Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen im Internet diskutiert werden, können die im Social Web geäusserte Kritik an den eigenen Leistungen dank entsprechenden Monitoring-Tools identifizieren und in die Verbesserung des Leistungsangebots miteinbeziehen. Organisationen, welche jedoch nicht nur passiv die Kommunikation im Social Web verfolgen wollen, sondern aktiv nach Möglichkeiten zur Mehrwertgenerierung über die Integration der Kunden in die Wertschöpfung suchen, müssen als authentische und glaubwürdige Partner wahrgenommen werden.
Welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation zwischen Unternehmen und Kunden im Social Web gelten, erklärt Sandro Graf. Er ist Dozent für Marketing und verantwortet den neuen Zertifikatsstudiengangs (CAS) in Digital Marketing. Der Studiengang thematisiert nebst Instrumenten des Digital Marketing ebenfalls die Möglichkeiten der Kundenintegration im Social Web.
Es wird im Web 2.0 viel von Interaktion und Kooperation gesprochen: Was heisst das konkret?
Sandro Graf: Die Kooperation ist die Königsdisziplin im Web 2.0. Kooperation bedeutet, dass man etwas gibt, ohne sofort mit einer Gegenleistung zu rechnen. Die Kooperationspartner erwarten vielmehr, dass vielleicht irgendwann etwas zurückkommt – vielleicht aber auch nicht. Das ist der grosse Unterschied zur reinen Transaktion, wo einem Wert immer ein sicherer Gegenwert entspricht. Kooperation bedingt deshalb – neben der gegenseitigen Bereitschaft zu kooperieren – eine hohe Glaubwürdigkeit und seitens der Kunden Vertrauen ins Unternehmen.
Ein Unternehmen will aber in erster Linie Geld verdienen – warum soll es dann kooperieren, wenn es mit einer Transaktion auf der sicheren Seite steht?
Natürlich können Sie sich als Unternehmer auch rein transaktional im Web bewegen. Doch wenn der Konsument mit dem Unternehmen kooperiert – und umgekehrt natürlich –, dann gibt der Kunde auf der Vertrauensbasis auch mehr von sich preis. Zum Beispiel mehr persönliche Daten. Wenn Sie sich nur überlegen, welchen Unternehmen Sie Ihre Handynummer bekanntgeben: bei Google eher weniger, wohl aber bei der Migros. Und manchmal kann ein Unternehmen auch viel Geld sparen: Bei der Support-Plattform von Swisscom zum Beispiel werden die meisten der technischen Probleme der Kundschaft von anderen Usern gelöst – die Swisscom-Angestellten beobachten nur und schalten sich ein, wenn die User an eine Grenze stossen.
Das ist die Seite des Unternehmens – doch was hat der Kunde davon, wenn er seine Freizeit dafür verwendet, anderen Kunden bei ihren Problemen zu helfen?
Er kann seine Kompetenz darstellen, unter den Usern einen gewissen Status erreichen und bekommt vom Unternehmen vielleicht Vorteilsangebote. Und der Mensch hat soziale Präferenzen. Es ist grundsätzlich ein Bedürfnis des Menschen, zu kooperieren – das haben viele Studien gezeigt. Nur ein geringer Teil ist ein sogenannter Freerider, also eine Person, die ausschliesslich an ihren eigenen Nutzen denkt. Und dann spielt das Umfeld eine Rolle: Ein System kann jemanden auch zum Egoisten machen – aber genauso zum Kooperationspartner.
Das Interview ist im Hochschulmagazin ZHAW-Impact (Ausgabe 12/19) erschienen. Das Interview führte Sibylle Veigl.