Chancen und Herausforderungen von Stakeholder-Dialogen

Die «Swiss Corporate Sustainability Survey 2012» hat gezeigt, dass das Thema Stakeholder-Dialoge bei den befragten Schweizer Unternehmen noch wenig in Zusammenhang mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten berücksichtigt wird.

Um herauszufinden, welche Potentiale in Stakeholder-Dialogen stecken und wie man sie erfolgreich umsetzt, haben wir ein Interview mit Vera Frieg, Expertin vom Collective Leadership Institute (CLI) e.V. geführt:

Verena Berger (ZHAW)*: Frau Frieg, was könnten die Gründe dafür sein, dass viele Unternehmen den Dialog mit ihren Stakeholdern bisher nicht suchen?

Vera Frieg:Das hat meist verschiedene Gründe. Oft ist es so, dass die Unternehmen gar nicht wissen, wer die relevanten Stakeholder für die jeweiligen Entscheidungsprozesse sind; eine Stakeholder Analyse wird dann generell, aber nicht themenorientiert gemacht. Häufig sind sie sich auch über Ziele des Stakeholder-Dialogs unklar. Dadurch greifen Unternehmen nicht immer zu zielführenden Methoden für den Stakeholder-Dialog. So lässt zum Beispiel eine Stakeholder Veranstaltung mit 500 Teilnehmern ohne thematischen Fokus und transparentes Ziel der Veranstaltung die Stakeholder am Nutzen dieses Prozesses zweifeln. Die Firmen erfahren dadurch viel Kritik und zweifeln zunehmend am Nutzen von Stakeholder-Dialogen. Ein kleiner Teufelskreis…. Ein anderer Grund für die fehlende Einbindung von Stakeholdern ist die Angst, sich durch die Öffnung nach Außen angreifbar zu machen und eine Welle der Kritik loszutreten, die nicht mehr kontrollierbar ist. Aus diesen Gründen ist es unabdingbar, Stakeholder-Dialog in einem gut vorbereiteten und transparenten Planungsprozess anzugehen.

Quelle: Collective Leadership Institute

ZHAW: Warum machen Stakeholder-Dialoge insbesondere bei der Umsetzung von Projekten im Kontext von Nachhaltigkeit Sinn?

Vera Frieg: Wenn es um die verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit geht, dann ist den Meisten von uns klar, dass wir etwas tun müssen. Wir wissen aber in vielen Bereichen noch nicht genau, wie das es gehen könnte. Durch den strategischen Stakeholder-Dialog können hier Handlungsoptionen generiert werden. Die Umsetzung von Nachhaltigkeit ist eine kollektive Lernerfahrung. Bindet man als Unternehmen die relevanten Stakeholder zu einem bestimmten Thema ein, erhält man neue Einblicke aus verschiedenen Stakeholderperspektiven. Man kann dann auf Potentiale und Ideen zurückgreifen, die man anderenfalls nicht gehabt hätte. Dadurch entsteht Innovation in Produkten und Dienstleistungen, die die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Zudem kann man die schärfsten Kritiker zu Verbündeten machen, indem man zuhört und sie  in Entscheidungen einbezieht. Berechtigte Kritik gibt Unternehmen die Chance, sich  zu verbessern und daran zu wachsen. Auch hier muss klar sein, wie weit man sich öffnet und wie man den Input im Nachhinein verwendet. Denn nichts ist schlimmer, als Stakeholder zu konsultieren, ihre Perspektiven und Ideen zu  sammeln und sie dann in der Schublade zu vergessen. Das erzeugt Frust – die Menschen fühlen sich nicht ernst genommen, Vertrauen geht verloren. Stakeholder-Dialoge machen Sinn, wenn es ganz konkreten Veränderungsbedarf zu einem Thema gibt.

ZHAW: Was wäre der erste Schritt für Unternehmen, wenn sie mit ihren Stakeholdern in den Dialog treten möchten?

Vera Frieg: Zunächst sollte sich das Unternehmen fragen: Welches Ziel verfolgen wir mit einem Stakeholder-Dialog? Streben wir in einem bestimmten Bereich eine Veränderung an? Brauchen wir die Akzeptanz und den Input verschiedener externer Stakeholder? Oder geht es mir eher um eine Informationsveranstaltung? Das CLI hat ein Tool entwickelt, welches dabei hilft herauszufinden, ob Stakeholder-Dialoge im jeweiligen Anliegen der geeignete Weg sind.

Wenn dem so ist, sollte zuerst der Kontext analysiert werden. Hierzu eignet sich eine themenzentrierte Stakeholderanalyse.

Ist die Entscheidung für einen  Stakeholder-Dialog gefallen, erfordert es Mut, sich einem ergebnisoffenen Prozess mit externen Stakeholdern zu stellen. Die Involvierung eines Prozessexperten gleich zu Beginn kann helfen. Das CLI hat auf diesem Gebiet jahrelange Erfahrung und begleitet sowohl die Privatwirtschaft als auch den öffentlichen Sektor und zivilgesellschaftliche Organisationen in Stakeholderprozessen. In unserer zunehmend komplexen und vernetzten Welt ist das Gestalten und die strategische Leitung von Stakeholder-Dialogen eine immer wichtigere Führungsaufgabe und Berufsfeld der Zukunft.

ZHAW: Können Sie uns abschließend noch ein Beispiel aus der Praxis nennen, in dem Stakeholder-Dialoge erfolgreich und gewissenhaft geführt wurden?

Vera Frieg: Als Einstieg empfehle ich einen Blick in den Artikel A turning point for responsible supply chain management in the coffee sector von Petra Künkel. Die 4 C Initiative ist ein sehr gelungenes Beispiel für einen erfolgreichen Multistakeholder Prozess.

*Das Interview führte Verena Berger, ZHAW School of Management and Law, Institut für Marketing Management und Teilnehmerin des Qualifizierungsprogramms Young Leaders for Sustainability (YLS) 2012, welches jährlich vom CLI durchgeführt wird.

Das einzigartige Programm richtet sich an junge Menschen, die sich für das Thema Nachhaltigkeit und Führung interessieren. Eine Anmeldung für YLS 2013 ist möglich bis zum 31.Mai.

Weitere Informationen finden Sie hier.

 



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