Angelika Tanner mit Freunden beim Beobachten der Polarlichter.

Mein Austauschsemester im Saunaland

Wegen der Kälte im hohen Norden, dem vielen Schnee und einer interessanten Fremdsprache wollte ich mein Austauschsemester in Finnland absolvieren. Aber der Grund, weshalb ich nach meinem Austausch am liebsten dort in Jyväskylä geblieben wäre, ist ein anderer.

Von Angelika Tanner, Studentin Bachelorstudiengang Kommunikation, 5. Semester, am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW

Ich liebte die Kälte des finnischen Winters, den staubtrockenen Pulverschnee bei –15 Grad und die bis im April zugefrorenen Seen. Ich genoss es, mit drei Paar Hosen eingekleidet auf dem Fahrrad zum Supermarkt oder ins Stadtzentrum von Jyväskylä zu fahren. Was meinen Aufenthalt allerdings ausmachte, waren die vielen neuen Erfahrungen: beispielsweise die Sauna.

In der Schweiz hätten mich keine zehn Pferde in eine Sauna schleppen können. Bereits die Vorstellung von sengender Hitze reichte. Aber ich fand, man könne ja nicht fünf Monate lang in Finnland (dem Sauna-Land schlechthin) wohnen und nie in die Sauna gehen, zumal in meiner Wohnungsmiete im Studentenquartier sogar eine Saunagebühr inbegriffen war. Und siehe da, kaum hatte ich es einmal ausprobiert, konnte ich nicht genug davon bekommen. Leider war die Sauna-Einrichtung dann wegen der Corona-Pandemie gut zwei Monate geschlossen, aber in den besten Zeiten meines Austauschsemesters schaffte ich es bis zu vier Mal pro Woche in die Sauna. Man sitzt, redet, lacht und schwitzt zusammen bei rund 90 Grad mit ein paar Freunden auf Holzbänken und giesst ab und zu Wasser auf die heissen Steine. Nach 10 bis 15 Minuten schmoren ist es Zeit für eine kalte Dusche oder für einen Sprung in den Tiefschnee. Diesen Ablauf kann man beliebig oft wiederholen; ein ganzer Sauna-Aufenthalt dauert normalerweise zirka eine Stunde. Danach fühlt man sich unglaublich entspannt.

Die Menschen als Highlight im Austauschsemester

Wenn ich die Sauna als eines meiner Finnland-Highlights nenne, ist das zwar korrekt, aber nicht ganz treffend ausgedrückt. Genau genommen rede ich nämlich nicht nur von der Sauna selbst, sondern vom ganzen Sauna-Erlebnis und vor allem von den Freunden, mit denen ich regelmässig saunierte. Ein Saunabesuch in der Schweiz wird niemals so perfekt sein wie in Finnland, denn es fehlen die finnische Atmosphäre und die Selbstverständlichkeit der Sauna als oberste Priorität des Tages.

Wenn ich (als überzeugte Skifahrerin) auch begeistert vom Snowboarden erzähle, erzähle ich genau genommen von den Nachmittagen, an denen ich mit meinen beiden Snowboard-Kollegen in Finnland herumalberte und die Piste von Jyväskylä unsicher machte.

Wenn ich wehmütig an die schönen Nordlicht-Nächte zurückdenke, denke ich an den Trip nach Lappland und an Abende gefüllt mit Gelächter, spannenden Diskussionen und an die Jagd draussen in der Kälte nach dem besten Platz für Nordlicht-Beobachtungen.  

Wenn ich sage, ich vermisse die langen, hellen Sommerabende des Nordens, ist das nur eine ungenügende Zusammenfassung davon, was alles dazugehörte: Lagerfeuer, Gitarrenmusik, Übernachten unter freiem Himmel (bei rund 0 Grad) und vor allem eine gute Zeit mit lieben Menschen.

Diese Erlebnisse sind es, die mir bleiben werden. Die interessanten Gespräche, die gemeinsamen Abenteuer und immer wieder ein gemütliches Beisammensein mit so viel Lachen, bis mir der Bauch schmerzte, haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Es sind die Menschen, die meinen Aufenthalt in Finnland einzigartig gemacht haben und die ich jetzt vermisse.

Zwischen Vorlesungen und Freizeit

Die obige Beschreibung meiner Freizeit klingt so, als hätte ich fünf Monate lang Ferien genossen. Dem war nicht so, sondern ich habe an der University of Jyväskylä (JYU) einige spannende Module belegt, Vorlesungen besucht, Präsentationen gehalten und wissenschaftliche Essays geschrieben. Besonders die Essays schrieb ich gerne, denn sie waren offen in der Aufgabenstellung, forderten sprachlich angenehm heraus und förderten das vernetzte Denken. Gerne hätte ich mehr solche Aufträge an der ZHAW, anstatt Modulschlussprüfungen. Ich habe an der University of Jyväskylä viel mehr geschrieben als am IAM und ich genoss den Freiraum an der JYU, die Aufgabenstellungen individuell umsetzen zu können, im Gegensatz zu den üblicherweise strikten Aufträgen am IAM. Unterstützend wirkte sicherlich die Tatsache, dass an der JYU das Motto «der Weg ist das Ziel» zu gelten scheint. Solange man sich Mühe gibt und in der Vorlesung anwesend ist, ist eine gute Bewertung nicht schwierig zu erreichen.

Der meiner Meinung nach beste Kurs, den ich an der JYU besuchte, war «Foreign Reporting». Es ging um Ausland-Korrespondenz in verschiedenen Ländern, mehrere Gäste erzählten von ihrem Beruf und am Ende vertiefte man sich in einem Essay in ein selbst gewähltes Thema. Ich widmete mich «The true role of foreign correspondents», indem ich die Rolle von Journalisten beleuchtete, und deren Verantwortung gegenüber dem Mediensystem, der Leserschaft und dem Gastland. Diesen Ansatz fand ich spannend, da mir durch den Kurs bewusst wurde, wie relativ meine Sicht auf den Journalismus ist. Während ich als Schweizerin in der finnischen Vorlesung sass, verglichen wir das Mediensystem von Finnland mit dem von Österreich und diskutierten die Medien in China. Da wurde mir klar, vor welcher Herausforderung Korrespondenten stehen, wenn sie durch ihre Artikel zwei verschiedene Länder verbinden.

Genial fand ich, dass das Niveau der finnischen Module für mich genau stimmte. Viele Kurse im Bereich Kommunikation befassten sich mit Interkulturalität. So ging ich das Thema Kommunikation auf eine andere Art an als gewohnt, obwohl viele Themen aufgegriffen wurden, welche an die Vorlesungen am IAM anknüpften. Ich lernte sehr viele neue Dinge und profitierte von den Vorlesungen, ohne meinen Studiumsschwerpunkt aus den Augen zu verlieren.

Das konstante Distance-Learning erlaubte es mir, meine Wochenenden und Ferientage mehrheitlich selbst zusammenzustellen. Leider waren die Module betreffend Sozialleben somit nicht sehr spannend. Ich habe alle meine Mitstudierenden nur online kennengelernt und nie persönlich getroffen. In Online-Vorlesungen und Breakout-Sessions blieb nie Raum, sich privat zu unterhalten und kennenzulernen. Viele finnische Mitstudierende wohnten ausserdem nicht in Jyväskylä, sondern sassen überall in Finnland verstreut – es spielte ja keine Rolle, solange man dank eines Internetzugangs an der Vorlesung teilnehmen konnte. So schloss ich tatsächlich ausschliesslich (aber viele wertvolle) Freundschaften mit Austauschstudentinnen und -studenten, die in Jyväskyläs Studentenviertel meist um die Ecke wohnten und – genau wie ich – auf gemeinsame Finnland-Abenteuer aus waren.


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