Authentischer Marken-Aktivismus kann Preistoleranz erhöhen

Von Dr. Jesse Bächler

Im letzten Beitrag ging es um die drei Konsumententypen von “belief-driven buyers”, die jene Marken wählen, deren Wertesysteme mit den eigenen überlappen. In diesem Beitrag geht es um die Frage, unter welchen Umständen für diese unterschiedlichen Konsumenten-Segmente Marken-Aktivismus authentisch wirkt und wie sie sich durch den Brand-Funnel bewegen.

Sich für gesellschaftliche Werte einzusetzen, gehört für gewinnorientierte Unternehmen eigentlich nicht zum Kernauftrag. Auch wenn gesellschaftliches Engagement (“Corporate Social Responsibility”, CSR) besonders für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse zum guten Ton gehört, dominiert in einem gewinnorientierten Betrieb die ökonomische Nachhaltigkeit. Dennoch verlangen immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten, dass Unternehmen auch soziale und ökologische Nachhaltigkeit verfolgen. Marken, die dieser Forderung gerecht werden wollen, müssen unter Umständen einen ziemlichen Spagat vollziehen, denn nicht überall ist pro-soziales Handeln direkt erkennbar in die Marken-DNS geschrieben.

Unterschiede in den Anforderungen an Authentizität

Woran Konsumentinnen und Konsumenten “Authentizität” festmachen, zeigt die nachfolgende Grafik. Der gelbe Balken repräsentiert jeweils die gesamthaften Mittelwerte. Die Skalenpunkte sind wie folgt zu lesen: 1 steht für «stimme überhaupt nicht zu», 4 steht für «stimme voll und ganz zu». Alle Werte unter 2.5 sind entsprechend eher ablehnend gegenüber der Aussage, Werte über 2.5 sind eher zustimmend.

Zunächst einmal können Marken selbst dann authentisch wirken, wenn sie ein Trendthema bearbeiten und dabei neutral bleiben. Man muss also nicht polarisierender Pionier sein, um glaubwürdig herüberzukommen. Authentizität entspringt für die Befragten – in vergleichbarem Ausmass – anderen Quellen:

  • Wenn die Marke offen dazu steht, dass sie letztlich Geld verdienen will;
  • Wenn die Marke trotzdem auf Einnahmen verzichtet, um ihre Werte zu realisieren;
  • Wenn das Themenfeld zur Marke passt;
  • Wenn die Marke in ihrem Themenfeld mit gutem Beispiel vorangeht.

Im Vergleich der “belief-driven buyers” ist das Muster intuitiv: Je stärker ausgeprägt, desto höher sind die Erwartungen an authentische Marken. In zwei Punkten wird es durchbrochen: Alle drei Konsumententypen sind sich jeweils einig, dass Marken nicht ein beliebiges Thema bearbeiten sollten und dass sie sich bei der Themenwahl nicht zwingend auf Randthemen stürzen müssen.

Beide Punkte kommen Marken und Menschen zugute: Damit wir unsere Probleme überhaupt auf die politische Agenda setzen und irgendwann zu einer Lösung finden können, muss die öffentliche Aufmerksamkeit gebündelt werden. Marken sollen bei ihrem Aktivismus ihre Ressourcen in die Problembewältigung stecken, nicht in die Problemsuche. Und wenn Marken im gleichen Themenfeld Produkte sowie politische Inputs entwickeln, erzeugen sie nicht nur Synergien, sondern tragen damit tatsächlich “zu einer besseren Welt” bei.

Bewegungen durch den Brand-Funnel

Authentizität allein erzeugt allerdings keinen Umsatz. Marken-Aktivismus kompensiert in den Augen der Befragten nämlich eine mangelhafte Qualität nicht – und auch bei der Convenience möchte man keine Abstriche machen. Wenn die Unternehmensleistung schwächelt, dann sollten die Ressourcen wohl besser in die Leistungsoptimierung als in gesellschaftlichen Aktivismus fliessen.

In der Consideration-Phase zeigt authentischer Marken-Aktivismus jedoch eine Wirkung auf die Zahlungsbereitschaft. Das gesellschaftliche Engagement einer Marke kann also einen preisrelevanten Mehrwert stiften.

In der Nachkaufs-Phase äussern die Befragten ausserdem eine tendenzielle Bereitschaft zur gezielten Unterstützung durch wiederholte Käufe – selbst bei Preiserhöhungen. Noch deutlicher ausgeprägt ist der Entschluss, die Marke weiterzuempfehlen; Marken-Aktivismus kann somit den NPS erhöhen.

Die Zahlungs-, Wiederkaufs- und Empfehlungsbereitschaft ist insbesondere bei den “Leaders” sehr deutlich ausgeprägt. Daran lässt sich der Reiz von Marken-Aktivismus gut nachvollziehen: Er hat die Macht, Kundenverbundenheit zu stärken und die Marke in einem bestimmten Kundensegment positiv zu differenzieren. Der Gewinn liegt allerdings weniger in einer höheren Loyalität als in einer höheren Preistoleranz und Zunahme von Word-of-Mouth.


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