Digitaler Nomade der Urzeit – ein Porträt

Von Sascha Klaiber

Otmar Heeb ist ein Freigeist. Ein digitaler Nomade der ersten Stunde, Betreiber einer «One-Man»-Werbeagentur und Skipper auf hoher See. Mit seinem beruflichen Weg und Wirken hinterfragt er gängige Denkmuster und folgt seiner eigenen Lebensphilosophie.

Ein digitaler Nomade – nach Wikipedia – ist ein Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschliesslich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges Leben führt. Diese Lebensart hat Otmar Heeb schon vor über dreissig Jahren beseelt. Der 67-jährige gebürtige Rheintaler nutzte die neuen Technologien von Beginn an. Sie waren entscheidend, um seine Kreativität, seinen Freiheitsdrang und seine Naturverbundenheit für sich und andere gewinnbringend zu vereinen.

Die Hektik der Agenturwelt hinter sich gelassen

Nach dem HWV (Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule) -Studium verdiente er seine beruflichen Sporen in der Werbebranche. Goldgräberstimmung, üppige Budgets und opulente Selbstinszenierungen der Agenturwelt hatten ihren Reiz. Und die Gehälter waren auch verlockend. Doch die geradezu zelebrierte Hektik der Branche lief ihm bald zuwider. Sie entsprach weder seinem Bedürfnis nach Ruhe und Gelassenheit noch seinen Überzeugungen aus fernöstlichen Lebenslehren, für die er sich schon früh interessierte. So löste er sich 1987 vom Angestelltendasein und gründete seine eigene Öko-Agentur – ein Novum in dieser Zeit. Unterstützt und beraten hat er damals vor allem die alternative Szene, Biowein-Anbauer und kulturelle Projekte. «Viel Arbeit für meist wenig Gewinn», erinnert er sich. Doch Heeb hat schon immer getan, was er wollte und blieb dran. Bis heute berät er die unterschiedlichsten Unternehmen und zeigt diesen auf, wie taoistisches Denken zu grösserer Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit führt. Sein Arbeitsort: vorzugsweise auf seinem Katamaran im Mittelmeer.

Auf dem Zürichsee fand das Nomadenleben seinen Ursprung © Otmar Heeb, pareto.cc

«Du spinnst» sieht er heute als Kompliment

Kopfschütteln über seine Aktivitäten hat Heeb schon einige Male in seinem Leben erlebt. Damals beispielsweise, als er alles auf Eis legte und mit seiner Familie für mehrere Monate nach Neuseeland verreiste. Oder als sich der Vater von zwei Söhnen während des Homöopathie-Studiums seiner Frau als Hausmann betätigte. Oder eben, als er am Zürichsee das Segeln für sich entdeckte und dank der aufkommenden digitalen Helfer fortan regelmässig sein Büro auf dem Wasser einrichtete. «Du spinnst» wertet er heute als Kompliment.
Er braucht den Raum und die Natur, um seine Gedanken fliessen zu lassen. «Die Menschen können nicht mehr frei denken», glaubt er. Wohl auch deshalb teilt er seine Segeltörns, die nun seit Jahren auf den Weltmeeren stattfinden, gerne mit interessierten Mitreisenden. Freies Segeln ist dann die Devise. Will heissen: nicht stundenlang den Wetterbericht studieren, sondern an den Horizont schauen und dann entscheiden. «Damit nichts passiert, muss man seinen sechsten Sinn zulassen und spüren, was machbar ist», meint er überzeugt.

Arbeiten und leben auf dem Katamaran – aktuell in Marokko © Otmar Heeb, pareto.cc

Digitales Nomadentum rockt – auch übers Pensionsalter hinaus

Heute hat Otmar Heeb das ordentliche Pensionsalter schon eine Weile hinter sich gelassen. Doch mehr denn je geniesst er die Freiheit, das Reisen auf dem Wasser mit dem beruflichen Wirken zu verbinden. Dank Laptop und Mobiltelefon den kreativen Austausch mit Kunden und Netzwerkpartnern zu pflegen, hält ihn jung und macht Freude. «Am liebsten würde ich den Rest meines Lebens auf dem Meer verbringen», meint er. Glücklicherweise teilt seine Frau die Passion fürs Leben auf dem Schiff – zumindest im Sommerhalbjahr. Aber für Familie, Enkelin und persönliche Treffen mit Kunden zieht es auch Seebär Heeb immer mal wieder zum Landgang ins heimische Zürcher Oberland. Als Digitaler Nomade irgendwie stimmig – alles andere wäre ja fast schon wieder sesshaft.

Über den Autor

Sascha Klaiber studierte Betriebswirtschaft/Finance an der UZH. Nach verschiedenen beruflichen Stationen im Bankenwesen wagte er im Jahr 2015 den Wechsel in die Baubranche und leitete bis vor kurzem das Marketing eines Bau- und Umweltunternehmens. In dieser Funktion lernte er Otmar Heeb kennen und schätzt ihn als Sparringpartner, Freund und Inspirator. Derzeit bildet sich Sascha Klaiber im Rahmen einer beruflichen Auszeit im CAS Marketing & Corporate Communications weiter.


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