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IAP-Studie: Wie führe ich mich selbst?

Posted on 28. Oktober 2020 by Redaktion

Diverse Studien und Erfahrungen aus der Praxis berichten über positive Auswirkungen von Selbstführung. Doch wie wird Selbstführung bei der Arbeit und insbesondere im selbstorganisierten Arbeitskontext erlebt und gelebt? Welche Kompetenzen braucht es dafür? Wie kann die Organisation Selbstführung unterstützen? Bisherige Studien aus der IAP Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» geben Hinweise darauf, dass die Anforderungen an Selbstführung im digitalen und agilen Wandel zunehmen. Die 4. IAP Studie untersuchte nun Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten. 32 Fach- und Führungspersonen wurden dafür zwischen Januar und März dieses Jahres interviewt. Die Befragten sind alle in Organisationen tätig, die bereits Erfahrung in der Umsetzung von selbstorganisiertem Arbeiten haben. Die Ergebnisse verdeutlichen ein breites Verständnis von Selbstführung.

Text: Ellen Gundrum, Anna-Lena Majkovic und Delia Frigg
Illustration: Marius Dihr

Was ist Selbstführung?
Die Arbeitswelt wird flexibler, die Hierarchien flacher und Mitarbeitende müssen Wege finden, um mit dem kontinuierlichen Wandel adäquat umzugehen. Unternehmen sind gefordert, auf diese Herausforderungen zu reagieren und ihre Mitarbeitenden mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten. Vermehrte Selbstführung ist eine Folge und ein Mittel gleichermassen, um diese Herausforderungen gut meistern zu können.

Selbstführung umfasst dabei nicht nur das Management von Zeitressourcen und Aufgaben-Priorisierung, sondern integriert auch Aspekte wie Energiemanagement, Stressmanagement, Selbstmotivation und Selbstentwicklung (Graf, 2019). Die angewandte Arbeits- und Organisationspsychologieforschung betont: Selbstführung hat positive Auswirkungen auf die Arbeitsleistung (z. B. Panagopoulus & Ogilvie, 2015), Kreativität und Innovation (z.B. DiLiello & Houghton, 2006). Auch verdeutlichen bisherige Forschungsergebnisse, dass Selbstführung mit weiteren positiven Faktoren, wie zum Beispiel effektiveren Bewältigungsstrategien, Optimismus, besserer Gesundheit oder weniger Stress im Arbeitsleben, einhergeht (Dolbier et al. 2001).

«Wir reflektieren regelmässig, ob wir noch richtig unterwegs sind und passen allenfalls die Abmachungen an. Die dafür investierte Zeit ist äusserst wertvoll und sollte nicht unterschätzt werden.»

Michèle Berdat, Teilnehmerin der Studie

Welche Chancen und Vorteile hat Selbstführung?
Die Befragten schätzen den erweiterten Gestaltungsraum und die Einflussmöglichkeiten durch eigene Entscheidungen. Dadurch wird die Selbstwirksamkeit gestärkt und das Gefühl der Sinnhaftigkeit erhöht. Motivation und Engagement nehmen zu. «Indem ich mich selbst führe, gestalte ich eigene Freiräume und erlebe mich wirksam», beschreibt die Interviewpartnerin Pamela Aeschlimann ihre persönlichen Vorteile und Chancen.

Welche Herausforderungen erschweren Selbstführung?
Die kontinuierliche Selbstreflexion wird als grösste Herausforderung empfunden. Durch eine verstärkte Motivation der Teilnehmenden und gesteigertes Engagement fällt es einigen schwer, sich von Aufgaben und unternehmerischen Anforderungen abzugrenzen und Verantwortungen auch mal abzulehnen. Selbstführung erfordert viel Ausdauer und Disziplin, wodurch Frust und Scheitern erlebt werden kann. Der eigene und unternehmerische Anspruch, Aufgaben selbstverantwortlich zu bewältigen, fördert Eigeninitiative und den Qualitätsanspruch an das eigene Arbeitsergebnis.  Dies kann zu Überforderung oder Selbstüberschätzung führen.

Welche Kompetenzen sind erforderlich?
Grob lassen sich die benannten Kompetenzen in die Cluster intrapersonelle Fähigkeiten, interpersonelle Fähigkeiten, Fachkompetenzen/Wissen und Selbstsicherheit einteilen. Bei den intrapersonellen Fähigkeiten werden die Reflexion persönlicher Stärken und Schwächen sowie eine gute Selbsteinschätzung hervorgehoben. Empathie, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sind wichtige Kompetenzen im interpersonellen Bereich. Im Bereich der Fachkompetenzen/Wissen steht im Vordergrund, komplexe Themeninhalte erfassen und strukturieren zu können, Offenheit und Lernfähigkeit, sowie das Verständnis für die Organisation. Selbstinitiative/Selbstverantwortung sowie Mut/Selbstsicherheit und die Bereitschaft die Komfortzone zu verlassen werden in der Kategorie Selbstsicherheit häufig genannt.

«Die Organisation muss Selbstführung ermöglichen, fördern und wollen. Die Haltung muss von oben nach unten gelebt werden. Fehlschläge dürfen nicht bestraft werden, Mitarbeitende sollen daraus lernen.»

Javier Bargas, Teilnehmer der Studie

Erfolgsfaktoren selbstgeführter Teams
Wie gelingt es, dass selbstorganisierte Teams effektiv und effizient zusammenarbeiten? Eine klare Mehrheit nennt die Bereitschaft für Selbstverantwortung als relevanten Erfolgsfaktor. Hier steht im Vordergrund, sich neuen Vorgehensweisen und Arbeitsmodellen neugierig zu öffnen und kontinuierlich zu lernen. Erfolgsrelevant ist gemäss den Teilnehmenden ausserdem, Ziele klar und detailliert zu definieren, genauso wie Rollen und Verantwortlichkeiten zu klären und transparent zu machen. Ein guter Teamzusammenhalt, Vertrauen auf Teamebene und eine gelebte Fehlerkultur sind essenziell, damit Teams ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Für den Prozess der Teamentwicklung ist es wichtig, gemeinsam als Team eine Fehlerkultur zu etablieren, damit die Zusammenarbeit erfolgreich sein kann.

Förderliche und hemmende organisatorische Rahmenbedingungen
Die Interviewteilnehmenden benennen transparenten Wissens- und Informationsaustausch sowie unterstützende Frameworks, Tools und Systeme als förderliche Rahmbedingungen. Dies kann technologische Systeme beinalten, aber auch Weiterbildungsangebote und/oder interne und externe Unterstützungspersonen. Eine Vision zu haben und zu wissen, welche Ausrichtung die Organisation verfolgt, betonen viele Interviewpartner/innen als sehr wichtig. Vorgesetzte und wesentliche Stakeholder können durch ihre Vorbildfunktion Selbstführung fördern. Gemäss der Erfahrung der Interviewteilnehmenden sollte Selbstführung ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Eine gelebte Fehlerkultur und damit einhergehendes Vertrauen stellen weitere Pfeiler einer lernförderlichen Unternehmenskultur dar. Unter hemmenden organisatorischen Faktoren fällt insbesondere die sanktionierende Organisationskultur. Genannt werden dabei Micromanagement und eine Angstkultur, welche Erfolge belohnt und Misserfolge bestraft. Als hinderlich wird auch empfunden, wenn die Handlungs- und Gestaltungsspielräume und damit die Entscheidungsbefugnis zu klein sind oder wenn Vorgesetzte/die Geschäftsleitung die Mitarbeitenden übersteuern. Nicht zuletzt kann auch wirtschaftlicher Druck hemmend wirken.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Anforderungen an Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten hoch sind. Gleichermassen gilt, dass vermehrte Selbstführung eine grosse positive Wirkung bei Mitarbeitenden, in Teams und in Organisationen entfalten kann.

Dr. Anna-Lena Majkovic ist wissenschaftliche Mitarbeiterin IAP Leitung.
In Co-Leitung verantwortet Sie die IAP-Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0», dazu gehört auch die Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten».

Ellen Gundrum ist Stabsstellenleiterin Strategische Marktbearbeitung und Koordination Dienstleistung am IAP.
In Co-Leitung verantwortet sie die IAP-Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0», dazu gehört auch die Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten».

Delia Frigg ist Praktikantin am IAP. Sie unterstützt das Team der Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» und hat bei der Auswertung und Präsentation der Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten» mitgearbeitet.

Mehr zum Thema:

IAP-Studie: «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0»

Literaturnachweis

DiLiello, T. C., & Houghton, J. D. (2006). Maximizing organizational leadership capacity for the future: Toward a model of self-leadership, innovation, and creativity. Journal of Managerial Psychology, 21(4), 319–337. doi:10.1108/02683940610663114

Dolbier, C. L., Soderstrom, M., & Steinhardt, M. A. (2001). The relationship between self-leadership and enhanced psychological, health, and work outcomes. The Journal of Psychology, 135(5), 469–485. doi:10.1080/00223980109603713

Graf, A. (2019). Selbstmanagementkompetenz in Organisationen stärken Leistung, Wohlbefinden und Balance als Herausforderung. Wiesbaden: Springer Gabler

Majkovic, A.-L., Gundrum, E., Weiss, S., Külling, C., Lutterbach S., Frigg, D. (2020). IAP Studie 2020. Trendstudie zum Verständnis, Relevanz und Anwendung einer wirksamen Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten. Zürich: IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Panagopoulos, N. G. & Ogilvie, J. (2015). Can salespeople lead themselves? Thought self-leadership strategies and their influence on sales performance. Industrial Marketing Management, 47(2015), 190–203. doi:10.1016/j.indmarman.2015.02.043

Die Führungsentwicklung der Zukunft. Ein Beispiel.

Posted on 9. September 2020 by Redaktion

Wie können sich Führungspersonen in einer unsicheren Welt auf eine unsichere Zukunft vorbereiten? Und wie kann ein Unternehmen sie dabei unterstützen? Uwe Neumann zeigt auf, wie man sich als Führungskraft auf die neue Situation mit ihren neuen Rollen vorbereiten kann.

Text: Uwe Neumann
Foto: Pixabay

Gleich vorweg: DIE Führungsentwicklung der Zukunft gibt es nicht.

Es kommt immer darauf an, in welcher Situation sich eine Organisation befindet, welche Strategien sie verfolgt, welche Organisationsprinzipien und welche Führungsbilder existieren und existieren sollen und natürlich welche Führungskompetenzen bereits vorhanden sind. Es gilt, diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung der Führungsentwicklung zu berücksichtigen. Eine Ausrichtung auf aktuelle Trends wie «Digital Leadership», «soziokratische Führungsansätze» o.ä. ist nur zu empfehlen, wenn dies auch zu den Bedingungen der Organisation passt und die Ziele der Organisation dadurch massgeblich unterstützt werden.

Wenn unser Team ein Kundenprojekt in Angriff nimmt, betrachten wir als erstes die operativen und strategischen Anforderungen an die Organisation und definieren Geschäftsanforderungen. Dann wird auf Basis einer GAP-Analyse (identifiziert Lücken in den Zielvorgaben) ein multiperspektivisches, modulares Design entwickelt, das strategische, strukturelle und kulturelle Aspekte berücksichtigt. In einem agilen Prozessdesign erfolgt schliesslich die Umsetzung und ständige Weiterentwicklung.

Die Rolle der Systemarchitekten

Nachfolgend beschreibe ich eine Führungsentwicklung für erfahrene Mitarbeitende eines Grossunternehmens mit mindestens 5 Jahren Führungserfahrung auf Senior Level. Alle Teilnehmenden haben bereits eine längere Führungsausbildung durchlaufen.

Die Kundenorganisation kann aktuell noch verglichen werden mit einem gut funktionierenden Räderwerk, mit klaren Prozessen und Strukturen. Aufgrund der sich wandelnden Anforderungen der Umwelt und einer Liberalisierung der Märkte ist das Unternehmen jedoch gezwungen, sich dynamischer aufzustellen, um am Markt schnell handeln zu können. Die Organisation als Ganzes muss sich verändern, um auch morgen noch erfolgreich zu sein. Um dies zu erreichen, wurde eine Gruppe von Führungspersonen ausgewählt, die auf ihre Rolle als Systemgestalter, als Systemarchitekten vorbereitet werden sollte.

Gemeinsam mit dem Management und dem HR wurden die Ziele und die einzelnen Bausteine der Qualifizierung definiert. So entstand nicht nur ein multidimensionales Konzept, sondern auch ein gemeinsames Commitment für die Umsetzung und den Entwicklungsprozess.

«Die Community soll sich als Keimzelle eines neuen Führungsverständnisses etablieren.»

Die Teilnehmenden sollten auf der einen Seite befähigt werden, ihre Rolle als Systemarchitekten in einer VUCA-Welt (volatil, unsicher, komplex und widersprüchlich) auszugestalten und zum anderen sollte eine «Community of Leadership Practice» aufgebaut werden, die sich noch lange nach der Qualifizierung gegenseitig unterstützt und als Keimzelle eines neuen Führungsverständnisses etabliert.

Auf der individuellen Ebene wurden Entwicklungsziele zwischen den Teilnehmenden und dem jeweiligen Vorgesetzten vereinbart. Gemeinsam mit einem Coach und einem People-Development-Team, das aus jeweils drei Teilnehmenden des Führungsentwicklungsprogramms bestand, wurde an der Umsetzung der Entwicklungsziele gearbeitet. In regelmässigen Abständen erfolgten Monitoringgespräche mit den Vorgesetzten.

Das Motto «Vom Kennen zum Können»

Auf kollektiver Ebene kamen zwei Elemente zum Einsatz, zum einen Präsenzmodule und zum anderen die Bearbeitung eines unternehmensweiten Projektes. Die Präsenzmodule dienten als Impulsgeber und Rahmen für die Projektbearbeitung. So wurde keine graue Theorie vermittelt, sondern Wissen, das gleich in die Anwendung kam. Kombiniert mit Reflexionsschleifen, neudeutsch Retrospektiven, gelang so der Kompetenzaufbau, ganz nach dem Motto «vom Kennen zum Können». Wir nennen das Real-Case-Learning.

  • Die Werkzeuge der Systemarchitekten
    Im ersten Modul setzten sich die Teilnehmenden mit den strategischen Herausforderungen auf der Unternehmensebene auseinander und beschäftigten sich eingehend damit, wie das System (die Organisation) zu gestalten ist, damit es langfristig Kundennutzen generiert und Mitarbeitende bereit sind ihr Bestes zu geben. In einem kollektiven Entscheidungsprozess wurden Projektideen entwickelt, diskutiert und letztlich verdichtet auf ein Projekt, das die Organisation als Ganzes in ihrer Weiterentwicklung unterstützt. Für dieses Projekt musste als erstes das obersten Management, als wichtigste Stakeholder gewonnen werden.
  • Die Zürcher Teampyramide als Basis für Produktivität und Innovationskraft
    Im zweiten Präsenzmodul reflektierten die Teilnehmenden die Führungsprozesse, sowohl auf sachlogischer als auch auf psychologischer Ebene anhand der Zürcher Teampyramide. Die speziellen Dynamiken von Teams und die Bedeutung des Stakeholdermanagements konnten gemeinsam entdeckt werden. Das Real-Case-Projekt diente als Spiegelfläche für diese Phänomene. Man konnte am eigenen Leib spüren, wie gut die einzelnen Elemente der Zürcher Teampyramide realisiert werden, wie wichtig Reflexionsschleifen sind und wie sie gestaltet werden können, um einen hohen Nutzen zu generieren.
  • Die Auseinandersetzung mit Self Leadership
    Die beiden letzten Präsenzmodule setzten sich mit Self Leadership auseinander. Also damit, wie man sich in dynamischen, komplexen und widersprüchlichen Zeiten orientieren kann, wie man gut aufgestellt ist und was man machen kann, wenn alles ins Wanken gerät. Wir waren und sind überzeugt, dass dieses Thema für diese Zielgruppe das wichtigste ist und haben entsprechend Zeit dafür investiert. Zugleich waren wir uns bewusst, dass man die Gruppe hierfür erst einmal gewinnen, dass man einen Raum von psychologischer Sicherheit aufbauen muss, um sich mit dem Thema Self Leadership ausreichend intensiv auseinandersetzen zu können.

Alle Themen der Präsenzmodule wurden durch entsprechende Wissensbausteine (Videos, Podcastkurse, Literatur etc.) im Vorfeld durch die Teilnehmenden bearbeitet. So war es möglich, die Präsenzzeit für die Verarbeitung und den Transfer zu nutzen. Die konkrete Umsetzung im eigenen Arbeitsbereich griffen die People Development-Teams auf, grössere Umsetzungsherausforderungen wurden in Leadership Circeln zusammen mit einem Facilitator bearbeitet.

Parallel zu diesem Prozess bauten wir eine Community of Leadership Practice  (aus der Praxis in der Softwareentwicklung abgeleitet) und eine Kollaborationsplattform auf. Hier konnten Fragen an die Gruppe gepostet, das kollektive Wissen angezapft oder interessante Beiträge zur Verfügung gestellt werden – genauso, wie man es auch von privaten Chatgruppen kennt.

Fehler als Lernerfahrung

In der Zwischenzeit haben wir diese Art Fortbildung bereits mehrere Male durchgeführt. Immer wieder passen wir sie an und diskutieren, in wieweit die Gruppe bestimmte «Fehler» im Real-Case-Projekt als Lernerfahrungen machen soll und wann wir als Verantwortliche dieses Programms intervenieren. Uns ist zunehmend bewusst geworden, dass wir als «Modell» für die neue Rolle der Führung dienen. Wir machen daher unser Handeln und unsere Überlegungen sehr transparent.

Diese Erfahrungen haben uns ermutigt, dieses Angebot nicht nur spezifisch für Unternehmenskunden anzubieten, sondern auch als Weiterbildung in einem CAS. Im CAS Agile Führung (flex) entwickeln die Teilnehmenden die erforderlichen Führungskompetenzen, um sich sicher in der VUCA-Welt zu bewegen.

Zum Autor
Seit 2012 ist Uwe Neumann am IAP Institut für Angewandte Psychologie als Dozent und Berater im Bereich Leadership, Coaching & Change Management tätig und leitet zudem die Führungsentwicklung.

Arbeiten aus der Ferne

Posted on 14. Juli 2020 by Redaktion

«Remote Work» ist ein Begriff, den viele Menschen wahrscheinlich zum ersten Mal hören. Obwohl seine Bedeutung nicht neu ist, hat er seit Corona massiven Auftrieb erhalten.

Text: Kathrin Fink
Bild: Shutterstock

Seit der Industrialisierung vor gut einem Jahrhundert ist es normal geworden, dass Menschen einen «Arbeitsort» haben – und der ist meistens nicht da, wo sie wohnen. Das Phänomen von langen Arbeitswegen, Schnellzügen und pendelnden, dauergestressten Grossstädtern war einige Jahrzehnte später perfekt.

Dieser Lebensstil könnte jedoch bald schon der Vergangenheit angehören, falls sich die Kultur mit dem neudeutschen Begriff «Remote Work» durchsetzen wird. Das Wort «remote» kennen Viele von der heimischen Fernbedienung, übersetzt heisst es «entfernt». Was Anfang der 60er-Jahre eine pure technische Neuerung war, um nicht aus dem gemütlichen Fernsehsessel aufstehen zu müssen, fasst heute eine ganze Arbeitskultur zusammen.

Ursprünglich aus Amerika, hat sich der Begriff seit Corona mehr und mehr in Europa verbreitet. Ein deutsches Äquivalent dafür wäre die «Tele-Heimarbeit». Geläufigere Begriffe, die schon länger durch nationale und internationale Unternehmen geistern, sind «Smart Work» oder «Flexible Work».

Ein komplett neues Verständnis von Arbeit

Dabei gilt zu unterscheiden, ob mit «Remote Work» einfach das Homeoffice mit mehr oder weniger den gleichen Regeln eines normalen Arbeitsplatzes gemeint ist oder ein komplett neues Verständnis von Arbeit.

Unternehmen konzentrieren sich oft auf die Umstellung der Infrastruktur oder Anpassungen von Versicherungsleistungen. So im Stil von: «Wer bezahlt bei einem Unfall im Homeoffice?», sagt Psychologin Birgit Werkmann-Karcher. Aber «Remote Work» beinhaltet insgesamt sehr viel mehr als arbeitsrechtliche oder organisatorische Fragen.

Eine ganze Generation von gut ausgebildeten, jungen Globetrottern möchte nicht mehr in altgedienten Strukturen mit Zeiterfassung, festem Arbeitsplatz und einem «Top-down»-Chef arbeiten. Sie wollen mit ihrer Zeit, sowie den Arbeits-Strukturen frei umgehen können. Viele Unternehmen können es sich schlicht nicht leisten diese Zielgruppe zu ignorieren.

Es braucht Grundsatzentscheidungen der Führung

In einer Zeit also wo Jede und Jeder mindestens einen Laptop, zwei Handys, drei Tablets und viele drahtlose Kopfhörer besitzt, ist die Herausforderung sicher nicht die technische Ausstattung, sondern viel mehr die Haltung der Führung eines Unternehmens. «Die Frage einer neuen Präsenz- und Arbeitskultur, wird von der Chefetage beantwortet werden», ist sich Birgit Werkmann-Karcher sicher. Man sollte grundsätzliche Entscheidungen treffen: «Brauchen wir wirklich drei Sitzungen vor Ort jede Woche oder würde eine reichen?», «Vertrauen wir unseren Mitarbeitenden, auch wenn wir nicht ständig wissen, wo sie sind?», «Welche Tätigkeiten eigenen sich überhaupt, um sie remote gut auszuführen?».

Wenn man nicht klar kommuniziert und für eine neue Kultur einsteht, ist die Gefahr eines «Rückfalls» in alte Gewohnheiten gross. Innovative Unternehmen könnten durch die Corona-Krise aber Auftrieb für ein neues Zeitalter der Arbeit bekommen. Wer diese Chance nutzt, wird sich zeigen.

Das IAP hat speziell für die aktuelle Zeit der neuen Normalität verschiedene Angebote zusammengestellt.
Neben Remote (Team)Work unterstützen wir in folgenden Themenbereichen:

  • Personalauswahl / Assessments
  • Distanzberatung / Laufbahn
  • Beratung für Organisationen
  • Digital Learning
  • Agile Leadership / Führung in Zeiten von VUCA
  • Self Leadership / Selbstmanagement
  • Teampsychologie

Alte Hasen lernen von Trendsettern – und umgekehrt

Posted on 30. Juni 2020 by Redaktion

Das «Praktikum Arbeitswelt 4.0» der Neustarter-Stiftung verbindet alte und neue Arbeitswelten, öffnet Türen und unterstützt gegenseitiges Lernen. Neustarter-Chefin Bernadette Höller im Interview.

Die Arbeitsplatz-«Fitness» von Menschen 49+ wird zunehmend eine Herausforderung in der digitalisierten, agilen Welt. Eine Initiative, die diesem Trend entgegenwirken möchte, ist die Neustarter-Stiftung. In Zusammenarbeit mit dem IAP Institut für Angewandte Psychologie entwickelte und testete sie 2019 und 2020 das «Praktikum Arbeitswelt 4.0». Das Angebot richtet sich an ältere Arbeitnehmende, oder Menschen, die schon sehr lange im gleichen Unternehmen sind.

Startups und alteingesessene Firmen mit einer speziellen Organisationsstruktur, wie der Taschenhersteller «FREITAG», nehmen die Praktikanten/-innen für einen Monat auf und ermöglichen ihnen Einblicke in ihre Kultur und Arbeitsweise.

Als Hochschulpartner untersucht das IAP die Wirksamkeit dieser Praktika und interviewt die Teilnehmenden vor und nach jedem Einsatz. Um einen genaueren Einblick in die konkrete Arbeit zu erhalten, hatte IAP Leiter Christoph Negri die Idee, eine eigene Mitarbeiterin ins Praktikum zu schicken. Stephanie Claus, Stabsstellenleiterin Administration (die eigentlich noch viel zu jung ist 😉), stellte sich gerne zur Verfügung und war während ihrem Einsatz bei «WeSpace», einem Co-Working-Space, an der Bahnhofstrasse in Zürich beschäftigt. Eine ihrer Aufgaben war das Schreiben von Blogs.

Im Rahmen dieser Tätigkeit hat sie die Geschäftsführerin von Neustarter, Bernadette Höller, interviewt.

Liebe Bernadette, du bist Gerontologin, Startup-Gründerin und Geschäftsführerin der Neustarter-Stiftung. Wie kam es zum Programm «Praktikum Arbeitswelt 4.0»?
Bei der Neustarter-Stiftung interessiert uns vor allem, welche Chance der demografische Wandel im Zusammenspiel mit der Digitalisierung birgt und was passieren muss, dass es eben wirklich eine Chance ist. Es ist klar, dass es heute viel weniger um statisches Wissen, Fleiss und lebenslange Loyalität zum Arbeitgeber geht, als um den positiven Umgang mit Veränderung, was wiederum viel Leidenschaft und Kreativität verlangt – sei es, um die Herausforderungen im Team zu meistern, oder die Gestaltung der eigenen beruflichen Laufbahn in die Hand zu nehmen.

Gleichzeitig haben wir bei unseren Interviews in Grossunternehmen und KMUs festgestellt, dass viele Leute, die teilweise über Jahrzehnte bei ein und demselben Arbeitgeber sind, nicht so richtig sehen, wie sie ihrer Lust nach Veränderung nachgehen könnten. Viele würden sehr gerne ihre Kompetenzen in einem ganz neuen Umfeld testen und merken auch, dass es ohne neue Erlebnisse nicht so einfach werden wird, den Kulturwandel im Unternehmen aus sich selbst heraus zu gestalten. Auf der anderen Seite nehmen wir den Wunsch von Unternehmen wahr, Mitarbeitenden eben genau diese neuen Erlebnisse ermöglichen zu können. Teams werden agiler, der Innovationsdruck steigt in vielen Branchen, was althergebrachte Karriere- und Hierarchievorstellungen immer weniger nützlich macht. Den letzten Kick, um auf die Idee zu kommen, Erwerbstätigen aus etablierten Unternehmen Praktika in Start-ups zu ermöglichen, erhielt ich über die Bekanntschaft mit Olmar. Er ist einfach ein saucooler Typ und erzählte mir, dass seine Verwandlung vom klassischen Manager zum agilen Teamplayer durch ein Praktikum unter Digital Natives im Impact Hub in Fahrt kam. Also, warum so eine Zeit im Start-up-Umfeld nicht viel mehr Menschen ermöglichen? Zum einen als individuelles Erlebnis mit Lerneffekt und eben, um Ideen für den Kulturwandel ins Unternehmen zurückzutragen.

«Wir wollen, dass alle Generationen sich gebraucht fühlen.»

Die Neustarter-Stiftung gibt es seit 1999 und sie beschäftigt sich schon immer mit Alters- und Generationenfragen. Du bist 2016 hinzugekommen und hast Neustarter massgeblich aufgebaut, was gab es bisher für Highlights?
Ein Highlight in dem Sinne gab es nicht, sondern mehr das gute Gefühl zu merken, wie iteratives Vorgehen tatsächlich funktioniert, wenn man ein Zielbild hat. Unser Zielbild kann man in zwei Sätzen so beschreiben: Wir wollen, dass alle Generationen sich gebraucht fühlen und Lust und Kompetenzen haben, um gemeinsam die Arbeitswelt der Zukunft zu gestalten. Deshalb fördern wir lebenslanges Lernen, kreative Karrieren und Neustarts innerhalb und ausserhalb von Unternehmen. Ausserdem glauben wir, dass neue Organisationsformen mit flachen Hierarchien und mehr Mitsprache und Augenhöhe aller, dafür mit weniger Kontrolle und Bürokratie, vieles vereinfachen und innovationsförderlich sind.

Das alles bietet ein Riesenspektrum an Handlungsfeldern in Unternehmen – wir sprechen von «Generationenfreundlichem Talentmanagement». Wäre doch toll, wenn uns irgendwann weder ein starres Pensionierungsalter noch Grenzen in den Köpfen an der Umsetzung von Projekten, sprich am Arbeiten, hindern würden – egal, welches Geburtsdatum in unserem Pass steht. Das Praktikum Arbeitswelt 4.0 zielt eben genau darauf ab, klassische, an das Alter geknüpfte Lernwege aufzubrechen. In dieser digitalisierten Welt, die enorme Veränderungen und damit Anforderungen mit sich bringt, bleiben wir doch ohnehin unser Leben lang Lernende.

«Den Gedanken im Kopf und den Worten im Team freien Lauf lassen.»

Welche Kompetenzen, neben der Bereitschaft immer weiter zu lernen, sind denn in der neuen Arbeitswelt gefragt?
Es gibt da viele Überlegungen dazu, die meist auf ähnliche Schlüsse hinauslaufen – die 21st Century Skills von der OECD beschreiben eine Abkehr von den klassischen Kompetenzen, wie z. B. Intelligenz, Fleiss und Sorgfalt und werben stattdessen für:

  • Kommunikationsfähigkeit
    Dazu gehören auch soziale Fähigkeiten und Konfliktkompetenz sowie die Fähigkeit, gute Geschichten erzählen zu können. Wir erhalten jeden Tag so viele Informationen über zahllose Kanäle. Um überzeugend zu sein, muss eine Geschichte Hand und Fuss und am besten eine Pointe haben.
  • Kreativität
    Also neue Dinge ausprobieren und den Gedanken im Kopf und den Worten im Team freien Lauf lassen. Dazu braucht es vor allem Selbstdisziplin, sich den Arbeitsalltag so einzurichten, dass dafür Zeit und Kraft bleibt.
  • Kritisches Denken
    Hier steckt auch ein Generationenthema drin: Vor 25 Jahren wurde in Unternehmen eher Dienst nach Vorschrift proklamiert.
    Ausserdem erzählen viele Menschen: «Kritisches Denken? Ja, habe ich lange Zeit versucht, aber das kostet zu viel Energie im Vergleich dazu, was sich dann auch wirklich verändert.» Die Unternehmen sind also gefordert, auf kritische Gedanken förderlich zu reagieren und zuzuhören.
  • Kollaboration
    Klar – raus aus den Silos und netzwerken, netzwerken, netzwerken, um für das anstehende Projekt die richtigen Kollaborateure beieinander zu haben. Vertreterinnen der radikalen Kollaboration gehen davon aus, dass sich die Herausforderungen in dieser Welt nicht mehr alleine lösen lassen. Aber auch im Kleinen gilt es, die Kraft des Miteinanders zu nutzen.

Ich persönlich würde ausserdem ergänzen:

  • Medien- und Digitalkompetenz
    Einschätzen zu können: was sind vertrauenswürdige Quellen, wie sieht eine seriöse URL aus und ein glaubwürdiger Artikel? Was ist ein vernünftiges Foto, wie läuft das mit Urheberrechten ab etc.? Und dann eben nicht nur Suchen und Konsumieren, sondern selber Inhalte produzieren – sei es auf dem eigenen Blog oder in den sozialen Netzwerken.
  • Verantwortung
    Probleme selbst in die Hand nehmen und nicht anderen die Verantwortung zusprechen. Auch nicht sich selbst bemitleiden, oder was man sonst noch so alles tut, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Ich empfehle, dazu das Buch von Christopher Avery «The Responsibility Process» zu lesen.

Was kann Ältere daran hindern, einfach mal was Neues auszuprobieren?
Es ist die Frage, was mit «was Neues» gemeint ist. Ist es etwas Neues machen oder lernen, wie z. B. Schlagzeugspielen. Sprechen wir von Veränderungen innerhalb eines Unternehmens, dann muss man ganz klar sagen, dass hier noch häufig althergebrachte Karrierevorstellungen vorherrschen, die, nachdem ein gewisser Status erreicht ist, eigentlich keine grösseren Veränderungen vorsehen. Das «am Ball bleiben» ist noch selbstverständlich und das «in neuen Konstellationen funktionieren» auch, aber eben, das war’s. Ich glaube, dass sehr viel Potenzial darin läge, in Unternehmen Plattformen für Träume und eben Veränderung zu schaffen und dann auch Taten folgen zu lassen. Man glaubt nicht, zu was Erwerbstätige fähig wären, wenn ihnen die Arbeit wieder mehr Spass machen würde.

Der Schritt aus dem Unternehmen heraus, z.B. in eine Selbständigkeit, ist nochmals etwas ganz anderes und braucht – sofern das Ganze freiwillig ist und nicht aufgrund einer Umstrukturierung im Unternehmen – ein riesen Vertrauen in die eigene Idee und Kraft. Das Gute ist:  Es kann funktionieren, wenn man 1. ein finanzielles Polster hat und gut rechnet (mit der Selbständigkeit kann man in den ersten Jahren meistens nicht direkt 8000 Franken im Monat verdienen) und 2. lean und iterativ vorgeht. Dazu empfehle ich das Buch «Lean Startup» von Eric Reis sowie Weiterbildungen in agilen Methoden, vor allem Design Thinking.

«Die digitalisierte Arbeitswelt kann gefährlich sein.»

Wie motivierst du dich, selber am Ball zu bleiben?
Ich habe das Glück, dass mich das Thema «Generationen und Talentmanagement in der Arbeitswelt der Zukunft» so gepackt hat und ich so viele Ansatzpunkte sehe, dass die einzige Gefahr darin besteht, dass ich es nicht mehr schaffe zu priorisieren und 20 Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Und das kann demotivieren. Deswegen ist für mich das Allerwichtigste genügend Pausen und Schlaf zu haben. Wenn ich nicht genug schlafe, dann habe ich keine Fähigkeit mehr zu priorisieren.

Die digitalisierte Arbeitswelt kann gefährlich sein, wenn den ganzen Tag von links und rechts Dinge kommen. Mir hilft da noch eine ganz einfache Praktik aus dem Kanban: das WIP-Limit (work in progress limit), das bei mir auf 5 gesetzt ist. Ich habe also nie mehr als 5 Tickets geleichzeitig im Doing und vermeide zu verrücktes Multitasking. Mails beantworte ich manchmal auch ein paar Tage nicht, ohne mich dann stundenlang dafür zu rechtfertigen. Habe aber auch noch nie erlebt, dass sich jemand beschwert hat.

Bernadette Höller ist Geschäftsführerin der Neustarter-Stiftung.

Stephanie Claus ist Stabsstellenleiterin Administration am IAP.

Literatur
-«The Responsibility Process» von Christopher Avery
-«Lean Startup» von Eric Reis

Neue Führungsmodelle brauchen den Einsatz des ganzen Teams

Posted on 19. Dezember 2019 by Redaktion

Immer lauter wird der Ruf nach neuen Führungsmodellen. Doch alte Hierarchien aufzulösen und neue Modelle umzusetzen, ist für viele Unternehmen einfacher gesagt als getan. Was es dazu braucht und wie es mit vereinten Kräften gelingen kann, zeigt Christoph Negri an einem Beispiel aus unseren eigenen Teams am IAP.

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Leadership für eine bessere Welt

Posted on 19. September 2019 by Redaktion

Text: Sabine Hoffmann, IAP Institut für Angewandte Psychologie
Bilder:
Olivier Brandenberg

Sanha Nhor hatte einen Traum: In seiner Heimat Kambodscha wollte er jungen Menschen helfen, durch Bildung ein besseres Leben zu erlangen. Kambodscha ist noch immer geprägt von einer langen und belastenden Kriegsvergangenheit. Bis vor einigen Jahren gehörte es zu den ärmsten Ländern der Welt. Mit der neuen Verfassung im Jahr 1993 konnte das Land in Südostasien erhebliche Fortschritte im Kampf gegen Armut und Unterentwicklung erzielen. Inzwischen ist es eines der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Und dennoch fehlt es an grundlegender Infrastruktur und vor allem an guten Bildungsmöglichkeiten. Das kommt besonders vor dem Hintergrund der Demografie zum Tragen, denn Kambodschas Bevölkerung ist jung: Fast die Hälfte der Einwohner ist jünger als 20 Jahre. Um die Zukunft nach den politischen Wirren und dem Verlust ganzer Generationen neu zu gestalten, braucht das Land eine richtungsweisende Bildungsstruktur. Der Besuch der Volksschule ist zwar kostenfrei, die Unterrichtsqualität variiert jedoch stark. Viele Lehrkräfte bieten zusätzliche Nachhilfekurse an, allerdings häufig auch aus dem Grund, ihr eigenes Gehalt aufzubessern. Für Kinder aus ärmeren Familien bedeutet das eine klare Benachteiligung.

Kambodschanischer Junge mit Kinderbuch in einer Bibliothek

Dieser herausfordernden Situation versuchen soziale Organisationen wie Bookbridge zu begegnen. Bookbridge betreibt ein Programm, das engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer in ländlichen Teilen des „Globalen Südens“ unterstützt, Startups zu gründen. Das Ziel dabei ist, dass sich lokal aktive Menschen, sogenannte Community-Heros, um die Entwicklung und Ausbildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in ihrer Community kümmern und Bookbridge dabei die nötige organisatorische und personelle Unterstützung bietet. Sanha beschloss, aktiv für seinen Traum zu kämpfen und bewarb sich für dieses Programm. Mit seiner Aufnahme als Jungunternehmer war es ihm nun möglich, seinen Traum in Angriff zu nehmen.

Portrait von Sanha Nhor
Sanha Nhor, Community-Hero im Bookbridge-Programm

Zwei Teams – eine gemeinsame Vision
Einfach war es nicht, denn Sanhas ambitiöse Aufgabe bestand unter anderem darin, eine geeignete Infrastruktur zu finden, den Business Plan zu erarbeiten, eine Investoren-Firma zu überzeugen, mit den lokalen Behörden zu verhandeln, Marketingmassnahmen einzuleiten und vieles mehr. All das konnte er nur mit einem starken Team schaffen. Der CAS International Leader & Entrepreneur (CAS ILE), eine Kooperation zwischen dem IAP und Bookbridge, bot Sanha diese Chance. Eine heterogene Gruppe von Führungspersonen, Beratenden und Veränderungsbegleitern mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Biografien und Motivationen in der Schweiz sowie ein Team in Kambodscha arbeiteten eng an der gemeinsamen Vision: „We empower people to fulfil their dream of a bright future!“ Keine leeren Wort, sondern eine Vision, die alle miteinander verband und Sanha immer wieder an seinen Traum glauben liess.

Beide Teams vor dem fertiggestellten Lernzentrum.
Vereinte Kräfte für Sanhas Vision: Team „Schweiz“ mit Team „Kambodscha“.

Kampf um finanzielle Mittel
Sanhas Ziel war der Aufbau eines Lernzentrums in der Kleinstadt Steung Sen für Kinder, Frauen, Jugendliche und Erwachsene. Ein Kindergarten, sowie Englisch- und IT-Kurse für Jugendliche und Erwachsene standen in einem ersten Umsetzungsschritt im Vordergrund. Kurse für Frauen zur stärkeren Positionierung in der Gesellschaft sowie in anderen Gebieten wie Buchhaltung, Marketing, Verkauf sollten folgen. Auf diese Weise sollte die Bevölkerung befähigt werden, ihre Zukunft zu gestalten. Eine Vision wie diese lässt sich nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln verwirklichen. Bookbridge vermittelte den Kontakt zu einer Investorin, die durch einen Pitch gewonnen werden musste.

Sanha und eine Teamkollegin im Gespräch mit Recherchematerial in Händen.

Die Teams arbeiteten hart, um einen soliden Business Plan auf die Beine zu stellen. Für den Community-Hero Sanha war das eine sehr emotionale Zeit, auch weil bei ihm familiäre Veränderungen und der Tod eines geliebten Familienmitglieds hinzu kamen. Durch diese schwere Zeit trugen ihn seine beiden Teams. Sie unterstützten ihn als wären sie selbst Unternehmerinnen und Unternehmer – ganz im Sinne des Entrepreneurship. Die Mühen und die vielen Schweissperlen – und nicht nur wegen des warmen und schwülen Wetters – haben sich gelohnt: Am entscheidenden Tag des Investor-Pitchs überzeugte Sanha durch seine professionelle Performance und den Einbezug von Wünschen und Träumen der kambodschanischen Kinder. Die Investorin war überzeugt und genehmigte sogar ein höheres Darlehen als vorgesehen. Die Tränen des Glücks flossen auch beim Schweizer Team. Nun konnte die konkrete Umsetzung, die „hands-on“-Erfahrung, starten.

Willkommen in der VUCA-Welt
Einige Tage vor Eröffnung des Lernzentrums reiste das Schweizer Team nach Steung Sen. Alle waren mit positiver Energie geladen. Doch kurz vor Abflug erreichte das Team die Nachricht, dass die geplante Mietimmobilie für das Lernzentrum nicht mehr zur Verfügung stand und auf ein weitaus grösseres und entsprechend teureres Objekt ausgewichen werden musste. Was tun? Wie reagieren? Das Team musste schnell handeln. Ein klassischer Mehrheitsentscheid stimmte der neuen Immobilie zu, was nicht bei allen Teammitgliedern für Freudensprünge sorgte. Kaum angekommen in Steung Sen folgte eine weitere Hiobsbotschaft: Der Eröffnungstag sollte um einen Tag vorverschoben werden. Flexibilität war erforderlich und ein agiles Vorgehen sicherte einen guten Überblick über die notwendigen Arbeiten und Ressourcen.

Planen und anpacken. Ein Teammitglied auf der Leiter, zwei Kollegen stabilisieren die Leiter.

Es blieben nur wenige Tage, an denen viele Arbeiten erledigt werden mussten. Nun hiess es: Ärmel hochkrempeln und einen Spielplatz bauen, die Bibliothek einräumen, Müll sammeln am regionalen „Cleaning-Day“, Werbung fürs Lernzentrum betreiben und Flyer verteilen. Gemeinsam machten sie das schier Unmögliche möglich.

Cleaning Day: Strassen und Plätze werden von Müll gereinigt.

Happy Opening
Im Frühling 2019 wurde das Lernzentrum in einer offiziellen Feier von den Behördenvertretern der Region eröffnet. Der Eröffnungstag brachte viele strahlende Kinderaugen. In einem feierlichen Akt wurde die soziale Einrichtung traditionell durch Mönche gesegnet – für Sanha und sein Team sowie für die ebenfalls erschöpften, aber überglücklichen Kursteilnehmenden ein unvergesslicher Moment und eine „once in a life time“-Erfahrung. Sie hatten nicht nur die Grundlagen von Führung, agiler Zusammenarbeit und internationaler Projektverantwortung gelernt, sondern zudem ein soziales Werk erschaffen, dass sich selbst weitertragen und Kambodschas Zukunft ein Stück besser machen kann. Durch das Erreichte rückte das Team näher zusammen. Die kulturellen Rituale und die Teamdynamik schafften eine tiefe Verbindung untereinander. Nach diesem Highlight der Eröffnung fiel das Loslassen und der Abschied aus Kambodscha schwer. Durch die Erfüllung von Sanhas Traum haben die CAS-Teilnehmenden viel auch für sich persönlich und ihr berufliches Umfeld gewonnen: Zusammenhalt, Verantwortung, Vertrauen in ihre eigenen Stärken und die der anderen sowie Hoffnung, die alle Grenzen überwindet.

Eröffnungsfeier in Steung Sen.
Mönche segnen das Lernzentrum.
Feierliche Segnung des Lernzentrums.
Behördenvertreter durchschneidet das zum Eingang des Lernzentrums.
Behördenvertreter und Community-Hero Sanha eröffnen das Lernzentrum.

Der CAS International Leader & Entrepreneur
Mehrwert für Teilnehmende und Unternehmen
Das praktisch orientierte Weiterbildungsprogramm des CAS International Leader & Entrepreneur bietet vielfältige Lernerfahrungen im Bereich Social Entrepreneurship, agile Führung und Inter-Cultural Leadership. Bei der Umsetzung der lokalen Projekte nutzen die Teilnehmenden Methoden der agilen Projektführung und vertieften Kompetenzen in betriebswirtschaftlichen Inhalten, interkulturelle Führung, Management, Finance und Unternehmertum in der konkreten Anwendung. Die Teilnehmenden sammeln ausserhalb der eigenen Komfortzone Erfahrungen, um flexibel auf Veränderungen reagieren und mit Unsicherheiten und Druck hilfreich umgehen zu können. Davon profitieren auch die Unternehmen, in denen diese Kompetenzen gelebt werden.

Die nächste Lernreise startet im Oktober 2020 und geht erneut nach Südostasien: Seien Sie mit dabei! Informationen unter www.zhaw.ch/iap/cas-ile oder über die Studienleiterin Stefanie Neumann, stefanie.neumann@zhaw.ch

Über die Autorin:
Sabine Hoffmann absolvierte anlässlich ihres Psychologie-Studiums ein 6-monatiges Praktikum am IAP Institut für Angewandte Psychologie im Zentrum für Leadership, Coaching & Change Management. Sie begleitete dabei unter anderem das CAS ILE an den drei Abschlusstagen und durfte die Teilnehmenden persönlich kennenlernen und Gespräche zu den jeweiligen Erfahrungen während dieser praktischen Weiterbildung führen. Vor dem Studium arbeitete Sabine Hoffmann u.a. im Sportmarketing und in einer Kommunikationsagentur, welche sie zuletzt operativ leitete. Mit diesen wertvollen Praxiserfahrungen und nach einem MAS in Coaching entschied sie sich für das Psychologie-Studium an der ZHAW.

Portrait von Sabine Hoffmann

Führung 4.0 – Von alten Werten und neuen Grundhaltungen

Posted on 13. Mai 2019 by Redaktion

In seinem aktuellen Buch «Führen in der Arbeitswelt 4.0» beschäftigt sich Christoph Negri mit den neuen Herausforderungen von Führungskräften. Im folgenden Interview spricht er über das Buch, die grundlegenden Veränderungen im Führungsverständnis und ein neues Denken.

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Führungsrolle abgeben und Fachlaufbahn entwickeln

Posted on 30. April 2019 by Redaktion

Das Zentrum Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung am IAP durchläuft eine Reorganisation weg von der klassischen Führungsstruktur und hin zu mehr Selbstorganisation. Wir werden an dieser Stelle sporadisch über unsere Erfahrungen in diesem Prozess berichten. Den Auftakt macht Marc Schreiber, der Leiter des Zentrums für Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung. Er berichtet über seine Entscheidung, die Führungsrolle aufzugeben und seine Fachlaufbahn weiterzuentwickeln.

Meine berufliche Identität innerhalb der ZHAW spielt sich seit 10 Jahren im Kontext von vier verschiedenen Rollen ab: Berufs-, Studien- und Laufbahnberater, Dozent, Zentrumsleiter und Forscher. Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, ist meine häufigste Antwort: Ich arbeite an der Fachhochschule, bin dort Laufbahnberater und wir bilden bei uns die zukünftigen Berufs-, Studien- und Laufbahnberatungspersonen aus. Meiner Antwort entnehme ich, dass die beiden Rollen als Berater und Dozent wesentlich sind für meine berufliche Identität. Auch wenn die Führungsrolle für meine Identität eher nicht zentral ist, so erfüllt sie mich dennoch mit Stolz.

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Psychologisches Wissen für Führungskräfte

Posted on 26. Januar 2019 by Redaktion

Das neue Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte ist in seiner 5. überarbeiteten Auflage erschienen. Neben den klassischen Führungsthemen, wurden die Kapitel um zahlreiche komplexe Führungssituationen erweitert, welche die VUCA-Welt mit sich bringt. Auch der Umgang mit psychischen Störungen am Arbeitsplatz wurde in dieser Neuauflage thematisiert. Read More →

Eine gute Beziehung als Basis

Posted on 20. Dezember 2018 by Redaktion

Als Assessorin möchte ich so viel wie möglich von meinem Gegenüber erfahren, damit ich relevante Schlussfolgerungen für die Passung zwischen Person und künftiger Position in der Firma ziehen kann. Genauso will der Kandidat oder die Kandidatin bewusst Informationen vermitteln, um mich von eben dieser Passung zu überzeugen. Das wertvolle Gut, das es auszutauschen gilt, heisst also Information. Die gemeinsame Plattform für diesen Informationsaustausch ist die Beziehungsgestaltung am Assessment-Tag. Read More →

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