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Psychologie im Alltag nutzen

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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«Was brauche ich, damit es mir beim Arbeiten gut geht?»

Posted on 5. Oktober 2020 by Redaktion

Gesundheit fördern, Krankheiten vorbeugen und Mitarbeitende in herausfordernden Zeiten unterstützen – das sind die Aufgabengebiete von Beatrice Mühlberg. In unserer Rubrik «Persönlich» stellen wir Menschen und ihre Tätigkeiten an unserem Departement vor.

Interview: Gabriela Steinmann

Beatrice, du bist seit dem 1. August 2019 als «Verantwortliche für das betriebliche Gesundheitsmanagement und Diversity» am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW tätig. Was gefällt dir an dieser Tätigkeit besonders?
Was ich am meisten schätze, ist, dass ich mit den Mitarbeitenden nun vermehrt zu tun habe und dass ich mir auch ausgiebiger Gedanken machen kann, was es braucht, damit wir gesund arbeiten können und damit es uns grundsätzlich gut geht.

Man könnte sagen, dass diese Stelle letztes Jahr an dich herangetragen wurde, als du in der Administration tätig warst. Was war ausschlaggebend, dass du dich für diese neue Herausforderung entschieden hast?
Für mich wurde es zunehmend interessant, mich selbst mit dem Thema Gesundheit am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen. Ich fragte mich: «Was brauche ich, damit es mir beim Arbeiten gut geht?» Durch diese gedankliche Auseinandersetzung bin ich dann auf die Ausbildung zur Resilienztrainerin gestossen, die ich letztes Jahr begonnen und diesen Frühling mit dem «CAS Resilienztraining» abgeschlossen habe. Die Faszination für das Thema der persönlichen Stärken und Ressourcen wurde dann durch diese Ausbildung auch noch zusätzlich vertieft.

Wie kannst du nun das aus der Ausbildung erworbene Wissen in deine Arbeit einfliessen lassen?
Es gibt diverse Ansätze, die man nutzen kann. Resilienz ist ein wichtiges Thema in der Prävention und das ist auch in meiner Funktion das, was in erster Linie zählt. Es geht darum zu schauen, was die Mitarbeitenden überhaupt brauchen, um gesund zu bleiben und nicht erst zu reagieren, wenn sie schon krank sind. Selbstverständlich ist auch das Letztere ein wichtiger Bestandteil. Aber ich glaube schon, dass man vor allem in der Prävention einiges einfliessen lassen kann. Ausserdem bin ich überzeugt, dass uns ein gutes soziales Umfeld dabei hilft, gesund zu bleiben. Die soziale Isolation während dem Lockdown hat vielen Leuten bewusstgemacht, wie wichtig soziale Beziehungen für sie sind.

Was sind im Moment deine Hauptaufgaben im betrieblichen Gesundheitsmanagement?
Dieses Jahr steht unter dem Motto «gesund arbeiten». Das ist zwar grundsätzlich immer wichtig, speziell ist zurzeit aber, dass man gerade auch die Führungspersonen für dieses Thema sensibilisieren möchte. Während dem Lockdown haben wir bis zu den Sommerferien täglich eine virtuelle Bewegungs- und Begegnungspause angeboten. Dies wurde von den Mitarbeitenden sehr geschätzt. Nun prüfen wir gerade, ob und in welcher Form wir diese Pausen weiter anbieten können. Diese Kurzpausen sollen einerseits der körperlichen und geistigen Auflockerung dienen, andererseits aber auch das Miteinander über den Austausch pflegen.

Du warst früher einmal Gemeinderätin und «Vizeamman» in deiner Wohngemeinde. Was kannst du aus dieser damaligen Tätigkeit in deinen jetzigen Job einbringen?
Ich würde sagen, sicher einmal Durchsetzungskraft. Denn die Prozesse auf politischer Ebene sind sehr komplex und teilweise auch ziemlich träge. Man braucht daher immer wieder viel Überzeugungskraft, um etwas durchzusetzen. In der Gemeinde war ich zuständig für das Ressort «Soziales und Gesundheit». Dort ging es unter anderem darum, herauszufinden, was eine gesunde Bevölkerung braucht und wie der Erhalt der Gesundheit sichergestellt werden kann. Aus dieser Erfahrung kann ich sicher viel an Erfahrungswerten miteinbringen.

«Ich wollte herausfinden, warum ich diesen ausgeprägten Optimismus habe – und ich habe eine Antwort gefunden.»

Du hast eine ausgesprochen positive Lebenseinstellung. Woher kommt diese?
Diese Frage wurde mir bereits als Kind immer wieder gestellt, doch ich konnte sie nie beantworten. Das positive Lebensgefühl wollte ich schon immer allen in meinem Umfeld vermitteln. Dies hat mich unter anderem dazu bewogen, eine Ausbildung als Resilienztrainierin zu machen. Ich wollte herausfinden, warum ich diesen ausgeprägten Optimismus habe. Ich fragte mich, ob das einfach Glück sei, weil ich vielleicht am richtigen Tag geboren wurde oder woran es sonst liegen könnte. Im vergangenen Ausbildungsjahr habe ich dann tatsächlich eine Antwort darauf gefunden. Ich stellte nämlich fest, dass es unter anderem sehr wichtig ist, die verschiedenen inneren Ressourcen zu kennen und ich hatte schon immer ein sehr gutes Gespür dafür, was mir guttut und was ich brauche, um gesund zu sein sowie auch dafür, wo und wie ich wieder Energie tanken kann, wenn es mir mal nicht so gut geht.

Du hattest Anfang 20 eine ziemlich prägende Erfahrung gemacht, die dir schlagartig bewusstmachte, wie kostbar ein gesunder Körper ist. Möchtest du darüber etwas sagen?
Ja, das war für mich damals ein sehr herausforderndes Jahr. In dieser Zeit starb meine Mutter sehr jung und ich hatte im gleichen Jahr einen Gleitschirmunfall. Ich stürzte aus einer Höhe von 20 Metern ab. Das hatte zur Folge, dass ich über ein Jahr nicht mehr arbeiten konnte, mehrere Operationen und einen Aufenthalt in der Reha hatte. Das war für mich ein sehr prägendes Ereignis. Dort habe ich gelernt hinzuschauen, was ich brauche und Lösungen zu finden, um da herauszukommen und zu lernen, damit umzugehen. Ich habe seither chronische Schmerzen und kann aus diesem Grund nicht mehr hundertprozentig arbeiten. Auch hier musste ich wieder meinen eigenen Weg finden damit zu leben. Genau da sehe ich nun auch eine interessante Parallele zu meinem jetzigen Aufgabengebiet: Zu schauen, wie ich diejenigen Mitarbeitenden unterstützen kann, die ebenfalls aus einem krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunterbruch an den Arbeitsplatz zurückkehren. Ich finde es sehr wichtig, dass dieser Bereich der Reintegration gut aufgegleist wird und da glaube ich, aufgrund meiner eigenen Erfahrung, viel mitgeben zu können.

Das Wandern ist eine ihrer liebsten Freizeitaktivitäten: In den Sommerferien ist Beatrice drei Wochen lang auf der «Via Gottardo» von Koblenz nach Chiasso gewandert.

Womit beschäftigst du dich in deiner Freizeit gerne und regelmässig, um Energie zu tanken und zu regenerieren?
Für mich ist es sehr wichtig, dass ich einerseits draussen bin in der Natur, dass ich Sport mache. Dazu gehe ich sehr gerne in die Berge, aber auch in den Wald auf den Vitaparcours. Andererseits sind mir meine Familie, meine Freundinnen und Freunde sehr wichtig und daher pflege und geniesse ich mein soziales Umfeld auch sehr.

Was ist dein Lebensmotto, wenn du eins hast?
Hm, ja, das ist eine gute Frage. Mein Wahlspruch war schon immer: «Glück kann man selbst machen.» Es ist meine innerste Überzeugung, dass wir für unsere Lebensqualität und für unser Glück selbst verantwortlich sind und das ist etwas, was ich gerne auch weitervermitteln möchte.

Das ist auch genau das Themengebiet der Resilienz, auf das du dich jetzt mit der Ausbildung spezialisiert hast. Hast du zum Schluss noch einen besonderen Gesundheitstipp?
Mein Tipp ist, regelmässige Aktivität und Bewegung und dabei immer das zu tun, was Freude macht und bei dem das Bauchgefühl stimmt. Dabei auch zu spüren, was einem gerade guttut, sei es Joggen oder auch nur einen Spaziergang draussen in der Natur zu machen. Ich glaube, gerade die Natur gibt uns sehr viel Energie zurück.


Beatrice Mühlberg ist verantwortlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement und Diversity am Departement Angewandte Psychologie.
Sie ist ausgebildete Resilienztrainerin.

Mehr zum Thema Resilienz im Blogbeitrag von Beatrice Mühlberg: https://blog.zhaw.ch/iap/2020/04/28/wo-steckt-denn-nun-unsere-resilienz/

Der Hang zum Negativen steckt in uns allen

Posted on 29. Mai 2020 by Redaktion

Wir befinden uns momentan in einer Krise, das ist richtig. Aber wussten Sie, dass wir uns eigentlich immer in diesem Modus befinden? Der «Negativity Bias» umgibt uns immer und überall.

Text: Sarah Sclafani und Kathrin Fink
Bild: Shutterstock

Zehn neue Corona-Tote oder ein Jugendlicher, der der Oma den Einkauf abnimmt – was bleibt Ihnen wohl eher im Kopf.

Viele von Ihnen werden denken, dass es einfach Leute gibt, die immer nur das Negative sehen. Sogenannte Miese-Peter, auf Englisch «Negativ Nancys». Tatsache ist aber, dass der Hang zum Negativen in uns allen steckt und zwar schon seit der Urzeit. Evolutionär bedingt haben wir noch immer einen «Negativity Bias» (dt. Negativ-Tendenz) (vgl. Skowronski & Carlston). Das bedeutet, dass wir besonders in unsicheren Zeiten dazu tendieren, negative Informationen vorrangig wahrzunehmen.

Gemäss dem amerikanischen Autor und Professor Roy Baumeister mussten wir in den frühen Phasen der Menschheitsgeschichte mit ständigen negativen Konsequenzen rechnen:

«Was ist das für ein seltsames Geräusch ausserhalb der Höhle?»
«Wer könnte mir hinter dem nächsten Baum auflauern?»
«Sterbe ich, wenn ich diese unbekannte Wurzel esse?»

Es ist nicht ganz so schlimm, wie wir denken

Der Mensch war in extremem Masse mit einer unsicheren Umgebung konfrontiert und da war es die beste Strategie, sich für das Schlimmste zu wappnen.

Was heisst dieses Wissen also für unsere aktuelle Zeit?

Nun, es rückt erst einmal den Negativ-Fokus in unser Bewusstsein. Auch wenn die Welt sich tatsächlich in einem Ausnahmezustand befindet, ist es wahrscheinlich nicht ganz so schlimm, wie wir annehmen. Gerade bei neuen Informationen geschieht dieser Negativ-Fokus blitzschnell. Daher sollten wir in Bezug auf unseren Nachrichten-Konsum vorsichtig sein.

In den letzten Wochen gab es in jeder Talkshow, jeder Kindersendung und in jedem News-Beitrag nur noch ein Thema – Corona. Daher sind folgende Tipps besonders wichtig:

  1. Entscheiden Sie sich bewusst, ob und wie lange Sie Nachrichten konsumieren möchten. Wird zu viel Zeit mit negativen Informationen verbracht, kommt das Gefühl auf, es gäbe nichts Erfreuliches mehr. So werden auch bereits vorhandene Ängste geschürt.
  2. Wer sich auf Social Media bewegt, verliert sich in einer Flut von Informationen.
    Man kommt von einem Beitrag automatisch zum nächsten und realisiert oft nicht, wie lange man schon vor dem Bildschirm sitzt. Stellen Sie sich deshalb einen Timer. Es wird Ihnen leichter fallen, sich wieder anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Seien Sie sich ausserdem bewusst, dass Sie sich auf Social Media in einer Filterblase bewegen (vgl. Eli Pariser). Algorithmen filtern Inhalte danach, was Sie sich in der Vergangenheit angesehen haben. So werden Ihnen übereinstimmende Inhalte angezeigt und gegenteilige Sichtweisen vorenthalten. Dies erschwert es, sich ein umfassendes Bild zu einem Thema zu machen.

Die 4:1-Regel

Um einigermassen im Gleichgewicht zu leben, empfiehlt Roy Baumeister in seinem Buch «The Power of Bad» die 4:1-Regel. Für jede negative Nachricht sollte man sich 4 positive Ereignisse ins Gedächtnis rufen.

Da wir alle den «Negativity Bias» mit uns herumtragen, fühlt sich jede negative Information viel stärker an als eine positive. Mit dem Verhältnis 4:1 kann man diese Tendenz gut ausgleichen.

Sarah Sclafani ist Psychologin und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin am Psychologischen Institut der ZHAW.

Kathrin Fink ist Redaktorin & Social-Media-Managerin am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW.

Literatur
-Roy F. Baumeister, John Tierney (2019), The Power of Bad, Penguin LCC US.
-Skowronski, J. J., & Carlston, D. E. (1989). Negativity and extremity biases in impression formation: A review of explanations. Psychological Bulletin, 105(1), 131–142.
-Eli Pariser (2011) The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You. Penguin Press, New York.

Die Krise als Lernfeld – oder wie uns aussergewöhnliche Situationen weiterbringen

Posted on 13. Mai 2020 by Redaktion

Unser Verhalten ist erstaunlich stabil und schwer zu ändern. Aussergewöhnliche Situationen können aber als Auslöser wirken, um neue Kompetenzen zu entwickeln. Davon profitieren wir momentan alle. Doch wie können wir positive Erkenntnisse in die Zeit nach dem Ausnahmezustand mitnehmen?

Text: Urs Blum
Bild: Lacie Slezak

Im Zuge der pandemischen Verbreitung von Covid-19 hat sich unser Alltag stark verändert. In dieser Situation eignen wir uns gezwungenermassen neue Kompetenzen an.

Wir erweitern beispielsweise unseren digitalen Rucksack, indem wir den Umgang mit gewissen Online-Tools lernen und Erfahrungen im virtuellen Zusammenarbeiten sammeln. In den sozialen Netzwerken macht gerade ein Beitrag die Runde, der nach dem Treiber der digitalen Transformation im eigenen Unternehmen fragt. Als richtige Antwort wird weder der CEO noch der CTO, sondern «Covid-19» vorgeschlagen. Wie so oft bringt Satire einen Aspekt der Realität auf den Punkt.

Auch eine Krise hat zwei Seiten

Momentan passiert sehr viel, was ohne den Druck von aussen, wohl weder in dem Tempo, noch in dem Ausmass eingetroffen wäre. Viele Menschen erweitern ihre Kompetenzen auch in nicht-digitalen Bereichen. Beispielsweise indem sie neue Wege entdeckten, um trotz geschlossenem Fitness Center körperlich aktiv zu bleiben. Oder sie entwickeln Ideen, um den Gestaltungsdrang der gelangweilten und mit Farbstiften bewaffneten Kinder weg vom Sofa zu lenken. Als Gesellschaft erleben wir hautnah den Wert von Berufen im Gesundheitswesen, im Detailhandel oder in der Logistik, auf die wir für das Funktionieren unseres Alltags angewiesen sind. Diese Berufe erfahren ironischerweise kaum Wertschätzung und gehen meist mit einem geringeren Gehalt einher.

Die aktuelle Situation hat also zwei Seiten:

  • Einerseits die erschütternden, gesundheitlichen Folgen, dargestellt in Statistiken und Fallzahlen, hinter denen immer einzelne Schicksale, Freunde und Familien stehen.
  • Andererseits die Entwicklung von Kreativität und Gemeinschaftssinn während dem Lockdown.

Der britische Ökonom und Autor Tim Harford beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch «Messy – The Power of Disorder to Transform Our Lifes» mit dem Zusammenhang zwischen Unordnung und Kreativität.

So ist beispielsweise das weltweit meistverkaufte Jazz-Album aus einer chaotischen und äusserst unangenehmen Situation entstanden. Die Bedingungen vor dem Kölner Konzert des Pianisten Keith Jarrett waren so schlecht, dass der Musiker kurz davorstand, das Konzert abzusagen. Aufgrund des akustisch minderwertigen Klaviers war Keith Jarrett schliesslich gezwungen, anders als gewohnt zu spielen, was zu dem beeindruckenden Klang des komplett improvisierten Konzerts geführt hat.

Wenn die U-Bahn nicht kommt, muss man einen neuen Weg finden

Ein anderes Beispiel aus dem Buch von Tim Harford bezieht sich auf einen Ausfall der U-Bahn im Grossraum London. Aufgrund eines Streiks waren tausende Pendler dazu gezwungen, eine neue Route zu ihrem Arbeitsplatz zu finden. Eine Auswertung im Nachgang hat gezeigt, dass ein Teil der Pendler die neue Route auch nach dem Streik beibehalten hat.

Beiden Situationen ist gemeinsam, dass die dabei involvierten Menschen im Angesicht einer unvorhergesehenen Herausforderung ihr gewohntes Verhalten ändern mussten und dabei auf neue, überraschende Erkenntnisse gestossen sind.

Da viele von uns bald an die Arbeit zurückkehren werden, stellt sich nun die Frage, wie wir es schaffen können, unsere neu erworbenen Kompetenzen in den Alltag nach Covid-19 mitzunehmen. Ein guter Anfang wäre, in einem ruhigen Moment die Dinge aufzulisten, die für einen persönlich an der aktuellen Situation positiv sind. Das können ganz unterschiedliche Verhaltensweisen sein, z. B. die digitale Organisation der eigenen Aufgaben, die bewusst genutzte Zeit mit der Familie, die Besinnung auf das Wesentliche. In einem weiteren Schritt überlegt man sich, welche drei oder vier Punkte am Wichtigsten sind und plant, welche konkreten Schritte man unternehmen kann, um diese positiven Aspekte beizubehalten. Dabei ist es wichtig, möglichst konkret zu planen:
Was mache ich wann, in welcher Häufigkeit und mit welchem Ziel?

Schliesslich folgt der anspruchsvolle Teil, nämlich das Umsetzen im Alltag. Hier lohnt es sich, regelmässig Bilanz zu ziehen, um Erfolge und Hindernisse zu identifizieren und weitere Schritte einzuleiten.

In dem Sinne wünsche ich uns allen den Mut, in der aktuellen Situation Neues zu wagen und neue Wege zu entdecken. In der Hoffnung, dass es uns gelingt, das eine oder andere zurück in den langersehnten Alltag zu nehmen.

Urs Blum

Urs Blum ist Arbeits- und Organisationspsychologe und Co-Leiter im Bereich Human Resources, Development & Sportpsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Als Dozent leitet er den DAS Ausbilder/in in Organisationen und berät Organisationen in Fragen der Personalentwicklung und des Gesundheitsmanagements.

Literatur
Tim Harford (2016), Messy – The Power of Disorder to Transform Our Lives, Riverhead Books

Werden Sie zum Datenmanager Ihrer Emotionen

Posted on 8. Mai 2020 by Redaktion

In unserem Alltag haben wir es ständig mit Gefühlen von Menschen zu tun. Gefühle gehören ebenso zu uns wie unser Denken und unser Körper. Aber was tun, wenn unsere Emotionen überhandnehmen und unseren Alltag mehrheitlich steuern? Dann gilt es, sie zu analysieren, um sie einordnen zu können. Wichtig ist, dass wir uns vor Augen führen, dass wir nicht unsere Gefühle sind, sondern dass wir sie «beherbergen» und sie uns Informationen über uns selbst liefern.

Text: Maja Goedertier
Bild: Heath Johnson

In unserem Leben lernen wir von Anfang an verschiedene Gefühle kennen: den Stolz Laufen zu können, das Glücksgefühl endlich in die Schule zu dürfen, das erste Mal verliebt zu sein, von Arbeitskollegen enttäuscht oder von Partnerinnen verlassen zu werden. Der Umgang mit positiven, wie negativen Gefühlen wird uns schon von Kindsbeinen an vermittelt. Je älter wir werden, umso vielfältiger wird die Welt unserer Gefühle und wir lernen, diese zu differenzieren. Gleichzeitig begleitet die Analyse dieser Gefühle auch eine gesellschaftliche Zensur. Wir lernen, welche Gefühle vom Umfeld gefragt sind und toleriert werden und von welchen niemand etwas wissen will. Die Dinge ständig positiv zu betrachten und eine optimistische Grundeinstellung an den Tag zu legen, wird in unserer Gesellschaft als gut bewertet. Diese Bewertung tragen wir im Erwachsenenalter in uns mit und wenden sie an. Sie ist einerseits richtungsweisend für unser Verhalten, andererseits aber auch hinderlich, da negative Gefühle genauso zum Leben gehören.

Je schwieriger eine Situation ist, umso mehr versuchen wir, unsere Gefühle zu kontrollieren

Viele von uns lernen durch drastische Ereignisse – zum Beispiel eine schwierige medizinische Diagnose – dass unsere Gefühle uns in die Knie zwingen können. Nicht selten verurteilen wir uns dann für unsere schlechten Gefühle, wie Angst, Trauer oder Wut, womit wir uns noch tiefer in eine Negativspirale hineinbewegen. Je schwieriger eine Situation ist, umso mehr versuchen wir, unsere Gefühle zu kontrollieren. Dieses Verhalten ist nicht nur ineffektiv, sondern auch grausam anderen und uns selbst gegenüber, weil wir relevante Hinweise übergehen und nicht zu unseren Gefühlen stehen. Nicht selten verstärkt dieses Verhalten unsere negativen Gefühle sogar noch.

In einer Zeit, wie wir sie aktuell erleben, sind wir alle mit viel Unsicherheit und Ungewissheit konfrontiert. Dies löst oft Ängste in vielen Färbungen aus, die sich verschieden auswirken können. Einige Menschen sind von schlaflosen Nächten geplagt, weil sie den Jobverlust fürchten, andere verspüren Existenzängste oder fühlen sich in ihren Beziehungen nicht mehr getragen.

In Zeiten von COVID-19 ist wichtiger, was wir fühlen, als was wir tun

Wir sind also gefordert Verantwortung für uns zu übernehmen und müssen die Fähigkeit entwickeln, die Realität so zu nehmen, wie sie ist. Schwierige Situationen und schwierige Gefühle sind Teil unseres Vertrages mit dem Leben. Unbehagen und Unannehmlichkeiten die Eintrittspreise in ein bedeutungsvolles Dasein.

So ist es in Zeiten von COVID-19 wichtiger, was wir fühlen, als was wir tun. Die totale Akzeptanz unserer Gefühle ist der Eckstein der möglichen Bewältigung von Situationen.
Gefühle sollten aber nicht als Verhaltensanweisungen verstanden werden, sondern mehr als Informationsquelle zur inneren Befindlichkeit. Dementsprechend tun wir gut daran, zu erörtern, was unser effektives Gefühl ist und was es uns sagen will.

Haben wir die Botschaft unserer Gefühle verstanden, können wir mit konkreten Schritten reagieren und unsere Situation verändern. Wir können vorhandene Ressourcen einsetzen, Unterstützung suchen und lernen Unabänderliches als solches zu integrieren. So werden wir zum (Gefühls-)Datenmanager und stärken uns für spätere Situationen.

Die Rolle des Data-Analyst steckt in uns allen. Von klein an erlernt, später weiterentwickelt und aktuell als wichtiger Krisenmanager in uns tätig. Hier finden sie 4 Tipps, wie sie ihn trainieren können.

Tipp 1: Gefühle wahrnehmen                                                        

Leichter gesagt als getan. Was heisst es, wenn ich mich per se gestresst fühle? Die Bewertung davon, wie wir eine Situation erleben, ist sehr persönlich und individuell. Es gibt kein «richtiges» Erleben. Den Situationen und Gefühlen, die sie auslösen, auf den Grund gehen, können wir durch verschiedene Fragen an uns selbst:

Habe ich irgendwo Schmerzen? Bin ich es leid, mich ständig anzupassen? Ist meine Motivation weg? Reagiere ich öfter als sonst gereizt und gerate in Konflikte mit anderen? Wieso bin ich ständig verstimmt? Fällt es mir schwer mich zu konzentrieren? Mag ich gar nicht mehr aufstehen? Spüre ich Druck auf Herz oder Lunge?

Tipp 2: Über Gefühle schreiben                                                    

In stiller Korrespondenz mit uns selbst können wir unsere Gefühle und deren Wahrnehmung schriftlich festhalten. Wenn ich über meine eigenen Gefühle schreibe, hilft es mir, sie einzuordnen und zu verstehen. Oft wird erst im Festhalten der Gefühlszustände klar, woher sie kommen und was sie uns sagen wollen. Wichtig ist dabei, alles was einem durch den Kopf geht, festzuhalten, ohne jegliche Zensur.

Tipp 3: Über Gefühle sprechen                                                   

Mich einer Vertrauensperson anzuvertrauen, gibt mir die Möglichkeit, offen über meine Gefühle zu sprechen. Das kann jemand sein, der mich gern hat, mich gut kennt und bereit ist, mir regelmässig Rückmeldungen zu geben, wie er/sie mich erlebt. In manchen Fällen kann dies eine gute Freundin/ ein guter Freund sein, in anderen Fällen auch ein professioneller Coach. Wichtig ist, dass wir der Person voll und ganz vertrauen.

Tipp 4: Social Contacting                                                             

Zu merken, welche Personen mir in welchen Situationen helfen, ist besonders wichtig. Sich dann aktiv diesen Menschen zuzuwenden und eine regelmässige Kontaktpflege zu etablieren, hilft mir, belastende Gefühle nicht alleine tragen zu müssen. Ob dieser Kontakt nun per Telefon, Video, Chat oder persönlich mit Distanz gepflegt wird, ist sekundär. Wichtig sind die Regelmässigkeit und der Austausch.

Maja Goedertier ist Psychologin und Beraterin im Bereich Managementdiagnostik und Sicherheitspsychologie. Ihr Arbeitsschwerpunkt am IAP Institut für Angewandte Psychologie ist die psychologische Eignungsdiagnostik von Führungspersonen und Personen in sicherheitssensiblen beruflichen Kontexten.

Corona-Alltag mit kleinen Kindern und trotzdem entspannt und leistungsfähig? – ein Erfahrungsbericht

Posted on 4. Mai 2020 by Redaktion

Juhee die Auflockerung kommt! Ach, wie werden wir sie vermissen diese Alle-unter-einem-Dach-Zeit… oder verdrängen wir da etwas?
Es lohnt sich auf jeden Fall, einen ehrlichen Rückblick auf schluchzende Kinder, sinnloses Aufräumen und das allsehende Kamera-Auge des Laptops im Mami-Papi-Kind-Homeoffice zu werfen.

Text: Gian-Rico Bardy
Bild: Shutterstock

Für alle Menschen hat sich durch das Corona-Virus und den damit einhergehenden Massnahmen in den letzten Wochen vieles verändert.
Auch für unsere Familie mit zwei Kleinkindern und zwei berufstätigen Eltern. Wir mussten uns, in vielerlei Hinsicht anpassen. Die Kinder gehen am Montag nicht mehr in die Krippe (das war für uns zu dieser Zeit keine Option) und Omi kommt am Mittwoch auch nicht mehr. Gleichzeitig haben sich die Anforderungen im beruflichen Kontext stark verändert. Homeoffice mit Nicht-enden-wollenden-Online-Meetings, bei denen man sich nur ausloggt, um sich direkt ins nächste einzuloggen. Es bleibt kaum noch Zeit, um die in den Meetings besprochenen Tasks auch wirklich umzusetzen – und zwar in der gewohnten Manier bzw. mit den gewohnten Ansprüchen von aussen, wie auch von einem selbst.

Mit je einem Kind am Bein auf den Homeoffice-Einsatz warten

Viele stellten sich in den letzten Wochen bestimmt derselben oder ähnlichen Herausforderungen. Deshalb möchte ich hiermit unsere Selbsterkenntnis zugänglich machen, um solche Phasen im Leben so gut als möglich zu meistern und dabei noch eine gewisse Entspannung zu erleben – oder nicht komplett verrückt zu werden.

1. Tipp: Struktur schaffen, wo es vermeintlich keine Struktur gibt

Zu Beginn haben meine Frau und ich versucht, unsere Termine aneinander vorbei zu planen. Dies hat dazu geführt, dass wir uns in unserem improvisierten Homeoffice die Klinke in die Hand gegeben haben, bzw. der eine mit je einem Kind am Bein draussen vor der Tür genervt gewartet hat, bis der andere endlich sein Meeting beendete, damit man selbst das eigene rechtzeitig beginnen konnte.

«Hesch denn bim Papi scho as Dessert gha?»

Nicht bedacht haben wir dabei, was dieser Zustand mit den Kindern macht. Das Meiste, was ich meinen Kindern zu dieser Zeit gesagt habe, waren Sätze, wie «Wart schnell!», «Jetzt müander ganz still si, gell» oder «z’Mami kunnt grad». Das dies unsere Kinder im Alter von 1 und 3 Jahren nicht verstanden haben, liegt wohl auf der Hand und die Reaktionen waren entsprechend. All dies hat zu einer unglaublichen Hektik geführt, die sich wie in einer Spirale ständig verstärkte. Als meiner Frau und mir dies irgendwann bewusst wurde, haben wir versucht, etwas grobmaschiger zu planen – sie am Morgen, ich am Nachmittag. Aber auch das war nur mässig erfolgreich, da sich für die Kinder dabei nicht viel an der Struktur verändert hat. Für sie erschien der Tag ungeplant und es war schwierig, Abmachungen zu treffen und sich auch daran zu halten. «Hesch denn bim Papi scho as Dessert gha? Nei? Bisch sicher?».

«s Mami het neeeeeeeeeeei gsait!!»

Wir haben dann festgestellt, dass es allen am besten geht, wenn ein Elternteil den ganzen Tag arbeitet und der andere die Kinderbetreuung übernimmt. Und ja, manchmal platzen die Kinder in die Video-Konferenz «Papi i han grad as Riesagaggi gmacht» oder schluchzen vor der Türe «s Mami het neeeeeeeeeeei gsait!!». Auch das gehört zum neuen Alltag dazu und zum Glück geht es den meisten Kollegen ähnlich. Ausserdem kann man die Videofunktion sowie das Mikrofon auch kurz einmal ausschalten.

2. Tipp: Eigene Ansprüche zurücknehmen

In dieser aussergewöhnlichen Zeit den Anspruch an sich selbst zu haben, die gleiche Menge an Arbeit in der gleichen Qualität zu erbringen, ist wahrscheinlich etwas vermessen. Und dennoch hat sicher jeder von uns einen gewissen Arbeitsanspruch, einen gewissen Arbeitsethos, den man nicht einfach über Bord werfen kann oder will. Gleichzeitig dann aber mit den Kindern den «Nuggi» los zu werden (was ja vor 2-3 Wochen so gut geklappt hat), die Windeln endlich abzugewöhnen, das Radfahren ohne Stützräder hinzubekommen und die Wohnung blitzblank zu halten, ist wohl Einiges zu viel verlangt. Die eigenen Ansprüche an sich und andere bewusst zurückzunehmen – «z Füfi grad si loh» – hat bei uns ebenfalls dazu geführt, mit der ganzen Situation gelassener umzugehen.

3. Tipp: Bewusst auch die Vorteile der Situation sehen

Homeoffice bietet da und dort auch Vorteile. Mittagessen mit der Familie auf der Terrasse oder ein gemeinsames Zvieri und dann dafür am Abend noch etwas arbeiten. Oder der Umstand, sich die Arbeit zu einem gewissen Teil selbst einteilen zu können, ist auch nicht zu verachten. Wenn es beispielsweise bei der Konzeption einer Online-Weiterbildung harzt, kann ich mich jederzeit mit anderen Tätigkeiten kurz ablenken.

Diese Strategie ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, wenn man kleine Kinder hat.

Zu Beginn wollte ich einmal still und heimlich eines der Zimmer etwas aufräumen. Natürlich haben mich die Kleinen dabei erwischt, worauf ich sie direkt aufgefordert habe, mir zu helfen. Aber sind wir mal ehrlich: nach spätestens 5 Dingen, die sie aufgeräumt hatten, war das Ganze wieder komplett vergessen und es lagen bereits 10 neue Spielsachen, die sie während dem «Aufräumen» wiederentdeckt hatten, herum. In diesem Moment war ich froh, mich wieder in die Konzeption vertiefen zu können und den Rest mit einem nicht ganz so schlechten Gewissen meiner Frau zu überlassen.

4. Tipp: Klares Ziel setzen

Seit meiner Frau und mir bewusst geworden ist, dass ein klar formuliertes Tagesziel uns hilft, auch herausfordernde Tage gut zu meistern, machen wir uns einen kleinen Spass daraus, dies am Morgen bzw. am Vorabend zu definieren. Mittlerweile haben wir festgestellt, dass für uns zurzeit vor allem ein Ziel wichtig ist, um längerfristig entspannt und leistungsfähig zu bleiben: Die Kinder müssen spätestens um 20 Uhr in ihren Betten sein und schlafen (ok, das mit dem schlafen klappt nicht immer). Dann haben wir nämlich Zeit für uns. Sei es, um jeder für sich einer Tätigkeit nachzugehen oder gemeinsam etwas zu machen. Zum Beispiel die Highlights des Tages Revue passieren lassen und dabei ab und zu ein Glas Wein trinken.

Es ist klar, dass diese Tipps für uns nur funktionieren, weil wir beide von zu Hause aus arbeiten können und zusätzlich flexible und verständnisvolle Arbeitgeber haben, die uns in dieser Zeit ermöglichen z. B. Überzeit abzubauen oder auch Minusstunden zu generieren.

Diese Ansätze sind sicher nicht für Jeden und Jede komplett neu, sie basieren aber auf grundlegenden psychologischen Erkenntnissen und haben sich bei uns bewährt. Wir können diese Ratschläge also mit gutem Gewissen weitergeben.

Gian-Rico Bardy ist Berater im Bereich Diagnostik, Verkehrs- & Sicherheitspsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie.

Wo steckt denn nun unsere Resilienz?

Posted on 28. April 2020 by Redaktion

Jetzt ist sie da, die Krise, aus der wir gestärkt hervorgehen sollen… das verspricht uns ja das Konzept der Resilienz. Doch wo finden wir diese Stärke? Wie wachsen wir an dieser Herausforderung?

Text: Beatrice Mühlberg
Bild: Pixabay

Viele Menschen stellen sich diese Fragen genau jetzt.
Alle haben in dieser aussergewöhnlichen, unwirklichen Zeit ihre eigenen Herausforderungen. Und alle haben ganz eigene Strategien damit umzugehen. Einigen gelingt dies gut, viele finden sich jedoch nicht wirklich zurecht.

Was kann uns konkret helfen, optimistisch und zufrieden zu bleiben?

Jetzt wo Vieles um uns herum ruhiger geworden ist, fällt es uns nicht so leicht, uns abzulenken. Das Haus ist geputzt, der Keller geräumt, der Garten bereit. Es bleibt Zeit in sich hineinzuhören, für viele Menschen eine ungewohnte, schwierige Situation. Doch genau da finden wir unsere Resilienz. Unsere persönlichen Ressourcen, unsere inneren Kraftquellen, welche uns helfen, Krisen gesund zu überstehen und an ihnen zu wachsen. Das können zum Beispiel innere Bilder von einer Blumenwiese, einem Sandstrand oder einem Klettersteig sein: etwas Positives aus unserem Leben, an das wir uns gerne erinnern.

Auch mal zusammen lachen oder jammern

Für mich persönlich ist eine der Kraftquellen die Natur, im Moment Spaziergänge im Wald oder am Fluss. Zu sehen, wie alles wächst, wie der Himmel ohne Flugzeuge ist, den leisen Geräuschen der Tiere lauschen, das gibt mir innere Ruhe und Halt. Dann ist es meine Familie, meine Freunde. Sie regelmässig zu hören oder per Video zu sehen, gibt mir Vorfreude auf unsere nächsten Treffen. Sich austauschen, zusammen lachen oder auch mal jammern über die Situation, tut meiner Seele gut.

Gemäss dem Resilienzkonzept von Corina Wustmann gibt es 5 Arten von Ressourcen, aus denen wir Energie gewinnen können.

  1. Soziale Ressourcen
    Dazu gehört unser Beziehungsfähigkeit mit dem ganzen Umfeld: Personen wie unsere Freunde, Arbeitskollegen, die eigenen Kinder oder die Eltern.
  2. Emotionale Ressourcen
    Die Fähigkeit Gefühle wahrzunehmen und sie auszudrücken.
  3. Gesundheitsressourcen
    Dazu kann Bewegungs-, Erholungs- und Essverhalten gezählt werden.
  4. Motivationale Ressourcen
    Die Fähigkeit uns selbst anzutreiben/ gut zuzureden.
  5. Kognitive Ressourcen
    Unsere gedanklichen Fähigkeiten wie Aufmerksamkeitsfokussierung, Merkfähigkeit, Wissen und Erinnern.

Sie können sich auch fragen: Was hat mir früher geholfen? Wer hat mich gut unterstützt? Was motivierte mich? Mit diesen Fragen entdecken sie ihre ganz persönliche Art von Resilienz.

Also horchen Sie in sich hinein und erinnern sich an das, was Sie stark macht!

Beatrice Mühlberg ist verantwortlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement und das Thema Diversity am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW. Ausserdem ist sie diplomierte Resilienztrainerin CZO.

Literatur
– Coachingzentrum Olten (2015) Unterstützende Grundhaltung. V.2.1 aus dem Modul «Resilienz entdecken» im CAS Resilienztraining. Coachingzentrum Olten, Seite 3

«Wir Erwachsene haben oft eine Zensurschere im Kopf»

Posted on 21. April 2020 by Redaktion

«Was mach ich nur die ganze Zeit mit den Kindern?!», werden sich wohl viele Eltern in diesen Tagen fragen. Spielen kann eine Quelle von Freude und Spass sein, aber leider auch von Frust und Wutanfällen. Unser Spielpsychologe Roberto Siano macht Vorschläge, wie ein gutes Spiel für die Kinder und auch die Erwachsenen gelingt.

Text: Roberto Siano
Bild: Prashant Sharma

Das Zuhause-bleiben-müssen der Kinder bietet die Möglichkeit, wieder vermehrt mit ihnen zu spielen. So überrascht es nicht, dass Spieletipps momentan boomen. Sie sind überall zu finden. Doch auch das spassigste Spiel hat seine Tücken und statt Freude herrscht manchmal Frust oder sogar Streit. Oft liegt es aber nicht an den Spielen selbst, sondern an den unpassenden Rahmenbedingungen. Denn beim Spielen mit Kindern gibt es einige Spannungsfelder, die es zu beachten gilt.

Ich habe die Unordnung gesehen, die Kinder eine Party mit Freunden

Das erste wichtige Thema ist «Raum lassen». Spielen braucht Platz. Aber nebst dem physischen Raum, geht es auch um die Freiheit im Denken. Wie oft habe ich mich dabei ertappt, den Kindern «Stopp» zu sagen, weil sie alle Stofftiere um den Tisch platzieren wollten inmitten eines Rollenspiels. Ich habe die Unordnung gesehen, sie eine Party mit Freunden. Wir Erwachsenen haben häufig eine Zensurschere im Kopf, weil wir die Folgen des Spiels abschätzen. Dadurch verlieren wir die Möglichkeit, unbeschwert in den Moment einzutauchen.

Aber Raum lassen heisst nicht, keine Grenzen zu setzen. Regeln sind ein fixer Bestandteil von Spielen. Ich versuche in Spielsettings nicht mit Belohnung oder Bestrafung zu hantieren, sondern mit klaren Regeln (die meist gemeinsam verabschiedet werden). Und die erste Regel beim Spielen heisst: bevor ein neues Spiel beginnt, muss das alte abgeräumt werden. Auch wenn wir mitspielen, müssen wir Erwachsene die Verantwortung übernehmen und sind für Sicherheit und Grundstruktur zuständig.

Wenn man keine Lust hat, sollte man nicht mitspielen

Ausserdem ist es wichtig, sich auf die Spielsituation komplett einzulassen. Ich persönlich muss mir ganz bewusst Zeit nehmen, um mich mit den Kindern zu synchronisieren. Wenn ich mich gestresst fühle, geschieht es häufig, dass ich keine Geduld habe. Dann überhöre ich ihre Ideen und lasse mich nicht genug auf sie ein. Dieses vordergründige «Anhören» spüren die Kinder und es kommt dann gerne zur Verweigerung. Wenn man keine Lust hat, sollte man lieber gar nicht mitspielen als nur halbherzig dabei zu sein.

Hier habe ich 3 Tipps zur aktiven Gestaltung von Spiel-Zeiten zusammengestellt.

Tipp 1: Einfach schlägt komplex
Jede Familie hat phasenweise ein Lieblingsspiel. Unseres ist gerade «Drecksau». Es besticht nebst dem Namen – meine Kinder liebten das Spiel, bevor sie es zum ersten Mal gespielt hatten – auch durch eine Mechanik, die es Erwachsenen erlaubt mitzuspielen, ohne vor Langeweile einzuschlafen. Meist spielen meine Kinder jedoch frei. Mit etwas Platz und etwas Abfallholz, können sie sich stundenlang vergnügen. Was sie damit schon alles gebaut haben, ist fantastisch: Ein Schloss, ein Hindernisparcours oder eine Brücke.

Probieren sie Folgendes: Tisch oder Boden frei räumen. Ein paar Kartonschachteln drauf. Für jedes Kind 1 Schere und genug Klebeband. Schauen sie, was passiert… es wäre ziemlich sicher eine «Internet-Challenge» wert.

Tipp 2: Kooperation führt zu weniger Reibung
Viele Spiele sind kompetitiv. Seit «Hanabi» 2013 Spiel des Jahres geworden ist, sind die kooperativen Spiele aber wieder stärker in den Fokus gerückt. Auch Teamspiele gibt es viele. Hier steht das Miteinander im Vordergrund und weniger das Gegeneinander. Man kann viele Spielsettings kooperativ ausgestalten. Ein Hindernisparcours kann z. B. kompetitiv aufgestellt sein, sodass der Schnellste gewinnt oder kooperativ, dass jenes Team einen Punkt bekommt, bei dem die Mitglieder zusammen die Hindernisse bewältigen. Ausserdem kann man nicht messbare Ziele setzen. Ich habe Kindern schon mit Holzklötzen zwei unterschiedliche Aufgaben gegeben. Baut den höchsten Turm oder baut ein schönes Schloss. Die Dynamik war sehr unterschiedlich.

Tipp 3: Spass haben
Das Wichtigste beim Spielen ist Spass und eine gute Zeit zu haben. Das verbindet. Dieser Spass kann für alle unterschiedlich sein. Ich persönlich kann zum Beispiel nicht absichtlich verlieren. Ich gebe mir manchmal ein Handicap, aber gewinnen lasse ich meine Kinder nicht, das würde mir selbst den Spass verderben.

Spass haben, heisst aber auch, es locker zu nehmen, wenn etwas nicht klappt. Manchmal hat man eine geniale Idee, bereitet alles vor und freut sich darauf – und auf einmal wollen die Kinder lieber Playmobil spielen. Das muss man dann nicht persönlich nehmen, sondern die Situation «fliessen» lassen.

Roberto Siano ist als Berater & Dozent am IAP Institut für Angewandte Psychologie tätig. Seine Themenschwerpunkte liegen auf Spielpsychologie, Spielentwicklung und dem Einsatz von Spielmethoden in der Aus- und Weiterbildung.

Positive Vögel vor dem Fenster und die Macht der Gedanken

Posted on 20. April 2020 by Redaktion

In den letzten Wochen sind Sie sicher auf viele Tipps zum Umgang mit der derzeitigen Situation gestossen. Vielleicht wollten Sie diese Ratschläge gerne befolgen, wussten aber nicht, wie umsetzen. Die Sportpsychologie kennt konkrete Übungen und Anleitungen, die im (Arbeits-)Alltag eingesetzt werden können. Wir stellen Ihnen hier drei vor.

Text: Jan Rauch und Anuschka Zimmermann
Bild: Ales Krivec

(Mentale) Ziele setzen

Ziele setzen ist einfach – gesetzte Ziele erreichen ist eine andere Geschichte.
Dies gilt nicht nur für den Sport. Je nach Ihrer Situation könnten dies konkrete Aufgaben fürs Homeoffice, den Haushalt, das Familienleben etc. sein.

Im Sport ist es beispielsweise so, dass Ziele zunächst auf der Leistungsebene gesetzt werden. Also Zeiten erreichen, Anzahl Kilometer erreichen, einen bestimmten Rangplatz erreichen. Es erscheint jedoch logisch, dass Sportler/innen solche Ziele nur erreichen können, wenn sie es schaffen, Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Wichtige zu lenken – man spricht hier von mentalen Zielen. Ausserdem setzen sich Sportler/innen damit auseinander, was sie daran hindern könnte, ihre mentalen Ziele zu erreichen (Bedingungen, Gegner etc.). Im Alltag funktioniert das genau gleich.

Tipp: In vier Schritten Ziele setzen und Stolpersteine identifizieren

  • Schritt 1: Setzen Sie sich ein Leistungsziel für den nächsten Tag (siehe Beispiel unten) und unterteilen Sie es, wenn nötig, in kleine, messbare Einheiten.
  • Schritt 2: Überlegen Sie sich, was die mentalen Ziele sind, um dieses Leistungsziel zu erreichen: Worauf soll meine Konzentration liegen? In welcher Stimmung muss ich sein? Und so weiter.
  • Schritt 3: Identifizieren Sie konkrete «Stolpersteine», welche die Erreichung dieser mentalen Ziele verhindern könnten.
  • Schritt 4: Schaffen Sie diese Stolpersteine aus dem Weg.

Ein Beispiel. Ihr Leistungsziel lautet: «Morgen stelle ich das neue Kundenkonzept fertig» (1. Schritt). Dann formulieren Sie dazu ein passendes mentales Ziel, wie z.B.: «Ich benötige vier Stunden störungsfreie Zeit vor dem Computer» (2. Schritt). Danach definieren Sie entsprechende Stolpersteine (Fragen der Kinder zu den Hausaufgaben, eingehende Telefonate, Baulärm von der Strasse) (3. Schritt). Nun überlegen Sie, wie Sie diese Stolpersteine überwinden werden: «Ich werde mit den Kindern die Abmachung treffen, dass sie konkrete Fragen aufschreiben sollen, welche wir dann über Mittag besprechen» oder «Ich stelle das Telefon am Vormittag auf Flugmodus» (4. Schritt).

Ausserdem: Lernen Sie bewusst. Wenn Sie die Zielsetzungen ein paar Tage ausprobiert haben, werden Sie rasch merken, welche Stolpersteine Sie immer wieder behindern. Passen Sie daraufhin ihre Zielsetzungen an.

Das klingt einfach, aber es ist sehr wichtig, solche Stolpersteine überhaupt zu identifizieren. Denn häufig sind es immer ähnliche Dinge, die uns von unseren Plänen abhalten. Das Bewusst-Machen dieser Stolpersteine alleine führt bereits dazu, dass man besser gegen solche Einflüsse gewappnet ist. Dies hilft nicht nur, gesetzte Ziele zu erreichen, sondern reduziert auch den Ärger, wenn man gefühlt «dauernd» von seinen Zielen abgehalten wird. Und dies hat wiederum positive Auswirkungen auf die Konzentration, welche es erlaubt, an einem Ziel dranzubleiben.

Positive Selbstgespräche führen

Viele unserer Gedanken sind ein innerer Dialog, also ein Selbstgespräch. Wir nutzen Selbstgespräche, um unsere Handlungen vorzubereiten («Morgen stehe ich früher auf.»), zu kommentieren («Läuft ja ganz gut.») oder auszuwerten («Uff, gerade noch geschafft!»). In der Regel haben diese Selbstgespräche motivationale Komponenten, die unser Handeln unterstützen.

Stehen wir unter Stress, können negative Einflüsse in den Selbstgesprächen Überhand nehmen («Das schaffe ich nie!», «So ein blöder Fehler!»). Dies hat in der Regel schädliche Auswirkungen auf die Motivation, das emotionale Befinden und die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf Wichtiges zu lenken. Umso wichtiger ist es, Selbstgespräche positiv zu formulieren, um deren vorteilhafte Auswirkung auf den Selbstwert zu nutzen.

Führen Sie positive Selbstgespräche. Fragen Sie sich: Was macht mir Mut? Wer oder was kann hilfreich sein? Welche Sätze kann ich mir sagen, die mich beruhigen und mir/meiner Familie Sicherheit geben?

Tipp :«Antworten» auf negative Selbstgespräche

  • Identifizieren Sie regelmässig auftretende negative Gedanken und Selbstgespräche («Immer diese negativen Meldungen in den Medien!» oder «Ich drehe langsam durch, immer nur zuhause rumzusitzen!»).
  • Überlegen Sie sich Sätze, mit denen Sie konkret auf den negativen Aspekt des Gedankens «antworten» können («Ich suche ab jetzt bewusst nach mehr positiven Inhalten in den Medien» oder «Ich werde mich ab jetzt mehr bewegen»)
  • Sobald einer Ihrer negativen Gedanken wieder auftritt, antworten Sie darauf bewusst und laut (also nicht nur in Gedanken) mit der positiven Antwort.
  • Sie werden bemerken: Nach einigen Tagen erkennen Sie die negativen Gedanken, bevor Sie sie (innerlich) ausgesprochen haben. Stoppen Sie den Gedanken an dieser Stelle und sprechen Sie Ihre positive Antwort aus.

Das Gute bewusst machen

Ein hohes Wohlbefinden geht in der Regel mit besserer Arbeitsleistung einher. Wenn es uns also gelingt, das Wohlbefinden zu steigern, können wir damit gleichzeitig die Arbeitsleistung positiv beeinflussen.
In Krisensituationen tendieren wir dazu, nur noch das Negative zu sehen. Daher lohnt es sich, den Blick ganz bewusst auf das Gute, Gelingende zu richten. Auch in dieser Krise gibt es positive Dinge: trotz Stress mehr Zeit mit der Familie verbringen, komfortableres Arbeiten von zuhause aus usw.

Tipp: Drei gute Dinge

  • Nehmen Sie sich jeden Abend mindestens 15 Minuten Zeit und notieren Sie drei Dinge, die an diesem Tag wirklich gut gelaufen sind oder die Sie als schön empfunden haben. Dies können Dinge aus allen Bereichen des Lebens sein, auch ganz kleine Dinge (z.B. der Vogel, den ich am Morgen vor dem Fenster gesehen habe oder die erfolgreich durchgeführte Online-Veranstaltung)
  • Beantworten Sie für Sich zu jedem der guten Dinge folgende Frage: Warum hat sich dieses gute Ereignis zugetragen? (z.B. «weil ich mir das Homeoffice am Fenster eingerichtet habe» oder «weil ich mich intensiv mit Online-Konferenz-Tools beschäftigt habe»).
  • Beantworten Sie in einem weiteren Schritt für jedes der drei guten Dinge die Frage: Was habe ich dabei genau empfunden? (z.B. «ich war glücklich, wieder mal einen Vogel aus der Nähe zu beobachten» oder «ich war stolz, dass der Kurs so gut über die Bühne ging»).

Achten Sie darauf, dass Sie die drei Dinge und die jeweiligen Gefühle wirklich aufschreiben. Es reicht nicht, diese Übung nur gedanklich durchzuführen. Das mag zu Beginn etwas schwierig erscheinen, aber versuchen Sie dies in den nächsten Wochen konsequent durchzuziehen. Sie werden sehen, es wird Ihnen im Laufe der Zeit leichter fallen.

Neben einem bewussteren Fokus auf positive Dinge, ist das Ziel dieser Übung, eine Sammlung positiver Dinge aufzubauen, welche man zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervorholen kann. In vielen Studien trat nach vier Wochen eine merkliche Steigerung des Wohlbefindens ein.

Dr. Jan Rauch ist Psychologe FSP und am IAP Institut für Angewandte Psychologie als Leiter Sportpsychologie tätig. Er ist Studienleiter von zwei Zertifikatslehrgängen und bietet sportpsychologische Beratungen im Einzel- und Teamsport an.

Anuschka Zimmermann ist Psychologiestudentin an der ZHAW und absolviert im Rahmen ihres Studiums ein Praktikum am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Darüber hinaus ist sie als Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig.

Brauchen Sie Hilfe?

Wenn Sie persönliche Hilfe mit den aktuellen Herausforderungen brauchen, finden Sie auf der letzten Seite des Informationsblattes eine Auflistung verschiedener Kontaktstellen, die gerne für Sie da sind.
Das IAP Care Team bietet zudem während der Corona-Krise kostenlose Beratungen per Telefon oder Video an. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unsere Webseite.

Zuhause im Office oder das Office zuhause

Posted on 15. April 2020 by Redaktion

Wie man Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben ziehen kann und warum es das nicht immer braucht.

Text: Birgit Werkmann-Karcher
Bild: Shutterstock

An selbst gewählten Orten, zu selbst bestimmten Zeiten, arbeiten zu können, gilt als eine Errungenschaft der Arbeitswelt 4.0. Viele Erwerbstätige haben darauf gehofft, dass auch ihr Betrieb bald das Arbeiten im Homeoffice und damit mehr Flexibilität ermöglichen würde. Nun sind innerhalb kürzester Zeit Teleheimarbeitsplätze in enormem Ausmass entstanden. Das Office ist in der Wohnung untergebracht, neben Kindern, Tisch und Bett. Wir müssen nicht mehr zwingend aus dem Haus, um zur Arbeit zu gehen; ja wir müssen uns dafür nicht einmal mehr passend anziehen, und eigentlich könnte man doch auch den ganzen Tag im Bett sitzen bleiben.

Was geschehen ist, ist das Verschwinden von äusserlichen Grenzen zwischen Lebensbereichen, die man verkürzt auf «Arbeit» versus «privat» reduzieren kann. Üblicherweise signalisieren uns Räume: «du bist jetzt im Modus Arbeit», und «jetzt bist du im Modus privat». Diesen Signalcharakter haben wir im Dauer-Homeoffice nicht mehr. Arbeit und Privatleben verschmelzen.

Der einzige Ausweg ist, die Grenzen selbst neu zu setzen. Doch zuerst sollte man herausfinden, ob man überhaupt das Bedürfnis danach hat.

Segmentierer oder Integrierer

Nicht jeder Mensch braucht das gleiche Mass an Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Ob Sie zu denjenigen gehören, die gerne eine klare Trennung zwischen beiden Lebensbereichen haben, können Sie anhand folgender Fragen beantworten:

  1. Wie wichtig ist es mir bisher gewesen, dass meine Arbeit ausschliesslich ausserhalb meiner Wohnung stattfindet?
  2. Habe ich bisher Arbeit mit nach Hause gebracht?
  3. Habe ich je Arbeitskollegen zu mir nach Hause oder Familienmitglieder zum Arbeitsort gebracht?
  4. Verwende ich identische Taschen / Rucksäcke / Schlüsselbunde / Gebrauchsutensilien (wie Kaffeebecher) für Arbeit und privat?
  5. Trage ich in beiden Lebensbereichen die gleichen Kleidungsstücke?

Wenn Sie die erste Frage mit «sehr» und die folgenden Fragen mit «Nein» beantwortet haben, entsprechen Sie eher der Beschreibung eines Segmentierers, also einer Person, die beide Lebensbereiche strikt getrennt hält.
Daneben gibt es Mischtypen, die in manchen Themen segmentieren und in anderen nicht. Sogenannte Integrierer brauchen weniger bis keine Trennung zwischen beiden Bereichen, um sich wohl zu fühlen. Wer sich eher zu den Integrierern zählt, dürfte ein geringeres Bedürfnis haben, die folgenden Strategien umzusetzen. Für Separierer können sie eine Hilfe sein, innerhalb der eigenen vier Wände klare Kanten zwischen die Bereiche zu setzen. Selbst wenn es auf wenigen Quadratmetern geschehen muss.

Raumstrategien: Überlegen Sie sich, an welchem Platz Sie arbeiten und welcher Raum für Nicht-Arbeit steht. Wenn der Arbeitsplatz der Küchentisch ist, an dem zwischendurch gegessen wird, ist es wichtig, alle Symbole der Arbeit (Laptop, Unterlagen, Stifte, Kabel, alles!) abzuräumen und dort, wo die Arbeit liegen darf, zu verstauen.

Zeitstrategien: Planen Sie Ihren Arbeitstag zeitlich durch und halten Sie sich so gut als möglich daran. Setzen Sie sich Ziele für die einzelnen Tage. Wenn Sie weniger Arbeit haben, planen Sie eine Verkürzung oder freie Blockzeiten ein.

Erreichbarkeit: Vereinbaren Sie mit der Chefin oder dem Chef und dem Team die Erreichbarkeiten im Dauer-Homeoffice.

Übergangsrituale: Überlegen Sie sich, was Ihnen helfen könnte, den Privatmodus zu verlassen und sich in den Arbeitsmodus zu versetzen: Kleidung, Getränke, sich von der Familie ins Homeoffice verabschieden, Joggen vor Beginn oder nach Abschluss der Arbeit usw. Suchen Sie sich Ihr Übergangsritual.

Birgit Werkmann-Karcher ist Beraterin und Dozentin am IAP Institut für Angewandte Psychologie und Studienleiterin u.a. des MAS Human Resources Management und DAS Personalpsychologie.

Der Podcast zum Thema

Der Blick aus meinem Fenster

Posted on 6. April 2020 by Redaktion

Viele von uns leben momentan mehr in der virtuellen als in der realen Welt. Das kann anstrengend sein. Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, über eine sorgfältige Wahrnehmung Ruhe in den Tag zu bringen.

Text: Stefanie Neumann
Bild: Leonie Neumann

Meine Tochter Leonie hat von der Schule den Auftrag bekommen, doch einmal den Blick aus ihrem Fenster zu malen und dem Lehrer zuzuschicken. Diese kleine Hausaufgabe, in Zeiten des neudeutschen Begriffs «Home Schooling», hört sich so einfach an, und gleichzeitig hat sie Einiges bei mir ausgelöst.

Auch ich sitze hier zu Hause an meinem Notebook und versuche, den beruflichen und privaten Anforderungen in diesen herausfordernden Zeiten gerecht zu werden. Was sehe und fühle ich eigentlich, wenn ich aus meinem Fenster schaue? Bisher war es vielleicht ein flüchtiger Blick, wie das Wetter ist, ob ich einen Schirm brauche oder die Blumen giessen muss.

Welche Farben, Formen oder Personen nehme ich wahr?

Meine Tochter hat die für sie wichtigen Details gezeichnet: die blühenden Bäume, den Uetliberg im Hintergrund, die erleuchteten Fenster in der Abenddämmerung. Durch ihr Bild habe ich noch einmal einen neuen Blick aus unserem gemeinsamen Fenster werfen können. Und gemerkt, dass es sich lohnt, selbst eine gewohnte Aussicht aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Wenn ich jetzt zum Fenster gehe, erlaube ich mir einen «frischen» Blick auf die Umgebung und mich selbst zu richten, ganz bewusst. Ich frage mich:

  • Was ist heute anders?
  • Wie verändert sich die Stimmung, je nachdem wie das Wetter ist?
  • Welche Personen sind noch unterwegs? Welche sind in den anderen Wohnungen zu sehen?
  • Welche Farben nehme ich wahr?
  • Wie geht es mir, während ich das betrachte? Welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen habe ich?
  • Und welches Bild nehme ich jetzt mit, wenn ich mich wieder an den Schreibtisch setze?

Wenn wir einfach nur wahrnehmen, was um uns herum passiert und wie wir uns dabei fühlen, ohne es zu be- oder verurteilen, sprechen wir auch von «achtsamem Gewahrsein». Achtsamkeit ist eine mentale Haltung, die auf das Hier und Jetzt gerichtet ist (Kabat-Zinn, 2013).

Gerade in Zeiten, in denen uns die Kontrolle entgleitet, die unvorhersehbar und schwierig zu handhaben sind, hilft uns Achtsamkeit, uns wieder auf uns selbst zu besinnen. Wenn wir viel digital und virtuell unterwegs sind, kann der Rückbezug auf den eigenen Körper, das vergegenwärtigen momentaner Gefühle und Empfindungen uns helfen, etwas Ruhe in den Alltag zu bringen. Dies kann durch Stress ausgelöste Symptome wie Ängste und körperliche Spannungen reduzieren.

Über Momente der Stille können wir uns selbst besser kennenlernen

In ihrem «Einmaleins der Achtsamkeit» empfiehlt Jessika Wilker (2014), immer mal wieder kleine Pausen einzulegen und inne zu halten:

  • Wie fühlt sich momentan meine Haltung, mein Körper an?
  • Was fühle ich dabei? Benennen Sie das Gefühl, ohne es zu bewerten.
  • Wo zeigt sich dieses Gefühl in meinem Körper?
  • Finde ich dieses körperliche Gefühl angenehm, unangenehm oder neutral?
  • Und wie fühlt sich jetzt mein Körper an?

Über solche kurzen Momente der Stille, kann es uns gelingen, mehr über uns zu erfahren und daran zu wachsen.

Wagen Sie jetzt auch einmal einen neuen, achtsamen Blick aus Ihrem Fenster. Möglicherweise sind Sie überrascht über all die kleinen Details, vor allem die, die der Frühling uns bringt. Mit diesen Details können sich neue Perspektiven auftun: Perspektiven auf die derzeitige Situation, die Zukunft, unser Leben, und das was vor unserem Fenster gerade jetzt passiert.

Stefanie Neumann ist Dozentin und Beraterin im Bereich Leadership, Coaching & Change Management am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Unter anderem leitet sie den CAS International Leader & Entrepreneur und in Co-Leitung den CAS Leadership Basic. Ihre Passion ist die Begleitung von Menschen in ihrer beruflichen und privaten Entwicklung.

Literatur
–Kabat-Zinn, J. (2013). Gesund durch Meditation.
Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. Knaur Verlag.
–Wilker, J. (2014). Das Einmaleins der Achtsamkeit:
vom täglichen Umgang mit alltäglichen Gefühlen. Theseus Verlag.


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