Schlussprüfungen, Partys, Händeschütteln – und schwups sind die Jahre am Gymnasium vorbei. Die Schulzeit war lang, doch umso länger ist das, was nun vor den Absolventen liegt: Die Berufswelt, die Berufswahl, das Erwachsenenleben. Eine junge Frau erzählt, wie ihr eine Berufsberatung durch die Wirrungen der Nach-Gymi-Zeit half.

Von Kathrin Fink, Redaktorin ZHAW Angewandte Psychologie

«Während der Gymi-Zeit hatte ich verschiedene Ideen, doch gegen Ende festigte sich die Vorstellung, Psychologie zu studieren», erinnert sich die 21-jährige Caroline Vuilleumier aus Zürich. Mit dieser Überzeugung ging die junge Frau an die Informationsveranstaltung an der Uni Zürich – und kam ernüchtert wieder heraus. Es habe ihr richtig «abgestellt», die Materie kam ihr trocken vor. Also stellte sich erneut die Frage: Wie soll es weitergehen?

«Ich stand wirklich etwas verloren da, habe mich dann für ein Zwischenjahr entschieden, aber kam mit meinen Plänen nicht wirklich auf einen grünen Zweig.» Im angebrochenen Zwischenjahr ging sie zuerst für zwei Monate nach Dubai, um als Au-Pair bei Bekannten zu arbeiten, denn sie hatte bereits in ihrer Kindheit einige Jahre in Dubai verbracht. Zurück in der Schweiz organisierte sie sich ein Praktikum in der Pflege auf der Mutter-Kind-Station des Stadtspitals Triemli. Dort wollte sich Caroline Vuilleumier in einem weiteren Berufsfeld ausprobieren – der Medizin. «Ich wusste schon immer, dass ich etwas mit Menschen zu tun haben möchte», sagt sie. Ausserdem mochte sie das Fach Biologie in der Schule und interessierte sich für Gesundheitsthemen. Die Pflege entpuppte sich dann aber trotzdem als nicht ganz ihr Feld. Die Beziehung zu den Patienten sei sehr nah und auf der einen Seite auch schön, aber doch anstrengend. Als Alternative hatte sie schon länger im Hinterkopf, dass sie es eventuell mit einem Studium in Gesundheitswissenschaften und Technologie probieren würde, doch als ihr Umfeld ihr das Medizinstudium empfahl, meldete sie sich für den Eignungstest an der Universität Zürich an.

Caroline Vuilleumier im Gespräch über ihre Erfahrungen mit der Berufsberatung.

Den Entscheidungsspielraum erweitern

Ihre Entscheidung stand aber immer noch auf wackeligen Beinen. Sie wurde deshalb von ihrer Mutter ermutigt, es doch mal mit einer Berufsberatung zu probieren. Die Mutter hatte selbst nach der Matura eine Beratung in Anspruch genommen und fand, dass ihr die intensive Auseinandersetzung mit ihren Eignungen und Neigungen besonders geholfen habe. «Deshalb wollte ich keine kurze Gratisberatung an der Uni machen», sagt Caroline Vuilleumier. Gesagt, getan. Die Mutter organisierte eine «Berufs- und Studienberatung kompakt» am IAP Institut für Angewandte Psychologie in Zürich.

Caroline traf sich daraufhin mit der Berufsberaterin Barbara Moser: «Frau Vuilleumier kam vor allem mit der Fragestellung: ‘Passt das Medizinstudium zu mir? Bin ich für den Beruf der Ärztin geeignet?‘ in die Beratung». Um dies herauszufinden, setzte die Berufsberaterin spezifische Persönlichkeitsfragebogen ein. So zum Beispiel den «Samed», ein Self-Assesment-Verfahren, um die Eignung für ein Medizinstudium abzuklären, oder sie liess ihre Klientin die «Entwicklungslinie» aufzeichnen. «Ich hatte das Gefühl, dass diese Methode für Frau Vuilleumier besonders aufschlussreich war», sagt Barbara Moser. Bei der Entwicklungslinie geht es darum, die persönliche Laufbahn seit der Primarschule aufzuzeichnen. Wie ist es einem während den verschiedenen Schulphasen ergangen? Welche Herausforderungen hat man bereits gemeistert und wie geht man mit Übergängen im Leben um? Und besonders wichtig: Welche Tätigkeiten begeistern einen immer wieder?

Die Tests deuteten darauf hin, dass Medizin tatsächlich eine passende Berufsrichtung wäre. Um den Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu erweitern, wird in einer Berufsberatung aber nie nur ein einziger richtiger Weg aufgezeigt. «Es ist wichtig, auch Alternativen herauszuarbeiten,» erklärt Barbara Moser. «Das hilft einem auch später, sich neue Perspektiven schaffen zu können.» Auch bei Caroline Vuilleumier gab es Alternativen, die in Frage gekommen wären. So waren für die junge Frau neben Medizin unter anderem Gesundheitsberufe wie Osteopathie oder Psychologie ein Thema. Zudem entdeckte sie während ihrem Zwischenjahr ihre kreative Seite neu: «Ich habe als Kind liebend gerne gezeichnet und gebastelt,» erinnert sie sich. So konnte sie sich auch Tätigkeiten in der visuellen Kommunikation oder im Design vorstellen.

«Ich habe immer gerne gelernt, war aber nie brillant in der Schule»

Als die Zürcherin zum zweiten Beratungstermin am IAP erschien, hatte sie bereits die Nachricht erhalten, dass sie die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium bestanden hatte und wollte diesen Schritt nun auch wagen. Sie hatte allerdings Respekt vor dem bekannten, lerntechnischen Aufwand, den diese Ausbildung mit sich bringt. «Ich habe immer gerne gelernt, war aber nie brillant in der Schule», sagt die junge Frau über sich selbst. In den Augen von Barbara Moser war es daher wichtig, dass Caroline zu diesem Zeitpunkt voll und ganz ins Studium einstieg und aus nächster Nähe testete, wie es ihr dabei ging – sozusagen von der Idee ins Handeln überzugehen. Ausserdem empfahl sie der jungen Frau, Strategien zur Hand zu haben, um mit Bedenken und möglichen Stolpersteinen umzugehen: Das Lernen portionieren und systematisch angehen, daneben aber auch genug Raum für Ausgleich schaffen, zum Beispiel im künstlerisch-kreativen Bereich.

Heute ist Caroline Vuilleumier froh, auf die Unterstützung von Barbara Moser zurückgreifen zu können. Sie findet, sie habe sich während ihrer Zeit am Gymnasium viel zu wenig mit dem Thema Berufswahl auseinander gesetzt und sei auch jetzt noch nicht komplett von ihrer Wahl überzeugt: «Doch nur weil sich das jetzt nicht 100% richtig anfühlt, heisst es nicht, dass etwas Anderes richtiger ist», sagt sie überlegt. Und sie hat auch schon einen Plan B, falls es, entgegen ihrer Hoffnung, mit dem Medizinstudium nicht klappt: «Dann studiere ich doch Psychologie!»

Caroline Vuilleumier ist 21 Jahre alt und lebt in Zürich. Sie studiert zurzeit noch immer Medizin.

Barbara Moser ist Beraterin am IAP in Zürich. Sie unterstützt junge Menschen beim Einstieg ins Berufsleben und berät Berufstätige bei der Planung ihrer Laufbahn. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Life Designing. «Das Berufsleben sieht heute nicht mehr so aus, wie noch vor 50 Jahren. Es wird immer wichtiger, seine Laufbahn in einem grösseren Kontext zu betrachten und die Weichen hin und wieder neu zu stellen.»

Berufs- & Studienberatung am IAP
Das IAP Institut für Angewandte Psychologie berät seit über 50 Jahren junge Erwachsene bei der Berufs- und Studienwahl. Das Team der Berufs-, Studien- und Laufbahnberater unterstützt dabei, persönliche Stärken und Interessen zu erkennen und Ressourcen zu nutzen.


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