Change-Management: Mitarbeitende wollen Teil der Lösung sein

Warum ist es so schwierig, eine Veränderung im Unternehmen von A bis Z erfolgreich durchzuziehen? Weshalb sind Mitarbeitende vielfach «das Problem» und fühlen sich übergangen? Das ständig zunehmende Tempo erneuter Veränderungen macht einen professionellen Umgang mit der Transformation unbedingt notwendig.

Text: Claudia Beutter
Bild: Unsplash by Randy Fath

Im Change-Management gibt es Missverständnisse: Viele denken, es brauche einfach die richtigen Tools, um Veränderungen zu realisieren. Es werden auf dem Markt Instrumente angepriesen, die den erfolgreichen Change versprechen. Aber egal welches Tool oder welches Konzept verwendet wird: Es gilt, dieses auf die spezifische Situation eines Unternehmens abzustimmen, auf dessen Geschichte oder auf die gewachsene Unternehmenskultur. Mit einem Change werden unter anderem Ziele verfolgt, die ein Unternehmen weiterbringen. Auch darauf muss ein Veränderungsprozess ausgerichtet werden. Jeder Change ist also einzigartig, wie die Menschen, die ihn gestalten und die von den Veränderungen betroffen sind.

Das «Wozu» muss klar sein

Entscheidend ist für mich bei Change-Projekten, dass alle nachvollziehen können, wozu eine Veränderung dienen soll. Es soll für alle möglichst konkret geklärt werden, wozu Anpassungen erfolgen und welche Wirkung sie erzielen sollen.

Das «Was» muss geklärt werden, bevor erste Schritte eingeleitet werden.  Besteht der Plan, die Digitalisierung voranzutreiben oder wird eine agile Arbeitsweise angestrebt, muss klar sein, was das für die Belegschaft bedeutet. Einfach mal loslegen und unterwegs merken, wo etwas schiefläuft, kann in einem Kleinstunternehmen noch funktionieren. Generell ist es aber eine schlechte Strategie.
In strukturierten Organisationen gilt für den Change-Prozess: Mitarbeitende erwarten sichtbare Planung, Überblick und überlegtes Handeln. Sie verlieren sonst allenfalls das Vertrauen in die Führung und beginnen sich nach Neuem umzusehen oder ziehen sich zurück.

Wertschöpfender Nutzen – nicht psychologischer Trick

Mitarbeitende in angemessener Art und Weise früh einzubeziehen ist keine psychologisch gute Tat. Sie sind als kompetente Mitdenker/innen gefragt. Ihr Know-how gilt es im Transformationsprozess zu nutzen. Ich finde es seltsam, wie solches Involvement vielfach als «psychologische Massnahme» dargestellt wird. Es geht per se nicht um emotionales «Mitnehmen», sondern um das Wissen der Beteiligten, das die Qualität der Veränderungen erhöht. Ziehe ich beispielsweise Menschen mit ein, die aus dem Alltag wissen, was die Kunden/-innen brauchen, weil sie an der Kundenschnittstelle arbeiten, dann wird das Endprodukt praxisorientierter.

Oft höre ich von Change-Manager/innen auch, es gehe um die Ängste der Leute. Aus meiner Sicht geht es aber vielmehr um die spezifischen, gefragten Kompetenzen, um Wertschätzung, um Ernstgenommen-Werden, um Zugehörigkeitsgefühl und nicht zuletzt um Motivation. Diese kommt von der Lust, etwas einzubringen, mitzugestalten, beteiligt zu sein und sich auch in der Transformation wirksam zu erleben.

Kein fertig geschnürtes Paket

Die Verantwortlichen kommunizieren Change gerne erst dann, wenn sie eine fertige Lösung präsentieren können. Sie übergeben der Belegschaft sozusagen ein fertig geschnürtes Paket und erwarten, dass dies geschätzt wird. Geschenke bringen bekanntlich Freude, doch trifft das oft mehr für die Schenkenden zu als für die Beschenkten.

Besser wäre, die Mitarbeitenden auf dem Weg zum fertigen Paket mit einzubeziehen. Ihnen die Möglichkeit zu geben, das Paket «mitzupacken». Die Menschen, die in einer Firma arbeiten, möchten sich nicht als Hindernis begreifen, sondern Teil der Lösung sein.

Wendet sich ein Unternehmen mit einem konkreten Change-Projekt ans IAP Institut für Angewandte Psychologie unterstützen wir gezielt drei Klärungsprozesse:

  • Wozu will das Unternehmen (beispielsweise) agiler werden?
    Das Management klärt, was es sich vom Change konkret verspricht. Auch auf höchster Führungsebene bestehen oft unterschiedliche Vorstellungen über das Zielbild einer Veränderung. So sind sich möglicherweise alle im verwendeten Wort einig, allerdings mit unterschiedlichem Verständnis von der Sache selbst. In der Folge wird dann durch die Führungspersonen, das je individuelle Verständnis der Abteilung kommuniziert. Daraus entstehen rasch energieraubende Konflikte. Es ist entscheidend, dass das Top-Management zuerst ein gemeinsames Zielbild entwickelt.
  • Was bedeutet der Change in der Praxis:
    Was müssen Führung und Mitarbeitende neu oder anders tun, was loslassen, aufgeben, nicht tun?
    Bei Veränderungen hin zu mehr Agilität, ist rasch die Begeisterung da, Dinge neu und/oder anders zu machen. Doch ich erlebe immer wieder, dass viel weniger klar ist, was damit einhergeht, was alles mitgeändert werden muss, damit eine erwünschte Veränderung auch greift. Es stellt sich die Frage: Was muss alles angepasst werden, damit Agilität entstehen kann? Dazu gehören immer auch die Themen Führung, Werte, Leitlinien und Führungsinstrumente wie Zielsetzungsprozesse, bzw. Beurteilungs- und Lohnsysteme.

«Lernen ist Grundvoraussetzung für das Meistern von Neuem – und Fehlermachen ist ein Ausdruck davon.»

  • Change «gut» zu machen, heisst auch die Konfliktfähigkeit im Unternehmen zu stärken.
    Wer Veränderungen anstossen und umsetzen will, muss bereit sein, sich mit Kritik und anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Gerade das Verhalten des Top-Managements im Umgang mit Andersdenkenden ist immer wieder die Herausforderung. Zudem wird bei der «Agilisierung» eine paradoxe Situation deutlich: Es wird von oben bestimmt, dass nicht mehr von oben bestimmt werden soll. Gerade dann ist die Frage zentral, ob im (vorgegebenen) Change-Prozess kritische Einwände und eigenständiges Denken gefragt sind und wie sie ernst genommen werden.
    Eine weitere Vorbereitung für jeden beabsichtigten Change ist der Umgang mit Lernen (auch Fehlerkultur genannt) auf allen Stufen und in allen Bereichen des Unternehmens. Denn: Lernen ist Grundvoraussetzung für das Meistern von Neuem und das Fehlermachen ist ein Ausdruck davon.

Claudia Beutter ist Co-Studienleiterin des MAS Coaching, Supervision & Organisationsberatung und arbeitet als Beraterin, Supervisorin und Coach am IAP.

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1 Kommentar

  • Schöne Zusammenfassung. Dabei ist vieles so einfach und ganz ohne Psychologie zu erklären; Nur für ein Unternehmen, das der Angestellte auch versteht, kann er Herzblut entwickeln.


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