Jetzt ist sie da, die Krise, aus der wir gestärkt hervorgehen sollen… das verspricht uns ja das Konzept der Resilienz. Doch wo finden wir diese Stärke? Wie wachsen wir an dieser Herausforderung?
Text: Beatrice Mühlberg Bild: Pixabay
Viele Menschen stellen sich diese Fragen genau jetzt. Alle haben in dieser aussergewöhnlichen, unwirklichen Zeit ihre eigenen Herausforderungen. Und alle haben ganz eigene Strategien damit umzugehen. Einigen gelingt dies gut, viele finden sich jedoch nicht wirklich zurecht.
Was kann uns konkret helfen, optimistisch und zufrieden zu
bleiben?
Jetzt wo Vieles um uns herum ruhiger geworden ist, fällt es uns nicht so leicht, uns abzulenken. Das Haus ist geputzt, der Keller geräumt, der Garten bereit. Es bleibt Zeit in sich hineinzuhören, für viele Menschen eine ungewohnte, schwierige Situation. Doch genau da finden wir unsere Resilienz. Unsere persönlichen Ressourcen, unsere inneren Kraftquellen, welche uns helfen, Krisen gesund zu überstehen und an ihnen zu wachsen. Das können zum Beispiel innere Bilder von einer Blumenwiese, einem Sandstrand oder einem Klettersteig sein: etwas Positives aus unserem Leben, an das wir uns gerne erinnern.
Auch mal zusammen lachen oder jammern
Für mich persönlich ist eine der Kraftquellen die Natur, im Moment Spaziergänge im Wald oder am Fluss. Zu sehen, wie alles wächst, wie der Himmel ohne Flugzeuge ist, den leisen Geräuschen der Tiere lauschen, das gibt mir innere Ruhe und Halt. Dann ist es meine Familie, meine Freunde. Sie regelmässig zu hören oder per Video zu sehen, gibt mir Vorfreude auf unsere nächsten Treffen. Sich austauschen, zusammen lachen oder auch mal jammern über die Situation, tut meiner Seele gut.
Gemäss dem Resilienzkonzept von Corina Wustmann gibt es 5
Arten von Ressourcen, aus denen wir Energie gewinnen können.
Soziale Ressourcen Dazu gehört unser Beziehungsfähigkeit mit dem ganzen Umfeld: Personen wie unsere Freunde, Arbeitskollegen, die eigenen Kinder oder die Eltern.
Emotionale Ressourcen Die Fähigkeit Gefühle wahrzunehmen und sie auszudrücken.
Gesundheitsressourcen Dazu kann Bewegungs-, Erholungs- und Essverhalten gezählt werden.
MotivationaleRessourcen Die Fähigkeit uns selbst anzutreiben/ gut zuzureden.
Kognitive Ressourcen Unsere gedanklichen Fähigkeiten wie Aufmerksamkeitsfokussierung, Merkfähigkeit, Wissen und Erinnern.
Sie können sich auch fragen: Was hat mir früher geholfen? Wer hat mich gut unterstützt? Was motivierte mich? Mit diesen Fragen entdecken sie ihre ganz persönliche Art von Resilienz.
Also horchen Sie in sich hinein und erinnern sich an das, was Sie stark macht!
Beatrice Mühlberg ist verantwortlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement und das Thema Diversity am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW. Ausserdem ist sie diplomierte Resilienztrainerin CZO.
Literatur – Coachingzentrum Olten (2015) Unterstützende Grundhaltung. V.2.1 aus dem Modul «Resilienz entdecken» im CAS Resilienztraining. Coachingzentrum Olten, Seite 3
«Was mach ich nur die ganze Zeit mit den Kindern?!», werden sich wohl viele Eltern in diesen Tagen fragen. Spielen kann eine Quelle von Freude und Spass sein, aber leider auch von Frust und Wutanfällen. Unser Spielpsychologe Roberto Siano macht Vorschläge, wie ein gutes Spiel für die Kinder und auch die Erwachsenen gelingt.
Text: Roberto Siano Bild: Prashant Sharma
Das Zuhause-bleiben-müssen der Kinder bietet die Möglichkeit, wieder vermehrt mit ihnen zu spielen. So überrascht es nicht, dass Spieletipps momentan boomen. Sie sind überall zu finden. Doch auch das spassigste Spiel hat seine Tücken und statt Freude herrscht manchmal Frust oder sogar Streit. Oft liegt es aber nicht an den Spielen selbst, sondern an den unpassenden Rahmenbedingungen. Denn beim Spielen mit Kindern gibt es einige Spannungsfelder, die es zu beachten gilt.
Ich habe die Unordnung gesehen, die Kinder eine Party mit Freunden
Das erste wichtige Thema ist «Raum lassen». Spielen braucht Platz. Aber nebst dem physischen Raum, geht es auch um die Freiheit im Denken. Wie oft habe ich mich dabei ertappt, den Kindern «Stopp» zu sagen, weil sie alle Stofftiere um den Tisch platzieren wollten inmitten eines Rollenspiels. Ich habe die Unordnung gesehen, sie eine Party mit Freunden. Wir Erwachsenen haben häufig eine Zensurschere im Kopf, weil wir die Folgen des Spiels abschätzen. Dadurch verlieren wir die Möglichkeit, unbeschwert in den Moment einzutauchen.
Aber Raum lassen heisst nicht, keine Grenzen zu setzen. Regeln sind ein fixer Bestandteil von Spielen. Ich versuche in Spielsettings nicht mit Belohnung oder Bestrafung zu hantieren, sondern mit klaren Regeln (die meist gemeinsam verabschiedet werden). Und die erste Regel beim Spielen heisst: bevor ein neues Spiel beginnt, muss das alte abgeräumt werden. Auch wenn wir mitspielen, müssen wir Erwachsene die Verantwortung übernehmen und sind für Sicherheit und Grundstruktur zuständig.
Wenn man keine Lust hat, sollte man nicht mitspielen
Ausserdem ist es wichtig, sich auf die Spielsituation komplett einzulassen. Ich persönlich muss mir ganz bewusst Zeit nehmen, um mich mit den Kindern zu synchronisieren. Wenn ich mich gestresst fühle, geschieht es häufig, dass ich keine Geduld habe. Dann überhöre ich ihre Ideen und lasse mich nicht genug auf sie ein. Dieses vordergründige «Anhören» spüren die Kinder und es kommt dann gerne zur Verweigerung. Wenn man keine Lust hat, sollte man lieber gar nicht mitspielen als nur halbherzig dabei zu sein.
Hier habe ich 3 Tipps zur aktiven Gestaltung von
Spiel-Zeiten zusammengestellt.
Tipp 1: Einfach schlägt komplex Jede Familie hat phasenweise ein Lieblingsspiel. Unseres ist gerade «Drecksau». Es besticht nebst dem Namen – meine Kinder liebten das Spiel, bevor sie es zum ersten Mal gespielt hatten – auch durch eine Mechanik, die es Erwachsenen erlaubt mitzuspielen, ohne vor Langeweile einzuschlafen. Meist spielen meine Kinder jedoch frei. Mit etwas Platz und etwas Abfallholz, können sie sich stundenlang vergnügen. Was sie damit schon alles gebaut haben, ist fantastisch: Ein Schloss, ein Hindernisparcours oder eine Brücke.
Probieren sie Folgendes: Tisch oder Boden frei räumen. Ein paar Kartonschachteln drauf. Für jedes Kind 1 Schere und genug Klebeband. Schauen sie, was passiert… es wäre ziemlich sicher eine «Internet-Challenge» wert.
Tipp 2: Kooperation führt zu weniger Reibung Viele Spiele sind kompetitiv. Seit «Hanabi» 2013 Spiel des Jahres geworden ist, sind die kooperativen Spiele aber wieder stärker in den Fokus gerückt. Auch Teamspiele gibt es viele. Hier steht das Miteinander im Vordergrund und weniger das Gegeneinander. Man kann viele Spielsettings kooperativ ausgestalten. Ein Hindernisparcours kann z. B. kompetitiv aufgestellt sein, sodass der Schnellste gewinnt oder kooperativ, dass jenes Team einen Punkt bekommt, bei dem die Mitglieder zusammen die Hindernisse bewältigen. Ausserdem kann man nicht messbare Ziele setzen. Ich habe Kindern schon mit Holzklötzen zwei unterschiedliche Aufgaben gegeben. Baut den höchsten Turm oder baut ein schönes Schloss. Die Dynamik war sehr unterschiedlich.
Tipp 3: Spass haben Das Wichtigste beim Spielen ist Spass und eine gute Zeit zu haben. Das verbindet. Dieser Spass kann für alle unterschiedlich sein. Ich persönlich kann zum Beispiel nicht absichtlich verlieren. Ich gebe mir manchmal ein Handicap, aber gewinnen lasse ich meine Kinder nicht, das würde mir selbst den Spass verderben.
Spass haben, heisst aber auch, es locker zu nehmen, wenn etwas
nicht klappt. Manchmal hat man eine geniale Idee, bereitet alles vor und freut
sich darauf – und auf einmal wollen die Kinder lieber Playmobil spielen. Das
muss man dann nicht persönlich nehmen, sondern die Situation «fliessen» lassen.
Roberto Siano ist als Berater & Dozent am IAP Institut für Angewandte Psychologie tätig. Seine Themenschwerpunkte liegen auf Spielpsychologie, Spielentwicklung und dem Einsatz von Spielmethoden in der Aus- und Weiterbildung.
In den letzten Wochen sind Sie sicher auf viele Tipps zum Umgang mit der derzeitigen Situation gestossen. Vielleicht wollten Sie diese Ratschläge gerne befolgen, wussten aber nicht, wie umsetzen. Die Sportpsychologie kennt konkrete Übungen und Anleitungen, die im (Arbeits-)Alltag eingesetzt werden können. Wir stellen Ihnen hier drei vor.
Text: Jan Rauch und Anuschka Zimmermann Bild: Ales Krivec
(Mentale) Ziele setzen
Ziele setzen ist einfach – gesetzte Ziele erreichen ist eine andere Geschichte. Dies gilt nicht nur für den Sport. Je nach Ihrer Situation könnten dies konkrete Aufgaben fürs Homeoffice, den Haushalt, das Familienleben etc. sein.
Im Sport ist es beispielsweise so, dass Ziele zunächst auf der Leistungsebene gesetzt werden. Also Zeiten erreichen, Anzahl Kilometer erreichen, einen bestimmten Rangplatz erreichen. Es erscheint jedoch logisch, dass Sportler/innen solche Ziele nur erreichen können, wenn sie es schaffen, Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Wichtige zu lenken – man spricht hier von mentalen Zielen. Ausserdem setzen sich Sportler/innen damit auseinander, was sie daran hindern könnte, ihre mentalen Ziele zu erreichen (Bedingungen, Gegner etc.). Im Alltag funktioniert das genau gleich.
Tipp: In vier Schritten Ziele setzen und Stolpersteine identifizieren
Schritt 1: Setzen Sie sich ein Leistungsziel für den nächsten Tag (siehe Beispiel unten) und unterteilen Sie es, wenn nötig, in kleine, messbare Einheiten.
Schritt 2: Überlegen Sie sich, was die mentalen Ziele sind, um dieses Leistungsziel zu erreichen: Worauf soll meine Konzentration liegen? In welcher Stimmung muss ich sein? Und so weiter.
Schritt 3: Identifizieren Sie konkrete «Stolpersteine», welche die Erreichung dieser mentalen Ziele verhindern könnten.
Schritt 4: Schaffen Sie diese Stolpersteine aus dem Weg.
Ein Beispiel. Ihr Leistungsziel lautet: «Morgen stelle ich das neue Kundenkonzept fertig» (1. Schritt). Dann formulieren Sie dazu ein passendes mentales Ziel, wie z.B.: «Ich benötige vier Stunden störungsfreie Zeit vor dem Computer» (2. Schritt). Danach definieren Sie entsprechende Stolpersteine (Fragen der Kinder zu den Hausaufgaben, eingehende Telefonate, Baulärm von der Strasse) (3. Schritt). Nun überlegen Sie, wie Sie diese Stolpersteine überwinden werden: «Ich werde mit den Kindern die Abmachung treffen, dass sie konkrete Fragen aufschreiben sollen, welche wir dann über Mittag besprechen» oder «Ich stelle das Telefon am Vormittag auf Flugmodus» (4. Schritt).
Ausserdem: Lernen Sie bewusst. Wenn Sie die Zielsetzungen ein paar Tage ausprobiert haben, werden Sie rasch merken, welche Stolpersteine Sie immer wieder behindern. Passen Sie daraufhin ihre Zielsetzungen an.
Das klingt einfach, aber es ist sehr wichtig, solche Stolpersteine überhaupt zu identifizieren. Denn häufig sind es immer ähnliche Dinge, die uns von unseren Plänen abhalten. Das Bewusst-Machen dieser Stolpersteine alleine führt bereits dazu, dass man besser gegen solche Einflüsse gewappnet ist. Dies hilft nicht nur, gesetzte Ziele zu erreichen, sondern reduziert auch den Ärger, wenn man gefühlt «dauernd» von seinen Zielen abgehalten wird. Und dies hat wiederum positive Auswirkungen auf die Konzentration, welche es erlaubt, an einem Ziel dranzubleiben.
Positive Selbstgespräche führen
Viele unserer Gedanken sind ein innerer Dialog, also ein Selbstgespräch. Wir nutzen Selbstgespräche, um unsere Handlungen vorzubereiten («Morgen stehe ich früher auf.»), zu kommentieren («Läuft ja ganz gut.») oder auszuwerten («Uff, gerade noch geschafft!»). In der Regel haben diese Selbstgespräche motivationale Komponenten, die unser Handeln unterstützen.
Stehen wir unter Stress, können negative Einflüsse in den Selbstgesprächen Überhand nehmen («Das schaffe ich nie!», «So ein blöder Fehler!»). Dies hat in der Regel schädliche Auswirkungen auf die Motivation, das emotionale Befinden und die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf Wichtiges zu lenken. Umso wichtiger ist es, Selbstgespräche positiv zu formulieren, um deren vorteilhafte Auswirkung auf den Selbstwert zu nutzen.
Führen Sie positive Selbstgespräche. Fragen Sie sich: Was macht mir Mut? Wer oder was kann hilfreich sein? Welche Sätze kann ich mir sagen, die mich beruhigen und mir/meiner Familie Sicherheit geben?
Tipp :«Antworten» auf negative Selbstgespräche
Identifizieren Sie regelmässig auftretende negative Gedanken und Selbstgespräche («Immer diese negativen Meldungen in den Medien!» oder «Ich drehe langsam durch, immer nur zuhause rumzusitzen!»).
Überlegen Sie sich Sätze, mit denen Sie konkret auf den negativen Aspekt des Gedankens «antworten» können («Ich suche ab jetzt bewusst nach mehr positiven Inhalten in den Medien» oder «Ich werde mich ab jetzt mehr bewegen»)
Sobald einer Ihrer negativen Gedanken wieder auftritt, antworten Sie darauf bewusst und laut (also nicht nur in Gedanken) mit der positiven Antwort.
Sie werden bemerken: Nach einigen Tagen erkennen Sie die negativen Gedanken, bevor Sie sie (innerlich) ausgesprochen haben. Stoppen Sie den Gedanken an dieser Stelle und sprechen Sie Ihre positive Antwort aus.
Das Gute bewusst machen
Ein hohes Wohlbefinden geht in der Regel mit besserer Arbeitsleistung einher. Wenn es uns also gelingt, das Wohlbefinden zu steigern, können wir damit gleichzeitig die Arbeitsleistung positiv beeinflussen. In Krisensituationen tendieren wir dazu, nur noch das Negative zu sehen. Daher lohnt es sich, den Blick ganz bewusst auf das Gute, Gelingende zu richten. Auch in dieser Krise gibt es positive Dinge: trotz Stress mehr Zeit mit der Familie verbringen, komfortableres Arbeiten von zuhause aus usw.
Tipp:Drei gute Dinge
Nehmen Sie sich jeden Abend mindestens 15 Minuten Zeit und notieren Sie drei Dinge, die an diesem Tag wirklich gut gelaufensind oder die Sie als schön empfunden haben. Dies können Dinge aus allen Bereichen des Lebens sein, auch ganz kleine Dinge (z.B. der Vogel, den ich am Morgen vor dem Fenster gesehen habe oder die erfolgreich durchgeführte Online-Veranstaltung)
Beantworten Sie für Sich zu jedem der guten Dinge folgende Frage: Warum hat sich dieses gute Ereignis zugetragen? (z.B. «weil ich mir das Homeoffice am Fenster eingerichtet habe» oder «weil ich mich intensiv mit Online-Konferenz-Tools beschäftigt habe»).
Beantworten Sie in einem weiteren Schritt für jedes der drei guten Dinge die Frage: Was habe ich dabei genau empfunden? (z.B. «ich war glücklich, wieder mal einen Vogel aus der Nähe zu beobachten» oder «ich war stolz, dass der Kurs so gut über die Bühne ging»).
Achten Sie darauf, dass Sie die drei Dinge und die jeweiligen Gefühle wirklich aufschreiben. Es reicht nicht, diese Übung nur gedanklich durchzuführen. Das mag zu Beginn etwas schwierig erscheinen, aber versuchen Sie dies in den nächsten Wochen konsequent durchzuziehen. Sie werden sehen, es wird Ihnen im Laufe der Zeit leichter fallen.
Neben einem bewussteren Fokus auf positive Dinge, ist das Ziel dieser Übung, eine Sammlung positiver Dinge aufzubauen, welche man zu einem späteren Zeitpunkt wieder hervorholen kann. In vielen Studien trat nach vier Wochen eine merkliche Steigerung des Wohlbefindens ein.
Dr. Jan Rauch ist Psychologe FSP und am IAP Institut für Angewandte Psychologie als Leiter Sportpsychologie tätig. Er ist Studienleiter von zwei Zertifikatslehrgängen und bietet sportpsychologische Beratungen im Einzel- und Teamsport an.
Anuschka Zimmermann ist Psychologiestudentin an der ZHAW und absolviert im Rahmen ihres Studiums ein Praktikum am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Darüber hinaus ist sie als Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig.
Brauchen Sie Hilfe?
Wenn Sie persönliche Hilfe mit den aktuellen Herausforderungen brauchen, finden Sie auf der letzten Seite des Informationsblattes eine Auflistung verschiedener Kontaktstellen, die gerne für Sie da sind. Das IAP Care Team bietet zudem während der Corona-Krise kostenlose Beratungen per Telefon oder Video an. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unsere Webseite.
Wie man Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben ziehen kann und warum es das nicht immer braucht.
Text: Birgit Werkmann-Karcher Bild: Shutterstock
An selbst gewählten Orten, zu selbst bestimmten Zeiten, arbeiten zu können, gilt als eine Errungenschaft der Arbeitswelt 4.0. Viele Erwerbstätige haben darauf gehofft, dass auch ihr Betrieb bald das Arbeiten im Homeoffice und damit mehr Flexibilität ermöglichen würde. Nun sind innerhalb kürzester Zeit Teleheimarbeitsplätze in enormem Ausmass entstanden. Das Office ist in der Wohnung untergebracht, neben Kindern, Tisch und Bett. Wir müssen nicht mehr zwingend aus dem Haus, um zur Arbeit zu gehen; ja wir müssen uns dafür nicht einmal mehr passend anziehen, und eigentlich könnte man doch auch den ganzen Tag im Bett sitzen bleiben.
Was geschehen
ist, ist das Verschwinden von äusserlichen Grenzen zwischen Lebensbereichen,
die man verkürzt auf «Arbeit» versus «privat» reduzieren kann. Üblicherweise signalisieren uns
Räume: «du bist jetzt im Modus Arbeit», und «jetzt bist du im Modus privat». Diesen Signalcharakter haben wir im Dauer-Homeoffice nicht mehr. Arbeit
und Privatleben verschmelzen.
Der einzige
Ausweg ist, die Grenzen selbst neu zu setzen. Doch zuerst sollte man
herausfinden, ob man überhaupt das Bedürfnis danach hat.
Segmentierer
oder Integrierer
Nicht jeder Mensch braucht das gleiche Mass an Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Ob Sie zu denjenigen gehören, die gerne eine klare Trennung zwischen beiden Lebensbereichen haben, können Sie anhand folgender Fragen beantworten:
Wie wichtig ist es mir bisher gewesen, dass meine Arbeit ausschliesslich ausserhalb meiner Wohnung stattfindet?
Habe ich bisher Arbeit mit nach Hause gebracht?
Habe ich je Arbeitskollegen zu mir nach Hause oder Familienmitglieder zum Arbeitsort gebracht?
Verwende ich identische Taschen / Rucksäcke / Schlüsselbunde / Gebrauchsutensilien (wie Kaffeebecher) für Arbeit und privat?
Trage ich in beiden Lebensbereichen die gleichen Kleidungsstücke?
Wenn Sie die erste Frage mit «sehr» und die folgenden Fragen mit «Nein» beantwortet haben, entsprechen Sie eher der Beschreibung eines Segmentierers, also einer Person, die beide Lebensbereiche strikt getrennt hält. Daneben gibt es Mischtypen, die in manchen Themen segmentieren und in anderen nicht. Sogenannte Integrierer brauchen weniger bis keine Trennung zwischen beiden Bereichen, um sich wohl zu fühlen. Wer sich eher zu den Integrierern zählt, dürfte ein geringeres Bedürfnis haben, die folgenden Strategien umzusetzen. Für Separierer können sie eine Hilfe sein, innerhalb der eigenen vier Wände klare Kanten zwischen die Bereiche zu setzen. Selbst wenn es auf wenigen Quadratmetern geschehen muss.
Raumstrategien: Überlegen Sie sich, an welchem Platz Sie arbeiten und welcher Raum für Nicht-Arbeit steht. Wenn der Arbeitsplatz der Küchentisch ist, an dem zwischendurch gegessen wird, ist es wichtig, alle Symbole der Arbeit (Laptop, Unterlagen, Stifte, Kabel, alles!) abzuräumen und dort, wo die Arbeit liegen darf, zu verstauen.
Zeitstrategien: Planen Sie Ihren Arbeitstag zeitlich durch und halten Sie sich so gut als möglich daran. Setzen Sie sich Ziele für die einzelnen Tage. Wenn Sie weniger Arbeit haben, planen Sie eine Verkürzung oder freie Blockzeiten ein.
Erreichbarkeit: Vereinbaren Sie mit der Chefin oder dem Chef und dem Team die Erreichbarkeiten im Dauer-Homeoffice.
Übergangsrituale: Überlegen Sie sich, was Ihnen helfen könnte, den
Privatmodus zu verlassen und sich in den Arbeitsmodus zu versetzen: Kleidung,
Getränke, sich von der Familie ins Homeoffice verabschieden, Joggen vor Beginn
oder nach Abschluss der Arbeit usw. Suchen Sie sich Ihr Übergangsritual.
Birgit Werkmann-Karcher ist Beraterin und Dozentin am IAP Institut für Angewandte Psychologie und Studienleiterin u.a. des MAS Human Resources Management und DAS Personalpsychologie.
Berufsberatung, Coaching, Weiterbildung – alles aus dem Homeoffice? IAP-Leiter Christoph Negri beantwortet 5 Fragen zur aktuellen Situation.
Interview: Kathrin Fink
Was sind momentan die besonderen Herausforderungen an einen Weiterbildungsbetrieb? Wir als IAP sind stark von unseren Kundinnen und Kunden und Weiterbildungsteilnehmenden abhängig. Dadurch sind wir nahe an der Wirtschaft und müssen schnell und zielgerichtet kommunizieren können. Wir mussten uns genau überlegen, wann sagen wir was und wie. Die andere Herausforderung war, unser gesamtes Weiterbildungsangebot (60 Studiengänge, über 100 Kurse) innerhalb einer Woche auf virtuelles Lernen umzustellen. Unsere zwei Experten für E-Learning, Luka Peters und Sabine Rödiger, haben sofort ein Notfallkit zusammengestellt, dass alle Dozierenden auf die Umstellung von Präsenz zu Online vorbereiten sollte. Tools wie Microsoft Teams oder Zoom wurden genau erklärt.
Wie sind die ersten Tage verlaufen? Als bekannt wurde, dass Schulen geschlossen werden, war das auch für uns ein klares Zeichen zum Handeln. Wir haben eine IAP-Taskforce mit einem Kernteam und zwei Subgruppen gebildet. Zuerst wurden Massnahmen nur für einen kurzen Zeitraum bis 4. April diskutiert, doch uns war intern schnell klar, dass wir bis im Sommer online unterwegs sein werden. Ab dann begann ein reger Austausch in den zwei Taskforce-Subgruppen für Kommunikation und E-Learning und im gesamten IAP. Wir haben ergänzend dazu mit grossen virtuellen Konferenzen den Austausch gefördert und den Zusammenhalt unterstützt Die Mitarbeitenden haben sich mit viel Engagement und Freude an die neuen Aufgaben gemacht. Es hat mich wirklich sehr beeindruckt, mit wieviel Mut sie Neues ausprobierten.
Durch Microsoft Teams ist das Team nie weit weg.
«Die schwierigen Anteile des immer-zuhause-seins fallen nun ins Gewicht.»
Wo gibt es Probleme? Was bereitet dir Sorgen? Nun wir kommen jetzt langsam in die Phase, in der Mitarbeitende (und auch Kunden) an ihre Grenzen stossen. Am Anfang der Homeoffice-Zeit herrschte Aufbruchstimmung und die Leute waren voller Engagement und Kreativität, um ihre Kurse neu zu gestalten. Doch langsam, nach ein paar Wochen, fallen die schwierigen Anteile des immer-zuhause-seins vermehrt ins Gewicht. Viele Mitarbeitende haben Kinder und müssen neben ihren Tätigkeiten als Beratende und Dozierende ihre Kinder beim Homeschooling unterstützen und Freizeitaktivitäten auf die Beine stellen. Wir sind daher bestrebt, alle Menschen, die Mühe haben, zu unterstützen und zu stabilisieren. Seit kurzem gibt es eine Krisen-Hotline für interne und externe Hilfesuchende.
Wo siehst du Chancen der Situation? Auf jeden Fall im Ausbau unserer digitalen Skills. Ich war die letzten Tage und Wochen jeden Tag mindestens 10 Stunden in Online-Konferenzen – das ist eine grosse Umstellung. Ganz neu ist das Thema für uns aber nicht, da wir seit vier Jahren das Projekt «IAP goes digital» haben und eigentlich gut aufgestellt sind. Seit Beginn der Krise sind wir am IAP vor allem auf Microsoft Teams aktiv. So können wir gut auf Distanz aus dem Homeoffice arbeiten, beraten und unsere Weiterbildungsangebote durchführen.
«Gewisse Berufsgruppen dürfen nicht mehr an Weiterbildungen teilnehmen.»
Wie sieht die Zukunft am IAP aus? Wir können alle unsere Weiterbildungskurse online aufrechterhalten. Bis Ende Juli finden an der ZHAW sicher keine Präsenzveranstaltungen statt. Wir erwarten, dass bei den neuen Kursen ab Mai einzelne Teilnehmende nicht erscheinen können, weil wir viele Leute aus dem Gesundheitswesen und anderen systemrelevanten Branchen haben. Teilweise dürfen diese Berufsgruppen gar nicht mehr an Weiterbildungen teilnehmen, weil sie all ihre Kräfte für den Job brauchen. Bei den Dienstleistungen gibt es vereinzelt Abmeldungen und Verschiebungen von Unternehmen. Wir haben aber auch laufend neue Kunden, die ganz bewusst in der jetzigen Zeit Online-Angebote wünschen. Die Einzelberatungen sind dagegen wenig von Änderungen betroffen, da es schon vor der Corona-Zeit diverse digitale Angebote gab bzw. viele Beratungen, Coachings und Therapien nur zu zweit stattfinden.
Viele von uns leben momentan mehr in der virtuellen als in der realen Welt. Das kann anstrengend sein. Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, über eine sorgfältige Wahrnehmung Ruhe in den Tag zu bringen.
Text: Stefanie Neumann Bild: Leonie Neumann
Meine Tochter Leonie hat von der Schule den Auftrag bekommen, doch einmal den Blick aus ihrem Fenster zu malen und dem Lehrer zuzuschicken. Diese kleine Hausaufgabe, in Zeiten des neudeutschen Begriffs «Home Schooling», hört sich so einfach an, und gleichzeitig hat sie Einiges bei mir ausgelöst.
Auch ich sitze hier zu Hause an meinem Notebook und versuche, den beruflichen und privaten Anforderungen in diesen herausfordernden Zeiten gerecht zu werden. Was sehe und fühle ich eigentlich, wenn ich aus meinem Fenster schaue? Bisher war es vielleicht ein flüchtiger Blick, wie das Wetter ist, ob ich einen Schirm brauche oder die Blumen giessen muss.
Welche
Farben, Formen oder Personen nehme ich wahr?
Meine Tochter hat die für sie wichtigen Details gezeichnet: die blühenden Bäume, den Uetliberg im Hintergrund, die erleuchteten Fenster in der Abenddämmerung. Durch ihr Bild habe ich noch einmal einen neuen Blick aus unserem gemeinsamen Fenster werfen können. Und gemerkt, dass es sich lohnt, selbst eine gewohnte Aussicht aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Wenn ich jetzt zum Fenster gehe, erlaube ich mir einen «frischen» Blick auf die Umgebung und mich selbst zu richten, ganz bewusst. Ich frage mich:
Was ist heute anders?
Wie verändert sich die Stimmung, je nachdem wie das Wetter ist?
Welche Personen sind noch unterwegs? Welche sind in den anderen Wohnungen zu sehen?
Welche Farben nehme ich wahr?
Wie geht es mir, während ich das betrachte? Welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen habe ich?
Und welches Bild nehme ich jetzt mit, wenn ich mich wieder an den Schreibtisch setze?
Wenn wir einfach nur wahrnehmen, was um uns herum passiert und wie wir uns dabei fühlen, ohne es zu be- oder verurteilen, sprechen wir auch von «achtsamem Gewahrsein». Achtsamkeit ist eine mentale Haltung, die auf das Hier und Jetzt gerichtet ist (Kabat-Zinn, 2013).
Gerade in Zeiten, in denen uns die Kontrolle entgleitet, die unvorhersehbar und schwierig zu handhaben sind, hilft uns Achtsamkeit, uns wieder auf uns selbst zu besinnen. Wenn wir viel digital und virtuell unterwegs sind, kann der Rückbezug auf den eigenen Körper, das vergegenwärtigen momentaner Gefühle und Empfindungen uns helfen, etwas Ruhe in den Alltag zu bringen. Dies kann durch Stress ausgelöste Symptome wie Ängste und körperliche Spannungen reduzieren.
Über
Momente der Stille können wir uns selbst besser kennenlernen
In ihrem «Einmaleins der Achtsamkeit» empfiehlt Jessika Wilker (2014), immer mal wieder kleine Pausen einzulegen und inne zu halten:
Wie fühlt sich momentan meine Haltung,
mein Körper an?
Was fühle ich dabei? Benennen Sie das
Gefühl, ohne es zu bewerten.
Wo zeigt sich dieses Gefühl in meinem
Körper?
Finde ich dieses körperliche Gefühl
angenehm, unangenehm oder neutral?
Und wie fühlt sich jetzt mein Körper an?
Über solche kurzen Momente der Stille, kann es uns gelingen, mehr über uns zu erfahren und daran zu wachsen.
Wagen
Sie jetzt auch einmal einen neuen, achtsamen Blick aus Ihrem Fenster. Möglicherweise
sind Sie überrascht über all die kleinen Details, vor allem die, die der
Frühling uns bringt. Mit diesen Details können sich neue Perspektiven auftun:
Perspektiven auf die derzeitige Situation, die Zukunft, unser Leben, und das
was vor unserem Fenster gerade jetzt passiert.
Stefanie Neumann ist Dozentin und Beraterin im Bereich Leadership, Coaching & Change Management am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Unter anderem leitet sie den CAS International Leader & Entrepreneur und in Co-Leitung den CAS Leadership Basic. Ihre Passion ist die Begleitung von Menschen in ihrer beruflichen und privaten Entwicklung.
Literatur –Kabat-Zinn, J. (2013). Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR. Knaur Verlag. –Wilker, J. (2014). Das Einmaleins der Achtsamkeit: vom täglichen Umgang mit alltäglichen Gefühlen. Theseus Verlag.
Die aktuelle Ausnahmesituation haben die meisten Menschen in dieser Form noch nie erlebt. Die Einschränkungen sind einschneidend und stellen unseren Alltag auf den Kopf. Das kann stark belasten und verunsichern.Wir haben für Sie Tipps in einem Informationsblatt zusammengestellt, die Ihnen helfen, diese aussergewöhnliche Zeit gut zu meistern.
Text: Redaktion Bild: GoodStudio/shutterstock.com
Die Psychologie kennt verschiedene bewährte Verhaltensweisen und mentale Strategien, die es ermöglichen, diese Zeit der Ungewissheit und Isolation gut zu überstehen. Das IAP Institut für Angewandte Psychologie hat solche Verhaltenstipps in einem Informationsblatt zusammengestellt, um Sie in Ihrer Selbsthilfe zu unterstützen. Wir haben für Sie drei Tipps ausgewählt, die wir Ihnen hier kurz vorstellen.
«Jeder Mensch ist anders. Daher gilt es auszuprobieren und herauszufinden, welche Tipps für einen am besten passen und nützen.»
Célia Steinlin, Psychotherapeutin am IAP
Drei praktische Tipps
Halten Sie eine Tagesstruktur ein! Struktur vermittelt Erwachsenen und Kindern ein Gefühl von Sicherheit und stärkt in Stresssituationen. Geplantes Handeln beugt Kontrollverlust und Hilflosigkeit vor. Also, wie gewohnt aufstehen, sich anziehen, die übliche Essens-, Arbeits- oder Lernzeiten einhalten, zur selben Zeit ins Bett gehen. Sich das Wochenende bewusst freihalten und angenehme Aktivitäten einplanen.
Besinnen Sie sich auf Ihre Stärken! Ressourcen helfen, Krisensituationen durchzustehen. Innere Ressourcen sind alles, was Sie an positiven Erfahrungen in Ihrem Leben gemacht haben, alle Probleme, die Sie schon überwunden und gelöst haben, Ihre Stärken und Talente, alles, was an Fähigkeiten, Neigungen etc. vorhanden ist. Ressourcen sind Kraftquellen. Schreiben Sie Ihre Ressourcen auf. Erinnern Sie sich regelmässig daran, warum die aktuellen Einschränkungen bestehen und dass Sie mit der Einhaltung einen wichtigen Beitrag leisten.
Seien Sie nachsichtig! Seien Sie nachsichtiger als sonst, mit sich selbst und mit anderen. Das oberste Ziel ist, diese Zeit möglichst unbeschadet zu überstehen. Die Erziehung der Kinder oder die Konfliktbewältigung mit dem Partner sollten in dieser Zeit nicht im Fokus stehen. Versuchen Sie, den Herausforderungen mit Gelassenheit und Humor zu begegnen und kreative Lösungen zu finden.
Weitere Tipps finden Sie in unserem Informationsblatt. Neben praktischen Tipps für den Alltag in der Corona-Krise finden Sie darin auch Anregungen und Hilfestellungen im Umgang mit Ängsten, Gestaltungsideen für das Familienleben mit Kindern und Jugendlichen sowie Massnahmen gegen Gewalt.
Wenn Sie persönliche Hilfe mit den aktuellen Herausforderungen brauchen, finden Sie auf der letzten Seite des Informationsblattes verschiedene Kontaktstellen, die gerne für Sie da sind. Das IAP Care Team bietet zudem während der Corona-Krise kostenlose Beratungen per Telefon oder Video an. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unsere Webseite.