Litigation-PR: Interdisziplinäre Zusammenarbeit schafft Mehrwert

Schon mal von Litigation-PR gehört? Falls nicht, ist es kein Grund zur Beunruhigung. Litigation-PR ist in der Schweizer Kommunikationsszene längst noch nicht allen ein Begriff. Dies wird sich in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich ändern. Die hierzulande relativ junge Kommunikationsdisziplin befasst sich mit Öffentlichkeitsarbeit und strategischer Kommunikation in Zusammenhang mit Rechtsverfahren.

von Prof. Dr. Aleksandra Gnach, Professorin für Medienlinguistik und Dozentin am IAM

Während Rechtskommunikation in den USA gang und gäbe ist, wird sie bei uns noch sehr vorsichtig und relativ unsystematisch praktiziert. Dabei wurde auch in der Schweiz schon mehrmals deutlich, dass die öffentliche Meinung die Verhandlungen im Gerichtssaal oder die Reputation der Beteiligten nachhaltig beeinflussen kann. Eines der wohl klassischsten Beispiele ist der Swissair-Prozess. In diesem Fall waren die Vorwürfe, wonach die Bank die Hauptschuld am Grounding trage, von den Medien und der Öffentlichkeit als Fakt wahrgenommen worden, obwohl sie sich im Nachhinein als weitgehend ungerechtfertigt entpuppten. Aktueller ist der «Fall Carlos», bei dem die Medienberichterstattung tiefgreifende Konsequenzen für einige Verfahrensbeteiligte hatte.

Soziale Medien verändern die Rechtskommunikation

Haben sich vermeintliche Fakten erst einmal in den Köpfen des Publikums festgesetzt, sind sie schwer zu revidieren. Besonders dann, wenn sie bereits vorhandenen Stereotypen und Vorurteilen entsprechen oder wenn Diskussionen von Emotionen statt von sachlichen Argumenten dominiert werden. Gerade auf Social-Media-Plattformen ist dies oft der Fall. Die limitierte Zeichenzahl, die hohe Dynamik der Interaktion, einprägsame Bilder und die Beteiligung sehr unterschiedlicher Akteure wirken sich auch auf die Rechtskommunikation aus. Die selektive und zurückhaltende Informationstaktik, wie sie bis anhin meist in Zusammenhang mit Rechtsverfahren gepflegt wurde, muss folglich zumindest teilweise überdacht werden.

Neue Kompetenzen sind gefragt

Soziale Medien haben das Potenzial, die öffentliche Meinung überdurchschnittlich zu beeinflussen. Wer strategische Rechtskommunikation betreiben will, muss deshalb die neuen Kommunikationskanäle und deren Dynamiken kennen. Schon heute äussern sich Journalistinnen, Richter oder Betroffene über Twitter zu laufenden Gerichtsverfahren, teilweise sogar direkt aus dem Gerichtssaal. Der Litigation-PR fällt, neben dem Einsatz der klassischen Instrumente der Corporate Communication, die Aufgabe zu, einzelne Äusserungen zu kontextualisieren, Opinion Leader in Diskurse einzubinden und die Meinungsbildung relevanter Communities zu steuern. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Hashtags, Bilder und Infografiken auf diversen Social-Media-Plattformen mit unterschiedlichen Potenzialen und Beschränkungen.

Podium an der Litigation-PR Tagung 2018. Bildquelle: ZHAW School of Management and Law, 2018.

Zusammenarbeit mit Kommunikationsprofis schafft Mehrwert

Anwaltskanzleien, die von Anfang an strategische Öffentlichkeitsarbeit in ihre Klientenberatung einbeziehen, schaffen einen klaren Mehrwert. Für ihre Mandanten, nicht zuletzt aber auch für die eigene Kanzlei. Aber: Litigation-PR fängt nicht erst mit dem Rechtsfall an. Denn gerade Community-Communication basiert auf langfristiger Beziehungspflege und Vertrauen, da ist ausgeprägte Kommunikationskompetenz und ein Sensorium für unterschiedliche Kommunikationskulturen gefragt. Komplexe juristische Sachverhalte müssen für unterschiedliche Publika gezielt aufbereitet und verständlich gemacht werden, damit Missverständnisse vermieden werden können und Interaktionen auf Augenhöhe möglich sind. Hochschulen haben den Wert interdisziplinärer Zusammenarbeit längst erkannt. Die Rechtskommunikationspraxis wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.

An der alljährlichen Litigation-PR Tagung der School of Management and Law der ZHAW tauschen sich Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Recht und Medien über Entwicklungen in der Rechtskommunikation aus. Wie die diesjährige Durchführung zeigte, stösst die Tagung zunehmend auch bei Kommunikationsprofis auf Interesse.


CAS Community Communication – Communities bilden, moderieren und verstehen

Prof. Dr. Aleksandra Gnach ist, zusammen mit Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Programmverantwortliche des Zertifikatslehrgangs CAS Community Communication am IAM. Die nächste Durchführung beginnt am 11. Januar und endet am 18. April 2019.

Anja Knabenhans, Absolventin CAS in Community Communication am IAM

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