Von Saskia Wyss
Der Begriff Metaverse schwirrt durch die Köpfe von Marketers, man weiss noch nicht – wie oft bei neuen Technologien – wohin die Reise geht. In diese Plattformen wird kräftig investiert, und Mark Zuckerberg hat im letzten Herbst sogar seinen Konzern in Meta umgetauft. Das will was heissen. Wir haben bei Urs Langenegger, Experte für Virtual und Augmented Reality, Co-Founder der Bandara VR GmbH sowie Gastreferent beim CAS Digital Brand Management nachgefragt, wie er die Lage einschätzt. Insbesondere hat uns interessiert, wo er den Einsatz von Metaverse im Brand Management sieht.
Zum Einstieg die Frage – was ist denn eigentlich das Metaverse bzw. was sind Metaverse-Plattformen? Kannst du das kurz erklären?
Das Metaverse ist im Grunde das Internet. Ein Internet jedoch, dass sich weiterentwickelt hat und eine neue Form der Nutzung und Interaktion ermöglicht. Der Ausdruck «from scrolling to strolling» bringt das schön auf den Punkt: Statt sich durch Websites zu klicken, taucht man als Avatar in begehbare, virtuelle 3D-Welten ein und trifft auf andere Avatare. Besonders immersiv ist dieses Erlebnis, wenn man eine VR-Brille nutzt – das Gefühl wirklich vor Ort zu sein wird damit sehr stark (man spricht dabei von «Presence»). Man kann aber auch via Smartphone oder Laptop ins Metaverse eintauchen.
Eine vollständige oder exakte Definition des Metaverse ist jedoch relativ schwierig zu geben. Denn beim Metaverse handelt es sich noch um eine Vision, die noch einige Zeit für eine Realisierung benötigt. Wir sehen aber bereits verschiedene Ansätze und Technologien, welche diese Vision bereits formen. Dazu gehören auch die von Euch erwähnten Metaverse-Plattformen. Dabei handelt es sich um virtuelle Welten, die auf Game Engines basieren und verschiedene Merkmale des Metaverse bereits aufweisen. So sind beispielsweise «Fortnite» im Creative-Modus oder «Roblox» Plattformen, die schon sehr häufig genutzt werden und die es Nutzer und Nutzerinnen erlauben, eigene Experiences oder Welten darauf zu bauen. Andere Plattformen wie «The Sandbox» oder «Decentraland» haben zwar weniger User, basieren aber bereits auf einem dezentralisierten Netzwerk, welches auf der Blockchain basiert – für viele ein wichtiger Bestandteil des Metaverse.
Weshalb sind Metaverse-Plattformen für Brand Manager wichtig?
Diese Plattformen können für Brand Manager aus zwei zentralen Gründen wichtig sein. Zum einen kann je nach Produkt und Unternehmen die Zielgruppe bereits sehr gut auf diesen Metaverse-Plattformen erreicht werden. Wer zum Beispiel eine jugendliche Zielgruppe erreichen will, sollte sich mit Plattformen wie Roblox oder Fortnite beschäftigen: Roblox wird beispielsweise täglich von über 40 Millionen Usern weltweit genutzt, welche im Schnitt 2.6 Stunden pro Tag auf der Plattform verbringen.
Zum anderen sind diese Metaverse-Plattformen wichtig, weil sie aufzeigen können, wohin sich die Vision des Metaverse entwickelt. Nur wenn wir erste Erfahrungen sammeln, können wir verstehen, wie sich ein Unternehmen oder Brand auf diesen Plattformen inszenieren kann. Oft hilft ein Vergleich mit dem Aufkommen des Web 2.0 oder von Social Media: Bis dahin fand die Kommunikation oft noch einseitig statt, und viele Unternehmen haben dieser Entwicklung keine grosse Bedeutung zugemessen. Heute kann sich kaum ein Unternehmen mehr erlauben, nicht auch auf diesen Kanälen präsent zu sein. Wir befinden uns heute bereits im Übergang vom Web 2.0 hin zum neuen Internet.
Konkreter noch: Inwiefern kann das Metaverse die Brand Experience verbessern?
Ein entscheidender Faktor ist, dass man im Metaverse der Zielgruppe nicht einfach Werbung zeigt, sondern sie in gebrandete Welten eintauchen lässt – gut umgesetzt ist das Marketing, das die Bezeichnung «Brand Experience» auch verdient. Und das sich eben nicht wie Werbung anfühlt, sondern wie ein Erlebnis, das man mit Freunden teilen kann.
Was sind Faktoren, die im Brand Management besonders zu berücksichtigen sind, wenn man sich für Metaverse-Plattformen entscheidet?
Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich die Demografie. Wenn Sie ein junges, technikaffines Zielpublikum haben, erreichen Sie dieses heute sicherlich besser auf diesen Plattformen als andere. In meinen Augen ist es aber auch sehr wichtig, eine authentische und spassige Brand Experience zu haben. Wenn Sie eine virtuelle Begegnungszone schaffen, die Jugendliche ansprechen soll, müssen sie auch verstehen, welche Mechaniken oder visuellen Aspekte dafür wichtig sind. Vergleichen wir es mit TikTok, wo es in meinen Augen regelmässig Videos gibt, die von Erwachsenen produziert sind und Jugendliche ansprechen sollen – mit dem entsprechenden «Cringe»-Faktor. Deshalb ist es auch wichtig, diese Zielgruppe nicht nur verstehen zu wollen, sondern in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor ist die Dreidimensionalität und die Avatarisierung des Metaverse – also, dass wir als digitale Abbilder unserer selbst darin navigieren. Das bedeutet, dass sich Brand Manager auch überlegen müssen, wie sich ein Auftritt im Metaverse gestalten soll: Von einer möglichen gebrandeten Begegnungszone bis hin zum Aussehen und der Persönlichkeit von Avataren. Gerade deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, hier bereits erste kleinere Experimente zu tätigen, um genau diese Fragen zu klären.
Wie setzen Unternehmen bisher das Brand Management im Metaverse um? Wie sieht es konkret in der Schweiz aus?
Relevante Beispiele aus der Schweiz gibt es noch kaum, international tut sich aber sehr viel: Nike hat beispielsweise das Nikeland auf Roblox eröffnet, das zum Zeitpunkt des Interviews schon über 15 Millionen Besucher und Besucherinnen angelockt hat. Aber auch Brands wie Coca-Cola, Adidas, Gucci, Hyundai oder Carrefour sind auf Metaverse-Plattformen vertreten.
Es gibt aktuell auch viele Projekte, welche sich auf NFTs fokussieren – also «Non Fungible Tokens» als auf der Blockchain basierende eindeutig zuweisbare, digitale Güter. Diese können wichtige Aspekte des Metaverse der Zukunft sein, weil immer mehr Menschen rein digitale Güter (ob Kleider oder Ausstattungsgegenstände) erwerben.
Zum Schluss noch eine etwas allgemeinere Frage: Wenn man sich über das Thema Metaverse informiert, kriegt man fast ein wenig den Eindruck, dass das die Lösung schlechthin ist, wenn es um Kundenorientierung geht – wird es andere Kanäle wie Social Media, Blogforen etc. ersetzen? Oder wie ist das Metaverse einzuordnen?
Das ist keine einfache Frage und ich denke die Antwort dazu wird die Zukunft zeigen. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir in einer frühen Phase sicherlich verschiedene Plattformen sehen werden, welche an Wichtigkeit zunehmen und die im Rahmen der Omnichannel-Kommunikation eine wichtige Rolle spielen können. Langfristig kann ich mir jedoch gut vorstellen, dass gerade Social Media vom Metaverse abgelöst wird. Da wird aber kein klar definierbarer Zeitpunkt sind, sondern fliessend verlaufen. Hier wird auch wichtig sein zu sehen, wie Meta damit umgeht. Mit Facebook und Instagram ist das Unternehmen bei Social Media sehr stark aufgestellt, und mit «Meta Horizon Worlds» hat Meta dieses Jahr in den USA und Kanada seine eigene virtuelle Welt lanciert, welche die Vision, von einer «Social Media Company» zu einer «Metaverse Company» zu werden, unterstreicht.