Der Hang zum Negativen steckt in uns allen

Wir befinden uns momentan in einer Krise, das ist richtig. Aber wussten Sie, dass wir uns eigentlich immer in diesem Modus befinden? Der «Negativity Bias» umgibt uns immer und überall.

Text: Sarah Sclafani und Kathrin Fink
Bild: Shutterstock

Zehn neue Corona-Tote oder ein Jugendlicher, der der Oma den Einkauf abnimmt – was bleibt Ihnen wohl eher im Kopf.

Viele von Ihnen werden denken, dass es einfach Leute gibt, die immer nur das Negative sehen. Sogenannte Miese-Peter, auf Englisch «Negativ Nancys». Tatsache ist aber, dass der Hang zum Negativen in uns allen steckt und zwar schon seit der Urzeit. Evolutionär bedingt haben wir noch immer einen «Negativity Bias» (dt. Negativ-Tendenz) (vgl. Skowronski & Carlston). Das bedeutet, dass wir besonders in unsicheren Zeiten dazu tendieren, negative Informationen vorrangig wahrzunehmen.

Gemäss dem amerikanischen Autor und Professor Roy Baumeister mussten wir in den frühen Phasen der Menschheitsgeschichte mit ständigen negativen Konsequenzen rechnen:

«Was ist das für ein seltsames Geräusch ausserhalb der Höhle?»
«Wer könnte mir hinter dem nächsten Baum auflauern?»
«Sterbe ich, wenn ich diese unbekannte Wurzel esse?»

Es ist nicht ganz so schlimm, wie wir denken

Der Mensch war in extremem Masse mit einer unsicheren Umgebung konfrontiert und da war es die beste Strategie, sich für das Schlimmste zu wappnen.

Was heisst dieses Wissen also für unsere aktuelle Zeit?

Nun, es rückt erst einmal den Negativ-Fokus in unser Bewusstsein. Auch wenn die Welt sich tatsächlich in einem Ausnahmezustand befindet, ist es wahrscheinlich nicht ganz so schlimm, wie wir annehmen. Gerade bei neuen Informationen geschieht dieser Negativ-Fokus blitzschnell. Daher sollten wir in Bezug auf unseren Nachrichten-Konsum vorsichtig sein.

In den letzten Wochen gab es in jeder Talkshow, jeder Kindersendung und in jedem News-Beitrag nur noch ein Thema – Corona. Daher sind folgende Tipps besonders wichtig:

  1. Entscheiden Sie sich bewusst, ob und wie lange Sie Nachrichten konsumieren möchten. Wird zu viel Zeit mit negativen Informationen verbracht, kommt das Gefühl auf, es gäbe nichts Erfreuliches mehr. So werden auch bereits vorhandene Ängste geschürt.
  2. Wer sich auf Social Media bewegt, verliert sich in einer Flut von Informationen.
    Man kommt von einem Beitrag automatisch zum nächsten und realisiert oft nicht, wie lange man schon vor dem Bildschirm sitzt. Stellen Sie sich deshalb einen Timer. Es wird Ihnen leichter fallen, sich wieder anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Seien Sie sich ausserdem bewusst, dass Sie sich auf Social Media in einer Filterblase bewegen (vgl. Eli Pariser). Algorithmen filtern Inhalte danach, was Sie sich in der Vergangenheit angesehen haben. So werden Ihnen übereinstimmende Inhalte angezeigt und gegenteilige Sichtweisen vorenthalten. Dies erschwert es, sich ein umfassendes Bild zu einem Thema zu machen.

Die 4:1-Regel

Um einigermassen im Gleichgewicht zu leben, empfiehlt Roy Baumeister in seinem Buch «The Power of Bad» die 4:1-Regel. Für jede negative Nachricht sollte man sich 4 positive Ereignisse ins Gedächtnis rufen.

Da wir alle den «Negativity Bias» mit uns herumtragen, fühlt sich jede negative Information viel stärker an als eine positive. Mit dem Verhältnis 4:1 kann man diese Tendenz gut ausgleichen.

Sarah Sclafani ist Psychologin und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin am Psychologischen Institut der ZHAW.

Kathrin Fink ist Redaktorin & Social-Media-Managerin am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW.

Literatur
-Roy F. Baumeister, John Tierney (2019), The Power of Bad, Penguin LCC US.
-Skowronski, J. J., & Carlston, D. E. (1989). Negativity and extremity biases in impression formation: A review of explanations. Psychological Bulletin, 105(1), 131–142.
-Eli Pariser (2011) The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You. Penguin Press, New York.

Schlagwörter: Negativity Bias

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