Von Andjela Bulatovic
Ein junges LegalTech Startup mit Sitz in Uster setzt sich dafür ein, die stark tradierten und kostenintensiven Arbeitsweisen im Rechtswesen durch smarte und insbesondere günstigere digitale Lösungen zu ersetzen. Die Recht Clever AG macht es recht clever, denn sie vereinfachen den Zugang zum Recht, damit die gesamte Bevölkerung kostengünstig und selbstbestimmt ihre Rechte durchsetzen kann. Der Chatbot “Juri” simuliert dabei ein Beratungsgespräch mit einem Anwalt und erstellt automatisch massgeschneiderte juristische Dokumente.
Wer ist die Recht Clever AG?
Die drei Gründer, Till Eigenheer, Andreas Nef sowie Andreas Eigenheer haben sich zum Ziel gesetzt, den Gang zum Gericht so einfach zu gestalten, dass nicht mehr nur Anwälte, sondern jeder in der Lage ist, für sein Recht zu kämpfen. Im folgenden Beitrag sprechen wir mit Till Eigenheer, welcher zu 50 % als Geschäftsführer von Recht Clever und zu 50 % als Gerichtsschreiber an Bezirksgericht Uster arbeitet, über die Beweggründe zur Gründung des Startups, über den Chatbot Juri, sowie die aktuellen Herausforderungen, welchen sich die LegalTech Enthusiasten stellen müssen.
Wie ist die Idee entstanden die Recht Clever AG zu gründen?
Während meinem Jus-Studium habe ich in einer kleinen Anwaltskanzlei gearbeitet und damals schnell erkannt, dass die meisten Personen bereits mit relativ einfachen und klaren Rechtsstreitigkeiten überfordert sind und sich an einen Anwalt wenden. Bekanntermassen sind aber Anwälte sehr teuer, da sie rechtlich zu einem sehr hohen Standard verpflichtet sind – egal wie komplex der Rechtsfall ist. Die Kosten und der Ertrag sind daher oftmals nicht im Verhältnis. Nehmen wir als Beispiel eine Arbeitnehmerin, welche keinen oder zu wenig Lohn ausbezahlt erhält. Ohne Rechtsschutzversicherung lohnt es sich oft nicht, seine Rechte durchzusetzen, da die Anwaltskosten einfach viel zu hoch sind. Wenn der Lohn zugesprochen wird, geht ein grosser Teil davon für die Anwaltskosten weg und letztendlich ist nicht einmal garantiert, dass der Prozess gewonnen und der Lohn ausgezahlt wird, es kann immer etwas passieren. Das hat mich gestört und ich habe mich gefragt, ob es nicht einen einfacheren Weg gibt für insbesondere diese klaren und einfachen Fälle. Man stellt sich das Recht immer so kompliziert vor, aber eigentlich sind ungefähr 90% der Fälle sehr klar und können sehr einfach gelöst werden. Man kann sich das Recht ähnlich vorstellen, wie eine Software: Beantwortet man als Input einige Fragen, kriegt man als Output ein klares Ergebnis. Dieses Ergebnis besteht aus einer rechtlichen Einschätzung und aus einem auf den konkreten Fall massgeschneiderten juristischen Dokument, mit welchem die Rechte durchgesetzt werden können. Natürlich gibt es bei der Beantwortung der Fragen immer einen Spielraum, doch auch ein Anwalt kann nicht immer vorhersehen, wie ein Gericht diesen bewertet, da braucht es etwas Mut zu seiner Überzeugung zu stehen. Dieser simple Gedanke hat mich dazu bewogen, einen Chatbot zu entwickeln, der die richtigen Fragen stellt und Ergebnisse liefert.
Wer ist Juri und was kann er?
Juri ist ein Chatbot, der ein strukturiertes Gespräch mit einem Anwalt simuliert. Er löst gleich zwei Probleme gleichzeitig, die es im rechtlichen Bereich gibt. Oftmals ist es so, dass Privatpersonen bei einem Rechtsproblem, nicht genau wissen nach welchen Informationen sie suchen müssen. Die Herausforderung besteht nämlich darin, sehr spezifische Informationen für den eigenen Rechtsfall zu recherchieren. Der Chatbot nimmt Laien an die Hand und unterstützt sie, indem er die richtigen Fragen stellt und kostenlos aufzeigt, ob überhaupt ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch besteht und welche Mittel zur Verfügung stehen, um diesen durchzusetzen. Juri baut also Informationsbarrieren ab und senkt gleichzeitig die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Rechtsberatungen. Wenn Juri die Chancen, den Anspruch rechtlich durchzusetzen als hoch einschätzt, braucht es die richtigen Mittel, um das Recht durchzusetzen. Das kann ein einfacher Brief an die Gegenpartei sein, eine Mahnung beispielsweise oder im Falle einer missbräuchlichen Kündigung, eine Einsprache gegen die Kündigung. Es können aber auch komplexere Dokumente sein, wie eine Klageschrift, die man bei Gericht einreicht. Die Bandbreite ist weit und Juri hilft das passende Dokument auszuwählen und schreibt anschliessend alle relevanten Informationen in das Dokument. Diese automatisch erstellten Dokumente werden von Juri hochgradig personalisiert und auf den konkreten Fall zugeschnitten. Diese Individualisierung findet man bei einfachen online Mustervorlagen natürlich nicht vor.
Was sind eure derzeitigen Herausforderungen?
Technisch gesehen läuft alles einwandfrei, aber wie so oft stellt sich das Marketing als eine grosse Herausforderung dar und bei uns insbesondere im B2C Bereich. Einerseits ist die Zielgruppe schwierig zu definieren, weil jede Person rechtliche Probleme haben kann. Andererseits haben die meisten Menschen durchschnittlich bloss einen einzigen Rechtsfall in ihrem Leben. Durch diese Seltenheit und die undefinierte Zielgruppe, ist es schwierig für uns gezielt Werbung zu schalten. Wir haben einiges ausprobiert. Nebst Google Ads Kampagnen und Blogs mit relevanten Inhalten haben wir versucht das Angebot auf der Homepage verständlicher zu erklären. Es hat schlussendlich aber nicht wirklich viel gebracht. Also haben wir nochmals neu angesetzt und die Produktepalette um neue Features und Angebote erweitert, wie z.B. persönliche (menschliche) Rechtsberatungen. Jetzt wollen wir uns auch thematisch ausweiten. Die häufigsten Fälle gibt es im Familienrecht, das ist ein riesiges Marktvolumen mit viel Potenzial. Aber da sehen wir auch wieder neue Herausforderungen für unseren Chatbot. Wenn es beispielsweise um eine Scheidung geht, ist die persönliche Komponente oft nicht wegzudenken. Möchten die Betroffenen ihre Eheprobleme lieber mit einem Menschen teilen, welcher ihnen zuhört und sich für sie einsetzt oder lieber mit einem anonymen und wertungsfreien Chatbot? Wir wissen es erst, wenn wir es ausprobieren.
Wir suchen derzeit Partner (z.B. Gewerkschaften oder Frauenvereine), die Interessen ihrer Mitglieder wahren und ihnen eine kostengünstige Möglichkeit bieten wollen, ihre Rechte durchzusetzen. Gemeinsam mit diesen Partnern wollen wir den für ihre Mitglieder relevanten Content erarbeiten und dafür helfen sie uns ihre Mitglieder zu erreichen. Eine Win-Win-Situation also. Eines will ich noch sagen: Wenn du uns in irgendeiner Form dabei unterstützen willst, dass sich künftig alle ihr Recht leisten können, dann melde dich doch bei mir z.B. via LinkedIn oder unserem Kontaktformular auf der Homepage.