Mit dem «Service Theater» neue Service-Ideen finden und realitätsnah testen

Dienstleistungen als Produkte oder als Produktbegleiter spielen im Product Management eine wichtige Rolle. Wie man eine innovative Serviceleistung entwickeln kann, konnten die Teilnehmenden des MAS Product Management erfahren. Im Rahmen des „Service Theaters“ wird eine Serviceinnovation in sechs Schritten entwickelt, wobei Prozesse oder Dienstleistungen schauspielerisch simuliert werden.

Im Rahmen des MAS Product Management hatten die Weiterbildungsstudierenden die Möglichkeit, unter Leitung von Markus Berg und Matthias Anderegg «Service Theater» live zu erleben.

Auf dem Weg zu einer durchdachten und innovativen Serviceinnovation werden dabei sechs Hauptschritte durchlaufen. Diese reichen von der Initiierung und Ideenfindung über Ideenbewertung und -auswahl bis hin zum Grobkonzept, Umsetzungskonzept und zur Realisierung der Dienstleistungsidee.

Besonders in der Phase des Grobkonzeptes stellt sich die Frage, ob die geplante Dienstleistung die Anforderungen der Kunden abbildet.

Aber wie kann man die Erfüllung der Kundenanforderungen möglichst realitätsnah testen?
Anders als beim physischen Produkt steht die Dienstleistung nur immateriell zur Verfügung und kann dem Endkunden nicht direkt zur Bewertung vorgelegt werden. Zudem hängt die Qualität einer Dienstleistung nicht nur statisch vom Anbieter ab, sondern auch von Mitarbeitern, Kunden und Umgebung.

Hier kommt das «Service Theater» ins Spiel.
Das «Service Theater» ist eine Unterform des Unternehmenstheaters, welches mit Hilfe von Schauspielern Prozesse oder Dienstleistungen simuliert, um diese zu analysieren oder ganz neu zu entwickeln.

Man geht dabei davon aus, dass beim Testen einer Dienstleistung dieselben Elemente wie bei einer Theaterproduktion relevant sind:

  • Die Schauspieler: Die Mitarbeiter des Dienstleistungsanbieters oder die Kunden. Ebenso wie die Qualität eines Stückes von den Schauspielern abhängt, ist die Qualität eines Services stark mit den Mitarbeitern eines Unternehmens verbunden.
  • Das Set: Die Bühne bzw. Serviceumgebung, in der die Dienstleistung erbracht wird
  • Der Support: Diejenigen Leistungen, die ein Anbieter dem Kunden gegenüber erbringt, basieren meist auf weiteren Prozessen «hinter der Bühne» bzw. im Unternehmenshintergrund – ähnlich zu einer Theatervorstellung, bei der vieles von den Aktivitäten «Backstage» abhängt.
  • Die Darbietung ist eine Co-Produktion aus Schauspielern, Bühne und Publikum, die Dienstleistung eine solche aus Mitarbeitern, Kunden und Umgebung.

Schauspieler oder Unternehmensmitarbeiter schlüpfen beim «Service Theater» in die Rolle des Serviceanbieters oder verschiedener Kunden, um die Dienstleistung im wahrsten Sinne des Wortes «durchzuspielen».
So wird die Dienstleistung in ihren einzelnen Schritten emotional erlebbar gemacht, sogenannte kritische Ereignisse im Zusammenspiel von Anbieter und Kunde, die oftmals in der Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum der Dienstleistung begründet sind, werden sichtbar. Eine «real-time» Optimierung des Dienstleistungsprozesses wird möglich.

Es sind verschiedenste Formate des «Service Theaters» vorstellbar. Je nach Themengebiet bietet sich eine Kombination aus unternehmensinternen Teilnehmern und externen Schauspielern an.

Was muss man tun, um eine Idee auf das Theater vorzubereiten?
Zunächst gilt es, den Problembereich zu definieren, für den eine Dienstleistungslösung gesucht wird. Um das Problem des Kunden plastischer zu machen und um den Hintergrund besser zu verstehen, können Methoden wie das «Storytelling»  oder die «day-in-the-life»-Methode  zum Einsatz kommen (Begriffe werden am Schluss des Textes erklärt).
In der Ideenentwicklung bietet es sich an, auf gängige Kreativitätsmethoden zurückzugreifen. Hier stehen typischerweise intuitiv-spontane (z.B. Brainstorming oder -writing),  schöpferisch-konfrontative (z.B. semantische Intuition oder Reizwortanalyse) oder systematisch-diskursive Methoden (z.B. morphologische Kasten) zur Verfügung.
Die so formulierten Ideen sind als gemeinsames Referenzbild für alle Beteiligten bereit, um in Form des «Service Theaters» simuliert zu werden.

Um ein funktionierendes «Service Theater» auf die Beine zu stellen ist es wichtig, einen geschulten und unabhängigen Moderator beizuziehen. Alle Beteiligten müssen bereit sein, sich auf eine neue Methode in der Dienstleistungsentwicklung einzulassen. Ein umfassendes Briefing im Vorfeld ist unabdingbar. Daher bietet es sich an, das Theater in einer «neutralen» Umgebung durchzuführen.
Es gilt: je realitätsnaher ein solches Theater gespielt werden soll, desto mehr Aufwand ist nötig. Der Einsatz in frühen Stadien der Servicegestaltung lohnt sich, um schnell und kostengünstig zu ersten Lösungen zu kommen, alle Beteiligten ins „gleiche Boot“ zu holen und damit immaterielle Dienstleistungscharakteristika zu materialisieren.
Weitere Literatur zum Konzept des «Service Theaters» finden Sie hier.

Begriffserklärungen:

  • «Storytelling»: ist eine Erzählmethode, mit der explizites und implizites Wissen in Form einer Metapher weitergegeben und durch Zuhören aufgenommen wird. Die Methode lässt sich in vielen Bereichen einsetzen, zum Beispiel im Wissensmanagement, zur Analyse der Unternehmenskultur in der Markforschung oder im Qualitätsmanagement. (Siehe auch Thier, K. (2012) Storytelling. Eine Methode für das Change-, Marken-, Qualitäts -und Wissensmanagement. Berlin: Springer)
  • «day-in-the-life»-Methode: Diese Methode ist ein praxisorientierter Ansatz, bei dem Personen der Zielgruppe über ihren typischen Alltag interviewt werden. So ist es möglich herauszufinden wann und warum sie ein spezifisches Produkt oder auch eine Dienstleitung wählen, um ihre täglichen Aufgaben zu verrichten. Es ist auch möglich, der Person den gesamten Tag zu folgen und entsprechende Notizen zu machen. Handelt es sich um ein Produkt, das innerhalb eines Tages eher weniger Kontaktpunkte mit dem Kunden hat, ist die Ausweitung auf «week-in-the-life» oder «month-in-the-life» sinnvoll. (Kraft, C. (2012) User Experience Innovation. User Centered Design That Works. New York: Springer)

«Service Theater» in der Praxis: Beispiele finden sie hier und hier.



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