Von dreckigen Unterhosen in der Bundesverwaltung

Von Cécile Stäger

Es war einmal eine vergrabene Unterhose, ein Bodenforscher und ein Hashtag. So beginnt das Märchen über die erfolgreiche Bekanntmachung eines wichtigen, aber wenig beachteten Themas.

Doch von vorne: Bei Agroscope, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, ist der Boden ein wichtiger Forschungsgegenstand. Nur mit einem gesunden, fruchtbaren Boden kann eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion sichergestellt werden. Millionen kleinster Bodenlebewesen, von Regenwürmern über Asseln bis hin zu Pilzen und Bakterien, bilden einen gigantischen Organismus und sorgen mit ihrer Zersetzungsarbeit von Pflanzenresten für wichtige Nährstoffe im Boden. Grundsätzlich gilt: je mehr Bodenlebewesen, desto gesünder der Boden.

Doch dieses faszinierende Reich unter unseren Füssen wird wenig wahrgenommen und seine wichtigen Funktionen vielfach unterschätzt. Agroscope wollte deshalb im Rahmen eines entsprechenden Forschungsprojektes dazu beitragen, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und ihr aufzeigen, dass es eine grosse Bodenbiodiversität gibt, die zu fruchtbarer Erde beiträgt.

Erzähl mir (k)ein Märchen

Doch wie bringt man dem breiten Publikum eine solch verborgene und auf den ersten Blick eher langweilige Materie näher? Eine geeignete Form der Wissensvermittlung ist das sogenannte Storytelling. Durch eine Geschichte werden Bilder und Assoziationen geweckt und Emotionen hervorgerufen, womit eine Botschaft leichter aufzunehmen ist und nachhaltig in Erinnerung bleibt. Das Grundrezept für eine gute Geschichte setzt sich folgendermassen zusammen: ein interessanter Protagonist, ein Setting, mit dem sich die Menschen identifizieren können, ein plakatives, einfach zu vermittelndes Bild, ein Ereignis und eine Auflösung. Humor kann dabei ein geeignetes Stilmittel sein, um eine Botschaft erfolgreich zu vermitteln (1).

In unserem Fall erzählt die Geschichte also von einer Baumwollunterhose, die im Boden vergraben und später wieder ausgegraben wird und die durch ihren Verrottungsgrad anschaulich vermittelt, was im Boden vor sich geht und wie es um seine Qualität steht. Hintergrund dieser Idee ist die internationale Kampagne #SoilYourUndies, die von amerikanischen Bauern ins Leben gerufen wurde. Im Juni 2019 lud Agroscope also zum «Tag des unterirdischen Lebens» und vergrub zusammen mit Familien Baumwollunterhosen, um sie zwei Monate später wieder auszugraben. Je stärker zersetzt die Unterhosen nach zwei Monaten waren, desto aktiver die Bodenlebewesen und desto gesünder der Boden. Die verborgene Welt des Bodens wurde damit auf humorvolle Weise sicht- und erlebbar gemacht.

Der Protagonist der Story: Die Baumwollunterhose. Foto: Nicolas Zonvi

Während wir unsere eigenen Kommunikationskanäle mit der Geschichte bespielten, wurde der Event medial begleitet und stiess schweizweit auf grosses Echo. 20 Minuten etwa titelte: «Bund ruf dazu auf, Unterhosen zu vergraben»; auch Schweiz aktuell berichtete darüber und sogar bei Glanz und Gloria fand das Thema Einzug, um nur einige Medienbeiträge zu nennen.

Reputationsverlust oder Aufmerksamkeitsgewinn?

Der Grat aber war schmal: Zu viel Dreck an den Unterhosen und es hätte ein Reputationsverlust gedroht. Darf die Bundesverwaltung dazu aufrufen, Unterhosen zu vergraben? Muss es gerade eine Unterhose sein? Eine staatliche Institution ist unter starker Beobachtung der Medien und der Öffentlichkeit. Eine solche Geschichte könnte auch schnell nach hinten losgehen. Zu unseriös, zu vulgär, zu dreckig. Entsprechende Kommentare in den Online-News-Portalen liessen auch nicht lange auf sich warten: «Ihr seid nicht mehr dicht […]», «da wird sich die ganze Welt über die Schweiz lustig machen […]» oder «[…] Kasperlis in der Landesregierung […]» (2).

Klar aber ist: Ohne den Protagonisten Unterhose wäre das mediale Echo und damit die Sensibilisierungskraft für das Thema nicht so gross gewesen.

Ein Blick in unser Medienmonitoring zeigt denn auch deutlich: Die Unterhosen-Aktion war ein Erfolg; das Thema Boden hat in dieser Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten und zur Sensibilisierung der Bevölkerung beigetragen. Gleichzeitig hat sie zu einem Bekanntheits- und Reputationsgewinn für Agroscope und seiner Boden-Forschung geführt. Ein klassisches Happy End also.

Die Abbildung zeigt einen Auszug aus der Analyse der Medienberichterstattung 2019 zu Agroscope. Der Auszug vergleicht die Resonanzwerte (Anzahl Medienbeiträge) und die Tonalitätswerte der vier wichtigsten Kommunikationsereignisse von Agroscope. Der Tonalitätswert zeigt die Bewertung innerhalb der Ereignisse für einen bestimmten Zeitraum. Er kann maximal +100 (vollständig positiv) bis -100 (vollständig negativ) annehmen. Mediensample: 42 Schweizer Nachrichtenmedien. © commsLAB AG / fög – University of Zurich

Erzählen oder nicht erzählen?

Beim Abwägen, ob und wie man eine Geschichte publizieren und pushen soll, ist geraten, sich an ein paar Grundsätze zu halten und sich vorab insbesondere folgende Fragen zu stellen:

  • Was ist das Ziel der Geschichte? Geht es um eine Einstellungsänderung, um eine Wissensvermittlung oder darum, Aufmerksamkeit zu generieren?
  • Wie sieht der gesellschaftliche Kontext aus? Ist es der richtige Zeitpunkt für eine solche Geschichte? Werden keine Gefühle und Werte verletzt?
  • Entspricht die Geschichte dem Leitbild? Es ist wichtig, dass man seinem Leitbild und seinen Werten immer treu bleibt. In unserem Fall war das der Forschungskontext und die Seriosität und Relevanz der Bodenforschung. Entsprechend achteten wir darauf, dass bei der Berichterstattung immer der Forschungskontext im Vordergrund stand.
  • Nehmen Sie kritische Stimmen in Kauf: Gewisse kritische Stimmen lassen sich nicht vermeiden, denn man kann es nie allen recht machen. Was zählt, ist die Gesamtbilanz und das Erreichen des Kommunikationsziels.

Und die Moral von der Geschicht’? Es lohnt sich, ab und an die Komfortzone zu verlassen und eine gewagte Geschichte zu erzählen, die die Leute packt und Emotionen auslöst:

Die Baumwollunterhosen wurden also im Boden vergraben und warteten zwei Monate auf ihre Ausgrabung. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann … ist das kein gutes Zeichen für die Bodenqualität. The End.

Quellen:

(1) Vgl. Martin Eisend und Alfred Kuß (2009). Humor in der Kommunikation. In: Manfred Bruhn, Franz-Rudolf Esch, Tobias Langner (Hrsg.): Handbuch Kommunikation. S. 629-644. Wiesbaden: Gabler).

(2) Kommentarspalte 20 Minuten: https://www.20min.ch/schweiz/news/story/Bund-ruft-dazu-auf–Unterhosen-zu-vergraben-30658358

Über die Autorin

Cécile Stäger arbeitet als Kommunikationsspezialistin bei Agroscope an der faszinierenden Schnittstelle von Forschung, Politik und öffentlicher Verwaltung. Zurzeit absolviert sie den CAS Marketing- und Corporate Communications, um ihre Kenntnisse in diesem sich schnell wandelnden Bereich aktuell zu halten und zu vertiefen.


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