Dark Patterns wirken – leider.

Von Dr. Marcus Zimmer

Dark Patterns sind Gestaltungsmerkmale von Webseiten, die dazu dienen, die User zu einem Verhalten zu bewegen, das sie eigentlich nicht wollen. Eine Studie der ZHAW und der Stiftung Mercator Schweiz findet unterschiedliche Wirkmechanismen bei jüngeren und älteren Internetnutzern.

Wer kennt das nicht? Öffnet man eine Website zum ersten Mal, begegnet man dem typischen Cookie-Dialogfeld, das einem die Akzeptanz von Cookies erleichtert, die Abwahl aber erschwert. Die entsprechende Option ist gut versteckt oder man muss eine Menge Häkchen für nicht erwünschte Cookies von Hand entfernen. Da akzeptiert man doch lieber gleich alle – es wird ja schon nichts passieren! Auch ärgert man sich, wenn man unerwünschte Zusatzversicherungen in den Warenkorb gelegt bekommt oder zeitlich unter Druck gesetzt wird («11 andere schauen sich gerade dieses Angebot an – besser jetzt buchen!»).

Die genannten Ärgernisse sind Beispiele für so genannten «Dark Patterns». Darunter versteht man Gestaltungsmerkmale von Websites, die dazu dienen, Besuchern dieser Seiten zu einem Verhalten zu bewegen, das gegen Ihre Interessen gerichtet ist. Mit Hilfe dieser Dark Patterns geben wir also mehr Daten frei, kaufen eher und mehr und zu höheren Preisen, als wir es ohne den Einsatz dieser manipulativen Mechanismen tun würden.

Dark Patterns sind für viele Nutzer ein Ärgernis (c) Pixabay

Dark Patterns setzen auf Faulheit

Viele Dark Patterns setzen auf unsere Faulheit beim Denken und weisen damit eine Verwandtschaft zu dem oft diskutierten «Nudging» auf – mit dem grossen Unterschied, dass Dark Patterns uns nicht in die Richtung eines Verhaltens «schubsen» wollen, das der gesamten Gesellschaft dient, sondern nur dem nutzt, der diese Dark Patterns einsetzt. Aber ähnlich dem Nudging könnten wir uns – zumindest theoretisch – auch den Dark Patterns entziehen: wir gehen in die Cookie-Detailauswahl oder entfernen die Zusatzversicherung wieder aus dem Warenkorb. Doch dazu ist neben den kognitiven Ressourcen auch eine Menge Motivation nötig. Das führt zu der Frage, ob es gesellschaftliche Gruppen gibt, die eben nicht über die Fähigkeiten oder den Willen verfügen, sich mit Dark Patterns auseinanderzusetzen und daher besonders anfällig für deren manipulative Wirkung sind.

Studie zu Dark Patterns

Dieser Frage ging das Institut für Marketing Management der ZHAW Winterthur in einem von der Stiftung Mercator Schweiz geförderten Projekt nach. Untersucht wurde, wie insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, aber auch ältere Personen mit eher geringerer IT-Affinität auf Dark Patterns reagieren. Dazu wurde ein Webshop programmiert, der eine Reihe von üblichen Dark Patterns erhielt. Die Versuchspersonen aus den beiden Untersuchungsgruppen wurden gebeten, einen Artikel aus dem fiktiven Webshop zu bestellen. Dabei sollten sie ihre Gedanken laut auszusprechen. Diese wurden zusammen mit ihren Klickverhalten und zusätzlich erhobenen Auskünften über ihre digitalen Fähigkeiten und Gewohnheiten sowie ihren Bedürfnissen nach digitaler Privatsphäre und Datenschutz ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl jüngere, als auch ältere Personen besonders anfällig für Dark Patterns sind – aber aus verschiedenen Gründen. Jüngeren fehlt vor allem die Motivation, sich mit ihren eigenen digitalen Rechten auseinanderzusetzen und ihre Interessen durchzusetzen. Vielen älteren Personen fehlen dagegen grundlegende digitale Fähigkeiten wie das Deaktivieren von bereits gesetzten Häkchen. Das führt zu einem Gefühl des Ausgeliefertseins, da diesen Personen die empfunden Selbstwirksamkeit fehlt, gegen Dark Patterns etwas unternehmen zu können. In beiden Untersuchungsgruppen liess sich zudem eine gewisse Naivität gegenüber den Interessen von Unternehmen feststellen: Eine dem Warenkorb hinzuzugefügte, unnötige Transportversicherung wurde gelegentlich nicht als Manipulation, sondern – genau im Gegenteil – als Kundenorientierung wahrgenommen.

Für das Problem sensibilisieren

Dark Patterns wirken also! Daraus ergibt sich aber eine grosse Verantwortung für alle, die solche Dark Patterns einsetzen – und das sind nach einer anderen Untersuchung der ZHAW mehr als die Hälfte der Betreiber der 50 am meisten besuchten Websites der Schweiz. Sie müssen sich die Frage stellen, ob sich der Einsatz von Dark Patterns lohnt, wenn damit die Kundenbeziehung aufs Spiel gesetzt wird oder möglicherweise sogar im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) die Grenze zur Illegalität überschritten wird. Passt die Praxis des Täuschens zu Unternehmensleitlinien, die Werte wie Fairness und soziale Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen? Aber auch speziell die in der Studie als besonders gefährdet identifizierten Bevölkerungsgruppen, müssen aufgeklärt und für das Problem Dark Patterns sensibilisiert werden.


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