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Wissen, was Kommunikation bewegt

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Wie Kommunikation die digitale Transformation ermöglicht

Posted on 26. November 2018 by Redaktion

Die digitale Transformation ist auf Kommunikation angewiesen und verändert diese zugleich massgeblich. So müssen Kommunikationsverantwortliche die eigene Abteilung auf eine sich laufend verändernde Umwelt einstellen, aber auch neue Aufgaben innerhalb der ganzen Organisation übernehmen und den Dialog über den Wandel mit den Stakeholdern führen. Die neue IAM-Studie zu Rollen und Aufgaben der Unternehmenskommunikation in der digitalen Transformation macht deutlich, welche Veränderungen anstehen und wo die Kommunikationsabteilungen heute stehen.

von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM

Die digitale Transformation stellt die Unternehmenskommunikation vor enorme Herausforderungen. Auf der Ebene der Kommunikationsabteilung, also auf der Mikroebene, hat sie die digitale Transformation des Unternehmens zu ermöglichen. Auf der Ebene der Organisation, der Mesoebene, muss der Wandel des ganzen Unternehmens mitgestaltet und begleitet werden. Auf der Ebene des Austausches mit Markt und Gesellschaft, der Makroebene, ist gesellschaftliche Akzeptanz für die digitale Transformation des Unternehmens zu schaffen. Diese drei Rollen sind mit unterschiedlichen Aufgaben verbunden.

Abbildung: Framework «Rolle der Corporate Communications in der digitalen Transformation»

Die grafische Darstellung dieser drei Ebenen haben wir im Framework «Rolle der Corporate Communications in der digitalen Transformation» abgebildet. Das Framework ist ein zentrales Ergebnis unseres Forschungsprojekts «Kommunikation in der digitalen Transformation», das vom HarbourClub und vom IBM Research Lab unterstützt worden ist. Die Rollen zeigen auf, wohin sich die Kommunikation in den kommenden Jahren entwickeln sollte.

Darüber hinaus haben wir mittels Online-Befragung von CCOs aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung und mit zwei Fokusgruppen-Gesprächen erhoben, wo die Kommunikationsabteilungen in der Schweiz in diesem Prozess stehen. Diese aktuelle Kommunikationspraxis haben wir mit den zukünftigen Rollen und Aufgaben verglichen und daraus eine Agenda für CCOs formuliert, nach der sie die Unternehmenskommunikation zukünftig ausrichten und erfolgreich weiterentwickeln können.

Wie stark nehmen die Kommunikationsabteilungen ihre Rollen und Aufgaben in der digitalen Transformation bereits heute wahr? Wir stellen hier einige Ergebnisse kurz vor.

Mikroebene: Technologie als grösste Herausforderung  

Die Transformation der Kommunikationsabteilung betrifft die vier Dimensionen Strategie, Struktur, Kultur und Technologie. Die Online-Befragung zeigt, dass die Entwicklung in den ersten beiden Dimensionen am weitesten ist. So haben bereits zwei Drittel der Befragten in ihrem Kommunikationskonzept die Digitalisierung adressiert – oder werden das demnächst angehen. Rund ein Drittel der Unternehmen arbeitet mit einem Newsroom-Ansatz als Reaktion auf das Geschwindigkeits-Diktat der Digitalisierung. Aber auch agile Methoden wie Design Thinking oder Co-Creation scheinen sich in der Kommunikationspraxis zu etablieren.

Abbildung: Organisationsformen der Kommunikationsabteilungen. Online Befragung von CCOs, 2018.

Eine sehr grosse Herausforderung stellen hingegen die digitalen Technologien dar: Während Videos und Infografiken schon beinahe zum Standard gehören, werden Virtual- oder Augmented-Reality-Anwendungen noch kaum eingesetzt. Der grösste Handlungsbedarf zeigt sich im Bereich Automatisierung, die auf hoch entwickelten Datenanalysen beruht. Hier ist das Marketing bereits sehr viel weiter fortgeschritten als die Corporate Communications.

Mesoebene: Kommunikationsbefähigung der Mitarbeitenden adressiert

Der CCO und sein Team müssen die Geschäftsleitung und unter Umständen auch den Verwaltungsrat hinsichtlich der digitaler Transformation beratend begleiten. Dies wird in den meisten Unternehmen heute schon geleistet. Schwieriger hingegen ist die Aufgabe, die Mitarbeitenden des Unternehmens für den Umgang mit sozialen Medien anzuleiten oder sie als BotschafterInnen zu gewinnen. Besonders attraktiv scheinen hier Mitarbeitende zu sein, die sowohl Themenkompetenz als auch Kanalerfahrung haben. Diese werden zunehmend animiert, als BotschafterInnen oder Influencer nach innen und aussen zu wirken. Fast die Hälfte der befragten COOs bestätigt zudem, dass der interne Dialog über die digitale Transformation nicht nur online, sondern auch über Offline-Plattformen gepflegt wird.

Abbildung: Mitarbeitende als Botschafter. Online-Befragung von CCOs, 2018.

Makroebene: Issues Monitoring auf Digitalisierungsthemen ausrichten

Um bei Kunden und anderen Stakeholdern Akzeptanz für das Unternehmenshandeln zu schaffen, muss die Kommunikation Antworten auf deren Fragen geben. Über 60 Prozent der befragten CCOs haben die Digitalstrategie des Unternehmens – sofern diese eine haben – intern und extern kommuniziert. Wenn die Unternehmen die digitale Transformation thematisieren, dann kommunizieren sie vor allem über ihr Leistungsangebot oder über neue Organisationsformen. Interessant ist, dass die meisten Unternehmen ihr Issues Monitoring noch nicht systematisch auf Digitalisierungs-Themen ausgerichtet haben.

Abbildung: Thematische Schwerpunkte der Kommunikation über Digitalisierung. Online-Befragung CCOs, 2018.

Die Studie zeigt, dass sich Kommunikationsverantwortliche nicht mehr primär auf die Digitalisierung der Kommunikationskanäle fokussieren sollten, sondern sich auch mit den Möglichkeiten und Grenzen datenbasierter Kommunikation auseinandersetzen und neue Schnittstellen im Unternehmen wie beispielsweise zum Chief Digital Officer (CDO) pflegen müssen. Denn bereits 40 Prozent der befragten Unternehmen haben eine CDO-ähnliche Position geschaffen. Zudem sollten sich die CCOs die Kommunikation der Digitalisierung vermehrt zu ihrer Aufgabe machen. Nur so können sie auf allen drei Ebenen – Kommunikationsabteilung, Unternehmen und Gesellschaft – gestaltend mitwirken.

Die detaillierten Ergebnisse des Forschungsprojekts können im Working Paper «Kommunikation in der digitalen Transformation. Bestandsaufnahme und Entwicklungsbedarf des strategischen Kommunikationsmanagements von Wirtschaftsunternehmen, Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen in der Schweiz» nachgelesen werden.


Weiterbildung rund um Digitale Transformation und Kommunikation

Im neuen CAS «Digitale Transformation und Kommunikation» am IAM erwerben die Teilnehmenden Kompetenzen für die erfolgreiche Umsetzung der unterschiedlichen Rollen und Aufgaben der Unternehmenskommunikation in der digitalen Transformation. 

Nächste Durchführung: Ende August – Dezember 2019

Weitere Informationen und Anmeldung


Mehr zur digitalen Transformation:

  • Botschaften UND Daten: Kommunikation braucht Gleichgewicht
  • Was macht Mitarbeitende zu Influencern?
  • Was Kommunikation mit künstlicher Intelligenz zu tun hat
  • «KI bietet ganz neue Möglichkeiten»
  • Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit
  • Offen – schnell und dialogisch

 

Besuch einer Weltmarke

Posted on 13. November 2018 by Redaktion

Zu den globalen Unternehmen, die von der Schweiz aus operieren, gehört auch ABB. Fast 150 000 Mitarbeitende arbeiten in 100 Ländern für den Technologiekonzern. Dessen Börsenwert ist in den letzten Jahren gestiegen. Die Zentrale in Baden sorgte aber auch anderweitig für Schlagzeilen: Sie war verantwortlich für ein Vorzeigeprojekt für Unternehmenskommunikation. Das im Sommer 2018 in Zürich veranstaltete Wettrennen mit Elektromobilen („ABB Formula E“) setzte Medienkanäle unter Strom und zog die Massen auf die Strassen. 

von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Professor für Organisationskommunikation und Öffentlichkeit am IAM und Jury-Präsident des Swiss Award Corporate Communications

Das Projekt und das dafür verantwortliche Team haben mit dem Swiss Award Corporate Communications 2018 und dem European Excellence Award 2017 schon renommierte Preise abgeräumt. Eine der Protagonistinnen des Projekts, Patricia Schmidt (Corporate Communications for Brand Transformation & Migration), war zu Besuch bei den über 140 neuen Bachelor-Studierenden des ersten Semesters. Was sie zu erzählen hatte, liess Studierende wie Dozierende hellhörig werden. Denn ihre Story vermittelte drei packende Erkenntnisse aus der und über die Praxis. Sie ist ein lebendiger Beweis für die zentrale Bedeutung der sprachlichen Vermittlung strategischer Organisationskommunikation, welche auch in den IAM-Angeboten zur Aus- und Weiterbildung im Zentrum steht.

Spitzen der OK-Praxis bei Studierenden, von links: Birgitta Borghoff (IAM, Moderation), Judith Lauber (pr suisse, Präsidentin), Patricia Schmidt (ABB), Daniel Bieri (Swiss Award Corporate Communication).

Erste wichtige Erkenntnis: Die ABB-Führung denkt die Unternehmensprozesse massgeblich auch von der Marke – und damit von Erzählungen, Messages und ihren Medien – her. Markenentwicklung ist einer von vier strategischen Schwerpunkten des Konzerns. Und wird konsequent umgesetzt – bis hin zur Entwicklung einer eigenen Schrift. Der Tatbeweis, dass Kommunikation für Organisationen von grundlegender Bedeutung ist, könnte eindrücklicher nicht sein.

Zweite wichtige Einsicht: Die Marke ist nicht nur ein positionierendes Versprechen, nicht nur ein Erscheinungsbild oder Slogan. Sie ist all das zusammen, verbunden mit Unternehmensstrukturen, -prozessen und
-leistungen, und all das gebündelt in Geschichten. Der Wandel von einer industrialisierten hin zu einer digital vernetzten und nachhaltigen Wertschöpfung ist der Plot der ABB-Markenstory. Und diese ist mit dem E-Autorennen (dem ersten seit Jahrzehnten in Zürich) sowie damit verknüpften Aktivitäten on- und offline 
wirkungsvoll erzählt worden.

Die dritte wichtige Einsicht: Wenn eine Markenstory zum Kern des „Kommunikationshaushalts“ einer Organisation wird, also die verschiedenen Prozesse, Erzählungen, Messages, Medien und Arenen miteinander zu verknüpfen in der Lage ist, dann entwickeln sich positive Rückkoppelungen wiederum auf andere Unternehmensprozesse. Patricia Schmidt erwähnte die Bedeutung, welche die Rekrutierung oder auch die Meinungen der „Kunden von Kunden“ auf die Akquisition heute besitzen. Kommunikationsqualität, Markenwert und Unternehmensgewinne hängen eben aufs Engste miteinander zusammen.

Am IAM entspann sich zwischen der jungen ABB-Vertreterin und den Studieneinsteigenden eine lebhafte Diskussion (Moderation: Birgitta Borghoff, IAM). Gerahmt wurde sie durch den Auftritt des Organisators des Swiss Award Corporate Communication, Daniel Bieri, und der neuen Präsidentin des Trägerverbands „pr suisse“, Judith Lauber: Sie vermittelte den Studierenden, welchen direkten Nutzen einzelne Aktivitäten des Verbands wie der Branchen-Newsletter, die Stelleninserate oder die Qualitätsdebatten für Karrieren haben können.


Mehr zum Thema

  • PR auf Hochtouren – dank tiefem Tunnel
  • Lernen von den Besten: Einblick in die professionelle Praxis
  • Unternehmenskommunikation, die lebt
  • Dialog über ein Kerngeschäft – Ein Netzwerk für Kommunikationsberatung bildet sich
  • Eine Doppelstunde mit den besten der Stunde
  • „Meet the Winner“ am IAM

 

Mäuschen oder Manager

Posted on 19. September 2018 by Redaktion

Wie steht es um das Selbstbewusstsein von Kommunikatoren in Zeiten des Wandels? Angesichts neu entstehender Aufgabengebiete wittert so mancher Berufsvertreter die Chance, nun das eigene Standing zu stärken – andere verlieren sich dagegen in Chaos und Unsicherheit.

Interview mit IAM-Professorin Nicole Rosenberger von Anne Hünninghaus, Redaktorin beim Magazin «pressesprecher»

Gebeutelt vom Dauerchange, überfrachtet mit einer Vielzahl neuer Aufgaben und das alles bei einem offensichtlichen Mangel an Strukturen: Auf Kommunikatoren stürmt zurzeit eine Menge herein. Die gute Nachricht: Zumindest teilweise haben seine Vertreter es selbst in der Hand, etwas daran zu ändern und die eigene Rolle (neu) zu definieren. Die schlechte Nachricht: Auch das kostet eine Menge Energie – und Geduld.

Beides aufzubringen fällt deshalb so schwer, weil schon die vergangenen Jahre einem Marathon glichen. Nach dem Trend, eine integrierte Kommunikationsabteilung zu schaffen, sollten plötzlich überall Newsrooms entstehen, Kanäle für Multichannel-Storytelling wurden aufgebaut und Labs eingerichtet. Vieles davon musste zusätzlich zu den Aufgaben in Pressearbeit, Reputationspflege, Controlling und Co. geleistet werden. Klingt nach einer Zeit, sich endlich auf den Lorbeeren auszuruhen – eigentlich. Ist es aber nicht.

Anja Schäfer*, die anonym bleiben möchte, spricht offen über das Phänomen, dass Ansprüche bei nahezu gleichbleibenden Ressourcen zunehmen. Das achtköpfige Kommunikationsteam eines Forschungsinstituts, dem sie angehört, musste in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben übernehmen. Ein Corporate Blog sollte her, verschiedene Social-Media-Kanäle wurden eingerichtet, Präsenzen in Berufsnetzwerken geschaffen. Zudem nahm die Themenvielfalt des wachsenden Instituts stetig zu. Neben der Veranstaltungsbetreuung und weiteren Pressearbeit hat das Team nun alle Hände voll zu tun, die diversen Kanäle zu bespielen.

«Teils gehen Entscheidungen zu Neuerungen in der Kommunikation mit der Strategie einher, teils werden sie isoliert gefällt», sagt sie. Die zusätzlichen Kanäle hätten aus Schäfers Sicht angesichts der Überstundenkonten eigentlich die Einstellung von zwei bis drei weiteren Vollzeitkräften erfordert. Aber dafür würden keine Mittel bereitgestellt.

Neue Ära, neue Kämpfe

«Die Unternehmenskommunikation wurde jahrelang absorbiert von der Aufgabe, digitale Neuerungen zu installieren und zu etablieren», sagt Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Um herauszufinden, wie Kommunikatoren ihre Rolle leben und welche Ansprüche sie an sich selbst stellen, wohin sich ihr Beruf entwickelt und welche die grössten Wandlungsfelder sind, startete Rosenberger 2017 zusammen mit Markus Niederhäuser eine Studie im DACH-Raum. Um das Bild zu komplettieren, befragten sie in Experteninterviews nicht nur Kommunikationsverantwortliche, sondern auch Führungspersonal mit Aussenblick auf Kommunikatoren, beispielsweise aus Vorständen und Marketing. 

«Die Mehrheit der Kommunikatoren war schon bisher sehr stark mit der Digitalisierung der Kanäle gefordert», sagt Rosenberger. «Nun kommt die Disruption in den Unternehmen hinzu: Im Zuge der Digitalisierung werden ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt. Ein Quantensprung.» Was also nach der Digitalisierung der Kommunikation startet, ist die Kommunikation der Digitalisierung – und die laufe mit oder ohne die Kommunikatoren. «Sie sollten das Feld also nicht den anderen überlassen.»

So sieht es laut Studie auch das Führungspersonal in Unternehmen: Wenn sich die Unternehmenskommunikation nicht das Mandat nimmt, dieses Thema als aktiver Treiber voranzubringen, dann ist sie schnell passé. Stattdessen übernehmen IT und Marketing die Federführung. Rosenberger: «Alle Beteiligten sind sich einig, dass Kommunikatoren dringend gebraucht werden und selbstbewusst sein sollten. Dass CCOs die Kommunikation der Digitalisierung prägen und die Mitarbeiter, die durch Social Media selbst verstärkt zu Sendern werden, zur Kommunikation befähigen, ist erwünscht – und für das Unternehmen insgesamt von unschätzbarem Wert.»

Manager der Digitalisierung

In Zeiten des Changes gebe es naturgemäss Grabenkämpfe um Kompetenzen. Die eigene Rolle klar zu definieren und Themen zu beanspruchen, wird wichtiger denn je. Langsam setze das Bewusstsein ein, dass es nicht mehr nur um die Vielfalt der Kanäle geht, sondern auf in eine ganz neue Ära, glaubt Rosenberger.

Wenig zuträglich für das Selbstbewusstsein ist die herrschende Verunsicherung, die aus solchen Change-Situationen resultiert. Dabei sind viele aktuell gefragte Kompetenzen, wie vernetztes Arbeiten und die interne wie externe «Übersetzung» und Moderation von Themen, seit jeher Kerngeschäft der Kommunikation. Darauf solle man sich besinnen, rät Rosenberger, anstatt sich selbst – gerade in puncto digitaler Transformation – mit überhöhten Ansprüchen zu überfordern. «Ich muss verstehen, was die neuen Technologien können, beispielsweise wie Algorithmen funktionieren, aber ich muss nicht selbst programmieren können.»

Auch Cornelia Müller, die bei der Aareal Bank Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die interne Kommunikation sowie Marketing verantwortet, glaubt nicht, dass der Job heute grundlegend andere Fähigkeiten erfordert als vor 15 Jahren. Zu den wichtigsten Kompetenzen gehöre heute wie damals die Fähigkeit, sich zu vernetzen, kollaborativ zu arbeiten und Menschen quer durchs Unternehmen zur Zusammenarbeit und Kommunikation zu befähigen.

«Zum ITler werden muss der Kommunikator nicht. Aber er sollte neue Techniken unbedingt verstehen lernen. Um Spezialisten zu führen, muss er wissen, wie die Dinge funktionieren und was alles möglich ist», sagt sie. Natürlich brauche es ein Grundverständnis dafür, wie sich beispielsweise Datenspezialisten einsetzen liessen, operative Kompetenzen in diesem Bereich seien aber zu viel verlangt. Stattdessen kommt es auch darauf an, dass Schnittstellen zu anderen Experten – an denen Kommunikationsabteilungen schon immer eng anknüpfen mussten – neu definiert und gepflegt werden.

Generalisten sind nach wie vor gefragt

«Es ist ein sinnvolles Zukunftsszenario, angrenzende Bereiche immer weiter miteinander zu vereinen», sagt Corinna Krause, Director Corporate Communications beim Berliner Technologieunternehmen First Sensor. Das bedeute, nicht nur enger zusammenzuarbeiten, sondern die Unternehmenskommunikation ganzheitlicher zu denken.

Krause verantwortet im Unternehmen neben Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie interner Kommunikation auch die Investor Relations. Früher war diese Aufgabe an die Finanzbuchhaltung angegliedert, heute liefert diese die Zahlen an Krause und ihr Team. Eine folgerichtige Entscheidung, findet die Kommunikationschefin. Schliesslich unterschieden sich Investoren in ihren Ansprüchen nach guter Kommunikation nicht von anderen Stakeholdern wie Mitarbeitern, Medien und Öffentlichkeit.

«Der Investor will die Zusammenhänge und Entwicklungen verstehen und keine reine Zahlensammlung präsentiert bekommen.» Je mehr der Bereich in die Unternehmenskommunikation hineinwuchs, desto zufriedener zeigten sich die Aktionäre mit Kommunikation und Betreuung, berichtet Krause. Sukzessive landeten weitere Aufgaben auf ihrem Tisch, immer mehr Fragen vonseiten des Vorstands schlugen bei ihr auf. IR-Budget und Mitarbeiterin wurden schliesslich bei ihr angedockt.

Im Unternehmen werde die Kommunikation als wichtiger Partner und Berater gesehen. Wie abhängig das Standing der Abteilung von der Person des Geschäftsführers ist, weiss Krause noch aus ihrer Zeit als Beraterin. Wenn an der Spitze die Bedeutung erkannt werde, ziehe sich dieses Bewusstsein durchs ganze Unternehmen. Die Realität jedoch sieht oft anders aus. Dass gerade die interne Kommunikation als nachrangig betrachtet werde, sei nach wie vor Alltag. Ebenso, dass das Marketingbudget grösser sei als das der Kommunikationsabteilung.

Grabenkämpfe um Macht oder Budgets gebe es in ihrem Unternehmen zwar nicht. Aber die Bereiche könnten durch eine bessere Arbeitsteilung schneller funktionieren. Zu oft gebe es die Situation, dass sich Mitarbeiter aus beiden Teams parallel in ein komplexes Thema einarbeiteten. «Wir müssen uns koordinieren, denn gerade Schnelligkeit von Themen, gerade durch digitale Medien, das ist künftig die grösste Herausforderung», sagt Krause.

Reflexion versus Hamsterrad

Für ihre Studie wollten auch Nicole Rosenberger und Markus Niederhäuser wissen, was die grösste Herausforderung sei, welche die digitale Transformation an Kommunikatoren stelle. Das Ergebnis überraschte: «An erster Stelle wurde keine technologische Komponente genannt, sondern die Frage: Wie befähige ich alle Mitarbeiter im Unternehmen zur Kommunikation?»

Trotz aller Kritik an den Umständen mag Anja Schäfer ihren vielseitigen Job im Institut, in dem sie Gestaltungsspielraum hat, ihre Ideen umzusetzen. Wäre da nicht die chronische Überlastung, das Gefühl in der Kommunikationsabteilung Getriebene der Entwicklung zu sein. «Am meisten wünsche ich mir Kapazitäten, um Prozesse strategisch aufzusetzen und dass die Kommunikationsleitung dieses Thema offensiver vorantreibt.» Das Entwickeln von Konzepten und die Evaluation kämen zu kurz, das Abarbeiten im Hamsterrad überwiege. «In unserem Institut sind wir der Kropf, um es mal böse zu formulieren», sagt Schäfer. Zu oft werde die Kommunikationsabteilung als Dienstleister gesehen, im Zweifelsfall habe sie sich zu beugen, bestehe zum Beispiel Uneinigkeit mit den Wissenschaftlern.

Eine Strategie auf drei Ebenen

Eigentlich hätten Kommunikatoren Lust, die neuen Herausforderungen anzugehen, so die Beobachtung der Schweizer Professorin Nicole Rosenberger. Das Problem sei, dass im hektischen Alltag Ruhe und Kapazitäten fehlten.

Doch wie lässt sich das Standing der Unternehmenskommunikation stärken, wenn dem CEO das Bewusstsein für dieses wichtige Thema fehlt? Rosenberger empfiehlt: Zunächst müssen auf der Mikroebene, das heisst innerhalb der Kommunikationsabteilung, digitale Kommunikation ermöglicht und die Mitarbeiter weiterentwickelt werden. Auf der Mesoebene gilt es, die Rolle der Corporate Communications innerhalb der Organisation festzulegen und deren Transformation nicht einfach zu begleiten, sondern mitzugestalten. Und schliesslich wird auf der Makroebene definiert, welche Rolle sie im Austausch mit externen Stakeholdern wie Gesellschaft und Märkten einnehmen sollte, mit welchen Instrumenten sie beispielsweise Akzeptanz für neue Geschäftsmodelle schaffen kann.

«Kommunikatoren sollten sich für alle drei Ebenen Strategien zurechtlegen und jeweils prioritäre Ziele formulieren», rät Rosenberger. Nur wer der eigenen Rolle auf diese Weise Bedeutung zuschreibe, sich der eigenen Ambitionen bewusst sei und diese immer wieder in Richtung Unternehmensführung kommuniziere, bekomme die Kompetenzen auch zugesprochen.

* Name von der Redaktion geändert

Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin «pressesprecher».

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Just do it!

Posted on 7. September 2018 by Redaktion

Neben dem Bachelorstudium Kommunikation absolviere ich ein Praktikum beim Lokalfernsehen Televista in Wallisellen. Hier lerne ich das Handwerk von der Moderation bis zum Videoschnitt und erfahre, dass die Praxis ihren Reiz, aber auch ihre Tücken hat.

von Deborah Antonica, Studentin im Bachelor Kommunikation (JO17)

Seit März besuche ich ein einjähriges Praktikum als Videojournalistin bei Televista 8304, dem Lokalfernsehen von Wallisellen. Obwohl im zweiten Semester noch kein Praktikum obligatorisch ist, finde ich es sinnvoll, die erlernte Theorie gleich auch in der Praxis anzuwenden. Die Theorie in der Praxis umsetzen – welche Überraschung, das habt ihr hier sicher noch nie gelesen. Dieser oft wiederholte Satz wird meines Erachtens aber eben doch sinnvoll, wenn es sich, wie beim Journalismus, um ein Handwerk handelt.

Meinen ersten Einsatz hatte ich zusammen mit meinem Ausbilder, Christian «Chrigel» Dubs, beim Tag der offenen Tür des Curling Centers Wallisellen. Gleich zu Beginn drückte er mir unser wichtigstes Werkzeug in die Hand und nach einer Einführung in die Funktionen der Kamera durfte ich auch gleich loslegen. Die Curler glitten über das Eis und das Filmen ging mir scheinbar leicht von der Hand. Geschichten mittels Bildern zu erzählen hat für mich etwas sehr Sinnliches und gefiel mir auf Anhieb. Doch am Schnittplatz beim gemeinsamen Visionieren fielen uns bald auch die Fehler auf. Und sogar den Ein-/Aus-Knopf hatte ich verkehrt angewendet. Toll. Anfängerfehler. «Das passiert dir genau einmal», meinte Chrigel und sollte Recht behalten.

Lokalfernsehen als Verein

Die Televista ist ein Verein bestehend aus langjährigen und passionierten JournalistInnen, die es auch in ihrer Freizeit und nach der Pensionierung nicht lassen können, ihr Können dem lokalen Publikum zur Verfügung zu stellen. Sie versorgen die Gemeinde Wallisellen schon seit über 20 Jahren mit Informationen und Geschichten aus der Region. Aktuell besteht das Redaktionsteam aus Mitgliedern des Vereins, zwei festangestellten Journalisten, darunter mein Ausbilder, und mir. Bei grösseren Produktionen wie Musikanlässen kommt ein Kamerateam von bis zu zehn Leuten zusammen. Der Verein fördert junge JournalistInnen und bieten jährlich Praktikumsstellen an. Finanziert wird er über die Mitgliederbeiträge, den jährlichen Beitrag der politischen Gemeinde Wallisellen und die Einnahmen aus Werbung und Sponsoring.

Moderieren als Kür

Im Austausch mit meinen KommilitonInnen hatte ich nie das Gefühl, dass ich Mühe hätte, vor Leuten zu sprechen. Doch beim Training zur geführten Reportage im Studio merkte ich plötzlich, wie ich neben mir stand. Die Sätze im Kopf kamen plötzlich nicht mehr aus mir herausgesprudelt und ich spürte plötzlich den Druck des Ausgestellt-Seins. Obwohl mir bewusst war, dass es bei einer Anmoderation nichts zu verlieren gab, merkte ich, dass ich Angst vor der Selbstdarstellung hatte.

Am Tag meiner ersten Reportage über meinen Lehrgang an der ZHAW in Winterthur stieg meine Nervosität trotz des intensiven Trainings abermals und erreichte ihren Höhepunkt beim Gespräch mit der Dozentin für Medienlinguistik Alexandra Gnach. Dabei wäre es schön gewesen, etwas professioneller zu wirken. Geschnitten hat den Beitrag Chrigel, was ich auch besser fand. Mein nervöses Gezappel hätte ich am Schnittplatz kaum ausgehalten.

Deborah Antonica steht bei Lokalanlässen in Wallisellen vor und hinter der Kamera.

Mit jedem Interview nimmt die Nervosität ab. Mit jeder Frage habitualisiere ich meine Gestik und Fragetechnik. Die Auftrittskompetenz, die bei anderen so leicht aussieht, soll geübt sein. Kürzlich bin ich zum Schluss gekommen: «Ich muss es einfach machen, dann läuft es besser.» Und da sind wir wieder: Beim Motto «von der Theorie zur Praxis».

Auf das noch ausstehende Modul «Auftreten und Präsentieren» im dritten Semester bin ich schon sehr gespannt. Auch bei Televista werden wir neben der thematischen Entfaltung und den technischen Grundlagen der Kamera die Moderation noch vertiefen. Darauf freue ich mich besonders.

Weitere Beiträge von Studierenden im BA Kommunikation

  • Grüss Gott, Österreich!
  • Alles nur Klischee, Mates!
  • Neuwahlen in Kenia: eine Sensation, die nichts ändert
  • Boulevard zu unrecht in der Kritik?
  • Lernen von den Besten: Einblicke in die professionelle Praxis
  • Arbeiten im Newsroom
  • Ein Wechselbad der Emotionen am Wiener Westbahnhof
  • Die Leckerbissen im Medienforschungsseminar
  • „Ne t’inquiète pas“ – ein Bericht aus dem Praxissemester

Litigation-PR: Interdisziplinäre Zusammenarbeit schafft Mehrwert

Posted on 21. August 2018 by Redaktion

Schon mal von Litigation-PR gehört? Falls nicht, ist es kein Grund zur Beunruhigung. Litigation-PR ist in der Schweizer Kommunikationsszene längst noch nicht allen ein Begriff. Dies wird sich in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich ändern. Die hierzulande relativ junge Kommunikationsdisziplin befasst sich mit Öffentlichkeitsarbeit und strategischer Kommunikation in Zusammenhang mit Rechtsverfahren.

von Prof. Dr. Aleksandra Gnach, Professorin für Medienlinguistik und Dozentin am IAM

Während Rechtskommunikation in den USA gang und gäbe ist, wird sie bei uns noch sehr vorsichtig und relativ unsystematisch praktiziert. Dabei wurde auch in der Schweiz schon mehrmals deutlich, dass die öffentliche Meinung die Verhandlungen im Gerichtssaal oder die Reputation der Beteiligten nachhaltig beeinflussen kann. Eines der wohl klassischsten Beispiele ist der Swissair-Prozess. In diesem Fall waren die Vorwürfe, wonach die Bank die Hauptschuld am Grounding trage, von den Medien und der Öffentlichkeit als Fakt wahrgenommen worden, obwohl sie sich im Nachhinein als weitgehend ungerechtfertigt entpuppten. Aktueller ist der «Fall Carlos», bei dem die Medienberichterstattung tiefgreifende Konsequenzen für einige Verfahrensbeteiligte hatte.

Soziale Medien verändern die Rechtskommunikation

Haben sich vermeintliche Fakten erst einmal in den Köpfen des Publikums festgesetzt, sind sie schwer zu revidieren. Besonders dann, wenn sie bereits vorhandenen Stereotypen und Vorurteilen entsprechen oder wenn Diskussionen von Emotionen statt von sachlichen Argumenten dominiert werden. Gerade auf Social-Media-Plattformen ist dies oft der Fall. Die limitierte Zeichenzahl, die hohe Dynamik der Interaktion, einprägsame Bilder und die Beteiligung sehr unterschiedlicher Akteure wirken sich auch auf die Rechtskommunikation aus. Die selektive und zurückhaltende Informationstaktik, wie sie bis anhin meist in Zusammenhang mit Rechtsverfahren gepflegt wurde, muss folglich zumindest teilweise überdacht werden.

Neue Kompetenzen sind gefragt

Soziale Medien haben das Potenzial, die öffentliche Meinung überdurchschnittlich zu beeinflussen. Wer strategische Rechtskommunikation betreiben will, muss deshalb die neuen Kommunikationskanäle und deren Dynamiken kennen. Schon heute äussern sich Journalistinnen, Richter oder Betroffene über Twitter zu laufenden Gerichtsverfahren, teilweise sogar direkt aus dem Gerichtssaal. Der Litigation-PR fällt, neben dem Einsatz der klassischen Instrumente der Corporate Communication, die Aufgabe zu, einzelne Äusserungen zu kontextualisieren, Opinion Leader in Diskurse einzubinden und die Meinungsbildung relevanter Communities zu steuern. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Hashtags, Bilder und Infografiken auf diversen Social-Media-Plattformen mit unterschiedlichen Potenzialen und Beschränkungen.

Podium an der Litigation-PR Tagung 2018. Bildquelle: ZHAW School of Management and Law, 2018.

Zusammenarbeit mit Kommunikationsprofis schafft Mehrwert

Anwaltskanzleien, die von Anfang an strategische Öffentlichkeitsarbeit in ihre Klientenberatung einbeziehen, schaffen einen klaren Mehrwert. Für ihre Mandanten, nicht zuletzt aber auch für die eigene Kanzlei. Aber: Litigation-PR fängt nicht erst mit dem Rechtsfall an. Denn gerade Community-Communication basiert auf langfristiger Beziehungspflege und Vertrauen, da ist ausgeprägte Kommunikationskompetenz und ein Sensorium für unterschiedliche Kommunikationskulturen gefragt. Komplexe juristische Sachverhalte müssen für unterschiedliche Publika gezielt aufbereitet und verständlich gemacht werden, damit Missverständnisse vermieden werden können und Interaktionen auf Augenhöhe möglich sind. Hochschulen haben den Wert interdisziplinärer Zusammenarbeit längst erkannt. Die Rechtskommunikationspraxis wird wohl nicht lange auf sich warten lassen.

An der alljährlichen Litigation-PR Tagung der School of Management and Law der ZHAW tauschen sich Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Recht und Medien über Entwicklungen in der Rechtskommunikation aus. Wie die diesjährige Durchführung zeigte, stösst die Tagung zunehmend auch bei Kommunikationsprofis auf Interesse.


CAS Community Communication – Communities bilden, moderieren und verstehen

Prof. Dr. Aleksandra Gnach ist, zusammen mit Prof. Dr. Vinzenz Wyss, Programmverantwortliche des Zertifikatslehrgangs CAS Community Communication am IAM. Die nächste Durchführung beginnt am 11. Januar und endet am 18. April 2019.


Mehr zum Thema

  • Lohnt sich Community Communication für Organisationen?
  • «In der Sharing Economy ist Vertrauen der zentrale Wert» In: ZHAW-Impact Nr. 38, September 2017, ab Seite 24
  • Community Communication im Radio
  • Virtual Communities are like Unicorns
  • Vertrauen ist die neue Währung

«KI bietet ganz neue Möglichkeiten»

Posted on 30. Juli 2018 by Redaktion

Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation? Die provokante Frage am COLUMNI-Jubiläumsevent lockte zahlreiche Ehemalige in den Saal des Mehrspur-Clubs in Zürich.

von Andreas Engel, Redaktor Alumni ZHAW

Vor mehr als 30 Jahren zeichnete der Film «Terminator» mit dem noch jungen Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle ein düsteres Bild der Zukunft. Das von Menschen entwickelte System Skynet, gespeist aus künstlicher Intelligenz, erobert in einem Atomkrieg die Herrschaft über die Erde. Ein unwirklich erscheinendes Szenario, keine Frage. Doch längst hat die künstliche Intelligenz tatsächlich Einzug in unseren Alltag gehalten – die Gesichtserkennung auf unserem Smartphone lässt grüssen. Die COLUMNI-Veranstaltung «Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation?» lockte mit diesem spannenden Thema – und trotz Temperaturen von mehr als 30 Grad – über 100 Ehemalige des IAM in den Saal des Mehrspur-Clubs auf dem Zürcher Toni-Areal.

Erst das Internet, jetzt KI

Es war nicht irgendein COLUMNI-Event. Der Abend stand im Zeichen des 15-Jahr-Jubiläums der Ehemaligenorganisation. COLUMNI-Präsidentin Claudia Sedioli erinnerte sich zurück: «In unserer Anfangszeit kamen die ersten Gratiszeitungen in der Schweiz auf. Und schon damals hat sich die Medienbranche gefragt: Ist dies das Ende des Qualitäts-Journalismus?» Es war erst schwer abzusehen, dass das Internet und die mit ihm aufkommenden Newsportale und sozialen Medien die Zeitungen und Verlage vor noch weit grössere Herausforderungen stellen sollten und bis heute stellen. Doch nun steht bereits die nächste Revolution bevor: der Aufstieg der künstlichen Intelligenz, kurz KI.

COLUMNI-Präsidentin Claudia Sedioli

KI sinnvoll einsetzen

Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), versuchte bereits am Anfang seines Referats, die Bedenken gegenüber der Technologie zu relativieren: «Die Menschen sollen sich durch KI nicht so bedroht fühlen. Sie ist nicht das Ende menschlicher Arbeit.» Karger ist Profi auf seinem Gebiet und bereits seit 1993 am DFKI in Saarbrücken (D) tätig. «KI wird in den Medien meist als etwas Negatives dargestellt», meint der 57-Jährige. «Dabei bietet sie viele Chancen und ganz neue Möglichkeiten.» Unter dem Schlagwort Roboterjournalismus würden heute Ängste geschürt, wonach Maschinen dank KI Texte ohne das Zutun eines Menschen erstellen und JournalistInnen somit ihre Tätigkeit streitig machen könnten. «Zum Erstellen von Reportagen, Recherche-Geschichten – Herzstücke des qualitativen Journalismus – ist KI gar nicht imstande», so Karger. Doch es gäbe Anwendungsbereiche im Journalismus, in denen KI durchaus sinnvoll sei und keinem Journalisten etwas wegnehmen würde.

Monotone Arbeiten an Maschinen abgeben

Als Beispiel nannte Karger die Website retresco.de: Anhand von vorhandenen Datenbanken erstellt dort der sogenannte Text-Engine Berichte von Fussballspielen in Echtzeit – von Spielen der Champions League bis zur Amateurliga. Auch Börsennews oder Wetterberichte für Hotels, für JournalistInnen monotone und für Redaktionen kostspielige Beiträge, könnten so mittels KI simpel generiert werden. Transkriptionen von aufgezeichneten Interviews oder die Bilderauswahl von FotografInnen könnten ebenfalls sinnvolle Anwendungsgebiete von KI sein.

Neue Möglichkeiten in der Kommunikation

In der anschliessenden Podiumsdiskussion hob auch Peter Metzinger, Pionier beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kommunikation die positiven Eigenschaften der neuen Technologie hervor: «In Abstimmungskampagnen konnten wir dank KI effizient untersuchen, welche Botschaften bei den Rezipienten besser wirken», erklärte Metzinger. «Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten und neue Methoden in der Kommunikation.»

Die Podiumsrunde: Daniel Perrin, Peter Metzinger, Reinhard Karger, Thilo Stadelmann, Claudia Sedioli (v.l.)

KI selber erleben

Laut Daniel Perrin, Direktor des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW, muss sich die Ausbildung im Journalismus und in der Kommunikation auf die neuen Technologien einstellen. In Zukunft werde es mehr Kommunikation denn je geben. «Wir müssen den menschlichen Mehrwert identifizieren», sagte Perrin. «Dieser verändert und verlagert sich ständig.» Zum Abschluss der Diskussion machte Thilo Stadelmann, Stv. Schwerpunktleiter in Information Engineering an der ZHAW und Leiter des ZHAW Datalab, den teilnehmenden Columni Mut, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz nicht nur zu beobachten: «Überlasst nicht nur uns Forschern diese neuen Technologien. Probiert es selber aus, besucht Weiterbildungen. Es ist nicht so wahnsinnig kompliziert, wie es auf den ersten Blick aussieht.»

Dass künstliche Intelligenz die Kommunikations- und Medienbranche in Zukunft verändern wird, darüber waren sich die Experten an diesem Abend einig. Wie genau, können aber auch sie nur versuchen abzuschätzen. Für spannende Diskussionen beim anschliessenden BBQ-Apéro war so allerdings gesorgt.

Mehr zum Thema

  • Was Kommunikation mit künstlicher Intelligenz zu tun hat
  • Offen, schnell und dialogisch
  • «Journalismus braucht Kraft und Kampfwillen»

Daten sehen. Daten hören.

Posted on 2. Juli 2018 by Redaktion

90 Schuss in 10 Sekunden feuerte der Attentäter von Las Vegas im Oktober 2017 ab. Das entspricht ungefähr der Kapazität einer vollautomatischen Schusswaffe mit 98 Schuss in 7 Sekunden. Zum Vergleich: Beim Attentat in Orlando 2016 waren es 24 Schuss in 9 Sekunden. In einer Grafik visualisierte die New York Times die in den Attentaten abgefeuerten Schüsse pro Sekunde: Jeder Punkt ein Schuss. Die Grafik selbst sieht nicht spektakulär aus; trotzdem gewann sie den Malofiej Award 2018 in der Kategorie Breaking News. 

Das Bemerkenswerte an der Grafik ist nicht das, was man sieht, sondern das, was man hört: nämlich die schnelle Schussfolge und die massive Anzahl der Schüsse. Jeder Schuss ein dumpfer Ton der Gewalt – als würde man im Kugelhagel stehen. 

von Prof. Dr. Wibke Weber, Professorin für Medienlinguistik mit Schwerpunkt Visuelle Kommunikation und Mitglied des INDVIL-Forschungsteams

Journalistische Datenvisualisierungen zum Hören sind bisher selten. Wie der Begriff schon sagt, geht es ja um das Visualisieren von Daten. Erst die Visualisierung macht die Daten zugänglich. Doch im Fall der «New York Times»-Grafik kommt zur visuellen Darstellung noch die klangliche Ebene dazu: die auditive Transformation von Daten. Man spricht von Sonifikation: Daten werden übers Hören zugänglich und erlebbar gemacht. Denn Hören ist nochmal anders als Sehen.

Hören ist immer emotional. Wir hören eine Melodie und sind gerührt; wir hören ein Geräusch und sind erschrocken; wir hören ein Signal und sind alarmiert; wir hören eine Stimme und sind beruhigt. Während visualisierte Daten in Form von Balkendiagrammen und Graphen oft objektiv und nüchtern wirken, lösen sonifizierte Daten Emotionen aus.

Visualisierung von Schallwellen. Quelle: Wikimedia Commons 

Numerisch, visuell, auditiv

Datenvisualisierungen, die auf Sound setzen, folgen damit einer dreifachen Logik:

  1. einer nüchternen Zahlenlogik, die auf mathematischer Berechnung beruht, verpackt in Tabellenform und Programmiercode.
  2. einer Bildlogik: damit ist der Transfer der Daten ins Visuelle gemeint. Die Bildlogik ist also eine sekundäre Bedeutungsebene, die zudem subjektive Züge trägt, denn Visualisieren ist immer ein Akt der Interpretation.
  3. einer akustischen Logik: dem Hörbarmachen der Daten. Diese dritte Ebene kann entweder die visuelle Aussage verstärken oder die Visualisierung erweitern. Letzteres ist der Fall bei der «New York Times»-Grafik, wo die Schüsse sofort Bilder vom Attentat hervorrufen. Das stumme Liniendiagramm vermag dies nicht. 

Das Ohr erfasst Dinge differenzierter und sensibler als das Auge. Wenn wir genauso gut sehen könnten wie hören, dann würden wir eine 10-Watt-Glühlampe aus 1’000 Kilometer Entfernung erkennen. Wir hören über ein Spektrum von 10 Oktaven, das Auge schafft nur eine.

The sound of data

Über mehrere Oktaven geht auch die Datenvisualisierung der Berliner Morgenpost. Das Datenteam hat den tiefen Fall der SPD in Deutschland vertont, basierend auf 3’838 Umfragen von Januar 1998 bis Ende Februar 2018. Man sieht die Linie im Diagramm auf- und absteigen und hört, wie die Partei über die Jahre immer weiter in den Keller rutscht. Der tiefe Schlusston klingt dramatisch und endgültig.

Ästhetische Stilmittel in Datenvisualisierungen, ihr multimodales Zusammenspiel und ihre Wirkung untersuchen wir im Forschungsprojekt Innovative Data Visualization and Numeric-Visual Literacy (INDVIL). Ein animierter Graph kann eindrücklicher wirken als ein statischer, ein akustischer emotionaler als ein animierter. Die Gestaltungspalette an visuellen und akustischen Variablen scheint dabei unendlich: Punkte, Linien und Flächen als visuelle Basiseinheiten von Diagrammen können unterschiedlich gestaltet und variiert werden in Grösse, Muster, Richtung, Form, Farbe, Tonwert und Position. Diese Basiseinheiten sind mit fortschreitender Technik um weitere Variablen erweitert worden, z. B. um Bewegung mit den Subvariablen Geschwindigkeit, Richtung, Flimmern, Rhythmus und Synchronisation.

Prof. Dr. Wibke Weber spricht über Datenvisualisierungen am IAM live 2017.

Auch die auditiven Stilmittel sind vielfältig, wie das Sound Design zeigt. Allein der Datensound der beiden Fallbeispiele setzt sich aus verschiedenen Parametern zusammen: Lautstärke, Tonhöhe, Tondauer, Klangfarbe, Tempo, Rhythmus, Harmonie, Musikstil. Wie verändert sich die Aussage einer Visualisierung, wenn die Daten im Vivaldi-Stil hörbar gemacht werden? Sollen die Schüsse eines Attentäters realistisch klingen oder eher symbolisch sonifiziert werden? Mit welcher Methodik wurden die Daten in Töne transformiert, welche Programmierung liegt zugrunde? Ermöglicht die auditive Variante eine neue Sichtweise auf die Daten? Und wie glaubwürdig ist der Datensound?

Fragen, die gerade mit den neuen Technologien wie Augmented und Virtual Reality (VR/AR) oder im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz nach Antworten verlangen. AR und VR erlauben uns, direkt in die Daten einzutauchen, mit Balken- und Kreisdiagrammen zu interagieren, in Timelines und Karten hineinzuzoomen. Dann geht es nicht mehr nur darum, Daten zu sehen, sondern sie mit allen Sinnen zu erleben.

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«Journalismus braucht Kraft und Kampfwillen»

Posted on 19. Juni 2018 by Redaktion

Der Traumberuf Journalismus hat brutale Jahre hinter sich. Darunter haben die Arbeitsbedingungen, die Reputation des Berufs und die Stimmung gelitten. – Zur Diskussion dieser These lud Columni Mitte Mai Rafaela Roth, Reporterin beim Tages-Anzeiger, Aline Wanner, Redaktorin im Ressort Schweiz-Seiten von «Die Zeit», und den freien Journalisten Peter Hossli nach Zürich ein.

von Kathrin Reimann, Redaktorin ZHAW-Impact und IAM-Absolventin (JO08)

Moderator Moritz Kaufmann ging der Frage nach, ob JournalistIn überhaupt noch ein Traumberuf sei. «Ich lese viel guten Journalismus, aber ich verspüre auch eine grosse Depression und höre grosses Gejammer», konstatierte Hossli, der Ringier, wo er Chefautor und Leiter des Autorenpools war, im vergangenen Sommer verliess. Für ihn steht fest, dass zu viel geklagt wird und zu wenig gute Geschichten geschrieben werden: «Journalisten sollen sich auf Geschichten, nicht auf die Rettung der Branche konzentrieren.» Aline Wanner, die für einen deutschen Verlag arbeitet, hält das Jammern für etwas Schweizerisches. «Ich erlebe eine hohe Zufriedenheit und keine selbstzerstörerische Betriebskultur» – die Angestellten arbeiteten gerne für die «Zeit», sagt sie. Und auch Hossli findet: «Uns geht es gut, wir verdienen viel, haben wenig Konkurrenz und leben in einem gut funktionierenden Staat.» Einige Medienhäuser seien eingegangen, doch es gäbe neue Kanäle, um gute Geschichten zu erzählen. «Eines unserer grössten Probleme sind die Hooligans», sagt er.

Die Diskussionsrunde: Moritz Kaufmann, Aline Wanner, Peter Hossli und Rafaela Roth (v.l.)

Auf Du und Du in der Wandelhalle

Davon kann Roth ein Liedchen singen. Die Journalistin wurde nach kritischen Artikeln über FCZ-Ultras bedroht, eine Scheibe wurde bei ihr eingeschlagen und ihre Fassade besprayt. «Das Thema wird schlecht abgedeckt. Die Szene ist stark verbandelt und viele mögen es nicht, wenn man über Gewalt im Umfeld von Fankurven schreibt», sagt Roth. Für Hossli stellt diese Verbandelung in der Schweiz generell ein Problem dar: «Es verhält sich im Fussball ähnlich wie in Bern, in der Wandelhalle sind politische Journalisten und Politiker auf Du und Du.» Ebenso bedenklich ist für ihn die Kultur des Gegenlesens: «Wir geben den Interviewten die Texte freiwillig zum Gegenlesen, in anderen Ländern, etwa den USA, ist so etwas undenkbar!»

Der Moderator spricht auch den Zeitdruck im Journalismus an und wirft die Frage auf, ob Qualitätsjournalismus unter diesen Umständen möglich sei. Hossli stört sich am Ausdruck und sagt, «wenn alle Standards stimmen, können auch kurze und schnell gemachte Beiträge gut sein.» Roth, die bei Watson gearbeitet hat, kennt diese Art Druck gut: «Wenn man unter Zeitdruck steht, muss man sich die nötige Zeit herausnehmen», sagt sie. Sie ist sich sicher, dass der strukturelle Wandel und die Verlagerung ins Internet auch positive Seiten haben: «Mit Klicks erhält man eine grosse Reichweite. Die Kanäle sind vielfältiger geworden und sind nicht so schwer zu bedienen – das schafft neue Möglichkeiten für Journalisten.» Ein grösseres Problem des strukturellen Wandels sieht Hossli darin, dass viele Journalisten einfach wiedergeben würden, was im Internet stehe, und Rudeljournalismus betreiben würden.

Die Sinnfrage stellt sich kaum

Hossli spricht auch das Problem der Gegenöffentlichkeit an, die von Firmen und deren professionellem Storytelling geschaffen wird. «Viele Kollegen in meinem Alter wechseln zu solchen Firmen oder in die Verwaltung», sagt er. Denn diese hätten Budget, investierten viel Geld für Artikel, Reisen oder für gute Fotografie.

Wanner ist der Ansicht, dass Verlagshäuser ebenso viel Geld investieren sollten wie Firmen oder die Verwaltung, denn «gute Journalisten brauchen Zeit zum Recherchieren und zum Nachdenken.» Für sie ist klar, dass sie den Traumjob Journalistin noch lange ausüben will. Hossli bezeichnet sich als Reporter und Geschichtenerzähler und sagt: «Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte. Ich kann nichts anderes.»

Roth stellt fest, dass man als Journalistin viel Kraft braucht und ausgesetzt ist. «Man muss gegen innen und gegen aussen kämpfen, aber es lohnt sich: Man hat die Kraft etwas zu verändern und muss sich sicher nie nach dem Sinn seiner Arbeit fragen.»

Die Diskussion, bei der viele Themen angeschnitten wurden und an der sich auch das Publikum rege beteiligte, zeigte, dass JournalistIn trotz des strukturellen Wandels ein erstrebenswerter Beruf ist. Guter Journalismus ist möglich, vieles kann und soll noch aufgedeckt und erreicht werden. Wichtig dabei ist, dass der richtige Fokus gesetzt wird und sich JournalistInnen nicht vor neuen Kommunikationskanälen scheuen.

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  • Viel Neues im Osten: Schweizer Journalismuspioniere 2.0
  • Daten statt Worte – Journalismusausbildung im Zeitalter von Big Data
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Was macht Mitarbeitende zu Influencern?

Posted on 13. Juni 2018 by Redaktion

Immer mehr Organisationen ermuntern ihre Mitarbeitenden, sich selbst als VertreterInnen der Organisation in öffentliche Diskurse einzubringen und entsprechend als Influencer zu wirken. Gleichzeitig verwischen die Grenzen zwischen beruflicher und privater Kommunikation; Mitarbeitende äussern sich auf Social Media zu Themen, welche die eigene Organisation betreffen, ohne dass klar wird, ob sie dies als Privatperson oder im Namen der Organisation tun. Dies schafft für Unternehmenskommunikation und Journalismus gleichermassen Chancen und Risiken. Diese diskutierten wir am IAM live vom 6. Juni 2018 mit unseren Podiumsteilnehmenden und rund 200 Gästen (nachzuhören und -sehen im aufgezeichneten Live-Stream der Veranstaltung). Sind aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media über das Unternehmen äussern, Influencer? Auf diese Frage gehen wir im Folgenden ein.

von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management, und Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung, beide am IAM

Immer häufiger äussern wir uns im Social Web über unsere Arbeit und oder unseren Arbeitgeber. Mitunter gelangen diese Äusserungen aufgrund technischer Pannen an die Öffentlichkeit, wie etwa im Fall des SBB-Zugführers Markus L., dessen Video eigentlich für die Generalversammlung des Verbands Schweizer Lokführer und Anwärter (VSLF) gedacht war. Mitunter zeugen sie von Unbedachtheit und mangelndem Gespür für professionelles Verhalten. Dies zeigte sich beispielsweise im Fall einer CEO-Assistentin, die auf ihrem privaten Instagram-Account Bewerbungsbriefe postete und sich über die Deutschfehler der BewerberInnen mokierte.

Alle Mitarbeitenden haben heute über Social Media die Möglichkeit, das Image ihres Arbeitgebers in der Kommunikationsarena mitzugestalten. Dabei haben die Verbreitungsgeschwindigkeit und die Reichweite der Äusserungen von Mitarbeitenden im Vergleich zu analogen Zeiten deutlich zugenommen. Der Versandhändler Otto nutzt dies gezielt und setzt ausgewählte Mitarbeitende als sogenannte Influencer für das Employer Branding ein (s. dazu S. 4 unserer «IAM live»-Präsentation).

Mitarbeitende sind immer BotschafterInnen

Sind nun aber alle Mitarbeitenden, die sich auf Social Media betätigen, Influencer? Die Bezeichnung «Influencer» wird schon fast inflationär und sehr unterschiedlich verwendet, nicht selten auch als Synonym zum Begriff «BotschafterIn». Wir schlagen in Anlehnung an Annika Schach vor, diese beiden Konzepte klar voneinander abzugrenzen. Denn grundsätzlich sind Mitarbeitende immer BotschafterInnen des Unternehmens, unabhängig davon, ob ihnen das bewusst ist oder nicht. Sie prägen über ihre Arbeit und ihr Kommunikationsverhalten gegenüber Kunden oder auch Lieferanten das Image des Unternehmens mit und beeinflussen damit auch dessen Reputation. Zudem werden Mitarbeitende von Angehörigen und Bekannten und – gerade in Krisenzeiten – teilweise auch von Medienschaffenden als glaubwürdige Informationsquellen und damit als BotschafterInnen des Unternehmens betrachtet.

Markus Niederhäuser und Prof. Dr. Nicole Rosenberger bei ihrem Impulsreferat am IAM live 2018

Influencer-Funktion setzt spezifische Themenkompetenz voraus

Was ist nun in Abgrenzung dazu ein Influencer? Influencer sind Personen, die eine hohe Glaubwürdigkeit für spezifische Themen besitzen und diese über digitale Kanäle einer breiten Personengruppe zugänglich machen können. Dazu benötigen sie eine zentrale Stellung in ihrem Netzwerk, Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstbewusstsein, Ausstrahlung und Durchsetzungsvermögen, aber auch eine hohe Kommunikationskompetenz. Influencer erarbeiten sich ihre Stellung autonom, zum Beispiel auf der Basis von Wissen oder Erfahrung, oder gelangen aufgrund ihrer persönlichen Ausstrahlung und/oder ihres Talents in diese Position.

BotschafterInnen und Influencer unterscheiden sich durch Wirkungslogik

Wo liegen in dieser theoretischen Einordnung die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen BotschafterInnen und Influencern? Beide Gruppen fungieren als Multiplikatoren, über die – gezielt oder ungewollt – spezifische Zielgruppen des Unternehmens erreicht werden können. Als Meinungsführer respektive Opinion Leader können sie beide die Einstellungs- und Verhaltensabsichten von Menschen in ihrem Umfeld beeinflussen. Das aus unserer Sicht wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist die Logik, aufgrund derer diese Beeinflussungswirkung erst möglich wird. Die Überzeugungskraft von Mitarbeitenden in der Rolle als «Corporate Influencer» beruht auf ihrer Themenführerschaft im Social Web. In der Funktion als interne BotschafterInnen stützt sich ihr Einfluss hingegen auf ihren sozialen Status, den sie innerhalb des Unternehmens geniessen, zum Beispiel als sogenannte Change Agents in Veränderungsprozessen. Als externe BotschafterInnen wiederum werden sie unter Nutzung ihrer persönlichen Netzwerke zum Bindeglied zwischen Unternehmen und Umwelt, indem sie beispielsweise attraktive Unternehmensbilder auf Facebook posten oder im Bekanntenkreis über die Produkte ihres Unternehmens sprechen.

Mit diesen Wirkungslogiken verknüpft ist zugleich der von den beiden Opinion-Leader-Typen zu erreichende Personenkreis. Corporate Influencer erreichen über ihre spezifische, mit ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit verknüpfte Themenkompetenz externe und interne Personengruppen, die genau an dieser Thematik interessiert sind. Interne BotschafterInnen hingegen entfalten primär bei den Mitarbeitenden Wirkung, während externe BotschafterInnen bei den Stakeholdern im Unternehmensumfeld Gehör finden.

Auch wenn der Begriff «Influencer» nicht zuletzt wegen einiger unglaubwürdiger «Stars» und dem einseitigen Schielen auf Reichweite bereits etwas in Verruf geraten ist, sollte klar zwischen der BotschafterInnen- und der Influencer-Rolle von Mitarbeitenden differenziert werden. Denn das Begleiten und Befähigen der Mitarbeitenden ist rollenspezifisch zu leisten.

Abbildung: Multiplikatoren im Positionierungsmanagement und Einordnung der Corporate Influencer

Auch bei externen Personen ist zwischen BotschafterInnen und Influencern zu unterscheiden

Wie bei den internen Meinungsführern lässt sich auch bei externen Personen aufgrund der Wirkungslogik zwischen MarkenbotschafterInnen und Influencern unterscheiden. Engagieren etwa die beiden Unternehmen Jura und Credit Suisse mit Roger Federer den gleichen Markenbotschafter, so setzen sie auf dessen Prominenz und erreichen weltweit eine sehr breite Bevölkerung. Die Wirkung von externen Personen als Influencer hingegen bezieht sich stets auf einzelne Themenbereiche. SAP setzt beispielsweise auf unabhängige Consultants und WissenschaftlerInnen, die über ihre Blogs und Posts Entscheidungsträger im IT-Bereich erreichen.

Ob BotschafterIn oder Influencer – Mitarbeitende müssen fit sein für die digitale Kommunikation

Schliesslich ist aus Sicht des strategischen Kommunikationsmanagements zu unterscheiden zwischen strategisch geplant eingesetzten internen und externen Opinion Leadern und Personen, die – unabhängig von der Kommunikationsstrategie – in für das Unternehmen strategisch zentralen Bereichen Einstellungs- und Verhaltensabsichten in ihrem Umfeld beeinflussen können. Mit Blick auf beide Gruppen tun Kommunikationsabteilungen auf jeden Fall gut daran, die Mitarbeitenden des ganzen Unternehmens fit zu machen für die digitale Kommunikation.


Literatur zum Thema

  • Annika Schach / Timo Lommatzsch: Influencer Relations – Marketing und PR mit digitalen Meinungsführern.
  • Kerstin Hoffmann: Lotsen in der Informationsflut. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien mit starken Markenbotschaftern aus dem Unternehmen.

Neues Weiterbildungsangebot: CAS Digitale Transformation und Kommunikation

Influencer und deren strategische Einbindung werden auch im neuen CAS Digitale Transformation und Kommunikation thematisiert.

Kursbeginn ist am 31. August 2018. 
Weitere Informationen und Anmeldung


Mehr zur digitalen Transformation

  • Wenn Mitarbeitende zu Influencern werden
  • Was Kommunikation mit künstlicher Intelligenz zu tun hat
  • Ein Megatrend – und (noch) keiner macht mit
  • Offen, schnell und dialogisch

 

PR in einer agonalen Welt

Posted on 25. Mai 2018 by Redaktion

Wir entkommen ihr nicht. Wo wir auch tätig sind, ist sie offensichtlich: Die agonale Verfassung unserer Welt. Darunter verstehen wir die Tatsache, dass es zu jeder Meinung eine Gegenmeinung, zu jedem Fakt einen kritischen «Check», zu jedem Vorschlag einen begründbaren Einwand gibt.

von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach und Fabienne Bünzli*

Unsere Welt ist ein gigantischer Wettstreit. Die Demokratie eine ewige Debatte. Die Wissenschaft ein institutionalisiertes Werweissen. Ja, so weit ist es gekommen mit dieser Aufklärung, da sind wir gelandet in dieser schönen neuen, in dieser «postmodernen» Welt (Lyotard; Holtzhausen / Zerfass).

Eine gute Nachricht ist das für Streitlustige: Was wir wissen, das eignen wir uns in Auseinandersetzungen an. Diese entwickeln sich überall und jederzeit: An der Aktualität («bad news», «good news» oder «fake news» aus Washington?), im Fernsehen (Demokratie oder Propaganda bei Jonas Projer?), oder gar zu Hause beim Nachtessen (ist fortschrittlich oder rückständig, wer mehr private Eigenverantwortung fordert?).

Eine schlimme Nachricht aber kann es für den Alltag sein: Zu schnell ist eine gute Idee schlechtgeredet. Und die Person, die Initiative ergreift, steht schon in der Kritik, bevor sie einen Tatbeweis erbringen kann.

Organisationskommunikation – also die Wissenschaft und die Kunst arbeitsteiliger Wertschöpfung – bleibt davon nicht unberührt. Was ist eine gute Strategie in pluralistischen Kundenmärkten? Wie wäre eine Umstrukturierung Mitarbeitenden zu vermitteln, die je ganz unterschiedliche Interessen verfolgen? Wofür genau brauchen wir den zentralen Corporate Newsroom, wo doch «micro-targeting» von Messages und Diversität das Gebot der Stunde sind?

Agonalität ist Alltag geworden. Die Einheits- und Integrationsphantasien von «Corporate Communications» stehen auf dem Prüfstand des digitalisierten Meinungsmarkts (Christen / Cornelissen). Die Arbeitsfelder – gerade in der Schweiz – sind mehrsprachig und multikulturell (bei Migros und Coop, bei Banken und Versicherungen). Der Berufsverband («pr suisse») pflegt den Föderalismus, die Unternehmensverbände und Weiterbildungen stellen sich dem internationalen Wettbewerb. Und der Computer sowie das ihn nährende Internet: Sie rechnen diesen ganzen Widerstreit in Echtzeit auf und zeigen ihn auf dem Bildschirm, auch zu Hause.

Vielfalt und Widerstreit als Markenzeichen: Werbung der Bundeswehr.

Agonalität auch in der Wissenschaft

Die Wissenschaft selber bietet dabei kein Bild von Klarheit und Orientierung, sondern eines von agonal operierenden «Schulen», von zersplitterten Forschungs-«Communities» und Theoriewelten. «Strategische Kommunikation», «Corporate Communication», «PR», «Stakeholder-Kommunikation» und «Business Communication»: Das sind nur fünf der zahlreichen Labels, an deren fröhliches Gedeihen sich gewöhnen sollte, wer nach Wahrheit im modernen Organisationsleben sucht.

Doch wissenschaftliche Forschung hat in dieser agonalen Welt nicht ausgedient – ganz im Gegenteil. Sie bleibt die wohl einzige Hoffnung auf wirklichen Fortschritt der Erkenntnis. Sie prüft und wägt, sie verwirft oder begründet, sie experimentiert und verfeinert, was erfolgreiche Organisationskommunikation sein könnte – nach dem Wettbewerbsprinzip der Logik und der Gründlichkeit. Spitzensport des Intellekts, sozusagen.

Das Angebot der SGKM-Fachgruppe Organisationskommunikation / PR

Die Fachgruppe Organisationskommunikation / PR hat an der heurigen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaften (SGKM) in Lugano ein Treffen und ein Fach-Panel abgehalten. Dabei ging es um die Orientierung des Fachs in dieser agonalen Welt. Und es ging darum, ein Angebot an Mitglieder und Interessierte zu formulieren, um die vielfältige, aber gemeinsame Sache in den nächsten Jahren vorwärts zu bringen.

Colette Schneider Stingelin (ZHAW) und Kristina Pelikan (TU Berlin / Swiss Tropical and Public Health Institute, Basel) umrissen dabei sehr anschaulich die Herausforderungen, denen begegnet, wer im Wirrwarr internationalisierter Projekte stringente «Konzepte» für die interne Kommunikation entwickeln und umsetzen möchte.

Die Fachgruppe beschloss einerseits, Panels an künftigen Jahrestagungen abzuhalten. Versierte Stimmen sollen die Organisationskommunikation in ihrer Vielfalt neben jenen aus dem Journalismus oder der digitalen Kommunikation zur Geltung bringen.

Sie fasste anderseits den Vorsatz, sich regelmässig auch intern auszutauschen. Dabei stehen weniger die Ergebnisse der Forschung im Zentrum. Vielmehr sollen empirische und theoretische Zugänge sowie Fragen der Methode zur Diskussion kommen: Es geht also nicht darum, wer «besser» ist. Es geht darum, wie jede(r) Einzelne noch besser werden kann – in ihrer bzw. in seiner eigenen Position im Wettstreit um das robuste Wissen. Eigene Forschung soll also nicht – wie oft an Workshops oder Tagungen – «verteidigt» werden müssen, sondern in ihrem eigenen Zugang positioniert und entlang der noch offenen, der brennenden – der eigenen! – Fragen geschärft werden. Ein Labor für OK- und PR-Forschung, ein Freundschaftsspiel zu Trainingszwecken, einen akademischen «Baustellenbesuch», so könnte man das nennen. Der Mut, auch Halbfertiges zur Diskussion zu stellen, würde dabei durch Feedbacks belohnt. Agonalität würde für einmal als «Heimspiel» inszeniert: also vor wohlwollendem Publikum.

Wer sich dafür interessiert, melde sich direkt bei der Fachgruppe (stue@zhaw.ch). Wer für die Fachgruppe eine andere Perspektive bevorzugt, tue genau dies erst recht (stue@zhaw.ch)! Lasst uns die agonale Organisationskommunikation auch wirklich leben.


* Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach ist Professor für Organisationskommunikation am IAM und Sprecher der Fachgruppe OK / PR der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM); Fabienne Bünzli, M.A. UZH, ist Doktorandin für strategische Kommunikation an der Universität St. Gallen und Mitglied der Fachgruppe.


Mehr Blog-Beiträge von Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach:

  • PR auf Hochtouren – dank tiefem Tunnel
  • In der Welthauptstadt des Energiediskurses
  • Es begann in der PR-Praxis
  • Unternehmenskommunikation, die lebt
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