Die Schweiz plant derzeit dafür Artikel 6.2 zu nutzen, wobei aus Sicht der Entwicklungsländer diese Investitionen im Ausland wohl eher unter Artikel 6.4 fallen sollten. Denn nur so ist gewährleistet, dass sie sowohl 5% der erzielten Emissionsreduktionen für den Fonds für Anpassung und 2 % für OMGE abziehen müssten. Beharrt die Schweiz darauf, Artikel 6.2 zu nutzen, könnten diplomatische Spannungen entstehen, die entweder durch den Wechsel des Artikels von 6.2 zu 6.4 (hier sind diese Abgaben vorgeschrieben) oder durch freiwillige Beiträge unter Artikel 6.2 gelöst werden könnten.

Der jüngste, sechste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigt deutlich, dass nur noch ein globales Budget von 300 GtCO2e bis zum Erreichen des Null-Emissionsziels zur Verfügung stehen, wenn mit einer Wahrscheinlichkeit von 83% ein Temperaturanstieg bis 1,5-Grad erreicht werden soll. Der globale Stocktake in Glasgow zeigte jedoch, dass es immer noch eine erhebliche Diskrepanz gibt zwischen dem verfügbaren Budget und den derzeitigen nationalen Minderungszielen – auch mit den jüngsten Nachbesserungen. Daher wurde in Glasgow beschlossen, dass man schon im Jahr 2023 (ursprünglich 2025) sich wieder mit Verschärfungen der Ziele befassen will.

Nach 22 Stunden Zugfahrt sitze ich auf meinem Sofa und schaue mir online die Abschlusssitzung der Konferenz an. Ich bin relativ zuversichtlich, dass es den Vertragsparteien gelungen ist, ein solides Paket an Regeln zur Umsetzung des Pariser Abkommens zu verabschieden, mit dem die britische Regierung und Bevölkerung zufrieden sein können. Wobei sich natürlich erst mit der Zeit zeigen wird, ob die gemachten Versprechungen zu Minderungsmassnahmen, Verdopplung der Klimafinanzierung für Anpassung von 2019 bis 2025 und Klimafinanzierung für Minderungsmassnahmen auch entsprechend umgesetzt werden. 

Autorin: Regina Betz

 

English version

ZHAW at the UN Climate Change Conference

The ZHAW was once again represented with a delegation at this year’s important UN Climate Change Conference in Glasgow (COP26). Regina Betz, Head of the Center for Energy and the Environment (CEE), also had the opportunity to present results from two current CEE research projects at a Conference side event. In the following article, she describes her personal impressions and assesses the results of the Conference from a professional standpoint.

After nearly two weeks of meetings and with a delay of one day, the Glasgow Climate Pact was agreed on 13 November, although a last-minute intervention from China, India and a few oil states meant the final version was watered down somewhat. Instead of a “phase out of coal”, the accord now specifies a “phase down of unabated coal power and phase out of inefficient fossil fuel subsidies.” Nevertheless, the negotiators did not head home empty handed. The fact that such an agreement was presented at all, including the phasing down of coal-fired power plants and the abolition of fossil fuel subsidies, is a major step in the right direction and a sign to the industrial sector of the risks involved with fossil fuel investments. It is also my view that the intervention by China and India was a geopolitical move. They wanted to demonstrate their power here, sending a message to industrialised nations that they have to proceed carefully, that China and India need to be taken seriously and that any measures need their sign-off. The other COP26 objectives of adopting rules for the following were also achieved:

  • Article 6 of the Paris Agreement (cooperative approaches and carbon crediting mechanism, see below),
  • Article 13 of the Paris Agreement (which covers the transparency of data, including emissions inventories) and
  • common time frames (the national obligations of the signatories to the Paris Agreement have so far been very diverse, making it difficult to compare them – this situation should now change).

Since the Paris Climate Change Conference six years ago, there has been much grappling over how the rules for implementing the Paris Agreement, referred to as the Paris Rulebook, should look. While many details were agreed upon in the Katowice Climate Package, which was adopted in 2019, it was resolved to delay the decision on some controversial aspects until the next Climate Change Conference in Glasgow. Article 6 of the Paris Agreement, which addresses the structuring of global markets and mechanisms for cutting greenhouse gas emissions, was one area of great contention, as countries such as Brazil were seeking a double counting of reductions. The negotiations surrounding Article 6 were particularly relevant for two research projects at the Center for Energy and the Environment, with results from the work conducted on this topic also being presented in a side event.

Regina Betz (Picture: Thomas Rötger)

Overall, the rules are more robust than those outlined in the previous text, which had been negotiated in Madrid at COP25 before ultimately being rejected. The success achieved this time round is chiefly due to a change in the position of Brazil, which has abandoned its demand for double counting, allowing for adjustments to be made to the inventories for sales and purchases of emissions rights – so-called international transferable mitigation outcomes. Progress has also been made on Article 6.4, which no longer prescribes offsetting on a 1:1 basis and instead stipulates that achieved reductions should be shared between the host country and investor, as well as earmarking 2% of the attained emission cuts for the atmosphere (overall mitigation in global emissions, OMGE). The biggest risk to environmental integrity comes from CORSIA – the International Civil Aviation Organization’s offsetting programme for international aviation – and the crediting and transition of old CDM projects to the objectives of the Paris Agreement. Only time will tell whether states make use of the loopholes found in Article 6 and the Clean Development Mechanism. I am curious to see how things progress with Article 6, as the rules for dealing with carbon sinks remain to be resolved and it is also yet to be seen how the voluntary carbon market will respond.

I believe the compensation of Swiss emissions from the transport sector may cause a problem. Organisational responsibility here lies with KLIK, the sector-wide carbon offset grouping for fossil motor fuels. Switzerland currently plans to use Article 6.2 for this purpose, although from the perspective of developing countries these investments abroad should probably fall under Article 6.4. This is because only in this way will it be possible to ensure that 5% of the achieved emission reductions are deducted for the Adaptation Fund and 2% for OMGE. Should Switzerland insist on using Article 6.2, this may give rise to diplomatic tensions, which could be resolved either by using Article 6.4 rather than 6.2 (where these levies are mandatory) or by making voluntary contributions under Article 6.2.

The global stock take revealed that there is still a significant gap between the stated objective of limiting global warming to no more than 2 degrees Celsius, or 1.5 degrees Celsius if possible, and the current promises that have been made in terms of reductions – even with the subsequent improvements. The sixth and most recent report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) makes clear that we have a global budget of just 300 GtCO2e at our disposal before we have to reach net zero if we are to succeed in limiting global warming to 1.5 degrees Celsius with an 83% degree of probability.

Author: Regina Betz


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