Eine konvergente Redaktion, digitaler Journalismus und Scrollytelling: Nicolas Bieri arbeitet als Redaktionsleiter News bei telebasel. 2014 hat er den Bachelorstudiengang Kommunikation an der ZHAW abgeschlossen und ist anschliessend in eine erfolgreiche Karriere im Journalismus gestartet. Wie ihm die Inhalte aus dem Studium auf seinem Weg geholfen haben, wie sein Berufsalltag heute aussieht und welche Tipps er für Studierende und Studieninteressierte hat, erzählt er im Interview.
Autorin: Susanna Spörri
Wie bist du zu deinem aktuellen Job als Redaktionsleiter News bei telebasel gekommen?
Ganz einfach: Ich habe mich beworben. Das klingt zwar salopp, aber ich meine das durchaus ernst. Die Stelle war nämlich nur extern ausgeschrieben. Aber ich dachte mir: „Hey, ich kenne den Laden seit bald sieben Jahren als Reporter: ich kann das auch!“. Also habe ich frech einfach auch mein Dossier eingereicht. Zuerst waren die Chefs überrascht. Am Ende konnte ich sie aber überzeugen.
Welche Tätigkeiten gehören zu deinem Berufsalltag?
Nach vielen Jahren, in denen ich selbst Reportagen produziert habe, sind es jetzt hauptsächlich organisatorische Aufgaben. Ich plane zusammen mit der Redaktion die Inhalte auf all unseren Vektoren: Online, Fernsehen, Social Media. Danach sorge ich dafür, dass die Ressourcen richtig verteilt sind, damit die Redaktion die Inhalte auch umsetzten kann.
Was gefällt dir an deinem Job besonders gut?
Die Arbeit mit dem Team. Wir arbeiten jeden Tag daran, dass unsere Beiträge besser werden, probieren neue Storytelling-Formen aus usw. Dass ich diese Überlegungen nicht mehr nur für meine eigenen Beiträge machen darf, sondern für eine ganze Redaktion, macht mir unheimlich viel Freude.
Welche Aufgaben stellen jeweils eine Herausforderung dar und wie meistert du diese?
Am Ende geht es immer um die Verteilung der Ressourcen. Ideen, was man alles tun könnte, haben wir genug. Aber die Mittel sind begrenzt. Wenn vier Ideen da sind, aber nur zwei Reporter:innen, dann können wir halt einfach nicht alles machen. Das ist oft frustrierend, aber die Realität. Wir versuchen uns aktuell so flexibel wie möglich aufzustellen, als konvergente Redaktion, so dass möglichst viele Leute in der Lage sind, Beiträge für alle Vektoren zu produzieren.
Gab es eine Situation im Studium, die dich besonders geprägt hat?
Ja, und wie! In einem Praxisseminar hat uns ein Dozent die Scrollytelling-Reportage „Snowfall“ der New York Times gezeigt. Nach dem Aufrufen der Webseite wehten bereits eisige Schneestürme über den Bildschirm. Beim Scrollen erschienen automatisch Grafiken, Videos und Audioaufnahmen. Diese optische Wucht hat mich umgehauen. Ich spürte sofort: Das will ich auch machen! Es hat in mir das Feuer für digitalen Journalismus geweckt. Heute ist „Snowfall“ das Standardbeispiel in jedem Seminar für Digitalen Journalismus. Damals war es völlig neu. Das Wort „Scrollytelling“ gab es damals noch gar nicht.
Hast du einen Rat für Berufseinsteiger:innen zur Karriereplanung nach dem Studium?
Ich glaube nicht, dass es DEN Weg gibt. Ich finde es einfach wichtig, dass man mal irgendwo anfängt und Erfahrungen sammelt. Denn meine Erfahrung ist: Ist man erst mal irgendwo drin, in einer Redaktion, kann man oft relativ unkompliziert in andere Bereiche wechseln, wenn einem etwas nicht liegt oder nicht gefällt. Qualität im Journalismus ist heute gefragt wie kaum je. Gute Chef:innen erkennen Qualität und setzen Talente da ein, wo sie am besten hinpassen, auch wenn sie anfänglich vielleicht irgendwo ganz anders unterkommen sind.
Würdest du etwas anders machen, wenn du nochmals zurück könntest?
Nein. Ich bin mit meinem Weg zufrieden. Ich hatte oft den Impuls, weiterkommen zu wollen und Verantwortung zu übernehmen. Aber ich habe mir immer gesagt: Du bist noch jung. Verschiesse dein Pulver nicht zu früh. Sammle Erfahrung und irgendwann kommt der Moment. Und er kam.
Warum hast du dich damals für den Bachelor Kommunikation am IAM der ZHAW entschieden?
Mir wurde während meiner KV-Lehre schnell klar, dass ich nicht für einen normalen Bürojob geeignet bin. Diese starren Strukturen mit einstempeln und ausstempeln und den sich täglich wiederholenden Routinen sind nichts für mich. In einem Praktikum beim lokalen Radiosender habe ich dann gemerkt: Ja, das ist es! Aber ich war überzeugt: Wenn ich das machen will, dann brauche ich auch das fachliche Fundament. Und das habe ich im Bachelorstudiengang Kommunikation am IAM gelegt.
Welche Kompetenzen aus dem Studium haben dir im Beruf bisher am meisten geholfen?
Ehrlich gesagt, kommt mir jetzt gar nicht mal eine spezifische Kompetenz in den Sinn, sondern vielmehr das grundsätzliche Nachdenken über den Journalismus als solches. Sich mal auf einer Meta-Ebene mit der Rolle und der Funktion des Journalismus auseinandergesetzt zu haben, mit dem Zusammenspiel von PR und Journalismus. Das hilft mir im Alltag bei gewissen Entscheidungen sehr.
Welche im Studium erlernten theoretischen Modelle helfen dir im Berufsalltag? Wie wendest du sie an?
Wir haben uns mit dem Konzept des Aussagewunsches beschäftigt. Den setzen wir bei uns in der Redaktion konsequent um. Ein eher unscheinbares Modell. Aber ich möchte eine Lanze brechen dafür! Redaktionen, die konsequent mit Aussagewunsch arbeiten, produzieren bessere Beiträge. Davon bin ich überzeugt.
Welche Fächer waren rückblickend ein Highlight?
Für mich waren das immer die Praxisseminare. Am Ende ist es immer spannender, Gelerntes direkt anzuwenden, als über theoretische Modelle zu sinnieren. Auftrittskompetenz, Storyboards schreiben – all das verwende ich heute regelmässig.
Auf welche Fächer hättest du hingegen lieber verzichtet?
Bei mir waren es all die Organisationskommunikation-Fächer. Ich wusste von Anfang an, dass ich Journalist werden möchte. Organisationskommunikation praktisch zu verstehen, das ging ja noch, aber spätestens beim wissenschaftlichen und theoretischen Sinnieren über die Organisationskommunikation war meine Toleranzgrenze erreicht (lacht).
Wie hast du die Stimmung unter den Studierenden während dem Studium erlebt? Was hat dir gut gefallen? Was weniger?
Nebst vielen spannenden Inhalten sind sie es nach dem Studium vor allem auch die Menschen, die einem bleiben. Wir haben heute noch ein Grüppchen aus den engsten Freund:innen aus der Studienzeit und treffen uns, wenn immer möglich einmal im Jahr. Ich pendelte während des Studiums täglich zwischen Basel und Winterthur. Deshalb konnte ich abends, wenn die anderen sich zum Bier trafen, oft nicht dabei sein. Das würde ich heute bestimmt anders machen. Die Studienzeit sollte man unbedingt auch für diese Dinge nutzen 😉
Inwiefern hat dich das Studium am IAM der ZHAW auf deine Karriere vorbereitet?
Ich finde sehr gut. Heute ist ja für angehende Journalist:innen immer die Frage, ob IAM oder MMP in Chur. Während die MMPler:innen aus Chur oft das Technische etwas besser beherrschen, Kamerahandling oder Filmschnitt in Adobe Premiere, sind die IAMler:innen meiner Erfahrung nach journalistisch sattelfester. Ich persönlich finde es einfacher, guten Journalist:innen nachträglich das Kamerahandwerk beizubringen, als aus Kameraprofis Journalist:innen zu machen. Deshalb bin ich weiterhin Fan des IAM! Klar ist aber: Im konvergenten Arbeitsalltag von Multimedia-Journalist:innen braucht es am Ende beides.
Unsere Studierenden und die Absolvent:innen des Bachelorstudiengangs Kommunikation erzählen:
- Fünf Monate in Wien – Mein Auslandsemester während der Pandemie
- «Der Bachelorstudiengang Kommunikation hat mir ein unbezahlbares Netzwerk geschenkt»
- Von Winterthur nach Seoul – Mein Auslandsemester in Pandemiezeiten
- «Die direkte Reaktion des Publikums ist das Schönste» – Mein Beruf als Communications Manager
- Von der Studentin zur Senior Internal Communications Managerin
- «Mein Traumberuf war schon immer Sportjournalist»
- «Charakterköpfe»: IAM-Studierende schreiben ein Buch
- In der Social-Media-Welt zu Hause
- «Mit Geschichten komplexe Sachverhalte vereinfacht zu erklären, finde ich eine der schönsten Aufgaben»
- Vom Studenten zum Kommunikationsberater
- Der Social-Media-Manager und die Liebe zu den Bergen
- Mit Videos Geschichten erzählen