Expatriierte, kurz Expats, sind Mitarbeitende von Firmen, die für einige Monate oder Jahre ins Ausland geschickt werden. Dort übernehmen sie in einer anderen Filiale neue Aufgaben, haben wichtige Schnittstellenfunktionen und werden – in der neuen Arbeitskultur mit anderen Arbeitskollegen – positiv herausgefordert. Doch in dieser spannenden Umgebung erleben sie immer wieder auch schwierige Situationen, auf die sie sich nicht vorbereiten konnten, und wofür sie eigentlich Unterstützung bräuchten.

Von Simone von Ah und Verena Berchtold-Ledergerber

Im Ausland sind Expats mit einer neuen Umwelt, mit der Integration in eine neue (Arbeits-)kultur und unter Umständen auch mit neuen Familienverhältnissen konfrontiert. Man muss sich im neuen Heim einleben, den neuen Ort kennenlernen, die staatlichen Strukturen und Prozesse verstehen und neue Freunde finden. Zudem verändert sich die Konstellation der Partnerschaft, denn in den meisten Fällen kann der Partner oder die Partnerin keine Arbeitsstelle im neuen Land finden. Auch die Arbeitswelt ist eine vollkommen andere. Die Firma ist zwar dieselbe, doch oft gibt es in anderen Ländern andere Organisationsstrukturen, neue Ansprechpartner, neue Vorgesetzte und vollkommen neue Umgangsformen. Bei all den spannenden neuen Aufgaben erleben Expats häufig schwierige Gefühle, die ihnen in diesem Ausmass weniger bekannt oder sogar neu sind wie zum Beispiel Wut, Frust, Angst oder das Gefühl von Ohnmacht. Im Heimatland haben sie gelernt, mit den erlebten Gefühlen umzugehen und sie in einer angemessenen Art und Weise zu äussern. Meist verfügen sie dort auch über einen Freundeskreis, der ausgleichend wirkte, nun aber nicht mehr so leicht zugänglich ist. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu erkennen und selbst zu regulieren nennen Fachleute „Emotionsregulationskompetenz“. Diese Fähigkeit ist wichtig, um Gefühle in der täglichen Zusammenarbeit sozial verträglich und in der jeweiligen Kultur adäquat zu äussern. Expats erleben in ihrer Relocation-Zeit eine speziell intensive Art der Zusammenarbeit. Gerade im Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen ist die Emotionsregulationskompetenz besonders wichtig, denn durch sprachliche und kulturelle Missverständnisse kann es schnell zu unangepasster Kommunikation und irritierenden Konflikten kommen. Dazu kommen die hohen Erwartungen der Firma. Schliesslich ist eine Relocation meist Teil eines Entwicklungsprogramms, das auf Beförderungen abzielt. Die Zeit im Ausland wird dadurch auf allen Ebenen zur Bewährungsprobe. Das setzt Expats stark unter Druck und kann sie manchmal auch überfordern.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Wie die Wissenschaft zeigt, kann eine erfolgreiche Regulation von negativen Gefühlen die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsabbruchs im Ausland verringern. Die Emotionsregulationskompetenz ist daher zentral für einen erfolgreichen Auslandaufenthalt. Trotzdem wird das Thema in heutigen firmeninternen oder -externen Trainings- und Unterstützungsangeboten kaum beachtet. In einer Masterarbeit in Angewandter Psychologie konnte nun gezeigt werden, wie wichtig es wäre, die Themen «Gefühle» und «Emotionsregulation» in Unterstützungsangebote für Expats aufzunehmen. In umfangreichen Interviews wurden Expats in Indien gefragt, was ihre Firmen tun können oder bereits tun, um sie im Bereich der Emotionsregulierung zu unterstützen. Die Resultate zeigen, dass sich die Expats grundsätzlich Unterstützung in allen Phasen des Auslandsaufenthalts (Vorbereitung, Aufenthalt, Rückkehr) wünschen, jedoch in jeder Phase andere Themen relevant sind. Zudem werden die Schwierigkeiten bei der Rückkehr in die Schweiz häufig unterschätzt, da erwartet wird, dass alles so ist wie vor dem Auslandaufenthalt. Durch die neuen Erfahrungen im Ausland ist jedoch normalerweise eine Reintegration erforderlich, die ebenfalls sehr anstrengend sein kann. Wieder muss ein neues Zuhause, eine neue Stelle gefunden werden. Für den Partner oder die Partnerin nicht selten ein harter Wiedereinstieg, der teils nicht mehr gelingt und die Beziehung belastet. Auch alte Freundschaften haben sich nach Jahren der Abwesenheit vielleicht verändert und die Rückkehr in die alte Filiale kann wie ein Neueinstieg wirken. Ausnahmslos alle Expats betonen in der Befragung die Wichtigkeit des Austauschs mit anderen Expats, da hier – im Sinne von «geteiltes Leid ist halbes Leid» – schwierige Erfahrungen und Gefühle besprochen und letztere besser eingeordnet werden können. Zudem sollten ihrer Meinung nach Themen wie «Gefühle im Zusammenhang mit einem Auslandaufenthalt» und «Umgang mit schwierigen Gefühlen» in bereits vorhandene Kompetenztrainings aufgenommen werden. Da die Schwierigkeiten sehr individuell sind und je nach Familiensituation, Gegebenheiten des Landes und Dauer des Aufenthaltes variieren, scheint Unterstützung, die auf die individuellen Bedürfnisse der Expats angepasst ist, am vielversprechendsten. Dafür bieten sich Coachings oder Mentorings besonders an – idealerweise mit einem Coach oder Mentor, der selbst über Arbeitserfahrungen im Ausland und psychologische Grundkenntnisse verfügt und helfen kann, Emotionen zu regulieren, kulturelle Eigenarten zu verstehen und Austauschmöglichkeiten zu vermitteln.

Tipps für Firmen

Helfen Sie Ihren Expats schon vor der Abreise und bereiten Sie sie nicht nur auf den Auslandaufenthalt, sondern auch auf die Übergangsphasen vor.

Vor dem Aufenthalt:

  • Geben Sie den Expats neben kulturellen Hintergrundinformationen auch Informationen zum Thema Gefühle im interkulturellen Setting.
  • Bieten Sie Trainings zur Aneignung von spezifischen Bewältigungsstrategien an (z.B. Achtsamkeitstrainings).
  • Sprechen Sie mit Ihren Expats über mögliche Schwierigkeiten und Konsequenzen, auch im privaten Bereich. Zu wissen, dass die eigene Veränderung auch Familie und Freunde betrifft, kann Verständnis fördern und den Druck enorm verringern.

Während dem Aufenthalt:

  • Machen Sie es Ihren Expats möglich, sich mit anderen Expats und Einheimischen auszutauschen.
  • Organisieren Sie Coachings oder Beratungen, die von den Expats nach Bedarf beansprucht werden können.
  • Bieten Sie Ihren Expats auch während des Aufenthalts die Möglichkeit, sich neue Bewältigungsstrategien zur Regulation schwieriger Emotionen anzueignen (z.B. durch Achtsamkeitstrainings, Coachings oder spezielle E-Learning Programme)
  • Unterstützen Sie Ihre Expats bei konkreten Problemen mit der Familie oder der Wohnungssuche am neuen Ort (und auch wieder daheim).
  • Suchen Sie das Gespräch und fragen Sie Ihre Expats, wie sie sich fühlen und was sie schwierig finden – auch wenn solche Fragen in Ihrer Firma eher ungewohnt sind.

Nach dem Aufenthalt:

  • Sprechen Sie mit Ihren Expats über Schwierigkeiten und Bedürfnisse bei der Rückkehr und bieten Sie auch hier Unterstützung an.

Zu den Autorinnnen

simone-von-ahSimone von Ah, hat ihr Psychologiestudium an der ZHAW mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie im Februar 2016 abgeschlossen. Ihre Masterarbeit wurde vom SBAP ausgezeichnet. Ihre Forschungsinteressen liegen unter anderem bei der interkulturellen Psychologie.

 

 

 

 

berchtold_verena-2329Verena Berchtold-Ledergerber ist Psychologin und Dozentin am Psychologischen Institut der ZHAW im Bereich Studium & Forschung und begleitete diese Masterarbeit.


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