Vom 16.-26. Juni 2025 hat in Bonn die 62. UNO-Klimakonferenz (“sessions of the Subsidiary Bodies”, kurz SB 62) stattgefunden. Paola Yanguas Parra und Stefan Stevanovic, zwei Forschende der ZHAW, haben an der Konferenz teilgenommen und auch einen Workshop vor Ort mitorganisiert.
Einblicke in die Diskussionen und Side Events der Konferenz
von Paola Yanguas Parra
(An English version can be found on LinkedIn)
Im Juni 2025 nahm ich im Namen der ZHAW an der 62. Sitzung der Nebenorgane (SB62) der UNFCCC in Bonn teil. Die zweiwöchige Sitzung diente dazu, Fortschritte in der Vorbereitung auf die COP30 in Belém im Dezember zu erzielen – sowohl in den offiziellen Verhandlungen als auch in zahlreichen Side Events, in denen neue Ideen, kritische Stimmen und wichtige Allianzen ihren Platz fanden. Unten teile ich Einblicke in die wichtigsten Verhandlungsthemen, an denen ich teilgenommen habe, sowie in einige Side Events, die ich besucht habe.
1.) Verhandlungsthemen
Just Transition Work Programme (JTWP)
In einer von der Präsidentschaft geleiteten Sitzung wurde die Debatte rund um das JTWP vertieft. Der Fokus lag dabei auf der Operationalisierung des Programms, Prinzipien der gerechten Transformation sowie auf der notwendigen Unterstützung für Entwicklungsländer. Viele Länder, darunter Chile (AILAC), Tansania (Afrikanische Gruppe) und China, betonten die Bedeutung des Programms für ambitionierte und sozial gerechte Klimapfade. Gleichzeitig forderten Gruppen wie die LMDCs und das Arabische Bündnis stärkere Berücksichtigung von Prinzipien wie CBDR und warnen vor der wirtschaftlichen Folge eines raschen Übergangs in Ländern und Gemeinschaften, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind.
Artikel 2.1(c) & Artikel 9 des Pariser Abkommens
Im ersten Workshop zum Sharm el-Sheikh Dialog 2025 wurde das Verhältnis zwischen Artikel 2.1(c) – der Umlenkung von Finanzflüssen in Richtung klimafreundlicher Entwicklung – und Artikel 9 (Klimafinanzierung) diskutiert. Der Austausch zeigte auf, wie unzureichend Kapazitäten in vielen Ländern sind, um Finanzflüsse zu steuern. Positiv hervorgehoben wurden Initiativen wie das NGFS (Network for Greening the Financial System) und neue globale Plattformen zur Kapazitätsbildung im Bereich nachhaltiger Finanzen. Besonders eindrucksvoll war der Erfahrungsbericht aus Rio Grande do Sul, Brasilien, das nach einer extremen Überschwemmung mit einem klimaresilienten Wiederaufbau begonnen hat.
NDCs – Ambition, Finanzierung und der Weg zur COP30
In Bonn standen die Diskussionen rund um die Nationally Determined Contributions (NDCs) ganz im Zeichen der Dringlichkeit, die Erkenntnisse aus dem ersten GST (Global Stocktake) aufzugreifen und die Ambition für die neuen Zielsetzungen deutlich zu erhöhen. Der GST hat klar gezeigt: Die derzeitigen Klimazusagen reichen bei weitem nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Damit wird die nächste NDC-Runde – die sogenannten NDCs 3.0 – zu einem entscheidenden Prüfstein für die Glaubwürdigkeit des Pariser Abkommens.
Ein zentrales Thema war die Notwendigkeit, dass ambitioniertere NDCs mit vorhersehbarer und ausreichender Finanzierung unterlegt werden müssen – insbesondere für Länder des Globalen Südens. Ohne signifikante Ausweitung sowohl öffentlicher Finanzflüsse als auch mobilisierter privater Mittel werden viele Staaten kaum in der Lage sein, ehrgeizigere Ziele vorzulegen oder umzusetzen. Das gilt gleichermaßen für Investitionen in den Klimaschutz wie für dringend benötigte Anpassungsmaßnahmen, die oft zu kurz kommen.
Gleichzeitig wurde in Bonn deutlich, dass die Fortschritte bisher unzureichend sind. Die Mehrheit der Länder hat die informelle Frist im Februar 2025 zur Vorlage verbesserter Ziele verpasst, was Zweifel an der politischen Entschlossenheit aufkommen lässt. Der aktuelle geopolitische Kontext, geprägt von mehreren Krisen und zunehmenden Spannungen, erschwert zusätzlich das internationale Vertrauen und die notwendige Zusammenarbeit.
Dennoch sehen viele die kommende COP30 in Belém als zentrale Chance, um den Ambitionspfad wieder auf Kurs zu bringen und das Vertrauen in den multilateralen Klimaprozess zu stärken.
2.) Nebenveranstaltungen (Side Events)
„Aligning Just Transition in the UNFCCC Process with Real-World Action“ – organisiert von Climate Strategies, GIZ, SFOC, CAN International
Diese Abendveranstaltung bot sowohl politische als auch praktische Einblicke in Just Transition. Ana Toni (COP30 Präsidentschaft) und GIZ-Direktor:innen hoben die Notwendigkeit hervor, trotz Verhandlungslähmung rasch zu handeln. Besonders spannend war die Vorstellung des Just Transition Fonds der koreanischen Provinz Chungnam – ein Beispiel für konkrete Umsetzung mit internationaler Relevanz. CAN International stellte ihre Erwartungen an COP30 vor, u.a. die Etablierung eines globalen Mechanismus für Just Transition sowie bessere Integration in NDCs und nationale Pläne.
„Addressing Investment Treaties to Achieve Article 2.1(c)“ – organisiert von E3G, IIED, CIEL, South Centre, SEATINI
Diese Diskussion zeigte, wie bestehende Investitionsverträge – insbesondere ISDS-Klauseln – als massives Hindernis für klimafreundliche Politik wirken. 62% der globalen fossilen Vermögenswerte im Ausland sind durch solche Klauseln geschützt, wodurch Klagen in Milliardenhöhe drohen könnten. Länder wie Südafrika und Kenia verfolgen aktiv den Ausstieg aus diesen Verträgen. Die Botschaft war klar: Die internationale Investitionsarchitektur muss dringend mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang gebracht werden.
Pressekonferenz zur NDC-Nachverfolgung – organisiert von E3G, OCI, ITUC, CAT/NewClimate
In einer Pressekonferenz von E3G, Climate Action Tracker, ITUC und OCI wurden aktuelle Entwicklungen zu den NDCs vorgestellt. Die vorgestellten Analysen zeigten, dass die meisten aktualisierten NDCs beinhalten Ziele für 2035, ohne jedoch die kurzfristig entscheidenden 2030-Ziele anzupassen. Viele neue NDCs sind wenig ambitioniert und lassen wichtige Sofortmaßnahmen aus (z.B. Pläne zum Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe). Positiv wurde die diplomatische Führungsrolle Brasiliens hervorgehoben. Besonders hervorgehoben wurde auch die Notwendigkeit, NDCs nicht nur als Zielsetzung zu sehen, sondern als Ausgangspunkt für klare politische Umsetzungspfade.
Allgemeine Eindrücke aus Bonn
Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer: Die brasilianische COP30-Präsidentschaft macht einen professionellen und engagierten Eindruck, während Akteure wie die Under2 Coalition und Organisationen aus der Zivilgesellschaft mit konkreten Vorschlägen und Projekten vorangehen. Der Weg zu einer ambitionierten COP30 bleibt steinig – aber die Chancen auf substanziellen Fortschritt sind noch da.
Die ZHAW als Mitorganisatorin eines Side Events
Ich war an der Konferenz Mitorganisator eines gut besetzten Side Events zum Thema urbane Klimapolitik und Gesundheit. Das Side Event mit dem Titel „Cities leading the way: advancing healthy and just transitions through urban climate action“ fand am 19. Juni 2025 im Rahmen der offiziellen Verhandlungen statt. Organisiert wurde es von der ZHAW, der London School of Hygiene & Tropical Medicine, C40 Cities und der indischen NGO YUVA. Der Fokus lag auf der Rolle von Städten bei der Umsetzung nationaler Klimapläne (NDCs, NAPs) sowie auf der Integration von Gesundheit und Gerechtigkeit in die Klimapolitik. Vertreter:innen aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten konkrete Beispiele aus Adelaide, indischen Städten und Europa.
In meinem Beitrag zeigte ich, wie naturbasierte Lösungen und urbane Bäume als klima- und gesundheitsfördernde Massnahmen in Städten wirken können, wie etwa zur Hitzeminderung, Luftreinigung und Verbesserung des öffentlichen Raums. Dabei präsentierte ich zahlreiche Forschungs- und Pilotprojekte aus der ganzen Schweiz. Ich betonte besonders die Bedeutung gesunder Böden und integrierter Planung für klimaresiliente Vegetationssysteme. Mein Beitrag schlug eine Brücke zur Forschung am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen zu Schwammstadt-Konzepten und urbaner grüner Infrastruktur.
Das Event stiess insgesamt auf reges Interesse und wurde von einem internationalen Fachpublikum aktiv diskutiert. Bis Ende Jahr sind weitere, virtuelle Austausche geplant, um die gewonnenen Erkenntnisse weiterzutragen und die Vernetzung zwischen Forschung und Praxis zu stärken.
Zwei Veranstaltungshinweise an der ZHAW zum Thema dieses Side Events:
- IUNR Fachtagung – International Sponge City Days am 19./20. März 2026
- CAS Schwammstadt ab 3. September 2026