Studentin Panoramablick Sonnenuntergang

Fünf Monate in Wien – Mein Auslandsemester während der Pandemie

Ich hatte den Traum, mindestens ein Semester lang im Ausland zu studieren. Im Schatten der Pandemie und trotz initialer Bedenken entschied ich mich schlussendlich für ein Austauschsemester in Wien. Frisch zurück berichte ich von Online-Veranstaltungen, erkläre, wie sich ein Semester im Ausland während der Corona-Pandemie gestaltet, und erzähle, warum es sich unbedingt lohnt.

Von Perissa Büschi, Studentin Bachelorstudiengang Kommunikation, 6. Semester, am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW

Als ich mich im Juni 2020 definitiv für ein Auslandsemester in Wien anmeldete, hatte ich noch keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Kurz davor hatte das Corona-Virus meine sorgfältig zurechtgelegten Pläne zünftig über den Haufen geworfen und ich war gezwungen mein Auslandsemester spontan umzuorganisieren. Ursprünglich hatte ich nämlich geplant, dass ich bereits im Frühlingssemester 2020 nach Bonn gehen würde, was jedoch aufgrund der Umstände mit der Pandemie ins Wasser fiel. So kam alles, wie es schliesslich kommen sollte. Und dass ich das Austauschsemester nun so gut in Erinnerung habe, habe ich vor allem einem Faktor zu verdanken: den Menschen, die ich in Wien kennengelernt habe.

Die Anreise nach Wien

In Zeiten von Corona zu reisen und sich auf ein Auslandsemester einzulassen, ist ja schon eine kühne Idee an sich. Egal ob Shutdown, Lockdown oder Ausgangssperre – ich wusste nie ganz genau, was als nächstes auf mich zukommen würde

Am 29. August 2020 war es dann so weit. Mit vollen Koffern setzte ich mich in den Zug nach Wien. Begleitet vom schönsten Wetter kam ich nach acht Stunden Fahrt am Wiener Hauptbahnhof an. Nach einer halben Stunde im Tram und einer weiteren orientierungslos auf den Strassen Wiens kam ich endlich in meinem AirBnB an. Zum Glück musste ich dann nicht in die Quarantäne, was einiges erleichterte. Bereits am nächsten Tag nahm ich an einem Treffen von Mitstudierenden auf der Kaiserwiese beim Prater teil. Ich genoss bereits diesen Tag in vollen Zügen, weil ich nicht wusste, wie oft ich meine Mitstudierenden in den kommenden Monaten wegen der Pandemie noch live sehen würde. Aber für mich war von Beginn an klar, dass ich versuchen würde, das Beste aus jeder Situation zu machen – komme was wolle.

Glücklicherweise hatten die meisten meiner Mitstudierenden in Wien dieselbe Einstellung. Besonders in den ersten Wochen machte ich viele neue Bekanntschaften mit Menschen aus aller Welt. So fand ich Freunde aus Russland, Lettland, Frankreich, Bulgarien, Polen, Holland, Deutschland, Belgien, Spanien, Tschechien und natürlich aus Österreich. Zu meiner Überraschung waren wir nur fünf SchweizerInnen und wir schafften es, in den Gruppen hauptsächlich Englisch zu sprechen. Aus vielen Bekanntschaften entstanden im Laufe der Zeit wahre Freundschaften, die ich auch künftig nicht missen will.

Gemeinsam durch den Pandemie-Alltag

Obwohl ich Corona nur unter Zähneknirschen positive Aspekte zuschreibe, spielten die Sicherheitsmassnahmen beim Kennenlernen von Mitstudierenden eine relevante Rolle. Besonders dann, als in Wien der Lockdown verkündet und sogar eine Ausgangssperre verhängt wurde, es keine Unterhaltungs- und Ausgehmöglichkeiten mehr gab, halfen wir auf unserer Erasmus-Insel, die aus den Auslandstudierenden in Wien bestand, gegenseitig noch mehr als bereits zuvor. In sehr kleinen und von der Grösse her noch erlaubten Gruppen organisierten wir Dinner-Parties und Filmabende, in grösseren Gruppen trafen wir uns zum Picknick im Park oder auf Ausflügen und regelmässig zum Spazieren und Kaffeetrinken, draussen auf der Parkbank umgeben vom wunderschönen Szenario der Wiener Altstadt. Mitstudierende in Quarantäne wurden mit Einkäufen versorgt und mit Videoanrufen vom berühmten «die Decke fällt mir auf den Kopf» bewahrt. Die Solidarität untereinander war sehr gross und für mich etwas vom Schönsten. Auch als ich nach einem kurzen Abstecher in die Schweiz nach Weihnachten nach Wien zurückkehrte und zu der Zeit in Quarantäne musste, standen plötzlich einige meiner Freunde vor der Haustür und überraschten mich mit einem «Frässpäckli» voller Lebensmittel. Zudem organisierten weitere Herzensmenschen von mir anlässlich meines Geburtstages ein Abendessen, inklusive Kuchen und Geschenken. Generell erkundigten wir uns gegenseitig regelmässig nach dem Wohlergehen des anderen, ganz nach dem Motto: «We’re all in this together».

Studieren an der Fachhochschule Wien

Während meines Semesters war ich lediglich einmal auf dem Campus der Fachhochschule (FH) Wien, und zwar ganz zu Beginn, um mein Willkommens-Geschenk abzuholen. Aufgrund der Pandemie wurden spätestens nach Eintreten des Lockdowns alle Kurse online durchgeführt. Da ich dies vom Semester zuvor an der ZHAW gewohnt war, störte es mich nicht weiter. Dank der hervorragenden Kommunikation mit der FH sowie den Dozierenden über E-Mails, Anrufe und Kommunikationstools der FH fühlte ich mich stets begleitet und blieb auch in meinen eigenen vier Wänden am Ball.

Besonders gefiel mir das vielseitige Kursangebot und die Möglichkeit, über unsere eigene Studienrichtung hinaus Module belegen zu können. Deshalb und aufgrund von Blockmodulen sah mein Stundenplan jede Woche anders aus. Die Unterrichtssprache in meinen Vorlesungen war Englisch, jedoch hätte man auch Kurse in Deutsch wählen können, auch solche von Masterstudiengängen. Die internationalen Dozierenden empfand ich als kompetent und hilfsbereit. Den Herausforderungen des Fernunterrichts sowie der Fremdsprache, die sich für uns Auslandstudierenden auftaten, waren sie sich stets bewusst. Insgesamt hatte ich 26 ECTS gebucht, also mehr als das obligatorische Minimum für Auslandstudierende in Wien. Besonders überrascht hat mich deshalb der Arbeitsaufwand. Meinem Empfinden nach war dieser trotz höherer ECTS-Anzahl viel geringer verglichen mit dem an der ZHAW. Klar gab es auch intensivere Phasen und grössere Abgaben von Arbeiten, Präsentationen oder Prüfungen. Es blieb mir jedoch mehr als genug Zeit, mich in der Stadt einzuleben und mir ein Leben abseits der FH aufzubauen.  

Infobroschüre FH Wien vor dem Eingang der Hochschule
Erster und einziger Besuch während der Pandemie im Auslandsemester an der Fachhochschule Wien

Gemeinsam am stärksten

Egal wo man ist und was man macht, wenn die Begleitung stimmt, dann stimmt auch der Rest irgendwie. Das hat auch meine Erfahrung in Wien verdeutlicht. In einer Zeit voller beunruhigender Ungewissheit, negativen Schlagzeilen, unzähligen Zoom-Calls, geschlossenen Läden, Kulturquellen und in der sich das «echte Leben» gefühlt im Standby-Modus befindet, habe ich in Wien eine bunte Insel der kleinen grossen Freiheiten erleben dürfen. Ich habe in den fünf Monaten sehr viel über mich und das Leben gelernt. Sie haben meinen Blick für meine Zukunft geschärft, wie ich sie gestalten und welche Schritte ich als nächstes gehen will –  und auch muss. Vieles davon verdanke ich den Menschen, die ich auf diesem Wege getroffen habe und den Gesprächen, die wir zusammen führten. Schliesslich sind wir alle, besonders unter solchen Umständen, gemeinsam Mensch – und zusammen am stärksten.


Bachelor-Kommunikation-Studiengang-ZHAW

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