Der Begriff Behavioral Marketing löst bei den meisten, die ihn zum ersten Mal hören, direkt Assoziationen aus. Diese gehen meist in die Richtung, dass es „irgendwas mit Kundenverhalten zu tun hat“. Am Institut für Marketing Management verwenden wir den Begriff in einer engeren Bedeutung als solche spontanen Assoziationen vermuten lassen. Da diese spezifische Bedeutung wegleitend für unsere Projekte in diesem Bereich ist, möchten wir hier kurz unser Verständnis von Behavioral Marketing beschreiben.
Für unser Verständnis des Begriffs sind zwei Facetten massgeblich, die charakterisieren, was am Marketing „behavioral“ ist:
Einerseits kennzeichnet der Begriff unsere theoretische Auffassung darüber, wie Kunden denken und sich verhalten. In Anlehnung an Disziplinen wie Entscheidungspsychologie, Behavioral Economics und Behavioral Finance berücksichtigen wir bei der Analyse des Kundenverhaltens, dass das Verhalten von Kunden oft vom Idealbild des Homo Oeconomicus abweicht. Da Wahrnehmungen, Denkmuster und Verhaltensweisen von Menschen häufig (scheinbar) irrational sind , müssen solche Irrationalitäten berücksichtigt werden, um das tatsächliche Verhalten der Kunden zu erfassen. So ist es bspw. im Versicherungsbereich wichtig zu verstehen, dass die Risikowahrnehmung der Kunden nicht nur durch objektive Auftretenswahrscheinlichkeiten beeinflusst wird, sondern auch davon abhängt, wie gut sich ein Kunde ein negatives Ereignis vorstellen kann (bzw. wie einfach mental „verfügbar“ solche Ereignisse sind). Bei abstrakten oder komplexen Risiken wie einer unzulänglichen finanziellen Absicherung im Alter ist diese Verfügbarkeit meist eingeschränkt. Dieser „Availability bias“ führt dann in der Konsequenz dazu, dass Kunden Risiken unterschätzen und nicht aktiv werden. Ein weiteres Beispiel ist der Vergleich mit dem Verhalten von Personen aus unserem sozialen Umfeld (sog. „Social Proof“): bekommen wir bspw. Rückmeldung darüber, wieviel Geld unsere Freunde für die Altersvorsorge zurücklegen, motiviert uns das, ebenfalls über Altersvorsorge nachzudenken.
Andererseits soll der Begriff Behavioral Marketing ausdrücken, welche Art von Methoden wir bevorzugen, um das Kundenverhalten zu messen. Diese Facette unseres Begriffsverständnisses weist Überschneidungen mit der Verwendung des Begriffs im Online-Marketing auf, ist aber nicht gleichbedeutend damit. Wie im Online-Bereich, wo Behavioral Marketing (bzw. Targeting) bedeutet, durch die Analyse des Nutzerverhaltens im Web Marketingmassnahmen zu personalisieren, meinen auch wir, dass Methoden eingesetzt werden müssen, die das tatsächliche Kundenverhalten so unmittelbar wie möglich messen. Hierfür bieten sich besonders Experimente an, die bspw. überprüfen, wie sich die Entscheidung eines Kunden verändert, je nachdem, wie die Entscheidungssituation gestaltet ist (siehe Blog-Post SilentSurfer). Das konkrete Verhalten von Kunden direkt in der Entscheidungssituation zu messen, ist in herkömmlichen Umfragen kaum möglich, da die in Umfragen vorgegebenen Präferenzen oft vom realen Verhalten der Kunden abweichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Konzept Behavioral Marketing beinhaltet, das Kundenverhalten sowohl auf theoretischer als auch auf methodischer Ebene so realistisch wie möglich abzubilden. Dies, um unter anderem erfolgreich Massnahmen zu entwickeln, mit denen es gelingt, positive Verhaltensänderungen beim Kunden auszulösen.