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Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Herausforderungen in der Patchworkfamilie aktiv angehen

Posted on 31. Januar 2017 by Redaktion

Verlieben sich zwei Menschen ineinander, die bereits in einer früheren Beziehung eine Familie gegründet haben, stellen sich ihnen für eine gemeinsame Zukunft besondere Herausforderungen. Was kann ein Paar tun, um den Weg von verliebter Zweisamkeit zur glücklichen Patchworkfamilie besser zu meistern?

von Célia Steinlin-Danielsson und Diana Gulli

«Ich habe lange Zeit nicht daran geglaubt, dass ich mich wieder so richtig verlieben könnte. Die erste Zeit wollte ich mein Liebesglück, die intensiven Gefühle und diesen tollen Mann nur für mich alleine haben. Mein Glück wuchs mit jedem Schritt, doch mit den Glücksgefühlen kamen auch Ängste und Fragen: Wie weit wollte und konnte ich mich nochmals auf einen Mann einlassen? Welche Rolle sollte er in meinem und vor allem im Alltag meiner Kinder spielen und wie würden die Kinder mit der Situation umgehen, wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen würden? Die Gefühle wurden tiefer, und als wir begannen, uns eine gemeinsame Zukunft auszumalen, wussten wir, dass es der richtige Moment war, ihn meinen beiden Kindern vorzustellen. Wenig später habe ich auch seine schon fast erwachsene Tochter kennen gelernt.»

So wie dieser Mutter geht es vielen Singles mit Kindern. Für Eltern, die sich neu verlieben, steht neben dem neuen Liebesglück auch weiterhin das Wohlergehen der Kinder im Mittelpunkt. Sie haben vielleicht nach der Trennung gemeinsam mit den Kindern und dem anderen Elternteil ein neues Gleichgewicht gefunden. Sie möchten vermeiden, dass die neue Liebe in ihrem Leben die Kinder erneut verunsichert und bei ihnen Verlustängste schürt. Ebenso möchten sie verhindern, dass die Kinder in einen Loyalitätskonflikt zwischen dem neuen Partner und dem anderen Elternteil geraten. Doch wie bringt man das neue Liebesglück am besten in den familiären Alltag ein?

Klare Rollen schaffen

Hilfreich ist es, wenn die Rollen und die damit verbundenen Erwartungen und Verantwortungen geklärt werden. Eine Mutter sorgte für klaren Durchblick: «Zusammen mit dem Vater meiner Kinder blieb ich verantwortlich für die Erziehung. Mein neuer Partner und ich haben aber mit den Kindern besprochen, dass von mir festgesetzte Alltagsregeln wie Handynutzungszeiten, die Lautstärke der Musik oder die Mithilfe im Haushalt auch von meinem Partner durchgesetzt würden, sollte ich mal nicht da sein.» Besonders entlastend für die Kinder ist es, wenn in diese Rollenklärung auch der getrennt lebende Elternteil mit einbezogen werden kann. «Für meine Tochter war es sehr wichtig zu sehen und zu hören, dass ihr Vater meinen neuen Partner akzeptierte. Die Vaterrolle wollte mein Freund nie übernehmen, und ich denke, es war wichtig, das gegenüber den Kindern klar auszusprechen.»

Grosszügigkeit und Engagement einfordern

Gespräche über eigene Schwächen und über Fehler, die man nicht wiederholen möchte, vertiefen die Beziehung: «Wir waren uns bewusst, dass unsere Situation nicht viel Platz liess für Engstirnigkeit. Ich wollte alte Fehler nicht wiederholen und habe mit meinem Partner über meine Bedenken und Ängste geredet. Wir haben unsere zum Teil sehr unterschiedlichen Bedürfnisse ernst genommen, uns auch erlaubt, Grosszügigkeit einzufordern.» Um die Herausforderungen gemeinsam zu meistern, hilft es, wenn ein Paar das Gelingen der Beziehung und des Familienlebens sowie die Freude daran in den Mittelpunkt stellen kann.

Respektvollen Umgang pflegen

Die neue Liebe im Leben von Mutter oder Vater nimmt im Laufe der Zeit meistens auch im Leben des Kindes eine wichtige Rolle ein, wenn diese auch nicht immer positiv besetzt ist. Der neue Partner oder die neue Partnerin hat Fähigkeiten und Interessen, die weder Mutter noch Vater besitzen. Hat die neue «bessere Hälfte» eigene Kinder, bereichern auch diese die Familie mit neuen Ideen, Ansichten und Gewohnheiten. Sich richtig kennen zu lernen, braucht aber Zeit. Was am Anfang gut funktioniert hat, muss vielleicht im Laufe der Zeit angepasst werden. Der gegenseitige Respekt aller ist die Voraussetzung dafür, dass der Beziehungszuwachs tatsächlich zur Bereicherung wird.

Aktive Auseinandersetzung fördern

Wer den neuen Familienalltag als Patchworkfamilie meistern möchte, muss dies nicht allein tun. Patchworkpaare, die schon viele Jahre zusammen sind, berichten, dass sie sich zu Beginn aktiv über die Herausforderungen der Patchworksituation informiert haben. Sie haben über das, was sie gelesen und gehört haben, miteinander gesprochen. Besonders hilfreich war es für sie, sich mit anderen Menschen, die in Patchworksituationen leben, auszutauschen.

Fähigkeiten des Einzelnen erkennen

Für alle Familienmitglieder kann die Patchworksituation eine Möglichkeit sein, eigene Stärken einzubringen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Besonders für die Kinder ist das Gefühl wichtig, dass sie ihre neue Situation aktiv mitgestalten können. Eine Mutter erinnert sich an die positive Energie, die die Kinder eingebracht haben: «Der Humor seiner Tochter hat uns zu Beginn über manche angespannte Situation hinweggeholfen. Und meinem Sohn ist es wunderbar gelungen, sich Aktivitäten auszudenken, an denen alle Freude hatten.» Wichtig ist, dass jeder und jede sich beteiligen, mitreden und im Rahmen der Möglichkeiten mitentscheiden darf.

Bedürfnissen Raum geben

Trotz neu geschaffener Gemeinsamkeit bleibt das Bedürfnis der Kinder nach Exklusivität bestehen. Unternehmungen mit den Kindern ohne den neuen Partner sind daher wichtig. Ein Vater erzählte: «Wir haben es bald so gelöst, dass ich die Kinder abends alleine ins Bett brachte. So blieb uns Zeit zum Kuscheln und für Gespräche, die nur uns gehörten. Auch habe ich mich bemüht, gezielt Aktivitäten ohne meine Partnerin einzuplanen. Und auch für mich und meine Partnerin war es wichtig, Zeiten ganz für uns zu haben, ohne die Kinder.»

Zuversichtlich bleiben

Besonders in Patchworksituationen kann einen der Mut schnell verlassen. Die Hürden scheinen manchmal allzu hoch. Doch auch geschiedene Menschen ohne Kinder haben oft Mühe, sich wieder auf eine Partnerschaft einzulassen, noch einmal alle persönlichen Grenzen abzustecken und eine teils monatelange «Prüfungsphase» zu durchlaufen. Es ist daher besonders für Patchworkpaare wichtig, dass sie ihre Situation immer wieder relativieren, zuversichtlich bleiben und den Weg als das Ziel betrachten. Oder wie es ein Vater so treffend beschrieb: «Mit jeder Antwort, die meine Partnerin und ich auf unsere Fragen fanden und mit jedem Erlebnis, dass uns als Familie näher zusammenrücken liess, wuchs meine Zuversicht. Es gibt nach wie vor viele Konflikte. Wir haben über Themen gestritten, die in Kernfamilien kaum je eine Rolle spielen, und wir werden das auch in Zukunft tun. Doch wir alle – auch die Kinder – können heute unsere eigenen Bedürfnisse besser einbringen und mögliche Lösungen miteinander diskutieren. Und manchmal denke ich, das macht uns bewusster und stärker als normale Familien.»


Workshop für Patchwork-Paare

Speziell für Patchwork-Paare haben die Autorinnen dieses Beitrags den Workshop «Chancen und Herausforderungen für Patchworkfamilien» ins Leben gerufen. Behandelt werden darin Themen wie der Umgang mit Paarkonflikten in typischen Patchworksituationen, Auswirkungen von Trennungen auf die Kinder oder die neue Positions- und Rollenfindung der Stiefeltern bzw. der Bonuseltern. Angeboten wird der Workshop am IAP Institut für Angewandte Psychologie im Toni-Areal in Zürich. Die nächste Durchführung findet am 4. und 11. März 2017 statt, jeweils von 8.45 bis 12.15 Uhr. Wer Fragen oder Interesse an einer Kursteilnahme hat, kann sich ganz einfach per Mail bei Corinna Scheuss (corinna.scheuss@zhaw.ch) oder unter Tel: 058 934 83 30 melden.


Zu den Autorinnen

Célia Steinlin-Danielsson ist seit 2015 am IAP Institut für Angewandte Psychologie als Psychotherapeutin und Dozentin tätig. Sie leitet den MAS in Kinder- und Jugendpsychotherapie und arbeitet vor allem mit Familien, Kindern und Jugendlichen. Zuvor war sie sechs Jahre lang an den UPK Basel in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig. Daneben promovierte sie an der Universität Basel im Bereich Traumapädagogik.

 

Diana Gulli studiert Angewandte Psychologie mit klinischer Vertiefungsrichtung an der ZHAW. Im Rahmen ihrer Masterarbeit forscht sie zum Thema Patchworkfamilien. Neben dem Studium arbeitet sie beratend mit Kindern und Familien.

 

 

 

 

 

 

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