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Psychologie im Alltag nutzen

Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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Browsing Mai, 2020

Der Hang zum Negativen steckt in uns allen

Posted on 29. Mai 2020 by Redaktion

Wir befinden uns momentan in einer Krise, das ist richtig. Aber wussten Sie, dass wir uns eigentlich immer in diesem Modus befinden? Der «Negativity Bias» umgibt uns immer und überall.

Text: Sarah Sclafani und Kathrin Fink
Bild: Shutterstock

Zehn neue Corona-Tote oder ein Jugendlicher, der der Oma den Einkauf abnimmt – was bleibt Ihnen wohl eher im Kopf.

Viele von Ihnen werden denken, dass es einfach Leute gibt, die immer nur das Negative sehen. Sogenannte Miese-Peter, auf Englisch «Negativ Nancys». Tatsache ist aber, dass der Hang zum Negativen in uns allen steckt und zwar schon seit der Urzeit. Evolutionär bedingt haben wir noch immer einen «Negativity Bias» (dt. Negativ-Tendenz) (vgl. Skowronski & Carlston). Das bedeutet, dass wir besonders in unsicheren Zeiten dazu tendieren, negative Informationen vorrangig wahrzunehmen.

Gemäss dem amerikanischen Autor und Professor Roy Baumeister mussten wir in den frühen Phasen der Menschheitsgeschichte mit ständigen negativen Konsequenzen rechnen:

«Was ist das für ein seltsames Geräusch ausserhalb der Höhle?»
«Wer könnte mir hinter dem nächsten Baum auflauern?»
«Sterbe ich, wenn ich diese unbekannte Wurzel esse?»

Es ist nicht ganz so schlimm, wie wir denken

Der Mensch war in extremem Masse mit einer unsicheren Umgebung konfrontiert und da war es die beste Strategie, sich für das Schlimmste zu wappnen.

Was heisst dieses Wissen also für unsere aktuelle Zeit?

Nun, es rückt erst einmal den Negativ-Fokus in unser Bewusstsein. Auch wenn die Welt sich tatsächlich in einem Ausnahmezustand befindet, ist es wahrscheinlich nicht ganz so schlimm, wie wir annehmen. Gerade bei neuen Informationen geschieht dieser Negativ-Fokus blitzschnell. Daher sollten wir in Bezug auf unseren Nachrichten-Konsum vorsichtig sein.

In den letzten Wochen gab es in jeder Talkshow, jeder Kindersendung und in jedem News-Beitrag nur noch ein Thema – Corona. Daher sind folgende Tipps besonders wichtig:

  1. Entscheiden Sie sich bewusst, ob und wie lange Sie Nachrichten konsumieren möchten. Wird zu viel Zeit mit negativen Informationen verbracht, kommt das Gefühl auf, es gäbe nichts Erfreuliches mehr. So werden auch bereits vorhandene Ängste geschürt.
  2. Wer sich auf Social Media bewegt, verliert sich in einer Flut von Informationen.
    Man kommt von einem Beitrag automatisch zum nächsten und realisiert oft nicht, wie lange man schon vor dem Bildschirm sitzt. Stellen Sie sich deshalb einen Timer. Es wird Ihnen leichter fallen, sich wieder anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Seien Sie sich ausserdem bewusst, dass Sie sich auf Social Media in einer Filterblase bewegen (vgl. Eli Pariser). Algorithmen filtern Inhalte danach, was Sie sich in der Vergangenheit angesehen haben. So werden Ihnen übereinstimmende Inhalte angezeigt und gegenteilige Sichtweisen vorenthalten. Dies erschwert es, sich ein umfassendes Bild zu einem Thema zu machen.

Die 4:1-Regel

Um einigermassen im Gleichgewicht zu leben, empfiehlt Roy Baumeister in seinem Buch «The Power of Bad» die 4:1-Regel. Für jede negative Nachricht sollte man sich 4 positive Ereignisse ins Gedächtnis rufen.

Da wir alle den «Negativity Bias» mit uns herumtragen, fühlt sich jede negative Information viel stärker an als eine positive. Mit dem Verhältnis 4:1 kann man diese Tendenz gut ausgleichen.

Sarah Sclafani ist Psychologin und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin am Psychologischen Institut der ZHAW.

Kathrin Fink ist Redaktorin & Social-Media-Managerin am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW.

Literatur
-Roy F. Baumeister, John Tierney (2019), The Power of Bad, Penguin LCC US.
-Skowronski, J. J., & Carlston, D. E. (1989). Negativity and extremity biases in impression formation: A review of explanations. Psychological Bulletin, 105(1), 131–142.
-Eli Pariser (2011) The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You. Penguin Press, New York.

«Ich finde, es funktioniert gut, will es aber trotzdem nicht beibehalten!»

Posted on 25. Mai 2020 by Redaktion

Viele Angestellte arbeiten nach wie vor im Homeoffice. Doch auch Studierende sind gezwungen, ihr Campus-Leben gegen die Studierstube zuhause zu tauschen. Drei Psychologie-Studierende berichten über Zoom-Vorlesungen, Endlos-Zeit am Bildschirm und Nähe auf Distanz.

Interview: Kathrin Fink

Linda, Sebastian, Simona, wie studiert es sich von zuhause aus?

Linda: Ich stelle mir den Wecker früh auf halb sieben/sieben. Ich muss eine Struktur im Tag haben. Im Stundenplan ist auch klar vorgegeben, wann, was stattfindet: Gruppenarbeiten, Vorlesungen. Trotzdem fällt es mir schwer, mich komplett zu disziplinieren. Ausserdem arbeite ich nebenher noch, das macht es auch nicht einfach, sich immer an den Zeitplan zu halten.

Simona: Mir geht es ähnlich wie Linda. Ich probiere immer, um die gleiche Zeit aufzustehen, damit ich um acht Uhr mit der Arbeit fürs Studium beginnen kann. Aber ich empfinde dieses Semester schon als sehr streng. Ich habe einen hohen Mehraufwand. Die Abwechslung fehlt, man ist immer alleine zuhause, immer am gleichen Ort.

Sebastian: Bei mir ist es das totale Kontrastprogramm: Mir kommt dieses Semester bisher am wenigsten intensiv vor. Man hört aber auch oft, dass die ersten zwei Semester am strengsten seien. Eventuell habe ich deshalb das Gefühl, dass das Dritte nun etwas lockerer ist. Ich komme mit Vor- und Nachbereiten eigentlich sehr gut voran. Dadurch, dass man immer zuhause ist, ist es ein stetiger Fluss von Arbeiten und Studieren vor dem Bildschirm.

«Das Soziale fehlt sehr»

Fehlt euch die Zeit vor Ort?

Simona: Mir fehlt das Soziale sehr. Auf der einen Seite hat es Vorteile, dass viele Teile des Studiums von zuhause aus machbar sind. Aber ich arbeite zum Beispiel viel in Gruppen und da konnte man vorher mal schnell über Mittag etwas besprechen und jetzt muss ich vieles davon allein machen. Ausserdem wohne ich allein, da fehlt das Soziale doppelt.

Linda: Ich bin vom Weg her sehr entlastet. Ich komme aus Thun im Berner Oberland und brauche vier Stunden zum Toni-Areal hin und zurück – das mache ich normalerweise zweimal in der Woche. Sonst fällt es mir nicht so stark auf, weil ich auch mit meinem Partner zusammenwohne.

Wie macht man denn eine Gruppenarbeit virtuell?

Linda: Über Teams, Skype oder Zoom. Da treffen wir uns jeweils für vier Stunden an einem Morgen, sehen uns am Bildschirm und arbeiten nebenher. Manchmal bleiben wir nach dem gemeinsamen Arbeiten noch online und sprechen über Privates. Meine Mitstudierenden sind mittlerweile zu Freunden geworden, und die fehlen.

Wie muss ich mir eine Online-Vorlesung vorstellen?

Sebastian: Der Dozent setzt den Termin an, dann loggt man sich über Zoom ein und ist mehr oder weniger wie in einer normalen Vorlesung an der Schule. Doch auch mir fehlen die Mitstudierenden, der Kontakt mit den Menschen, mal ins «Mehrspur» (Bar im Toni-Areal) gehen und über etwas anderes diskutieren. Ansonsten sind die Online-Vorlesungen sehr stark vergleichbar mit Präsenzunterricht – ich finde es funktioniert gut, aber ich will es trotzdem nicht beibehalten!

Linda: Ich finde auch, die Dozierenden sind sehr gut organisiert, aber der Austausch in der Klasse ist begrenzt. Die normale Kommunikationsregel – es kann nur einer aufs Mal reden – fällt online viel mehr ins Gewicht. Die ganz grossen Diskussionen entstehen so einfach nicht.

«Auf Zoom muss man sich exponieren»

Sebastian: Ja genau, dieses Element fehlt. In einer Diskussion auf Zoom muss man sich exponieren, alle hören genau zu und da getraut man sich weniger etwas zu sagen.
Das Nonverbale fehlt natürlich auch. Man kann nicht schauen, wer verdreht jetzt gerade die Augen oder wem liegt wahrscheinlich noch eine Frage auf den Lippen. Das ist sonst so etwas Wichtiges, wenn man real in der Vorlesung sitzt.

Wisst ihr, wann ihr wieder «richtig» an die Schule zurückkehren könnt?

Alle: *Kopfschütteln*

Sebastian: Es wurde schon relativ früh kommuniziert, dass bis Ende Juli kein Präsenzunterricht stattfindet. Das finde ich auch gut, dass das so klar gesagt wurde. Aber: Be prepared for the second wave!

Linda: Also, wenn ich mir vorstelle, dass ich noch bis im Herbst in diesem Büro zuhause sitzen muss, muss ich mich langsam mit einer Renovation beschäftigen!

Linda Schiesser
5. Semester Bachelor
Teilzeit

Sebastian Mutti
3. Semester Bachelor
Teilzeit

Simona Wapp
2. Semester Master
Teilzeit

Die Krise als Lernfeld – oder wie uns aussergewöhnliche Situationen weiterbringen

Posted on 13. Mai 2020 by Redaktion

Unser Verhalten ist erstaunlich stabil und schwer zu ändern. Aussergewöhnliche Situationen können aber als Auslöser wirken, um neue Kompetenzen zu entwickeln. Davon profitieren wir momentan alle. Doch wie können wir positive Erkenntnisse in die Zeit nach dem Ausnahmezustand mitnehmen?

Text: Urs Blum
Bild: Lacie Slezak

Im Zuge der pandemischen Verbreitung von Covid-19 hat sich unser Alltag stark verändert. In dieser Situation eignen wir uns gezwungenermassen neue Kompetenzen an.

Wir erweitern beispielsweise unseren digitalen Rucksack, indem wir den Umgang mit gewissen Online-Tools lernen und Erfahrungen im virtuellen Zusammenarbeiten sammeln. In den sozialen Netzwerken macht gerade ein Beitrag die Runde, der nach dem Treiber der digitalen Transformation im eigenen Unternehmen fragt. Als richtige Antwort wird weder der CEO noch der CTO, sondern «Covid-19» vorgeschlagen. Wie so oft bringt Satire einen Aspekt der Realität auf den Punkt.

Auch eine Krise hat zwei Seiten

Momentan passiert sehr viel, was ohne den Druck von aussen, wohl weder in dem Tempo, noch in dem Ausmass eingetroffen wäre. Viele Menschen erweitern ihre Kompetenzen auch in nicht-digitalen Bereichen. Beispielsweise indem sie neue Wege entdeckten, um trotz geschlossenem Fitness Center körperlich aktiv zu bleiben. Oder sie entwickeln Ideen, um den Gestaltungsdrang der gelangweilten und mit Farbstiften bewaffneten Kinder weg vom Sofa zu lenken. Als Gesellschaft erleben wir hautnah den Wert von Berufen im Gesundheitswesen, im Detailhandel oder in der Logistik, auf die wir für das Funktionieren unseres Alltags angewiesen sind. Diese Berufe erfahren ironischerweise kaum Wertschätzung und gehen meist mit einem geringeren Gehalt einher.

Die aktuelle Situation hat also zwei Seiten:

  • Einerseits die erschütternden, gesundheitlichen Folgen, dargestellt in Statistiken und Fallzahlen, hinter denen immer einzelne Schicksale, Freunde und Familien stehen.
  • Andererseits die Entwicklung von Kreativität und Gemeinschaftssinn während dem Lockdown.

Der britische Ökonom und Autor Tim Harford beschreibt dieses Phänomen in seinem Buch «Messy – The Power of Disorder to Transform Our Lifes» mit dem Zusammenhang zwischen Unordnung und Kreativität.

So ist beispielsweise das weltweit meistverkaufte Jazz-Album aus einer chaotischen und äusserst unangenehmen Situation entstanden. Die Bedingungen vor dem Kölner Konzert des Pianisten Keith Jarrett waren so schlecht, dass der Musiker kurz davorstand, das Konzert abzusagen. Aufgrund des akustisch minderwertigen Klaviers war Keith Jarrett schliesslich gezwungen, anders als gewohnt zu spielen, was zu dem beeindruckenden Klang des komplett improvisierten Konzerts geführt hat.

Wenn die U-Bahn nicht kommt, muss man einen neuen Weg finden

Ein anderes Beispiel aus dem Buch von Tim Harford bezieht sich auf einen Ausfall der U-Bahn im Grossraum London. Aufgrund eines Streiks waren tausende Pendler dazu gezwungen, eine neue Route zu ihrem Arbeitsplatz zu finden. Eine Auswertung im Nachgang hat gezeigt, dass ein Teil der Pendler die neue Route auch nach dem Streik beibehalten hat.

Beiden Situationen ist gemeinsam, dass die dabei involvierten Menschen im Angesicht einer unvorhergesehenen Herausforderung ihr gewohntes Verhalten ändern mussten und dabei auf neue, überraschende Erkenntnisse gestossen sind.

Da viele von uns bald an die Arbeit zurückkehren werden, stellt sich nun die Frage, wie wir es schaffen können, unsere neu erworbenen Kompetenzen in den Alltag nach Covid-19 mitzunehmen. Ein guter Anfang wäre, in einem ruhigen Moment die Dinge aufzulisten, die für einen persönlich an der aktuellen Situation positiv sind. Das können ganz unterschiedliche Verhaltensweisen sein, z. B. die digitale Organisation der eigenen Aufgaben, die bewusst genutzte Zeit mit der Familie, die Besinnung auf das Wesentliche. In einem weiteren Schritt überlegt man sich, welche drei oder vier Punkte am Wichtigsten sind und plant, welche konkreten Schritte man unternehmen kann, um diese positiven Aspekte beizubehalten. Dabei ist es wichtig, möglichst konkret zu planen:
Was mache ich wann, in welcher Häufigkeit und mit welchem Ziel?

Schliesslich folgt der anspruchsvolle Teil, nämlich das Umsetzen im Alltag. Hier lohnt es sich, regelmässig Bilanz zu ziehen, um Erfolge und Hindernisse zu identifizieren und weitere Schritte einzuleiten.

In dem Sinne wünsche ich uns allen den Mut, in der aktuellen Situation Neues zu wagen und neue Wege zu entdecken. In der Hoffnung, dass es uns gelingt, das eine oder andere zurück in den langersehnten Alltag zu nehmen.

Urs Blum

Urs Blum ist Arbeits- und Organisationspsychologe und Co-Leiter im Bereich Human Resources, Development & Sportpsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Als Dozent leitet er den DAS Ausbilder/in in Organisationen und berät Organisationen in Fragen der Personalentwicklung und des Gesundheitsmanagements.

Literatur
Tim Harford (2016), Messy – The Power of Disorder to Transform Our Lives, Riverhead Books

Werden Sie zum Datenmanager Ihrer Emotionen

Posted on 8. Mai 2020 by Redaktion

In unserem Alltag haben wir es ständig mit Gefühlen von Menschen zu tun. Gefühle gehören ebenso zu uns wie unser Denken und unser Körper. Aber was tun, wenn unsere Emotionen überhandnehmen und unseren Alltag mehrheitlich steuern? Dann gilt es, sie zu analysieren, um sie einordnen zu können. Wichtig ist, dass wir uns vor Augen führen, dass wir nicht unsere Gefühle sind, sondern dass wir sie «beherbergen» und sie uns Informationen über uns selbst liefern.

Text: Maja Goedertier
Bild: Heath Johnson

In unserem Leben lernen wir von Anfang an verschiedene Gefühle kennen: den Stolz Laufen zu können, das Glücksgefühl endlich in die Schule zu dürfen, das erste Mal verliebt zu sein, von Arbeitskollegen enttäuscht oder von Partnerinnen verlassen zu werden. Der Umgang mit positiven, wie negativen Gefühlen wird uns schon von Kindsbeinen an vermittelt. Je älter wir werden, umso vielfältiger wird die Welt unserer Gefühle und wir lernen, diese zu differenzieren. Gleichzeitig begleitet die Analyse dieser Gefühle auch eine gesellschaftliche Zensur. Wir lernen, welche Gefühle vom Umfeld gefragt sind und toleriert werden und von welchen niemand etwas wissen will. Die Dinge ständig positiv zu betrachten und eine optimistische Grundeinstellung an den Tag zu legen, wird in unserer Gesellschaft als gut bewertet. Diese Bewertung tragen wir im Erwachsenenalter in uns mit und wenden sie an. Sie ist einerseits richtungsweisend für unser Verhalten, andererseits aber auch hinderlich, da negative Gefühle genauso zum Leben gehören.

Je schwieriger eine Situation ist, umso mehr versuchen wir, unsere Gefühle zu kontrollieren

Viele von uns lernen durch drastische Ereignisse – zum Beispiel eine schwierige medizinische Diagnose – dass unsere Gefühle uns in die Knie zwingen können. Nicht selten verurteilen wir uns dann für unsere schlechten Gefühle, wie Angst, Trauer oder Wut, womit wir uns noch tiefer in eine Negativspirale hineinbewegen. Je schwieriger eine Situation ist, umso mehr versuchen wir, unsere Gefühle zu kontrollieren. Dieses Verhalten ist nicht nur ineffektiv, sondern auch grausam anderen und uns selbst gegenüber, weil wir relevante Hinweise übergehen und nicht zu unseren Gefühlen stehen. Nicht selten verstärkt dieses Verhalten unsere negativen Gefühle sogar noch.

In einer Zeit, wie wir sie aktuell erleben, sind wir alle mit viel Unsicherheit und Ungewissheit konfrontiert. Dies löst oft Ängste in vielen Färbungen aus, die sich verschieden auswirken können. Einige Menschen sind von schlaflosen Nächten geplagt, weil sie den Jobverlust fürchten, andere verspüren Existenzängste oder fühlen sich in ihren Beziehungen nicht mehr getragen.

In Zeiten von COVID-19 ist wichtiger, was wir fühlen, als was wir tun

Wir sind also gefordert Verantwortung für uns zu übernehmen und müssen die Fähigkeit entwickeln, die Realität so zu nehmen, wie sie ist. Schwierige Situationen und schwierige Gefühle sind Teil unseres Vertrages mit dem Leben. Unbehagen und Unannehmlichkeiten die Eintrittspreise in ein bedeutungsvolles Dasein.

So ist es in Zeiten von COVID-19 wichtiger, was wir fühlen, als was wir tun. Die totale Akzeptanz unserer Gefühle ist der Eckstein der möglichen Bewältigung von Situationen.
Gefühle sollten aber nicht als Verhaltensanweisungen verstanden werden, sondern mehr als Informationsquelle zur inneren Befindlichkeit. Dementsprechend tun wir gut daran, zu erörtern, was unser effektives Gefühl ist und was es uns sagen will.

Haben wir die Botschaft unserer Gefühle verstanden, können wir mit konkreten Schritten reagieren und unsere Situation verändern. Wir können vorhandene Ressourcen einsetzen, Unterstützung suchen und lernen Unabänderliches als solches zu integrieren. So werden wir zum (Gefühls-)Datenmanager und stärken uns für spätere Situationen.

Die Rolle des Data-Analyst steckt in uns allen. Von klein an erlernt, später weiterentwickelt und aktuell als wichtiger Krisenmanager in uns tätig. Hier finden sie 4 Tipps, wie sie ihn trainieren können.

Tipp 1: Gefühle wahrnehmen                                                        

Leichter gesagt als getan. Was heisst es, wenn ich mich per se gestresst fühle? Die Bewertung davon, wie wir eine Situation erleben, ist sehr persönlich und individuell. Es gibt kein «richtiges» Erleben. Den Situationen und Gefühlen, die sie auslösen, auf den Grund gehen, können wir durch verschiedene Fragen an uns selbst:

Habe ich irgendwo Schmerzen? Bin ich es leid, mich ständig anzupassen? Ist meine Motivation weg? Reagiere ich öfter als sonst gereizt und gerate in Konflikte mit anderen? Wieso bin ich ständig verstimmt? Fällt es mir schwer mich zu konzentrieren? Mag ich gar nicht mehr aufstehen? Spüre ich Druck auf Herz oder Lunge?

Tipp 2: Über Gefühle schreiben                                                    

In stiller Korrespondenz mit uns selbst können wir unsere Gefühle und deren Wahrnehmung schriftlich festhalten. Wenn ich über meine eigenen Gefühle schreibe, hilft es mir, sie einzuordnen und zu verstehen. Oft wird erst im Festhalten der Gefühlszustände klar, woher sie kommen und was sie uns sagen wollen. Wichtig ist dabei, alles was einem durch den Kopf geht, festzuhalten, ohne jegliche Zensur.

Tipp 3: Über Gefühle sprechen                                                   

Mich einer Vertrauensperson anzuvertrauen, gibt mir die Möglichkeit, offen über meine Gefühle zu sprechen. Das kann jemand sein, der mich gern hat, mich gut kennt und bereit ist, mir regelmässig Rückmeldungen zu geben, wie er/sie mich erlebt. In manchen Fällen kann dies eine gute Freundin/ ein guter Freund sein, in anderen Fällen auch ein professioneller Coach. Wichtig ist, dass wir der Person voll und ganz vertrauen.

Tipp 4: Social Contacting                                                             

Zu merken, welche Personen mir in welchen Situationen helfen, ist besonders wichtig. Sich dann aktiv diesen Menschen zuzuwenden und eine regelmässige Kontaktpflege zu etablieren, hilft mir, belastende Gefühle nicht alleine tragen zu müssen. Ob dieser Kontakt nun per Telefon, Video, Chat oder persönlich mit Distanz gepflegt wird, ist sekundär. Wichtig sind die Regelmässigkeit und der Austausch.

Maja Goedertier ist Psychologin und Beraterin im Bereich Managementdiagnostik und Sicherheitspsychologie. Ihr Arbeitsschwerpunkt am IAP Institut für Angewandte Psychologie ist die psychologische Eignungsdiagnostik von Führungspersonen und Personen in sicherheitssensiblen beruflichen Kontexten.

Corona-Alltag mit kleinen Kindern und trotzdem entspannt und leistungsfähig? – ein Erfahrungsbericht

Posted on 4. Mai 2020 by Redaktion

Juhee die Auflockerung kommt! Ach, wie werden wir sie vermissen diese Alle-unter-einem-Dach-Zeit… oder verdrängen wir da etwas?
Es lohnt sich auf jeden Fall, einen ehrlichen Rückblick auf schluchzende Kinder, sinnloses Aufräumen und das allsehende Kamera-Auge des Laptops im Mami-Papi-Kind-Homeoffice zu werfen.

Text: Gian-Rico Bardy
Bild: Shutterstock

Für alle Menschen hat sich durch das Corona-Virus und den damit einhergehenden Massnahmen in den letzten Wochen vieles verändert.
Auch für unsere Familie mit zwei Kleinkindern und zwei berufstätigen Eltern. Wir mussten uns, in vielerlei Hinsicht anpassen. Die Kinder gehen am Montag nicht mehr in die Krippe (das war für uns zu dieser Zeit keine Option) und Omi kommt am Mittwoch auch nicht mehr. Gleichzeitig haben sich die Anforderungen im beruflichen Kontext stark verändert. Homeoffice mit Nicht-enden-wollenden-Online-Meetings, bei denen man sich nur ausloggt, um sich direkt ins nächste einzuloggen. Es bleibt kaum noch Zeit, um die in den Meetings besprochenen Tasks auch wirklich umzusetzen – und zwar in der gewohnten Manier bzw. mit den gewohnten Ansprüchen von aussen, wie auch von einem selbst.

Mit je einem Kind am Bein auf den Homeoffice-Einsatz warten

Viele stellten sich in den letzten Wochen bestimmt derselben oder ähnlichen Herausforderungen. Deshalb möchte ich hiermit unsere Selbsterkenntnis zugänglich machen, um solche Phasen im Leben so gut als möglich zu meistern und dabei noch eine gewisse Entspannung zu erleben – oder nicht komplett verrückt zu werden.

1. Tipp: Struktur schaffen, wo es vermeintlich keine Struktur gibt

Zu Beginn haben meine Frau und ich versucht, unsere Termine aneinander vorbei zu planen. Dies hat dazu geführt, dass wir uns in unserem improvisierten Homeoffice die Klinke in die Hand gegeben haben, bzw. der eine mit je einem Kind am Bein draussen vor der Tür genervt gewartet hat, bis der andere endlich sein Meeting beendete, damit man selbst das eigene rechtzeitig beginnen konnte.

«Hesch denn bim Papi scho as Dessert gha?»

Nicht bedacht haben wir dabei, was dieser Zustand mit den Kindern macht. Das Meiste, was ich meinen Kindern zu dieser Zeit gesagt habe, waren Sätze, wie «Wart schnell!», «Jetzt müander ganz still si, gell» oder «z’Mami kunnt grad». Das dies unsere Kinder im Alter von 1 und 3 Jahren nicht verstanden haben, liegt wohl auf der Hand und die Reaktionen waren entsprechend. All dies hat zu einer unglaublichen Hektik geführt, die sich wie in einer Spirale ständig verstärkte. Als meiner Frau und mir dies irgendwann bewusst wurde, haben wir versucht, etwas grobmaschiger zu planen – sie am Morgen, ich am Nachmittag. Aber auch das war nur mässig erfolgreich, da sich für die Kinder dabei nicht viel an der Struktur verändert hat. Für sie erschien der Tag ungeplant und es war schwierig, Abmachungen zu treffen und sich auch daran zu halten. «Hesch denn bim Papi scho as Dessert gha? Nei? Bisch sicher?».

«s Mami het neeeeeeeeeeei gsait!!»

Wir haben dann festgestellt, dass es allen am besten geht, wenn ein Elternteil den ganzen Tag arbeitet und der andere die Kinderbetreuung übernimmt. Und ja, manchmal platzen die Kinder in die Video-Konferenz «Papi i han grad as Riesagaggi gmacht» oder schluchzen vor der Türe «s Mami het neeeeeeeeeeei gsait!!». Auch das gehört zum neuen Alltag dazu und zum Glück geht es den meisten Kollegen ähnlich. Ausserdem kann man die Videofunktion sowie das Mikrofon auch kurz einmal ausschalten.

2. Tipp: Eigene Ansprüche zurücknehmen

In dieser aussergewöhnlichen Zeit den Anspruch an sich selbst zu haben, die gleiche Menge an Arbeit in der gleichen Qualität zu erbringen, ist wahrscheinlich etwas vermessen. Und dennoch hat sicher jeder von uns einen gewissen Arbeitsanspruch, einen gewissen Arbeitsethos, den man nicht einfach über Bord werfen kann oder will. Gleichzeitig dann aber mit den Kindern den «Nuggi» los zu werden (was ja vor 2-3 Wochen so gut geklappt hat), die Windeln endlich abzugewöhnen, das Radfahren ohne Stützräder hinzubekommen und die Wohnung blitzblank zu halten, ist wohl Einiges zu viel verlangt. Die eigenen Ansprüche an sich und andere bewusst zurückzunehmen – «z Füfi grad si loh» – hat bei uns ebenfalls dazu geführt, mit der ganzen Situation gelassener umzugehen.

3. Tipp: Bewusst auch die Vorteile der Situation sehen

Homeoffice bietet da und dort auch Vorteile. Mittagessen mit der Familie auf der Terrasse oder ein gemeinsames Zvieri und dann dafür am Abend noch etwas arbeiten. Oder der Umstand, sich die Arbeit zu einem gewissen Teil selbst einteilen zu können, ist auch nicht zu verachten. Wenn es beispielsweise bei der Konzeption einer Online-Weiterbildung harzt, kann ich mich jederzeit mit anderen Tätigkeiten kurz ablenken.

Diese Strategie ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen, wenn man kleine Kinder hat.

Zu Beginn wollte ich einmal still und heimlich eines der Zimmer etwas aufräumen. Natürlich haben mich die Kleinen dabei erwischt, worauf ich sie direkt aufgefordert habe, mir zu helfen. Aber sind wir mal ehrlich: nach spätestens 5 Dingen, die sie aufgeräumt hatten, war das Ganze wieder komplett vergessen und es lagen bereits 10 neue Spielsachen, die sie während dem «Aufräumen» wiederentdeckt hatten, herum. In diesem Moment war ich froh, mich wieder in die Konzeption vertiefen zu können und den Rest mit einem nicht ganz so schlechten Gewissen meiner Frau zu überlassen.

4. Tipp: Klares Ziel setzen

Seit meiner Frau und mir bewusst geworden ist, dass ein klar formuliertes Tagesziel uns hilft, auch herausfordernde Tage gut zu meistern, machen wir uns einen kleinen Spass daraus, dies am Morgen bzw. am Vorabend zu definieren. Mittlerweile haben wir festgestellt, dass für uns zurzeit vor allem ein Ziel wichtig ist, um längerfristig entspannt und leistungsfähig zu bleiben: Die Kinder müssen spätestens um 20 Uhr in ihren Betten sein und schlafen (ok, das mit dem schlafen klappt nicht immer). Dann haben wir nämlich Zeit für uns. Sei es, um jeder für sich einer Tätigkeit nachzugehen oder gemeinsam etwas zu machen. Zum Beispiel die Highlights des Tages Revue passieren lassen und dabei ab und zu ein Glas Wein trinken.

Es ist klar, dass diese Tipps für uns nur funktionieren, weil wir beide von zu Hause aus arbeiten können und zusätzlich flexible und verständnisvolle Arbeitgeber haben, die uns in dieser Zeit ermöglichen z. B. Überzeit abzubauen oder auch Minusstunden zu generieren.

Diese Ansätze sind sicher nicht für Jeden und Jede komplett neu, sie basieren aber auf grundlegenden psychologischen Erkenntnissen und haben sich bei uns bewährt. Wir können diese Ratschläge also mit gutem Gewissen weitergeben.

Gian-Rico Bardy ist Berater im Bereich Diagnostik, Verkehrs- & Sicherheitspsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie.

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