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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Das IAM wirft einen Blick über den Tellerrand und bietet Gästen eine Plattform für Gedanken zum Thema Kommunikation. Kritisch, witzig, anregend.

«KI bietet ganz neue Möglichkeiten»

Posted on 30. Juli 2018 by Redaktion

Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation? Die provokante Frage am COLUMNI-Jubiläumsevent lockte zahlreiche Ehemalige in den Saal des Mehrspur-Clubs in Zürich.

von Andreas Engel, Redaktor Alumni ZHAW

Vor mehr als 30 Jahren zeichnete der Film «Terminator» mit dem noch jungen Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle ein düsteres Bild der Zukunft. Das von Menschen entwickelte System Skynet, gespeist aus künstlicher Intelligenz, erobert in einem Atomkrieg die Herrschaft über die Erde. Ein unwirklich erscheinendes Szenario, keine Frage. Doch längst hat die künstliche Intelligenz tatsächlich Einzug in unseren Alltag gehalten – die Gesichtserkennung auf unserem Smartphone lässt grüssen. Die COLUMNI-Veranstaltung «Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation?» lockte mit diesem spannenden Thema – und trotz Temperaturen von mehr als 30 Grad – über 100 Ehemalige des IAM in den Saal des Mehrspur-Clubs auf dem Zürcher Toni-Areal.

Erst das Internet, jetzt KI

Es war nicht irgendein COLUMNI-Event. Der Abend stand im Zeichen des 15-Jahr-Jubiläums der Ehemaligenorganisation. COLUMNI-Präsidentin Claudia Sedioli erinnerte sich zurück: «In unserer Anfangszeit kamen die ersten Gratiszeitungen in der Schweiz auf. Und schon damals hat sich die Medienbranche gefragt: Ist dies das Ende des Qualitäts-Journalismus?» Es war erst schwer abzusehen, dass das Internet und die mit ihm aufkommenden Newsportale und sozialen Medien die Zeitungen und Verlage vor noch weit grössere Herausforderungen stellen sollten und bis heute stellen. Doch nun steht bereits die nächste Revolution bevor: der Aufstieg der künstlichen Intelligenz, kurz KI.

COLUMNI-Präsidentin Claudia Sedioli

KI sinnvoll einsetzen

Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), versuchte bereits am Anfang seines Referats, die Bedenken gegenüber der Technologie zu relativieren: «Die Menschen sollen sich durch KI nicht so bedroht fühlen. Sie ist nicht das Ende menschlicher Arbeit.» Karger ist Profi auf seinem Gebiet und bereits seit 1993 am DFKI in Saarbrücken (D) tätig. «KI wird in den Medien meist als etwas Negatives dargestellt», meint der 57-Jährige. «Dabei bietet sie viele Chancen und ganz neue Möglichkeiten.» Unter dem Schlagwort Roboterjournalismus würden heute Ängste geschürt, wonach Maschinen dank KI Texte ohne das Zutun eines Menschen erstellen und JournalistInnen somit ihre Tätigkeit streitig machen könnten. «Zum Erstellen von Reportagen, Recherche-Geschichten – Herzstücke des qualitativen Journalismus – ist KI gar nicht imstande», so Karger. Doch es gäbe Anwendungsbereiche im Journalismus, in denen KI durchaus sinnvoll sei und keinem Journalisten etwas wegnehmen würde.

Monotone Arbeiten an Maschinen abgeben

Als Beispiel nannte Karger die Website retresco.de: Anhand von vorhandenen Datenbanken erstellt dort der sogenannte Text-Engine Berichte von Fussballspielen in Echtzeit – von Spielen der Champions League bis zur Amateurliga. Auch Börsennews oder Wetterberichte für Hotels, für JournalistInnen monotone und für Redaktionen kostspielige Beiträge, könnten so mittels KI simpel generiert werden. Transkriptionen von aufgezeichneten Interviews oder die Bilderauswahl von FotografInnen könnten ebenfalls sinnvolle Anwendungsgebiete von KI sein.

Neue Möglichkeiten in der Kommunikation

In der anschliessenden Podiumsdiskussion hob auch Peter Metzinger, Pionier beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kommunikation die positiven Eigenschaften der neuen Technologie hervor: «In Abstimmungskampagnen konnten wir dank KI effizient untersuchen, welche Botschaften bei den Rezipienten besser wirken», erklärte Metzinger. «Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten und neue Methoden in der Kommunikation.»

Die Podiumsrunde: Daniel Perrin, Peter Metzinger, Reinhard Karger, Thilo Stadelmann, Claudia Sedioli (v.l.)

KI selber erleben

Laut Daniel Perrin, Direktor des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW, muss sich die Ausbildung im Journalismus und in der Kommunikation auf die neuen Technologien einstellen. In Zukunft werde es mehr Kommunikation denn je geben. «Wir müssen den menschlichen Mehrwert identifizieren», sagte Perrin. «Dieser verändert und verlagert sich ständig.» Zum Abschluss der Diskussion machte Thilo Stadelmann, Stv. Schwerpunktleiter in Information Engineering an der ZHAW und Leiter des ZHAW Datalab, den teilnehmenden Columni Mut, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz nicht nur zu beobachten: «Überlasst nicht nur uns Forschern diese neuen Technologien. Probiert es selber aus, besucht Weiterbildungen. Es ist nicht so wahnsinnig kompliziert, wie es auf den ersten Blick aussieht.»

Dass künstliche Intelligenz die Kommunikations- und Medienbranche in Zukunft verändern wird, darüber waren sich die Experten an diesem Abend einig. Wie genau, können aber auch sie nur versuchen abzuschätzen. Für spannende Diskussionen beim anschliessenden BBQ-Apéro war so allerdings gesorgt.

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«Journalismus braucht Kraft und Kampfwillen»

Posted on 19. Juni 2018 by Redaktion

Der Traumberuf Journalismus hat brutale Jahre hinter sich. Darunter haben die Arbeitsbedingungen, die Reputation des Berufs und die Stimmung gelitten. – Zur Diskussion dieser These lud Columni Mitte Mai Rafaela Roth, Reporterin beim Tages-Anzeiger, Aline Wanner, Redaktorin im Ressort Schweiz-Seiten von «Die Zeit», und den freien Journalisten Peter Hossli nach Zürich ein.

von Kathrin Reimann, Redaktorin ZHAW-Impact und IAM-Absolventin (JO08)

Moderator Moritz Kaufmann ging der Frage nach, ob JournalistIn überhaupt noch ein Traumberuf sei. «Ich lese viel guten Journalismus, aber ich verspüre auch eine grosse Depression und höre grosses Gejammer», konstatierte Hossli, der Ringier, wo er Chefautor und Leiter des Autorenpools war, im vergangenen Sommer verliess. Für ihn steht fest, dass zu viel geklagt wird und zu wenig gute Geschichten geschrieben werden: «Journalisten sollen sich auf Geschichten, nicht auf die Rettung der Branche konzentrieren.» Aline Wanner, die für einen deutschen Verlag arbeitet, hält das Jammern für etwas Schweizerisches. «Ich erlebe eine hohe Zufriedenheit und keine selbstzerstörerische Betriebskultur» – die Angestellten arbeiteten gerne für die «Zeit», sagt sie. Und auch Hossli findet: «Uns geht es gut, wir verdienen viel, haben wenig Konkurrenz und leben in einem gut funktionierenden Staat.» Einige Medienhäuser seien eingegangen, doch es gäbe neue Kanäle, um gute Geschichten zu erzählen. «Eines unserer grössten Probleme sind die Hooligans», sagt er.

Die Diskussionsrunde: Moritz Kaufmann, Aline Wanner, Peter Hossli und Rafaela Roth (v.l.)

Auf Du und Du in der Wandelhalle

Davon kann Roth ein Liedchen singen. Die Journalistin wurde nach kritischen Artikeln über FCZ-Ultras bedroht, eine Scheibe wurde bei ihr eingeschlagen und ihre Fassade besprayt. «Das Thema wird schlecht abgedeckt. Die Szene ist stark verbandelt und viele mögen es nicht, wenn man über Gewalt im Umfeld von Fankurven schreibt», sagt Roth. Für Hossli stellt diese Verbandelung in der Schweiz generell ein Problem dar: «Es verhält sich im Fussball ähnlich wie in Bern, in der Wandelhalle sind politische Journalisten und Politiker auf Du und Du.» Ebenso bedenklich ist für ihn die Kultur des Gegenlesens: «Wir geben den Interviewten die Texte freiwillig zum Gegenlesen, in anderen Ländern, etwa den USA, ist so etwas undenkbar!»

Der Moderator spricht auch den Zeitdruck im Journalismus an und wirft die Frage auf, ob Qualitätsjournalismus unter diesen Umständen möglich sei. Hossli stört sich am Ausdruck und sagt, «wenn alle Standards stimmen, können auch kurze und schnell gemachte Beiträge gut sein.» Roth, die bei Watson gearbeitet hat, kennt diese Art Druck gut: «Wenn man unter Zeitdruck steht, muss man sich die nötige Zeit herausnehmen», sagt sie. Sie ist sich sicher, dass der strukturelle Wandel und die Verlagerung ins Internet auch positive Seiten haben: «Mit Klicks erhält man eine grosse Reichweite. Die Kanäle sind vielfältiger geworden und sind nicht so schwer zu bedienen – das schafft neue Möglichkeiten für Journalisten.» Ein grösseres Problem des strukturellen Wandels sieht Hossli darin, dass viele Journalisten einfach wiedergeben würden, was im Internet stehe, und Rudeljournalismus betreiben würden.

Die Sinnfrage stellt sich kaum

Hossli spricht auch das Problem der Gegenöffentlichkeit an, die von Firmen und deren professionellem Storytelling geschaffen wird. «Viele Kollegen in meinem Alter wechseln zu solchen Firmen oder in die Verwaltung», sagt er. Denn diese hätten Budget, investierten viel Geld für Artikel, Reisen oder für gute Fotografie.

Wanner ist der Ansicht, dass Verlagshäuser ebenso viel Geld investieren sollten wie Firmen oder die Verwaltung, denn «gute Journalisten brauchen Zeit zum Recherchieren und zum Nachdenken.» Für sie ist klar, dass sie den Traumjob Journalistin noch lange ausüben will. Hossli bezeichnet sich als Reporter und Geschichtenerzähler und sagt: «Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich kann nichts anderes.»

Roth stellt fest, dass man als Journalistin viel Kraft braucht und ausgesetzt ist. «Man muss gegen innen und gegen aussen kämpfen, aber es lohnt sich: Man hat die Kraft etwas zu verändern und muss sich sicher nie nach dem Sinn seiner Arbeit fragen.»

Die Diskussion, bei der viele Themen angeschnitten wurden und an der sich auch das Publikum rege beteiligte, zeigte, dass JournalistIn trotz des strukturellen Wandels ein erstrebenswerter Beruf ist. Guter Journalismus ist möglich, vieles kann und soll noch aufgedeckt und erreicht werden. Wichtig dabei ist, dass der richtige Fokus gesetzt wird und sich JournalistInnen nicht vor neuen Kommunikationskanälen scheuen.

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Neue Blicke auf die Klimapolitik

Posted on 19. Februar 2018 by harz

Eine Diskursanalyse als Beispiel für den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis im politischen Kontext.

von Martina Novak, Leiterin Politik swisscleantech und Absolventin des CAS Politische Kommunikation am IAM

Klimapolitik bewegt – nicht nur die Gesellschaft und die Politik, ganz aktuell auch unseren Wirtschaftsverband swisscleantech. Mit der Revision des CO2-Gesetzes geht die Beratung dieses für uns hochrelevanten politischen Geschäftes im Jahr 2018 in die entscheidende parlamentarische Phase. Als ich im Herbst 2017 im Rahmen des CAS Politische Kommunikation zum ersten Mal von den Ansätzen der Diskursanalyse hörte, war für mich sofort klar: Im Rahmen meiner Transferarbeit würde ich das im Kurs erworbene Wissen für die Analyse des gegenwärtigen klimapolitischen Diskurses anwenden. Damals ahnte ich noch nicht, welch neuen, für unsere politische Arbeit aufschlussreichen Einblicke mir meine Transferarbeit in den Klimadiskurs gewähren würde.

Von der Theorie zu praktischen Erkenntnissen für die politische Arbeit
Die Diskursanalyse ist ein Verfahren, welches zur systematischen Untersuchung von Diskursen, sprich den Grundlagen, Prozessen und Erzeugnissen gesellschaftlicher Verständigung, dient. Mittels der Diskursanalyse lassen sich Diskurse nach spezifischen Elementen untersuchen. Das Verfahren ermöglicht die Dekonstruktion von Diskursen nach zugrundeliegenden Themen, Argumenten, Wertungen und sinngebenden Narrativen (sogenannten Storylines). Mit Ansätzen der Diskursanalyse machte ich mich also auf, Muster im gegenwärtigen klimapolitischen Diskurs in der Schweiz zu ergründen. Persönlich wollte ich dadurch ein Verständnis für die zugrundeliegenden Storylines gewinnen. Beruflich erhoffte ich mir, Schlüsse hinsichtlich der Kommunikation zur bevorstehenden Beratung des CO2-Gesetzes – und letztlich der Verbesserung unserer eigenen Botschaften – ziehen zu können. Als Untersuchungsgegenstand dienten in erster Linie Antworten verschiedener Akteure betreffend die Vernehmlassung des Bundesrates zur Klimapolitik der Schweiz nach 2020.

Obschon das Datenkorpus einen kleinen Ausschnitt aus einem Ausschnitt – nämlich ausgewählte Antworten aus der „Vernehmlassung zur Schweizer Klimapolitik post 2020“ – des Klimadiskurses zeigt, konnten einige grundlegende Tendenzen identifiziert werden. Die Untersuchung zeigt beispielsweise, dass ökonomische Aspekte den Diskursausschnitt dominieren. Zudem wird ersichtlich, dass Befürworter einer ambitionierten Klimapolitik mit diversifizierteren Diskurselementen arbeiten: so ist die Themenvielfalt grösser und die Bandbreite der Argumente weiter als die der Gegner. Die Gegner andererseits arbeiten dafür innerhalb einzelner Themenkategorien differenzierter. So ist beispielsweise die argumentative Stützung ökonomischer Aspekte breiter aufgebaut. Zudem weisen die Storylines der Gegner Ähnlichkeiten auf, was grösseren Wiedererkennungswert bedeutet und auf mögliche Diskurskoalitionen hindeuten könnte. Von Emotionalisierung und Auffälligkeiten machen ebenfalls die Gegner stärker Gebrauch. Auffällig ist zudem, dass es einige konfligierende Themen gibt. So ist beispielsweise die Frage, ob eine ambitionierte Klimapolitik zu Wettbewerbsvor– oder –nachteilen führt, höchst umstritten.

Diskursanalyse: durch systematische Aufschlüsselung zur objektiveren Reflexion
Die Transferarbeit im Rahmen des CAS Politische Kommunikation bietet die Möglichkeit für einen Brückenschlag zwischen der Theorie und der eigenen Arbeitspraxis. Die Diskursanalyse ist ein spannendes Instrument für Untersuchungen im politischen Kontext: Mir hat sie geholfen, ein besseres Verständnis für vorherrschende Muster im gegenwärtigen klimapolitischen Diskurs zu gewinnen. Bei der Diskursanalyse liegt der Schwerpunkt auf der systematischen Kategorisierung von Mustern anstatt beispielsweise auf der Inhaltsanalyse von Argumenten. Damit ermöglicht sie einen Perspektivenwechsel und objektivere Reflexion – und nicht zuletzt eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit. Die Erkenntnisse meiner Transferarbeit dienen nun als Grundlage unserer weiteren Analyse des Klimadiskurses und haben auch die Überprüfung unserer eigenen Botschaften veranlasst. Die Diskursanalyse haben wir damit als wertvolles Analyseinstrument ins Repertoire unserer politischen Arbeit aufgenommen.


21 AbsolventInnen mit CAS-Zertifikat
Kurz vor Weihnachten ist die 14. Durchführung des CAS Politische Kommunikation zu Ende gegangen. 21 Absolventinnen und Absolventen haben das IAM mit Zertifikat verlassen und – wie Martina Novak – neue Erkenntnisse in ihren Berufsalltag mitgenommen. Thema dieses CAS ist das strategische Management politischer Kommunikation. Der nächste Kurs startet am 17. August 2018.

CAS Politische Kommunikation: Infos und Anmeldung

Kursteilnehmende des CAS Politische Kommunikation 2017


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Sandro Brotz: 150 Interviews in fünf Jahren

Posted on 20. November 2017 by harz

Für sein Interview mit dem syrischen Machthaber wurde er scharf kritisiert, Ueli Maurer kanzelte seine Fragen im Bundesratsinterview als «journalistisch schwache Leistung» ab, nannte ihn tendenziös und «bireweich» und Christoph Mörgeli fragte Sandro Brotz, ob er «vom Aff bisse» sei. Die Interviews des Rundschau-Moderators und stellvertretenden Redaktionsleiters geben nicht nur zu reden, Brotz muss sich dafür auch einiges anhören. An der Columni-GV Ende Oktober zeigte der Journalist Ausschnitte seiner aufsehenerregendsten Interviews, erklärte, mit welchen Techniken er sich vorbereitet und verriet gar einige seiner Tricks.

von Kathrin Reimann, freie Journalistin und IAM-Absolventin (JO08)

«Manchmal hatte ich aber auch ganz einfach Glück», sagt der 49-Jährige, der seit 30 Jahren journalistisch tätig und seit fünf Jahren bei der Rundschau ist. «In dieser Zeit habe ich 150 Interviews geführt, und wenn mich jemand fragt, welches das beste sei, sage ich: Das kommt erst noch.» Glück hatte er im Falle von Sepp Blatter. Den suspendierten Weltfussballpräsidenten hatte er mehrmals für ein Interview angefragt, aber nie eine Antwort erhalten. «Dann traf ich ihn per Zufall an einem Marroni-Stand, sprach ihn an, es gab eine Zusage, einen Handshake und er kam.» Im Gespräch mit dem «gezeichneten Mann» sei dann auch der Satz des Jahres «Einen Weltcup kann man nicht kaufen» gefallen.

Mit Fragen Emotionen auslösen

«Damit meine Interviews funktionieren, habe ich sieben Regeln für mich definiert», sagt Brotz, der mindestens zwei Tage und zwei Nächte braucht, um sich auf seine Live-Interviews vorzubereiten. Diese beginnen mit der Grundsatzfrage, was für eine Art Interview es geben soll: Ein konfrontatives, ein investigatives oder eher ein Streit- oder Expertengespräch? Dann liest, hört und sieht sich Brotz alle Beiträge an, die er über die Person finden kann und spricht mit Freunden, Gegnern oder Beobachtern. «Mein Ziel ist es, mit meinen Fragen Emotionen auszulösen und mein Gegenüber zu überraschen.» Normalerweise erstellt er aber einen Antwortbaum mit sieben Fragen, um darauf vorbereitet zu sein, in welche Richtung das Gespräch verlaufen kann. «Trotzdem muss ich immer damit rechnen, dass auch eine Extremsituation entsteht oder sich das Interview in eine unerwartete Richtung entwickelt. «Wichtig ist es, dass das Gespräch beim Thema bleibt.»

Abgang ohne Adieu

Brotz trifft sich – wenn möglich – mit seinem Interviewpartner im Vorfeld, um sich auszutauschen und die Positionen zu checken. Dann überlegt er sich eine Taktik, um den Gesprächsverlauf zu steuern, und geht das Interview mit dem Produzenten durch, um sich auf Reaktionen einstellen zu können. «In acht von zehn Fällen kommt es so wie erwartet. Spannend sind aber vor allem die Interviews, in denen es nicht so ist.» Während des Interviews achtet Brotz darauf, dass alle Fragen wirklich beantwortet werden und er flexibel mit der Abfolge seiner Fragen bleibt. «Ausserdem achte ich darauf, ruhig zu bleiben. Was mir nicht immer gelingt», sagt Brotz, der bereits mehrmals von erzürnten Interviewpartnern diffamiert wurde. «Besonders vorsichtig bin ich bei schwierigen Interviewpartnern.» So habe beispielsweise Christoph Blocher immer versucht, den Spiess umzudrehen, habe Gegenfragen gestellt und ihm versucht, die Zügel zu entreissen. «Auch wenn das Gespräch hitzig verläuft, ist die Stimmung nachher entspannt.» Ausser Christoph Mörgeli sei niemand ohne ein Adieu schnurstracks davongelaufen.

Chronist und passionierter Fragensteller

Da Brotz für seine aufsehenerregenden Interviews auch kritisiert wird, hat er sich nicht nur eine dicke Haut zugelegt, er liest gewisse Beiträge, Kommentare oder Rückmeldungen gar nicht erst. «Manchmal frage ich mich schon, warum ich mir das antue», sagt Brotz. Der bei seiner Reise nach Syrien ab und zu ein ungutes Gefühl hatte und sich sorgte, ob er und sein Team nicht einfach verschwinden würden. «Gedanken, die sich übrigens auch mein 12jähriger Sohne machte.» Doch Brotz versteht sich als Chronist und betrachtet Interviews als spannendste und meist unterschätzte journalistische Gattung. «Reporter war ich lange genug, im Moment möchte ich nichts anderes als Interviews machen.»


Columni ist die Ehemaligenorganisation der Absolventinnen und Absolventen des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Von wegen Vertrauenskrise!

Posted on 24. Juli 2017 by harz

Die Populisten machen es vor: In der politischen Kommunikation ist gut beraten, wer die Routinen, Selektionskriterien und Narrative der Medienschaffenden studiert und verinnerlicht. Der Nachrichtenfaktoren-Katalog von Winfried Schulz bietet dazu einen bewährten Orientierungsrahmen. Beim Nachrichtenfaktor „Stereotypie“ zum Beispiel zeigt sich in der Praxis: Je besser Informationen in die Deutungsmuster der Journalisten passen, desto eher werden sie aufgenommen und entsprechend interpretiert. Eine kritische Betrachtung.

von Michael Wiesner, Kommunikationsleiter economiesuisse und Gastdozent im CAS Politische Kommunikation am IAM

Für einen kurzen Augenblick stand die Welt Kopf. Und die Kommentatoren übertrumpften sich gegenseitig mit scharfsinnigen Analysen. Zum Beispiel der Chefredaktor der Aargauer Zeitung: Das «Nein» des Stimmvolkes zur Unternehmenssteuerreform III sei «Ausdruck eines folgenschweren Vertrauensverlustes». Das Vertrauen in «die da oben» sei auch hierzulande erschüttert. Und mehr noch als das Nein müsse der liberalen Schweiz diese zugrunde liegende Vertrauenskrise zu denken geben.

Der Chefredaktor der «Blick»-Gruppe sagte es volksnäher: «Das ist nicht nur eine Willensbekundung der Bevölkerung. Das ist ein Beben, ein Akt des Misstrauens, ein Aufstand gegen die Eliten!» Die Stimmbürger «haben dem gesamten bürgerlichen Establishment der Schweiz das Vertrauen aufgekündigt.»

Auch die «Neue Zürcher Zeitung» verortete das Abstimmungsergebnis im «argen Vertrauensverlust». Es offenbare einen Konflikt zwischen «denen da oben» und dem Mittelstand, liess Politologe Thomas Milic die «20 Minuten»-Leser wissen. Vorbei seien die Zeiten, in denen man der Wirtschaftselite blind Glauben schenkte.

Ein happiges Fazit. Immerhin ist Vertrauen in der politischen Kommunikation mehr als nur «ein Mechanismus zur Reduktion der Komplexität» (Luhmann). Das wäre bei dieser «wahrscheinlich kompliziertesten und am stärksten verästelten Gesetzgebung, die je in der Schweiz zur Abstimmung kam» (NZZ) aber schon viel gewesen. Vertrauen ist für politische Akteure gewissermassen das, was die Kapitalisierung für börsenkotierte Unternehmen bedeutet. Vertrauensverlust bedeutet für sie den Bankrott.

Zurück zu den Kommentatoren: Sie haben den Deutungsrahmen der Referendumsführer übernommen. Diese hätten die Vorlage als «Volk-Elite-Konflikt» aufgeladen, konstatierte das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög). Deutungen dieser Art fielen bei den Medien auf fruchtbaren Boden; die Zeit dafür war günstig. Im Vorfeld der Abstimmung zogen auf dem internationalen Parkett zwei einschneidende Ereignisse die mediale und politische Aufmerksamkeit auf sich: der Brexit-Entscheid im Juni 2016 und die US-amerikanischen Wahlen fünf Monate später. Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten mag ein Misstrauensvotum gegen das Establishment gewesen sein, der Brexit ein Aufstand des Volkes gegen die Eliten. Aber die USA und UK sind nicht die Schweiz. Ein Faktencheck kann Klarheit schaffen.

War das Nein des Stimmvolks also Ausdruck eines generellen Verlustes des Vertrauens in Bundesrat und Wirtschaft? Nein, war es nicht. Sagt die Voto-Studie (ehemals Vox), die das Stimmverhalten nach der Abstimmung vom 12. Februar 2017 untersucht hat. Mitautor der Studie: der gleiche Thomas Milic, der noch einen Monat vorher von einem Elite-Basis-Konflikt sprach. Das allgemeine Vertrauen in den Bundesrat sei unter den Stimmenden nach wie vor (vergleichsweise) hoch und seit der ersten Voto-Erhebung vom September 2016 unverändert. Es habe zudem keine signifikante Rolle beim Stimmentscheid gespielt. Auch könne kaum von einem offenen Misstrauen gegenüber der Wirtschaft die Rede sein.

Zum gleichen Schluss kommt das Center für Security Studies der ETH Zürich. Es befragt die Bevölkerung jedes Jahr nach ihrem Vertrauen in die Institutionen. Ergebnis: Bundesrat und Wirtschaft stehen seit vielen Jahren relativ gut da. Nur Polizei und Gerichte geniessen ein noch grösseres Vertrauen. Der Wirtschaft vertrauen die Schweizerinnen und Schweizer heute mehr als vor 20 Jahren.

Entgegen den medialen Befunden ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Landesregierung und die Wirtschaft also durchaus intakt. Aber Vertrauen ist kein Geschenk, sondern eine Verpflichtung.

Übrigens: Am Ende der Vertrauensskala stehen mit deutlichem Abstand die politischen Parteien und die Medien. Hier ist das Vertrauen in den vergangenen 20 Jahren praktisch konstant (tief) geblieben.

Die Leistung der Medien sollte uns noch aus einem anderen Grund zu denken geben. Bisher galt: Je intensiver die Medien über ein Thema berichten, desto bedeutender ist es in der Wahrnehmung des Publikums. Das lehrt uns auch das Agenda-Setting-Modell. Im Fall der Unternehmenssteuerreform III hat es versagt. Vor der Abstimmung hat das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) in den Schweizer Medien 679 Beiträge zur Steuerreform gezählt –viele davon waren kontrovers und emotional aufgeladen. Zur Einbürgerungsvorlage, über die wir gleichzeitig abgestimmt haben, zählten die fög-Forscher nur 235 Beiträge. Die Steuerreform war für die Medien alsoklar bedeutender als die Einbürgerungsvorlage. In der Wahrnehmung des Publikums war es umgekehrt.

Traditionell gehört ja das kritische Hinterfragen von gängigen Denkmustern zu den unschätzbaren und unverzichtbaren Leistungen des unabhängigen Journalismus in der demokratischen Gesellschaft. Das Hinterfragen der eigenen Denkmuster sollte dabei nicht ausgespart bleiben.


Der CAS Politische Kommunikation am IAM schärft Wissen und Können für die Kommunikation von Behörden, Unternehmen, Verbänden, NGOs, Parteien und Medienredaktionen in der politischen Arena.

In diesem Zertifikatslehrgang lernen Sie, spezifische Situationen zu analysieren, Kommunikationsmassnahmen strategisch zu konzipieren und wirkungsvoll umzusetzen – unter Berücksichtigung der Herausforderungen der medialisierten Politik und der direkten Demokratie.

Umgang der Medien mit Psychose-Erfahrenen

Wie gehen Medien mit psychischen Erkrankungen um? Und wie wirkt sich das aus?

Posted on 23. Februar 2016 by Aleksandra Gnach

„Es ist paradox: die journalistische Berichterstattung trägt wesentlich zur Stigmatisierung psychisch Kranker bei; dennoch braucht es eine Sensibilisierung durch Medienarbeit.“ (Vinzenz Wyss)

Im April 2014 hat die Schweiz die UNO-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Sie soll allen Menschen, die in irgendeiner Form beeinträchtigt sind, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Hinzu kommen neue Kindes- und Erwachsenenschutzrechte. Dies ist ein Paradigmenwechsel. Zukünftig werden betroffene Menschen mitbestimmen, wo sie sich die notwendige Unterstützung holen.

Journalistik-Professor Vinzenz Wyss beschäftigt sich am IAM mit der Frage, wie journalistische Medien funktionieren und wie sie Realität konstruieren. Die Solodaris Stiftung wollte von ihm wissen, welche Möglichkeiten die Medien haben, die Teilhabe zu fördern, wie gut sie dieser Erwartung gerecht werden und wie die Medienberichterstattung die öffentliche Wahrnehmung von psychischen Erkrankungen beeinflusst.

Teilen Sie den Eindruck, dass in den Medien psychische Erkrankungen oft mit Straftaten in Verbindung gebracht werden und also eben gerade nicht zur Inklusion beitragen?
Man kann selbstverständlich nicht alle Medien in einen Topf werfen; auch da gibt es solche die reflektierter und solche die bloss reflexartig über das gesellschaftlich relevante Problem der psychischen Erkrankungen berichten. Generell muss man aber schon feststellen, dass in der journalistischen Berichterstattung das Thema am häufigsten im Zusammenhang mit Straftaten, Verbrechen oder Gewalt  vorkommt. Das ist nicht unproblematisch, weil wir auch wissen, dass der Journalismus die meistgenutzte Quelle der Information über psychische Erkrankungen ist.

Wie kann man so einen Zusammenhang feststellen?
Zu den Routinen der – übrigens zunehmenden – medialen Berichterstattung über psychische Erkrankungen gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt aufschlussreiche medienwissenschaftliche Studien. Man geht davon aus, dass eine beharrlich negative und stigmatisierende Berichterstattung wesentlich dazu beiträgt, wie Menschen psychische Erkrankung wahrnehmen. An unserem Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW in Winterthur konnten meine Kollegen Angelica Hüsser und Michael Schanne in einer breit angelegten Zeitungsanalyse etwa feststellen, dass nicht nur die Gewalt von psychisch Kranken vergleichsweise  häufig  thematisiert wurde, sondern auch die zerstörende Kraft der psychiatrischen Institutionen. Die Psychiatrie wird in den Medien als Einbahnstrasse inszeniert.

Professor für Journalistik

Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft

Würden Sie diese Einbahnstrasse auch als ein weiteres Indiz für ein Ausgrenzen verstehen?
Genau. Nicht untypisch dafür ist ein Meldung wie diese: Nachdem der Täter sein Opfer getötet, aufgeschlitzt und Teile von ihm gegessen haben soll, wird er aufgrund des Gutachtens nicht wegen Mordes angeklagt, sondern wegen einer Geisteskrankheit in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Das meine ich mit Endstation. Gerade Psychosen werden in den Medien gerne als “dämonisch” dargestellt. Es ist weniger die Rede davon, dass erkrankten Menschen auch geholfen werden kann, dass auch sie ein „normales“ Leben führen können.  Nein, es ist eben beispielsweise der grausame Fritzl aus Österreich oder der psychisch kranke Co-Pilot von Germanwings, welche in die  Schlagzeilen kommen. Und im Tötungsdelikt von Rupperswil fragen die Medien bei jeder Gelegenheit, ob es sich hier nicht um einen  geisteskranken Täter handeln müsse.

Sie thematisieren also eigentlich das, was von der Norm abweicht?
Tatsächlich sollten wir vom Journalismus nicht etwas erwarten, was dessen Logik widerspricht. Journalismus thematisiert nicht das „Normale“, sondern das, was eben davon abweicht, was uns irritiert, was eine erwartete soziale Ordnung stört oder stören könnte. Diese Logik des Journalismus ist für die Gesellschaft insgesamt schon funktional; sie lässt uns über das öffentlich debattieren, wo es eben Konflikte auszutragen gilt. Und weil uns diese mediale Freiheit zur medialen Irritation so wichtig ist, nehmen wir halt auch Stigmatisierungen in Kauf, wenn beispielsweise ein Politiker wie Geri Müller mit seinen privaten, digitalen Kurz-Liebesbriefen an eine angeblich psychisch labile Frau bereits die Empörung der Medien der Leute von Seldwyla evoziert.

Es scheint, als gelte das Abweichen vom Normalen als „medienwirksam“ und vielleicht auch als absatzsteigernd?
Und das ist beim Thema psychische Erkrankung nicht anders. Journalismus berichtet kaum aus dem alltäglichen Leben von psychisch Kranken, sondern eben eher im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen oder sozial abweichendem Verhalten. Die Winterthurer Studie zeigt zudem, dass Personen und nicht Prozesse, Probleme und nicht Lösungen medial in den Vordergrund gerückt werden. So spielen wissenschaftliche Begriffe, Erkenntnisse oder Einordnungen in der Berichterstattung nur am Rande eine Rolle.  Journalismus reduziert Komplexität, vereinfacht im Dienste der erwarteten Publikumsorientierung.
Dies ist natürlich ein Problem, wenn Journalisten bei sensiblen und komplexen Themen auf triviales Alltagswissen zurückgreifen. Psychisch Erkrankte werden gemäss weiterer Studien in den Medien oft als kindische, nicht weiter kontrollierte und deshalb einer fortwährenden Aufsicht bedürftige Menschen umschrieben. Erinnern Sie sich an die so genannte „Zuger Sex-Affäre“? Auch da spielte das unterkomplexe Narrativ der Verrücktheit aus einer anderen Welt in einer sehr komplexen – übrigens privaten – Geschichte eine starke Rolle. Ein Journalist der Zuger Zeitung masste sich sogar an, öffentlich auf Twitter raus zu posaunen, Jolanda Spiess-Hegglin sei „einfach nur krank, was sie jeden Tag beweise.“   Viel journalistische Aufklärung ist da nicht zu erwarten.

Aber bestünde nicht gerade die Aufgabe des Journalismus darin, dem Thema „psychische Erkrankungen“ sensibler zu begegnen? Braucht es da besondere Talente dazu?
Journalismus ist selten eine Angelegenheit eines Einzelnen. Vielmehr haben wir es mit einer Berufskultur zu tun, welche halt eben solche Regeln und Routinen ausgeprägt hat. Diese können ja auch – wie eben gesagt – funktional sein. Etwa dann, wenn es im Politjournalismus darum geht, die Aufmerksamkeit auf tatsächliche Missstände zu lenken oder eben in der Gesellschaft einen öffentlichen Diskurs über ungeklärte, wichtige Fragen anzustossen. Trotzdem haben Sie natürlich recht, wenn Sie vom Journalismus, seinen Organisationen und letztlich von den Journalisten erwarten, dass diese die Folgen ihres Handelns beachten. Wenn also Journalisten über psychisch erkrankte Menschen berichten, so sollten sie eben das gängige Muster reflexiv als solches erkennen, und beispielsweise dafür sensibilisiert sein, dass Skurrilität auch Stigmatisierung nach sich ziehen kann.  Es ist eben meistens nicht alles so eindeutig, wie es der Journalismus gerne haben möchte. Guter Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er eben auch verantwortungsvoll mit  Ungewissheit umgeht und diese transparent macht.

Oder dass er auch mal schweigt, wenn es nichts zu sagen gibt?
Genau, denn gerade bei der verallgemeinernden Berichterstattung über Straftaten im Zusammenhang mit psychischer Erkrankung kann eine solche Stigmatisierung nämlich auch zur Folge haben, dass beim Publikum des Journalismus Unsicherheit und Ängste geschürt werden; und diese können wiederum zu einer verstärkten Isolation der „doppelt“ betroffenen Opfer führen und damit eher zur Exklusion. Da muss bei den Journalisten schon eine Verantwortungsethik eingefordert werden, also ein Handeln, das auch dessen Folgen verantwortungsvoll reflektiert und eben nicht einfach reflexartig schreibt, was vermeintlich zu sein scheint.

Gibt es dafür auch Regeln im Sinn einer Berufsethik?
Es gibt im so genannten Journalistenkodex, über welchen der Schweizer Presserat wacht, tatsächlich solche Regeln, die darauf hinweisen, dass Journalisten gegenüber Personen, die sich in einer Notlage befinden oder die unter dem Schock eines Ereignisses stehen sowie bei Trauernden besonders zurückhaltend sein sollen. Und es gibt etwa extra eine Richtlinie, welche bei Suizidfällen – Gerade auch wegen möglicher  Nachahmungen – grösste Zurückhaltung fordert. Ich denke aber, dass es im Falle der zunehmenden Berichterstattung über psychische Erkrankungen tatsächlich auch an Wissen mangelt. Es müsste also auch darum gehen, sich diesbezüglich empirisch gesichertes Wissen anzueignen, bevor man mit Alltagswissen drauflos schreibt. Es ist sicher nicht falsch, Journalisten immer wieder – vielleicht auch durch adäquate Massnahmen in der Öffentlichkeitsarbeit – auf die Vielschichtigkeit dieses Problems hinzuweisen und mit ihnen zusammen trotzdem interessante Geschichten zu finden, die letztlich einer besseren Verständigung und hoffentlich auch Inklusion dienen.

Erstveröffentlichung:
Orginaltext im Solidaris-Newsletter vom Januar 2016

Junge Stimmen dürfen nicht überhört werden

Posted on 25. November 2015 by harz
von Luca Ghiselli, Bachelorstudent am IAM und Angelo Zehr, Stagiaire bei SRF

In der gegenwärtigen Debatte um die Zukunft des Journalismus werden junge Stimmen oft überhört. Mit dem Audiopodcast Journalismus Y wollen wir das ändern.

Wir haben sie alle schon gehört. Ob nun im Redaktionsalltag, an Tagungen oder Podiumsdiskussionen: Die Notion, dass früher alles besser war, ist in der Medienbranche immer noch stark verbreitet. Auch der Abwehrreflex gegenüber digitalem Wandel und technologische Innovation ist beinahe allgegenwärtig. Das allein wäre nicht schlimm, würde man diesen Kulturpessimismus nicht auch aus den meisten strategischen Entscheidungen auf Verlagsebene spüren.

Podcast Journalismus Y

Podcast-Serie ” Journalismus Y”

Journalismus Y will da Gegensteuer geben. Wir sagen: technologischer Wandel und mediale Digitalisierung ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Die Medienvielfalt war noch nie so gross wie im Zeitalter des Internets. Die Niederschwelligkeit der Angebote führt dazu, dass sich Menschen aller Altersgruppen schnell und gezielt informieren und unterhalten können. Das Internet hat ausserdem Möglichkeiten geschaffen, das direkte Feedback und den Dialog zwischen Produzent und Rezipient von journalistischen Angeboten zu ermöglichen.

Trotz aller Vorzüge: Oft fehlt es in der Medienbranche an Know-how, um mit dieser Entwicklung erfolgreich umzugehen. Wir wollen mit Journalismus Y dazu beitragen, dass über Innovationen und Haltungen diskutiert wird.

Der junge, digitale Fokus des Podcasts heisst aber nicht, dass wir uns nur an junge Medienschaffende richten. Der Podcast soll vielmehr ein Kanal sein, auf dem sich auch erfahrenere und ältere Journalistinnen und Journalisten auf dem Laufenden halten können, was ihre jungen Kolleginnen und Kollegen gerade beschäftigt.

Wer reinhören will, kann das auf journalismus-y.ch tun. Wir freuen uns über Rückmeldungen zu Sendungen, Themenideen oder Kritik.

Junior Reseachers Meeting: Auf Tuchfühlung mit der Wissenschaft

Posted on 23. September 2015 by harz
von Jun.-Prof. Antje Wilton, AILA-Europe Coordinator 2011-2015

It is one of the key events in European applied linguistics: the AILA-Europe Junior Researchers Meeting. AILA, the International Association of Applied Linguistics and parent organisation of national affiliates of AL, is actively promoting regional activities in several parts of the globe. European regionalisation has been a success now for almost 10 years, having taken shape in the form of AILA-Europe, a regional subdivision of AILA International coordinating activities of their member organisations from North to South and East to West – Europe has applied linguists in all its corners.

One of the aims of AILA is to increase cultural and linguistic diversity within the research community. And as with every good parent, the efforts start with the young. Every year, AILA-Europe invites young researchers from all over Europe to get together and share their research, their work in progress, their MA or PhD projects with peers as well as with more experienced researchers. Participants from different European countries with various language backgrounds meet for the AILA-Europe Junior Researchers Meeting (JRM), presenting research that reflects the variety of the field of applied linguistics.

AILA-Europe is keen to provide a platform for young researchers that is both affordable and stimulating. This seems an attractive task, as we were never short of offers from affiliates to host the JRM. We have thus been able to visit many beautiful and busy places in Europe, such as Groningen, Netherlands, Münster, Germany, Jyväskylä, Finland, Dublin, Ireland and this year – Winterthur, Switzerland.

Having been AILA-Europe Coordinator for the past four years, I have seen and enjoyed the JRM establishing itself as a valuable, stimulating and above all – fun event in the European academic landscape. Zurich University of Applied Sciences in Winterthur took on the challenging task of providing such an affordable yet attractive location – in Switzerland, which is not generally known for its low costs! However, the hosts excelled themselves with offering an all-inclusive package with accommodation, lunches and a great conference dinner all in one. The academic programme was highly inspiring: not only were many areas of Applied Linguistics covered by the collection of participants’ papers, the keynote speakers provided valuable insights into their biographies as applied linguists and practitioners as well as offering their advice in a workshop on ‘Planning your research career’.

It was very refreshing to experience how open and interested the young researchers were: determined to make the most of this opportunity, they were not too shy to introduce themselves and ask their burning questions – after lectures as well as in coffee breaks and at dinner tables. It turned out that the JRM attracts not only European young researchers: there were participants from Canada, Pakistan and even Japan.

As always, it was worthwhile coming to Winterthur and to the JRM!



Ungefickte Nachrichten

Posted on 24. Februar 2015 by Redaktion
von Dominik Véron, Master-Student am IAM

Anglizismen sind wunderbar. In der Schweiz werden so viele englische Wörter so selbstverständlich benutzt, dass sie nicht mehr besonders auffallen, wenn sie in (schweizer)deutschen Gesprächen eingesetzt werden. So wie “fuck”. So selbstverständlich, dass die rein digitale Newsplattform watson ihre erste gross angelegte Kampagne um dieses Wort herum baut. Watson präsentieren ihre News nämlich “unfucked”. Und laut Livio Dainese von Wirz “unfuckt” man etwas, wenn man etwas “richtet, das vorher schief oder eben fucked war”. Heisst das nun, dass der Tages-Anzeiger, die NZZ oder Blick “fucked” News präsentieren oder dass watson – woher sie ihre Nachrichten auch immer bekommen – die News zuerst richten müssen, bevor sie publiziert werden?

Da wir nun alle so gedankenlos mit “fucks” um uns werfen, ist es umso interessanter das Wort von einer anderen Seite zu betrachten. Ein Wort, das beispielsweise in der amerikanischen Öffentlichkeit als weiterhin so vulgär gilt, dass es im TV schön ausgepiepst wird und falls dies nicht geschieht eine mittlere Staatskrise auslöst und – wenn nachträglich auf Youtube publiziert – Millionen von Klicks generiert. Angesichts dessen unvorstellbar, dass Übersee eine News-Plattform mit diesem Ausdruck werben würde, auch wenn sie frech und provokativ wirken will.

In der Schweiz wäre dies wohl nicht mal gross anders. Es ist wohl realistischer, dass Stefan Klapproth eines Tages mit Glatze auftritt, als dass er absichtlich vor der Kamera “ficken” sagt (unabsichtlich hat er dies sogar bereits…). Watson kann nun noch so alternativ und modern wirken, der Claim würde niemals “#ungefickteNews” lauten. Die Absurdität wird einem erst nach der Übersetzung ins Deutsche klar. So oder ähnlich bescheuert muss sich das Ganze für jemanden mit Englisch als Muttersprache anhören.

#newsunfucked verwirrt und macht stutzig, aber wirkt nur nicht total bekloppt und vulgär, weil wir alle nicht besonders gut Englisch sprechen…

Dominik Véron ist Master-Student am IAM und Autor des Blogs Textbecken.

Weiterführende Links:
Blog Textbecken von Dominik Véron

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