Von Stephan Koch
Wer dieser Tage ferngesehen hat oder aufmerksam durch Schweizer Städte und Dörfer gegangen ist, konnte sie nicht übersehen: Die Kommunikationskampagne der Schweizer Gaswirtschaft. In den Werbebotschaften wird jeweils ein Alltagsgegenstand mit der Energiezukunft in Zusammenhang gebracht. Es wird etwa gefragt “Was hat ein Heizkörper mit unserer Energiezukunft zu tun?”. Wer sich für diesen Zusammenhang interessiert, kann ihn auf einer Website nachlesen. Was steckt hinter dieser Kampagne?
Der tragische Auslöser
Der Ursprung liegt schon ein paar Jahre zurück. Sie können sich erinnern: Am 11. März 2011, 14:46 Ortszeit wird Japan von einem der schwersten Erdbeben in jüngerer Zeit heimgesucht. Die Stärke betrug 9.0 auf der Richter-Skala. Es folgten einige Nachbeben, wovon das Stärkste immer noch eine Magnitude von 7.9 aufwies. Nach diesen Erdstössen, welche an und für sich bereits grosses menschliches Leid und verheerende Schäden angerichtet hatten, trafen Flutwellen auf die Küste von Japan, welche sich bis zu 23 Meter hoch auftürmten. Für das Kernkraftwerk in Fukushima, welches direkt an der Küste liegt, bildeten diese den Super-GAU. Die Stromversorgung der Reaktoren wurde unterbrochen. Gleichzeitig wurden die Öltanks der Notstromversorgung von der enormen Wucht der Welle weggespült. Die Wasserkühlung der Reaktoren eins und zwei fallen aus. Ca. 4 Stunden später melden japanische Medien einen Brand in einem Reaktor. Nochmals zwei Stunden später beginnt die japanische Regierung mit der Evakuation der Bevölkerung in einem Radius von 3 Kilometer um die Kraftwerkszentrale in Fukushima. 24 Stunden nach dem Erdbeben und der Tsunami muss die Schutzzone auf 20 Kilometer ausgedehnt werden, nachdem es zu einer Wasserstoffexplosion in Reaktor eins gekommen ist und eine Kernschmelze eingesetzt hat. Zehntausende Menschen müssen ihre Häuser verlassen und können wahrscheinlich nie mehr zurückkehren.
Ein Umdenken findet statt
Das Ereignis erschütterte die ganze Welt und hatte nur wenige Tage nach der Katastrophe zur Folge, dass die Technologie zur Erzeugung von elektrischer Energie mit Kernspaltung in nicht wenigen Ländern hinterfragt wurde. Deutschland hat bis heute am konsequentesten reagiert. Alle 17 vor Fukushima kommerziell genutzten Reaktoren müssen bis in drei Jahren vom Netz genommen werden. Aber auch in der Schweiz hatte der politische Prozess unmittelbar nach dem verhängnisvollen Ereignis eingesetzt und führte nur wenige Monate später zu einem ähnlichen Ergebnis wie in Deutschland: In der Schweiz dürfen keine neuen Kernkraftanlagen mehr gebaut werden. Um die Abhängigkeit vom Ausland jedoch klein zu halten und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wurden Massnahmen beschlossen, um die durch den Ausstieg aus der Kernenergie ausbleibende Stromproduktion zu ersetzen. Gaskombikraftwerke kamen politisch für diesen Ersatz aufgrund ihrer klimaschädlichen Wirkung nicht in Frage. Neue Lösungen mussten gefunden werden. Eine Energiestrategie, welche eine Energiewende herbeiführen soll, wurde vom Bundesrat definiert und im Mai 2017 vom Stimmvolk angenommen. Sie basiert auf dem Zubau erneuerbarer Energien und einer gesteigerten Energieeffizienz, welche nicht nur den Bereich Strom, sondern auch die Bereiche Wärme und Mobilität umfasst.
Gas als Teil der Energiewende
In diesem durch “Fukushima” und der “Klimadiskussion” geprägten Umfeld steht ein grundsätzlich fossiler Energieträger wie das Gas und dessen Vertreter vor mindestens zwei zentralen Herausforderungen: Auf welche Weise kann der Einsatz des Energieträgers einen Beitrag zur Energiezukunft und damit zur Energiewende leisten und wie macht man dies den Kunden klar. Hier schliesst sich der Kreis zur eingangs erwähnter Kampagne. Dieser ging nicht nur ein langer Prozess der Entwicklung voraus, sondern auch eine intensive Findung der Branche. Das Resultat dieser Findungsphase ist in den Fragen wiedergespiegelt, welche auf Leitmedien wie Plakaten, TV-Spots oder Anzeigen gestellt werden – Was hat ein Heizkörper, ein Apfel, ein Spiegelei oder der Regen mit unserer Energiezukunft zu tun? In dieser ersten Phase der auf längere Zeit ausgelegten Kommunikationskampagne soll es offensichtlich das Ziel sein, dem Publikum Wissen über den Energieträger, dessen Herkunft und dessen Anwendungen zu vermitteln. Hierzu wird auf dem Hauptmedium der Kampagne, der Landing-Page, ausführliches Informations-Material bereitgestellt. Aus kommunikativer Sicht interessant ist zudem der Zusatz “Je mehr man darüber weiss, desto mehr macht es Sinn” der auf den Plakaten und in Inseraten zu sehen ist.
Er nimmt bereits vorweg, oder besser gesagt suggeriert, was wahrscheinlich in der zweiten Phase der Kommunikationskampagne zentral sein wird, nämlich die Veränderung der Einstellung der Bevölkerung gegenüber dem Gas. Tendenziell wird Gas heute zwar als günstiger und einigermassen sauberen Energieträger wahrgenommen, dass er jedoch Teil der Energiewende und ein fortschrittlicher, zukunftsgerichteter Energieträger sein soll, steckt weniger in den Köpfen. Deshalb – Je mehr man sich informiert, desto mehr soll einem klar werden, dass Gas eine wichtige Rolle einnimmt, um die Energiewende zu ermöglichen. Ob dies gelingt werden die Verantwortlichen mit der entsprechenden Wirkungsmessung über Marktforschung nachweisen müssen. Man darf gespannt sein, wie die Kampagne in den nächsten Monaten weiter umgesetzt wird.
Mehr über über die gazenergie-Kampagne:
Über den Autor
Stephan Koch ist stellvertretender Geschäftsführer bei die werke versorgung wallisellen ag und dort für den Bereich Geschäftsentwicklung und Energiewirtschaft verantwortlich. In dieser Funktion beschäftigt er sich zusammen mit seinem Team intensiv mit der Energiewende und den sich damit eröffnenden, neuen Geschäftsmodellen. Seine Freizeit widmet er seiner Frau, seinen zwei Kindern und Tibet-Terrier Ba-Lan.