Die Digitalisierung hat längst auch die Designbranche erreicht. Grafikprogramme unterstützen Agenturen in ihrer Arbeit. Kreativität wird mittlerweile zusammen mit technischen Hilfsmitteln umgesetzt. Dennoch erlebt gerade die gute alte Handschrift ein Comeback. Immer mehr Unternehmen setzen auf handgeschriebene Mailings. Diese werden aber oft von Robotern produziert, die die Handschrift nur nachahmen. Wir haben aber jemanden gefunden, der die Handschrift tatsächlich noch einsetzt – Karin Sommerhalder vom Handschrift-Atelier.
Frau Sommerhalder, gerade im Marketing ist das Design ein wichtiger Bestandteil. Aus Zeit- und Kostengründen wird vieles digital und elektronisch erledigt. Wie passt da die Handschrift hinein?
Im Kleinen immer wieder. Zum Beispiel habe ich noch nie eine Adressetikette auf einen Brief geklebt, meine gesamte Geschäftskorrespondenz verschicke ich handschriftlich adressiert – und das seit 18 Jahren. Oder ich schreibe Digital-Touch-Nachrichten, gelegentlich auch an meine Kunden. Gerade von unserer Branche dürfte man eigentlich mehr erwarten, als nur Tastaturgetippe, nicht wahr? Ein paar wenige Worte in Handschrift haben nämlich mehr Präsenz als drei floskelhafte E-Mail Zeilen …
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, die Handschrift in den Vordergrund zu stellen?
Wann immer passend, war und ist Handschrift stets ein unverwechselbarer Teil meiner grafischen Arbeiten. Und in meinem Alltag hat sie seit jeher einen prominenten Platz. Positive private wie geschäftliche Rückmeldungen und vermehrte Anfragen für Handschrift-Logos zeigen mir, dass aktuell ein neues Interesse daran erwacht, ja sogar ein echtes Bedürfnis besteht: Handschrift vermittelt Individualität, Wertigkeit und Wertschätzung. Trends vorauszusehen war schon immer eine meiner Stärken: Vor fünf Jahren lancierte ich deshalb das Handschrift-Atelier – als separates Angebot neben meiner Grafik- und Textagentur.
Welche Art von Arbeiten bieten Sie an? Wie vielfältig kann die Handschrift eingesetzt werden?
Einsatzmöglichkeiten gibt es überaus viele, auf meiner Website sind einige Beispiele zu sehen. Kurz: Mein Angebot reicht vom Logo bis zur meterlangen Wandverspannung, etwa für Messen oder weitere Events, und von Einladungs- oder Weihnachtskarten bis zur Kuvertbeschriftung für Mailings.
Mit «Art Poetry», meinen Handschrift-Bildern, habe ich zudem ein ganz neues Genre kreiert. Jedes dieser Bilder basiert auf einem einzigen Wort oder einer Zahl, handgeschrieben und digital zu einem Muster verwebt. Nachgefragt werden sie von Firmen, beispielsweise für die Gestaltung des Empfangsbereichs. Aber auch von Privatpersonen: für ein exklusives Geschenk.
Viele finden, dass man Handschriften schlecht lesen kann. Was setzen Sie dem entgegen?
Muss man sie denn lesen können? Im Ernst: Der Kontext entscheidet. Übergebe ich jemandem eine Handschriftnotiz, sollte er sie lesen können. In meinen Arbeiten ist die Lesbarkeit manchmal tatsächlich kein Kriterium, denn für ein Logo kann das Ornamentale wichtiger sein. Ich persönlich bin der Meinung, dass sich ob der heutigen Art, miteinander zu kommunizieren, auch die Geduld jedes Einzelnen verringert hat. Man überfliegt, statt zu lesen. Handschriftliches fordert dazu auf, genau hinzusehen.
Wie sind die Rückmeldungen der Kunden?
Durchwegs positiv; ich erkläre es mir mit der Einzigartigkeit jeder Arbeit, die durch das Handschriftliche gegeben ist, gepaart mit solidem Grafikwissen. Was mich jeweils speziell freut, sind Reaktionen wie «ich schreibe zwischendurch auch wieder
von Hand». Oder wenn sich sogar jemand extra per Briefpost bei mir meldet. Dass neuerdings immer ausgeklügeltere Handschrift-Roboter Massenmailings schreiben, zeigt, dass Handschrift ein Riesenthema im Marketing geworden ist. Blacksocks, SBB, WIR-Bank warben kürzlich erfolgreich mit Handschrift und die Post überlegt sich, für ihr Mailingangebot einen eigenen Roboter anzuschaffen. Handschrift ist also im Aufwind.
Wie wichtig erachten Sie es, dass Kinder neben Tablets und Smartphones auch noch Stifte und Papier haben?
Als sehr wichtig! Ich bin der Meinung, es fördert die sensorische Entwicklung. Und ausserdem belegen Studien, dass handschriftliche Zusammenfassungen von Lerninhalten besser erinnert werden, als Computernotizen. Wenn ich einen Erwachsenen erlebe, der auf einem Notizblock in verschwindend kleiner Schrift in der äussersten oberen Ecke zu schreiben beginnt, dann krampfe ich mich innerlich regelrecht zusammen und leide mit ihm mit – ohne geübte Handschrift geht ein grosser Teil an Persönlichkeit verloren.
Wenn Ihnen ein Kunde ein unbegrenztes Budget geben würde, welche Arbeit würden Sie gerne umsetzen? Was wäre Ihr Traum?
Wow, eine beflügelnde Ausgangslage! Grosse, dekorative Handschriftinszenierungen im Innen- und Aussenraum, im Zusammenspiel mit Architektur sind meine Passion. Zum Beispiel in Bürokomplexen oder Hotels, Restaurants…
http://www.handschrift-atelier.ch/
mega geschrieben und ich bin ebenfalls der meinung, dass handschrift wichtig ist und bleiben sollte. ich freue mich auch heute noch am meisten über handgeschriebene post. weiter so und viel erfolg
@Richner: Danke! Herzlich; Karin Sommerhalder
Spannendes Thema, tolles Interview, starke Bilder – man liest die Begeisterung förmlich raus.
@Loewensberg: Der Handschriftfunke ist zu Ihnen übergesprungen, das freut mich. Beste Grüsse; Karin Sommerhalder
Alle reden von der Digitalisierung. Aber wenn man Webseiten von Kantonen oder Gemeinden schaut, versteht man, dass es in der Schweiz noch viel zu tun gibt !