Amber Louise Williamson bei der Arbeit an der ZHAW als Dozentin für Konferenzdolmetschen

«Ich bin die Stimme im Ohr.» – Traumberuf Konferenzdolmetscherin

Adrenalin, schnelle Lösungen und das Hin- und Herhüpfen zwischen Sprachen gehören für Amber Louise Williamson zum Alltag. Im Interview berichtet die Konferenzdolmetscherin, warum eine gute Einsatzvorbereitung alles ist und erklärt, wie ihr der Master in Konferenzdolmetschen zum beruflichen Erfolg verholfen hat.

Ein schriftliches Interview mit Amber Louise Williamson, Absolventin Vertiefung Konferenzdolmetschen des Masters in Angewandter Linguistik, selbstständige Konferenzdolmetscherin und Lehrbeauftragte an der ZHAW, von Susanna Spörri, Kommunikation Master Angewandte Linguistik

Welches sind die wichtigsten Aufgaben in deiner aktuellen beruflichen Tätigkeit als Konferenzdolmetscherin?

Beim Konferenzdolmetschen muss ich zum Zeitpunkt der Veranstaltung vollkommen präsent sein, um auf das Geschehen und das Gesagte unmittelbar passend reagieren zu können und entsprechende sprachliche Lösungen zu finden. Das wiederum geht nur mit einer sorgfältigen Vorbereitung. Auch unterrichte ich an der ZHAW Konferenzdolmetschen. In meiner zweiten Tätigkeit als Lehrbeauftragte bemühe ich mich darum, angehenden DolmetscherInnen Strategien zu vermitteln, wie sie diese Reaktionsbereitschaft in der Kabine optimieren können.

Welche Aufgaben magst du an deinem Beruf Konferenzdolmetscherin besonders und weshalb?

Ich liebe es, während der Konferenzvorbereitung so richtig in die komplexen Funktionsweisen spezifischer technischer und technologischer Einrichtungen einzutauchen. Auch chemische und medizinische Sachverhalte geben mir die geschätzte Möglichkeit, meine Neugier auszuleben. Als Kalligrafie-Liebhaberin finde ich zudem eine gewisse meditative Ruhe darin, Terminologielisten und Sachverhalte klar geordnet und visuell ansprechend von Hand niederzuschreiben. Die Zeit hierfür investiere ich gerne, weil ich die Inhalte dabei gleich lerne.

Worin bestehen die grössten Herausforderungen in deinem Job und wie meisterst du diese?

In der Dolmetschkabine sind Lösungen sofort gefragt. Diese zeitliche Enge, kombiniert mit der variierenden fachlichen und sprecherabhängigen Schwierigkeit, kann eine grosse Herausforderung sein. Mit gemässigter Atmung nutze ich das natürliche Adrenalinhoch und wähle bewusst die passende gedankliche Einstellung. So zum Beispiel je nach Situation ein maschinengewehrartiges Heraushämmern von beinahe automatischen Dolmetschlösungen oder eine eher schwebende Haltung unter Einsatz von vertiefter Analyse.

Wie bist du zu deinem aktuellen Job gekommen?

Die Aufträge auf dem Privatmarkt haben dank guter Kontaktpflege und der Mitgliedschaft in der DÜV (Dolmetscher- und Übersetzervereinigung) nach und nach zugenommen. Das Unterrichten an sich begleitet mich schon seit einigen Jahren. So habe ich mich besonders gefreut, im Fach, das ich selbst auch studiert hatte, unterrichten zu dürfen.

Welche Tätigkeiten hast du unmittelbar nach dem Studium ausgeübt?

Das Aufbauen und Ausfüllen des eigenen professionellen Dolmetschkalenders kann lange dauern. Zu Beginn habe ich deshalb mehrheitlich Übersetzungen gemacht, sowie auch Copy-Writing. Darunter versteht man das professionelle Verfassen von Texten. Diese Phase kann einsam und demotivierend wirken. Sofern man aber eine Sprachkombination hat, die auf dem Markt gefragt ist wie ich mit Zielsprache Englisch, lohnt es sich wirklich, am Ball zu bleiben.

Hast du einen Rat für AbsolventInnen zum erfolgreichen Berufseinstieg nach dem Studium?

Erarbeitet euch einen Ruf dafür, zuverlässig sehr gute Arbeit zu leisten. Zu Beginn heisst das für frischgebackene DolmetscherInnen eine einwandfreie Vorbereitung und ein stets konferenztaugliches Verhalten. Die Dolmetschleistung selbst wird mit der Erfahrung natürlich immer besser. Und schaut proaktiv, dass man euch jederzeit leicht erreichen kann.

Warum hast du am IUED den Master in Konferenzdolmetschen absolviert?

Der Master versprach, mir massgeschneidert genau das zu vermitteln, was ich zur Ausübung meines Traumjobs Konferenzdolmetscherin brauchte. Das Versprechen wurde gehalten.

Welche Kompetenzen aus dem Studium haben dir im Beruf bisher am meisten geholfen? Wieso diese?

Das Simultandolmetschen ist eine unvergleichliche Technik, die ohne Inputs von erfahrenen DolmetscherInnen kaum auf dem erforderlichen Niveau erlernbar ist. Unsere Dozierenden in den praktischen Fächern waren alles Profis im Simultandolmetschen.

Inwiefern hat dich das Studium am IUED auf deine berufliche Tätigkeit vorbereitet?

Das Studium hat mich holistisch, in jeder didaktisch denkbaren Hinsicht auf meine berufliche Tätigkeit vorbereitet. Man merkt, dass sich kluge Köpfe zusammengetan haben, um sorgfältig zu überlegen, welche Teilkompetenzen das dolmetscherische Ganze ergeben. Einzig etwas Buchhaltungswissen wäre für mich zusätzlich hilfreich gewesen… bei meiner mangelnden Zahlenaffinität!

Inwiefern hat dich dein Masterstudium an der ZHAW befähigt, die Berufspraxis zu reflektieren, weiterzudenken und zu verändern?

Der praktische Dolmetschunterricht wird von Theoriefächern begleitet, die relevante Forschungsthemen beleuchten und zum Reflektieren anregen. Verständlicherweise wollen Dolmetschstudierende möglichst viel üben, weil die Fortschritte in der Kabine so fassbar, belebend und vor allem auch nötig sind. Genauso wichtig sind aber auch die Rahmenfächer. Sie bieten die Gelegenheit, sich in eine abstraktere Ebene hineinzudenken, wo man hinterfragen kann, was es wirklich bedeutet, professionell zu dolmetschen. Ein sauberes Rollenverständnis und das bewusste Wahrnehmen der vielfältigen Faktoren, die das Ausüben dieses einzigartigen Berufs beeinflussen, machen eine überzeugende Professionalität aus.

Welche Kurse und Veranstaltungen waren rückblickend dein Highlight? Wieso diese?

Stimmbildung, Sprechtechnik und Berufskunde. In der Stimmbildung hat sich meine Stimme von märchenhaft-piepsig zu warm-resonant verwandelt. In der Sprechtechnik habe ich die standarddeutsche Hochlautung anzustreben versucht. In der Berufskunde lernte ich Essenzielles für meine Dolmetschkarriere.

Wie hast du während dem Studium die Stimmung unter den Studierenden erlebt?

Konferenzdolmetschen zu studieren heisst auch reichlich Kritik einzustecken. Die Dozierenden sind sich dessen bewusst und bemühen sich sehr, Feedback stets konstruktiv und wohlwollend zu geben. Dennoch ist man auf die Unterstützung der Mitstudierenden angewiesen. Ich habe die Stimmung als höchst kooperativ und emotional reichhaltig erlebt. Daraus entstanden wahre Freundschaften, die ich lebenslang unvergleichbar zu schätzen wissen werde.

Stehst du noch in Kontakt mit ehemaligen Mitstudentinnen und -studenten?

Kurz gesagt: Meine Mitstudentinnen waren Ehrengäste an meiner Hochzeit.

Was möchtest du beruflich noch erreichen, welche Ziele hast du?

Ich stehe nun vor der lebenslangen Aufgabe, an meinen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu feilen. Noch besser dolmetschen. Noch zielgerichteter vorbereiten. Noch wirkungsvoller unterrichten. All dies immer reibungsloser in mein Familienleben integriert. Wie kann ich gleichzeitig und optimal ausgewogen Konferenzdolmetscherin, Lehrbeauftragte, Ehefrau und Mami sein? Und dabei immer auch meine eigene Persönlichkeit aufblühen lassen? Dieses hochgesteckte Ziel bringt eine fliessende Dynamik mit sich – harmonisch begleitet vom gleichwertigen Ziel, achtsam das Leben zu geniessen.


Master Konferenzdolmetschen

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