Value-Based Healthcare Management – die Umsetzung des Konzepts Value-Based Healthcare in der Praxis: Teil 5: VBHC – Mehr als nur PROMs messen

Quelle: Colourbox.de

Von Dr. Florian Liberatore

Neues von der Blogbeitragsreihe zu Value-Based Healthcare Management. Im Teil 5 möchte ich aufzeigen, dass Value-Based Healthcare (VBHC) nicht nur Messungen von PROMs (Patient-reported Outcomes Measures) umfasst, sondern vor allem auch die Arbeit von interprofessionellen Behandlungsteams und den PatientInnen an der Erreichung gewünschter Outcomes im Sinne einer Value Co-Creation. Individualisierung (Customization) in der Leistungserbringung und optimale Einbindung der PatientInnen in die Co-Creation sind der Schlüssel zum Erfolg.

Mit einer Reihe von Blogbeiträgen möchte ich die praktische Umsetzung des Konzepts VBHC im Sinne eines Value-Based Healthcare Managements darstellen. Das Wissen stammt dabei aus unserem Kompetenzspektrum und Erfahrungen als Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie in Forschungs- und Beratungsprojekten auf diesem Gebiet.

VBHC ist in der Schweiz angekommen

VBHC ist für Leistungserbringer in der Schweiz strategisch längst ein Thema geworden. Operativ wird gerade vor allem der Aufbau von PROM-Messsystemen vorangetrieben, die dann in einem zweiten Schritt als Grundlage für Behandlungsentscheide genutzt werden. Damit rückt der Patient Value definitiv mehr ins Zentrum als Outcome von medizinischen Behandlungen.

PROMs messen ist nicht das Ende der Fahnenstange

Die Implementierung von PROM-Messungen erweitert zwar das eigene Kennzahlensystem um wichtige Qualitätskennzahlen, doch aus einer Management-Sicht müssen dann auch im nächsten Schritt Überlegungen angestellt werden, wie PROM-Werte beeinflusst werden können und ob sich die Investitionen in mehr Value für PatientInnen auch finanziell auszahlen. Was zu folgenden zwei drängenden Fragen führt:

  1. Welche Möglichkeiten habe ich als Leistungserbringer die PROM-Werte bei meinen PatientInnen zu verbessern?
  2. Was bringen mir bessere PROM-Werte wirtschaftlich?

Diese zwei Fragen sind eng miteinander verknüpft, da eine Orientierung an PROM-Werten für Behandlungsentscheide nur dann nachhaltig umsetzbar sein kann, wenn es für einen Leistungserbringer auch wirtschaftlich vertretbar ist.

Ich möchte an dieser Stelle einige Massnahmen auf Ebene der Patient Co-Creation nennen, die das Potential zur Verbesserung der PROM-Werte haben. Unter Patient Co-Creation versteht man dabei, dass PatientInnen als Teil des Behandlungsteams eine mitgestaltende (Co-Designer), mitarbeitende (Co-Producer) und kommunikative (Co-Interaktor) Rolle haben und damit entscheidend zur Value Creation, also dem Behandlungsverlauf und -erfolg, beitragen. Das Konzept der «Service Dominant Logic» [1] macht die Bedeutung offensichtlich. Demzufolge geben Leistungserbringer nur Werteversprechen ab und können kein Leistungsniveau garantieren. Erst in der gemeinsamen Leistungserbringung mit den PatientInnen werden die Values erschaffen, die dann mittels PROMs gemessen werden. Je nachdem wie gut die Co-Creation funktioniert, werden mal höhere und mal niedrigere Values für die PatientInnen generiert. 

Effektive Massnahmen zur Verbesserung der PROM-Werte entlang des Behandlungspfads

Entlang eines typischen Behandlungsverlaufs möchte ich im Folgenden einige effektive Massnahmen einmal aufzeigen:

Diagnose und Therapiewahl: In dieser Phase müssen Outcome-Erwartungen an die Behandlung bei den PatientInnen abgeholt und dann gemeinsam eine Therapie bestimmt werden, die das grösste Potential bietet, die gewünschte Outcome-Verbesserung zu erreichen. Hier müssen auch die Erkenntnisse über Therapieversuche und Behandlungserfolge vorgelagerter Leistungserbringer stärker berücksichtigt werden. Auch ist ein Erwartungsmanagement gegenüber den PatientInnen zu betreiben, welche Outcome-Steigerungen realistisch zu erwarten sind.

Behandlungsphase: PatientInnen müssen gemäss ihren Kompetenzen und ihrer Motivation optimal in das Behandlungsteam eingebunden und mittels Patienten-Empowerment befähigt werden, die ihnen angedachten Rollen und Aufgaben insbesondere im Bereich der Adhärenz zu erfüllen. Immer wieder sind Therapieziele und der aktuelle Erreichungsgrad mit den PatientInnen abzugleichen und ggf. anzupassen.  Nachsorgephase: Da PROMs kritische Ereignisse und Lebenszustände noch über den Abschluss einer Behandlung hinaus erfassen, ist es hier entscheidend die PatientInnen so zu befähigen, dass sie ohne das Behandlungsteam mit Unterstützung nachbehandelnder Leistungserbringer den Genesungs- und

Nachsorgeprozess selbstständig gestalten können. Andererseits ist eine engmaschige Nachbetreuung zu etablieren, die frühzeitig weiteren oder erneuten Behandlungsbedarf offenlegt.

PROMs können dabei in allen Phasen als wichtige Kennzahl herangezogen werden. Sie unterstützen dabei Erwartungen zu spezifizieren, Zielerreichungsgrade aufzuzeigen sowie Veränderungsbedarfe offenzulegen. Damit sind sie eine zentrale Diskussionsgrundlage in den Behandlungsteams und mit den PatientInnen.

Indirekte Kosten- und Erlöseffekte als wirtschaftlicher Impact der Massnahmen

Auch wenn die oben genannten Massnahmen effektiv sind, tönen sie auf den ersten Blick sehr kostspielig und das sind sie auch. Aber lohnen sie sich auch wirtschaftlich für einen Leistungserbringer?

Nicht auf den ersten Blick, aber das wirtschaftliche Potential von VBHC liegt auch nicht in «Quick-Wins», sondern in indirekten Kosten- und Erlöseffekten, die sich mittel- und langfristig zeigen.

Mit der Wahl einer Behandlung, die das grösste Potential für die Steigerung von PROM-Werten bietet, kann die Wahrscheinlichkeit schlechter Therapieverläufe reduziert werden. Es werden Hochkostenfälle vermieden, die Verweildauern und Behandlungsprozesse werden vorhersagbarer.

Die optimale Integration der PatientInnen in das Behandlungsteam führt zu einer höheren Compliance und Motivation der PatientInnen über den gesamten Behandlungspfad hinweg. Damit wird die Wahrscheinlichkeit eines suboptimales Verhaltens der PatientInnen vermieden, was häufig mit Komplikationen, verzögerten Heilungsverläufen und Re-Hospitalisationen verbunden ist. Optimale Patientenintegration kann also wiederum zu kürzeren Liegezeiten mit Potential für Fallzahlensteigerungen und reduzierten Kosten pro Fall führen. Weitere Erlöseffekte entstehen durch die frühzeitige Offenlegung und Übernahme weiterer sinnvoller Behandlungsbedarfe in der Nachbetreuung.

Fazit: Es zeigt sich, dass Leistungserbringer, die VBHC wirtschaftlich ausnutzen wollen, einen Schritt weitergehen müssen und basierend auf PROM-Werte die optimale Co-Creation der Behandlungsteams mit den PatientInnen definieren sollten. So können mittel- und langfristig Erlös- und Kostensteigerungen mit VBHC erzielt werden.

Florian Liberatore ist stellvertretender Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen und Experte für Value-Based Healthcare Management.

Sie möchten das Value-Based Healthcare Management-Konzept auch bei Ihnen in der Organisation einführen oder den wirtschaftlichen Impact der PROM-Einführung wissenschaftlich evaluieren? Anfragen an Dr. Florian Liberatore, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie unter: Florian.liberatore@zhaw.ch

Weitere Teile der bisher erschienen VBHC-Reihe:

Teil 1: «Value» aus einer Healthcare Management-Perspektive

Teil 2: Zentrale Bausteine des Value-based Healthcare Managements

Teil 3: Wie uns die Marketing-Denkweise bei der Umsetzung von Value-Based Healthcare Management hilft

Teil 4: Unlocking the Patient Experience – Eine Roadmap zur Verbesserung der Patientenerfahrungen im Spital

[1] Vargo, S. L., & Akaka, M. A. (2009). Service-dominant logic as a foundation for service science: clarifications. Service Science, 1(1), 32-41


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