Wie setzen Best-Practice-Unternehmen innovative Preismodelle im Rahmen von Product-as-a-Service um, um ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern?
Von Cherelle Dini und Linard Barth
Im ersten Teil des Blog-Duos auf Basis der Erkenntnisse des ZHAW-Projekts von Linard Barth und der Bachelorarbeit von Sahany Liriano Saldana (2023) haben wir bereits ausgeführt, wie innovative Preismodelle im Rahmen des Geschäftsmodells Product-as-a-Service (PaaS) sowohl den ökonomischen Erfolg von Unternehmen steigern als auch Anreize setzen den ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Im zweiten Blogbeitrag stellen wir nun zwei konkrete Best-Practice Beispiele vor, welche zeigen, wie PaaS in der Praxis umgesetzt wird, um die genannten Ziele zu erreichen.
Homie – PaaS-Geschäftsmodell zur Reduktion von Umweltauswirkungen von Haushaltsgeräten
Ein Unternehmen, das als Vorbild für ein nachhaltiges PaaS-Geschäftsmodell gilt, ist das Startup Homie. Gegründet im Jahre 2016 ist Homie bestrebt, die Umweltauswirkungen von Haushaltsgeräten erheblich zu reduzieren und einen nachhaltigen Konsum auf Basis der Kreislaufwirtschaft zu fördern, indem es Geräte auf Basis von Pay-per-Use anbietet (Homie, 2023; Bocken et al., 2018). Durch die Einführung eines Preismodells mit Bezahlung pro Nutzungseinheit können hochwertige Geräte wie Waschmaschinen, Trockner und Geschirrspüler zu erschwinglichen Preisen angeboten und nachhaltiges Verhalten gefördert werden (Homie, 2023).
Nachhaltigeres Waschverhalten durch Pay-Per-Use
Ursprünglich ist Homie mit dem Angebot von Waschmaschinen gestartet, welche das Produkt im PaaS-Modell bilden. Als innovatives Preismodell nutzt das Unternehmen Pay-per-Use. Die Kunden bezahlen pro Waschgang, wobei differenzierte Preise dazu ermutigen, niedrigere Temperatureinstellungen mit einem geringeren Energieverbrauch pro Zyklus zu verwenden (Homie, 2023). Beispielsweise kostet eine Kaltwäsche 1.13 € im Vergleich zu 1.69 € für eine 90°C-Wäsche und verbraucht fast 90% weniger Strom. Die Kosten pro Waschgang werden dabei von der monatlichen Subscription-Gebühr von 15.99 € als Waschkredit in der Homie Geldbörse abgezogen. Durch die Homie-App können die Kunden ihren Kredit im Auge behalten und werden dadurch ermutigt, möglichst energieeffizient zu waschen. Die Preisgestaltung basiert auf Homies eigenen Verbraucherumfragen zu angemessenen Preisen pro Waschgang in Kombination mit Berechnungen eines tragfähigen Geschäftsmodells und dem Ziel, nachhaltigen Konsum zu fördern (Bocken et al., 2018). Wie eine Untersuchung des Verhaltens der Homie-Kunden von Bocken et al. (2018) zeigt, führt das Pay-per-Use-Modell tatsächlich zu einem signifikant nachhaltigeren Waschverhalten. Sobald für die 56 untersuchten Kunden nach dem ersten Gratis-Monat eine Bezahlung pro Waschgang eintrat, reduzierte sich die durchschnittliche Waschtemperatur deutlich von 40.2°C auf 38.1°C. Dies galt insbesondere für jene Kunden, welche im Vorfeld bei vergleichsweise hohen Temperaturen gewaschen haben. Damit zeigt sich, dass das Pay-per-Use-Modell nicht nur insgesamt zu einem nachhaltigeren Konsumverhalten führt, sondern vor allem jene Konsumenten zu ökologischerem Verhalten anregt, welche im Vorfeld einen grösseren ökologischen Fussabdruck hatten. Dies legt nahe, dass ein Unternehmen, das ein Pay-per-Use-Geschäftsmodell verfolgt und auf die Förderung von nachhaltigem Konsum abzielt, eine breitere, potenziell weniger umweltbewusste Kundengruppe ansprechen kann (Bocken et al., 2018). Aber auch die durchschnittliche Anzahl der Waschgänge ging bei allen Probanden im zweiten Monat signifikant von 12.9 auf 10.3 zurück, was den europäischen Durchschnitt unterschreitet (Bocken et al., 2018). Die Ergebnisse zeigen somit, dass ein Pay-per-Use-Modell effektiv sein kann, um das Verbraucherverhalten zu verändern und positivere Umweltauswirkung zu erzielen als mit einem herkömmlichen produktorientierten Geschäftsmodell (Bocken et al., 2018).
Wettbewerbsvorteile durch regelmässige Umsatzströme, Verbraucherdaten und ein nachhaltiges Image
Aber auch für das Unternehmen selbst ergeben sich Vorteile im Vergleich zu einem klassischen Geschäftsmodell auf Basis einer einmaligen Transaktion.
So stellt Homie keine eigenen Waschmaschinen her, sondern erwirbt vorhandene Waschmaschinen und passt sie an das Pay-per-Use-Modell an, indem beispielsweise ein Tracker hinzugefügt wird, um die Bezahlung pro Nutzung zu ermöglichen (Bocken et al., 2018). Das Unternehmen investiert in den Erwerb der Geräte und erhält seine Investitionen im Laufe der Zeit durch die Pay-per-Use-Gebühr zurück. Damit profitiert Homie von regelmässigen und planbaren Umsatzströmen über den, in einem klassischen Geschäftsmodell genutzten, Verkaufszeitpunkt hinaus. Ausserdem schafft sich der Anbieter auf Basis einer Vielzahl an Verbraucherdaten einen Wettbewerbsvorteil, indem sie die Preisgestaltung und ihr Angebot kundenbasiert optimieren und die Kundenbeziehungen personalisieren und vertiefen können.
Überdies hinaus kann sich Homie als nachhaltiger Anbieter positionieren. Einerseits indem ihr Angebot zu einer Energieeinsparung von bis zu 25% führt (Homie, 2023). Dazu bietet Homie seinen Kunden auch Ratschläge, wie sie umweltfreundlicher waschen können und gelegentlich eine kostenlose 90°C-Wäsche zur Reinigung der Maschine an (Bocken et al., 2018). Andererseits ist das Unternehmen an einer möglichst langen Lebensdauer der Geräte interessiert, um die nötigen Umsatzströme als Amortisation der Investitionskosten zu generieren. Statt einer geplanten Obsoleszenz kümmert sich Homie daher um die Wartung, Reparatur und den Ersatz der Maschine, falls die Maschine ausfallen sollte. Weiter übernimmt der Anbieter die kostenlose Installation der Geräte. Auch wenn Kunden umziehen, wird die Waschmaschine ab- und umgebaut (Bocken et al., 2018). Um seinen nachhaltigen Impact weiter zu verbessern, bietet das Unternehmen ein integriertes Rücknahmesystem für die Geräte an, wodurch diese recycelt und im Sinne der Kreislaufwirtschaft wieder in die Lieferkette integriert werden (Homie, 2023). So kann abschliessend und in Anlehnung an die Übersicht in Abbildung 1 festgehalten werden, dass das Pay-per-Use-Modell im Rahmen des Product-as-a-Service-Ansatzes von Homie einen nachhaltigkeitsfördernden Einfluss sowohl auf die Konsumenten als auch den Anbieter hat und zusätzlich ökonomische Vorteile auf beiden Seiten generieren kann.
Abbildung 1: Nachhaltiger Impact des pay-per-wash Preismodells von Homie B.V.
Signify – Energieeinsparungen beim Lichtkonsum durch Pay-per-Lux
Ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung eines Product-as-a-Service-Geschäftsmodells bietet Signify. Das Unternehmen wurde 2016 unter dem Namen Philips Lightning gegründet und betreibt und wartet unter einem Lighting-as-a-Service-Vertrag (Laas) Beleuchtungssysteme, welche sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bieten (Signify, 2023).
Nachhaltiger Lichtkonsum durch Lighting-as-a-Service
Das Kernprodukt des PaaS-Ansatzes von Signify bilden intelligente und energieeffiziente Beleuchtungssysteme, welche sowohl B2B- als auch B2C-Kunden angeboten werden (Signify Holding, 2023). Das Unternehmen installiert, betreibt und wartet die Systeme, welche im Eigentum von Signify verbleiben. Im Gegenzug bezahlen die Kunden eine monatliche Gebühr auf Basis ihres Energieverbrauchs, was als «Pay-per-Lux»-Preismodell bezeichnet wird (Koninklijke Philips Electronics N.V, 2014).
Statt aber dadurch die Kunden zu einem nachhaltigeren Verhalten anzuregen, übernimmt Signify die Steuerung der Lichtsysteme, welche bereits nachhaltig konzipiert sind. So haben die Leuchten von Signify eine um 75% längere Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen Systemen (Ellen Macarthur Foundation, 2022). Zusätzlich sind die Leuchten und anderen Beleuchtungseinrichtungen, die Signify im Rahmen des LaaS-Vertrags verwendet, speziell für eine einfache Reparatur und den Austausch während des Betriebs geeignet und können nach Abschluss jeder Nutzungsphase problemlos wiederverwendet oder recycelt werden (Ellen Macarthur Foundation, 2022). Insbesondere aber werden die IoT-vernetzten Systeme durch den professionellen Betrieb und den Einsatz von künstlicher Intelligenz deutlich effizienter eingesetzt, was zu signifikanten Energieeinsparungen führt (Ellen Macarthur Foundation, 2022).
So initiierte der Amsterdamer Schiphol Airport in seinem Bestreben der nachhaltigste Flughafen der Welt zu sein, ein gemeinsames Projekt mit Signify und ENGIE als verantwortliches Unternehmen für die Gebäude- und Stromerzeugungssysteme am Flughafen (Signify Holding, 2019). Unter einem 5-Jahres-Vertrag mit Option einer 5-Jahres-Verlängerung wurden die energieeffizienten Beleuchtungssysteme installiert und die Lichtleistung anhand von Key Performance Indicators gemessen, die auf anspruchsvollen Leistungsstandards basieren. Jede Leuchte ist dabei mit einem Steuersystem verbunden, wodurch eventuelle Ausfälle sofort signalisiert werden und Reparaturen zu jeder Tageszeit durchgeführt werden können. Insgesamt konnte der Energieverbrauch am Schiphol Airport durch das LaaS-Konzept von Signify im Vergleich zu den vorherigen Beleuchtungssystem um 50% reduziert werden (Signify Holding, 2019). Dadurch profitiert das Flughafenunternehmen nicht nur von deutlich niedrigeren Energiekosten, sondern auch von den Einsparungen einer kapitalintensiven Anschaffung der Beleuchtungssysteme. Insbesondere aber leistet das Signify-System einen entscheidenden Beitrag zu den Nachhaltigkeits- und Imagezielen des Flughafenunternehmens (Signify Holding, 2019).
Wettbewerbsvorteile durch regelmässige Umsatzströme, Verbraucherdaten und ein nachhaltiges Image
Unter dem LaaS-Geschäftsmodell hat Signify einen Anreiz, hochwertige, langlebige und modulare Produkte herzustellen, welche viel länger im Einsatz bleiben, wodurch die Ressourcen, die in der Produktion verwendet werden, geschont werden (Ellen Macarthur Foundation, 2022). Im Gegenzug profitiert das Unternehmen durch die Nutzungsgebühr wiederum von regelmässigen Umsatzströmen über einen klassischen Verkaufszeitpunkt hinaus. Durch die vollständige Kontrolle über die Systeme generiert Signify zudem präzise Nutzungsdaten, welche in die zukünftige Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Produkte einfliessen und die Preisgestaltung kundenorientiert optimieren können. Insbesondere aber positioniert sich das Unternehmen als nachhaltiger Partner für Lichtsysteme und schafft damit einen einzigartigen USP am Markt und ermöglicht eine Übertragung seines nachhaltigen Images auf die Kunden.
In Anlehnung an Abbildung 2 kann abschliessend zusammengefasst werden, dass der nachhaltige Impact des LaaS-Ansatzes auf Basis des Pay-per-Lux-Preismodells von Signify primär durch die kontrollierte Steuerung durch den Anbieter generiert wird. Die Kunden können dadurch ihrerseits den ökologischen Fussabdruck des eigenen Unternehmens reduzieren. So wird der nachhaltigkeitsorientierte USP des Anbieters durch den Servicevertrag auf die Kunden übertragen, welche gleichzeitig von reduzierten Investitionskosten und energiebezogenen Kosteneinsparungen profitieren.
Abbildung 2: Nachhaltiger Impact des pay-per-lux Preismodells von Signify
Fazit
Die Best-Practice-Beispiele von Homie und Signify zeigen, wie Product-as-a-Service-Geschäftsmodelle in Kombination mit innovativen, nutzungsbasierten Preismodellen sowohl zu einem nachhaltigeren Konsumenten- und Anbieterverhalten führen und gleichzeitig ökonomische Vorteile für beide Seiten schaffen. Als Abschluss unserer Blogserie zum Thema Nachhaltigkeit durch innovative Geschäfts- und Preismodelle bieten die Unternehmen inspirierende Einblicke in die Zukunft des nachhaltigen Konsums und der Kreislaufwirtschaft und belegen, dass ökonomische und ökologische Ziele durchaus vereinbar sind und sich gar gegenseitig begünstigen.
Falls Sie oder Ihr Unternehmen mehr zur Implementierung von innovativen Preismodellen und zur Förderung eines nachhaltigen Geschäftsmodells im Sinne der Best-Practice Beispiele erfahren wollen, steht Ihnen Linard Barth vom ZHAW Institut für Marketing Management gerne für Fragen zur Verfügung.
linard.barth@zhaw.ch
Quellen
Architektur Zeitung. (2023). Light as a Service: LED-Beleuchtung zur Miete. https://www.architekturzeitung.com/architekturmagazin/118-unternehmensnachrichten/4081-light-as-a-service-led-beleuchtung-zur-miete
Bocken, N. M. P., Mugge, R., Bom, C. A., & Lemstra, H.-J. (2018). Pay-per-use business models as a driver for sustainable consumption: Evidence from the case of HOMIE. Journal of Cleaner Production, 198, 498-510. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2018.07.043
Circular X. (2020). HOMIE – Pay per use business model | Circular X. https://www.circularx.eu/en/cases/21/homie-pay-per-use-business-model
Ellen Macarthur Foundation (2022, 3. März). Why buy bulbs when you can buy light? Signify. https://ellenmacarthurfoundation.org/circular-examples/why-buy-light-bulbs-when-you-can-buy-light-signify
Gebauer, H., Haldimann, M., & Saul, C. J. (2017). Competing in business-to-business sectors through pay-per-use services. Journal of Service Management, 28(5), 914–935. https://doi.org/10.1108/JOSM-07-2016-0202
Homie (2023). Homie. https://www.homiepayperuse.com/en/
Koninklijke Philips Electronics N.V (2014). Case Study National Union of Students. https://images.philips.com/is/content/PhilipsConsumer/PDFDownloads/United%20Kingdom/CALI20160201_001-UPD-en_GB-CaseStudy_NUS_UK.pdf
Lacy, P., & Rutqvist, J. (2015). Waste to Wealth. Palgrave Macmillan UK. https://doi.org/10.1057/9781137530707
Saldana, S. L. (2023). Innovative Preismodelle im Kontext von Product-as-a-Service: Auswirkungen auf die Klimafreundlichkeit von Produkten [Bachelorarbeit]. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, School of Management and Law, Winterthur.
Signify Holding (2019). Managed Services Circular Lighting – Case study: Schiphol Amsterdam Airport. https://www.assets.signify.com/is/content/PhilipsLighting/Assets/signify/global/20191211-schiphol-case-study.pdf
Signify Holding (2023). Signify. https://www.signify.com/de-ch