Eine Demenzerkrankung ist für alle Beteiligten belastend und anstrengend. Die Betroffenen müssen mit dem Verlust kognitiver Fähigkeiten umgehen und ihre Angehörigen mit den Wesensveränderungen eines geliebten Menschen. Eine Masterstudentin des Psychologischen Instituts der ZHAW untersuchte, welchen Unterschied eine aufsuchende Demenzberatung machen kann.
Text: Kathrin Fink / Isabelle Nessensohn
Bild: Sven Mieke
Eine 78-jährige Frau betreut ihren 80-jährigen Ehemann. Mit dem Fortschreiten der Demenz veränderte sich das Verhalten des Ehemanns stark. Er behandelte seine Frau zunehmend abschätzig, obwohl die beiden vor der Erkrankung eine liebevolle Beziehung führten. Im privaten Umfeld kann die Frau ihre Sorgen nicht teilen, da sie Hemmungen hat, sich anderen gegenüber zu öffnen. Sie fühlt sich allein und steht kurz vor der totalen Erschöpfung.
Dieses Fallbeispiel zeigt, wie eine Demenzerkrankung schleichend das Verhältnis zwischen zwei Eheleuten verändern und belasten kann. Eine erste Hilfe bietet die Stadt Zürich mit der gerontologischen Beratungsstelle «SiL» an. «Die Betreuungsarbeit ist für Nahestehende oft nur schwer zu bewältigen und sie sind auf Unterstützung angewiesen», sagt Psychologin Isabelle Nessensohn. Deshalb untersuchte sie in ihrer Masterarbeit, wie Angehörige eine Demenzberatung erleben und ob sich dadurch ihre Lebensqualität verbessert.
Psychische Entlastung, zeitliche Entlastung, Verbesserung der Beziehung
Für die empirische Arbeit wurden zwölf Angehörige von Demenzerkrankten zwischen 29 und 87 Jahren befragt. Durch eine strukturierende Inhaltsanalyse konnte Isabelle Nessensohn relevante positive Auswirkungen der Beratung eruieren. Es zeigten sich vor allem drei Bereiche, in denen Veränderungen erkannt werden konnten: Die psychische Entlastung, die zeitliche Entlastung und die bessere Beziehung zwischen den Angehörigen und den Demenzkranken. Die psychische Entlastung kam durch eine Vertrauensbeziehung mit der Beratungsperson zustande, sowie das Gefühl unterstützt zu werden. Die zeitliche Entlastung mehr durch den Umstand, dass konkrete Massnahmen nicht mehr allein erfüllt werden mussten. Eine bessere Beziehung wurde von vier Angehörigen genannt, da einerseits durch die Entlastung mehr Ressourcen für die Beziehungspflege, andererseits dank der Beratung auch mehr Verständnis für die Persönlichkeitsveränderungen des Erkrankten da waren.
Isolation vermeiden
Als sehr wichtig erwies sich in der aufsuchenden Demenzberatung das Durchbrechen der Isolation der Angehörigen. Wie im Beispiel Anfangs erwähnt, trauen sich Betroffene oft nicht, sich mit ihrem Umfeld über die schwierige Situation auszutauschen. Wenn sich eine demenzkranke Person dann auch noch gegen Hilfsangebote von aussen wehrt, ist es besonders wichtig, sich mit einer empathischen, kompetenten Fachperson besprechen zu können. Nessensohn ist sich sicher: «Aus den Ergebnissen lässt sich schliessen, dass die Beratung der SiL für betreuende Angehörige eine wertvolle und belastungsreduzierende Hilfe darstellt».
Isabelle Nessensohn arbeitet seit Abschluss ihres Psychologie-Studiums an der ZHAW als Geschäftsführerin bei Alzheimer Thurgau.