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IAP-Studie: Wie führe ich mich selbst?

Posted on 28. Oktober 2020 by Redaktion

Diverse Studien und Erfahrungen aus der Praxis berichten über positive Auswirkungen von Selbstführung. Doch wie wird Selbstführung bei der Arbeit und insbesondere im selbstorganisierten Arbeitskontext erlebt und gelebt? Welche Kompetenzen braucht es dafür? Wie kann die Organisation Selbstführung unterstützen? Bisherige Studien aus der IAP Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» geben Hinweise darauf, dass die Anforderungen an Selbstführung im digitalen und agilen Wandel zunehmen. Die 4. IAP Studie untersuchte nun Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten. 32 Fach- und Führungspersonen wurden dafür zwischen Januar und März dieses Jahres interviewt. Die Befragten sind alle in Organisationen tätig, die bereits Erfahrung in der Umsetzung von selbstorganisiertem Arbeiten haben. Die Ergebnisse verdeutlichen ein breites Verständnis von Selbstführung.

Text: Ellen Gundrum, Anna-Lena Majkovic und Delia Frigg
Illustration: Marius Dihr

Was ist Selbstführung?
Die Arbeitswelt wird flexibler, die Hierarchien flacher und Mitarbeitende müssen Wege finden, um mit dem kontinuierlichen Wandel adäquat umzugehen. Unternehmen sind gefordert, auf diese Herausforderungen zu reagieren und ihre Mitarbeitenden mit entsprechenden Kompetenzen auszustatten. Vermehrte Selbstführung ist eine Folge und ein Mittel gleichermassen, um diese Herausforderungen gut meistern zu können.

Selbstführung umfasst dabei nicht nur das Management von Zeitressourcen und Aufgaben-Priorisierung, sondern integriert auch Aspekte wie Energiemanagement, Stressmanagement, Selbstmotivation und Selbstentwicklung (Graf, 2019). Die angewandte Arbeits- und Organisationspsychologieforschung betont: Selbstführung hat positive Auswirkungen auf die Arbeitsleistung (z. B. Panagopoulus & Ogilvie, 2015), Kreativität und Innovation (z.B. DiLiello & Houghton, 2006). Auch verdeutlichen bisherige Forschungsergebnisse, dass Selbstführung mit weiteren positiven Faktoren, wie zum Beispiel effektiveren Bewältigungsstrategien, Optimismus, besserer Gesundheit oder weniger Stress im Arbeitsleben, einhergeht (Dolbier et al. 2001).

«Wir reflektieren regelmässig, ob wir noch richtig unterwegs sind und passen allenfalls die Abmachungen an. Die dafür investierte Zeit ist äusserst wertvoll und sollte nicht unterschätzt werden.»

Michèle Berdat, Teilnehmerin der Studie

Welche Chancen und Vorteile hat Selbstführung?
Die Befragten schätzen den erweiterten Gestaltungsraum und die Einflussmöglichkeiten durch eigene Entscheidungen. Dadurch wird die Selbstwirksamkeit gestärkt und das Gefühl der Sinnhaftigkeit erhöht. Motivation und Engagement nehmen zu. «Indem ich mich selbst führe, gestalte ich eigene Freiräume und erlebe mich wirksam», beschreibt die Interviewpartnerin Pamela Aeschlimann ihre persönlichen Vorteile und Chancen.

Welche Herausforderungen erschweren Selbstführung?
Die kontinuierliche Selbstreflexion wird als grösste Herausforderung empfunden. Durch eine verstärkte Motivation der Teilnehmenden und gesteigertes Engagement fällt es einigen schwer, sich von Aufgaben und unternehmerischen Anforderungen abzugrenzen und Verantwortungen auch mal abzulehnen. Selbstführung erfordert viel Ausdauer und Disziplin, wodurch Frust und Scheitern erlebt werden kann. Der eigene und unternehmerische Anspruch, Aufgaben selbstverantwortlich zu bewältigen, fördert Eigeninitiative und den Qualitätsanspruch an das eigene Arbeitsergebnis.  Dies kann zu Überforderung oder Selbstüberschätzung führen.

Welche Kompetenzen sind erforderlich?
Grob lassen sich die benannten Kompetenzen in die Cluster intrapersonelle Fähigkeiten, interpersonelle Fähigkeiten, Fachkompetenzen/Wissen und Selbstsicherheit einteilen. Bei den intrapersonellen Fähigkeiten werden die Reflexion persönlicher Stärken und Schwächen sowie eine gute Selbsteinschätzung hervorgehoben. Empathie, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sind wichtige Kompetenzen im interpersonellen Bereich. Im Bereich Fachkompetenzen/Wissen steht im Vordergrund, komplexe Themeninhalte erfassen und strukturieren zu können, Offenheit und Lernfähigkeit, sowie das Verständnis für die Organisation. Selbstinitiative/Selbstverantwortung sowie Mut/Selbstsicherheit und die Bereitschaft die Komfortzone zu verlassen werden in der Kategorie Selbstsicherheit häufig genannt.

«Die Organisation muss Selbstführung ermöglichen, fördern und wollen. Die Haltung muss von oben nach unten gelebt werden. Fehlschläge dürfen nicht bestraft werden, Mitarbeitende sollen daraus lernen.»

Javier Bargas, Teilnehmer der Studie

Erfolgsfaktoren selbstgeführter Teams
Wie gelingt es, dass selbstorganisierte Teams effektiv und effizient zusammenarbeiten? Eine klare Mehrheit nennt die Bereitschaft für Selbstverantwortung als relevanten Erfolgsfaktor. Hier steht im Vordergrund, sich neuen Vorgehensweisen und Arbeitsmodellen neugierig zu öffnen und kontinuierlich zu lernen. Erfolgsrelevant ist gemäss den Teilnehmenden ausserdem, Ziele klar und detailliert zu definieren, genauso wie Rollen und Verantwortlichkeiten zu klären und transparent zu machen. Ein guter Teamzusammenhalt, Vertrauen auf Teamebene und eine gelebte Fehlerkultur sind essenziell, damit Teams ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Für den Prozess der Teamentwicklung ist es wichtig, gemeinsam als Team eine Fehlerkultur zu etablieren, damit die Zusammenarbeit erfolgreich sein kann.

Förderliche und hemmende organisatorische Rahmenbedingungen
Die Interviewteilnehmenden benennen transparenten Wissens- und Informationsaustausch sowie unterstützende Frameworks, Tools und Systeme als förderliche Rahmbedingungen. Dies kann technologische Systeme beinalten, aber auch Weiterbildungsangebote und/oder interne und externe Unterstützungspersonen. Eine Vision zu haben und zu wissen, welche Ausrichtung die Organisation verfolgt, betonen viele Interviewpartner/innen als sehr wichtig. Vorgesetzte und wesentliche Stakeholder können durch ihre Vorbildfunktion Selbstführung fördern. Gemäss der Erfahrung der Interviewteilnehmenden sollte Selbstführung ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Eine gelebte Fehlerkultur und damit einhergehendes Vertrauen stellen weitere Pfeiler einer lernförderlichen Unternehmenskultur dar. Unter hemmenden organisatorischen Faktoren fällt insbesondere die sanktionierende Organisationskultur. Genannt werden dabei Micromanagement und eine Angstkultur, welche Erfolge belohnt und Misserfolge bestraft. Als hinderlich wird auch empfunden, wenn die Handlungs- und Gestaltungsspielräume und damit die Entscheidungsbefugnis zu klein sind oder wenn Vorgesetzte/die Geschäftsleitung die Mitarbeitenden übersteuern. Nicht zuletzt kann auch wirtschaftlicher Druck hemmend wirken.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Anforderungen an Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten hoch sind. Gleichermassen gilt, dass vermehrte Selbstführung eine grosse positive Wirkung bei Mitarbeitenden, in Teams und in Organisationen entfalten kann.

Dr. Anna-Lena Majkovic ist wissenschaftliche Mitarbeiterin IAP Leitung.
In Co-Leitung verantwortet Sie die IAP-Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0», dazu gehört auch die Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten».

Ellen Gundrum ist Stabsstellenleiterin Strategische Marktbearbeitung und Koordination Dienstleistung am IAP.
In Co-Leitung verantwortet sie die IAP-Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0», dazu gehört auch die Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten».

Delia Frigg ist Praktikantin am IAP. Sie unterstützt das Team der Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» und hat bei der Auswertung und Präsentation der Studie «Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten» mitgearbeitet.

Mehr zum Thema:

IAP-Studie: «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0»

Literaturnachweis

DiLiello, T. C., & Houghton, J. D. (2006). Maximizing organizational leadership capacity for the future: Toward a model of self-leadership, innovation, and creativity. Journal of Managerial Psychology, 21(4), 319–337. doi:10.1108/02683940610663114

Dolbier, C. L., Soderstrom, M., & Steinhardt, M. A. (2001). The relationship between self-leadership and enhanced psychological, health, and work outcomes. The Journal of Psychology, 135(5), 469–485. doi:10.1080/00223980109603713

Graf, A. (2019). Selbstmanagementkompetenz in Organisationen stärken Leistung, Wohlbefinden und Balance als Herausforderung. Wiesbaden: Springer Gabler

Majkovic, A.-L., Gundrum, E., Weiss, S., Külling, C., Lutterbach S., Frigg, D. (2020). IAP Studie 2020. Trendstudie zum Verständnis, Relevanz und Anwendung einer wirksamen Selbstführung in selbstorganisierten Arbeitskontexten. Zürich: IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Panagopoulos, N. G. & Ogilvie, J. (2015). Can salespeople lead themselves? Thought self-leadership strategies and their influence on sales performance. Industrial Marketing Management, 47(2015), 190–203. doi:10.1016/j.indmarman.2015.02.043

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