Im Rahmen des Booklets “Best of 10 years CRM – Auszüge aus den besten Master-Arbeiten in Customer Relationship Management” wurden die Management Summaries von Master-Arbeiten veröffentlicht, welche in vorbildlicher Art und Weise einen Beitrag zum Transfer akademischer Erkenntnisse und «Best Practice»-relevanter praktischer Erfahrungen in den unternehmerischen Alltag darstellen.
Diese Master-Arbeit wurde von Daniel Kohler (Head of Sales Channel Management / Mitglied der Direktion bei der Zurich Lebensversicherungs-Gesellschaft AG) in der Durchführung MAS CRM 4 verfasst:
Dass der Konsument bei Kaufentscheidungsprozessen bestrebt ist, den eigenen Vorteil (Nutzen) zu optimieren, ist bekannt. Neu ist, dass vermehrt auch Unternehmen im Kundenstamm wie bei Akquisitionskampagnen eine Nutzenoptimierung anstreben und zunehmend kritisch hinterfragen, welchen Wert ein Kunde für das Unternehmen tatsächlich darstellt. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass es von Kunde zu Kunde, aber auch über den Verlauf einer gefestigten Kundenbeziehung selbst, dramatische Unterschiede bezüglich Kosten und Ertrag gibt. Die logische Konsequenz: Die Unternehmen müssen über die Fähigkeit verfügen, Kundenwerte zu berechnen. Der Kundenwert dient der Unternehmensleitung nicht nur als strategische Messgrösse zur Priorisierung von künftigen Investitionsentscheiden, sondern zunehmend auch bei immer häufiger gestellten Fragen der laufenden Optimierung von aktuellen Ressourcenallokationen.Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander ob der Kundenwert ein praktikables Konzept oder doch eher ein theoretisches Konstrukt darstellt. Untersucht wird die Fragestellung am Beispiel der Finanzdienstleistungsbranche. Zusammengefasst können folgende Erkenntnisse festgehalten werden:
Obwohl der Kundenwertorientierung höchste strategische Bedeutung beigemessen wird, nutzt die Mehrzahl der befragten Unternehmen den Kundenwert(noch) nicht als zentrales und systematisches Steuerungstool.
Die Gründe dafür sind vielschichtig: angefangen bei der ungenügenden Datenqualität über die produkt- und transaktionsorientierten Datenbanken, die oft keine Kundensicht erlauben, bis zum schmerzlich vermissten Kundenwissen betreffend Einstellungen, Werten, Bedürfnissen und Potenzialen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in vielen Unternehmen nicht möglich zu sein scheint, für die Realisierung der Kundenwertkonzepte genügend ITRessourcen zu reservieren. Abgerundet wird der bunte Mix von Hindernissen von der Problematik, dass Vertriebsmitarbeiter ein Monopol auf «ihrem» Kundenwissen verwalten. Dies alles führt dazu, dass der Kundenwert im Unternehmensalltag noch immer überwiegend als theoretisches Konstrukt wahrgenommen wird.
Die Kundensegmentierung basiert hauptsächlich auf den vergangenheitsorientierten und altbewährten, quantitativen Kriterien. Lediglich für Einschätzungen des zukünftig erwarteten Wertpotenzials werden ergänzend qualitative Merkmale genutzt.
Banken und Versicherungen segmentieren ihre Kunden hauptsächlich anhand von relativ einfach verfügbaren Kriterien wie Einkommen, Vermögen und Umsatzvolumen(Produktenutzung). Verfahren, die auch künftige Entwicklungen beinhalten (Scoring, Lebensphasenkonzept, Customer Lifetime Value) sowie nichtmonetäre Kriterien wie z.B. Weiterempfehlungsbereitschaft, spielen noch immer eine untergeordnete Rolle.
Kundenwertorientierung als wichtiger Ausgangspunkt unterschiedlicher Aktivitäten.
Nach den strategischen Optionen im Beziehungsmanagement befragt wird die höchste Dringlichkeit in der verstärkten Ausschöpfung der Kundenpotenziale gesehen. Eine ebenfalls hohe Priorität wird der effizienten Steuerung der kostenintensiven Vertriebskapazitäten zugeordnet.
Die Banken haben sich über die Kundenwertorientierung vier wichtige Wettbewerbsvorteile erarbeitet. Versicherungen tun gut daran, diesen Rückstand möglichst rasch zu verringern.
Erstens: Während Versicherungen noch immer stark in Sparten organisiert sind und eine Kundensicht über die «Silos» hinweg nur sehr aufwändig realisiert werden kann, analysieren Banken ihren Kundenstamm ganzheitlicher, öfter und damit intensiver.
Zweitens: Aussendienstmitarbeiter von Versicherungen verwalten Kundendaten oft als Informationsmonopol. Damit gestalten sich Datenanalysen im Unternehmen über Kaufverhalten und Einschätzungen über künftige Kundenpotenziale sehr schwierig.
Drittens: Die Kundenwahrnehmung zeigt, dass der Kunde bei seiner Bank eine Beratung aktiv nachfragt (Pull-Ansatz), während der Aussendienstmitarbeiter einer Versicherung laufend um Kontakte und Termine beim Kunden vor Ort bemüht ist (Push-Ansatz). Dies wirkt sich für Versicherungen, sowohl bei der Vertriebseffizienz wie beim Image («Drückerkolonne»), sehr nachteilig aus.
Viertens: Die Transaktionshäufigkeit (z.B. im Zahlungsverkehr, Salärkonto etc.) führt dazu, dass Banken über stets aktuelles Kundenwissen verfügen und Kundenwertentwicklungen frühzeitig erkennen. Gleichzeitig führt die Kontaktfrequenz dazu, dass die Kunden die Beziehung zu ihrer Bank stets im Bewusstsein haben. Versicherungen können in der Regel nur den Schadenfall(«moment of truth») für die Festigung der Kundenbeziehung nutzen, ansonsten reduziert sich der Kundenkontakt auf die Prämienrechnungen. Im Gegenzug haben es die Versicherungen aber verstanden, sich mittels vertraglicher Bindung, von Anfang an, mit wirksamen Wechselbarrieren gegen den Verlust der Kundenbeziehung abzusichern.
©Wiedergabe von Beiträgen nur mit schriftlicher Einwilligung des Herausgebers sowie Quellenhinweis: “Best of 10 years CRM – Auszug aus den besten Master-Arbeiten in Customer Relationship Management” der ZHAW School of Management and Law, Zentrum für Marketing Management.
Die von den Autorinnen und Autoren geäusserten Meinungen können von jenen des Herausgebers abweichen.
Das PDF des Booklets “Best of 10 years CRM” kann hier kostenlos bestellt werden.