Das Burnout-Syndrom gilt nicht als Krankheit, sondern beschreibt Probleme in der Lebensbewältigung. Als Ursache wird häufig Stress genannt. Betroffen sind längst nicht mehr nur Manager und Arbeitnehmende in sozialen, pädagogischen und medizinischen Arbeitsfeldern.  

Von Susanna Borner, Dozentin und Beraterin am IAP

Laut dem Job-Stress-Index 2014 hat der Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent zugenommen. Rund ein Viertel der Befragten bezeichneten sich als ziemlich oder stark erschöpft. Der finanzielle Schaden wurde auf 5,58 Milliarden Franken pro Jahr geschätzt.

Die Überlastung wird zur Abwärtsspirale

Es hat schon etwas Perfides, aber persönliche Überforderungen sind vielfach von uns selbst gemacht – niemand wird dabei überfallen, allenfalls davon überrascht. Wir ahnen, dass aus der ständigen Überlastung und ihren Symptomen eine Veränderung resultieren muss. Oft wird erst alles kleingeredet und die wochenlange Schlaflosigkeit oder die Gereiztheit im Umgang mit anderen ignoriert. Am Anfang steht die Realitätsverkennung, der Selbstbetrug, der unpassende Verhaltensweisen aber auch falsche Einstellungen oder Vorstellungen von sich selbst verstärkt. Die meisten Menschen versuchen, so lange wie möglich zu funktionieren – bis eben nichts mehr geht. Eine Abwärtsspirale setzt sich in Gang, die eine Erschöpfung in verschiedenen Bereichen nach sich zieht. Der Gang zum Arzt oder Therapeuten erfolgt oft zu spät und die Genesung nach einem Burnout ist entsprechend lange.

Wie entsteht ein Burnout?

Der Psychoanalytiker H.J. Freudenberger beschrieb 1974 erstmals die Symptome und veranschaulichte den Burnout-Prozess in 12 Phasen. Seinen Anfang nimmt ein Burnout im Drang, sich selbst und anderen etwas beweisen zu wollen. Daraus folgt ein verstärktes Leistungsstreben, unter welchem persönliche Bedürfnisse und soziale Kontakte vernachlässigt werden. Probleme und Konflikte werden übergangen. Hilfsangebote anderer werden zurückgewiesen. Verhaltensänderungen werden deutlich sichtbar und der Kontakt zu anderen – und zur eignen Person – reisst ab. Das Leben verläuft funktional und mechanisch. Hilflosigkeit und eine emotionale Leere machen sich breit. Die betroffene Person fühlt sich unverstanden. In den letzten Phasen dominiert die Erschöpfung, die umschlägt in völlige Verzweiflung. Suchtmittelmissbrauch, Depression bis hin zu Suizidgedanken zeigen den Zusammenbruch des Menschen – Burnout.

Druck als Chance – eine gefährliche Lebenseinstellung

Ein erhöhtes Risiko an Burnout zu erkranken, haben eher leistungsbereite, perfektionistische Menschen mit hohem Erfolgsstreben, die sich zu wenig bewusst sind, neben der Arbeit einen Ausgleich zu schaffen. Ihre wettbewerbsorientierte Art bestärkt sie im Willen, sich den erhöhten Arbeitsanforderungen oder ständig steigender Arbeitsbelastung als Chance zu stellen.

Ein Beispiel: Roger W., 34 Jahre alt, Betriebsökonom und Vermögensverwalter aus Bern, meldete sich für eine Laufbahnberatung an. Es war dringend. Im Erstgespräch erklärte er mir, dass er täglich bis zu 12 Stunden arbeite und keinerlei Wertschätzung für seinen Einsatz erhalte. Im Gegenteil, er werde von einem älteren Partner der Firma gemobbt und er verliere zusehends das Selbstvertrauen, kompetente Arbeit abzuliefern. Roger W. sagte von sich, dass er gewohnt sei, sich durch das Leben zu peitschen – so mache er dies auch im Sport. Sich hohe Ziele zu setzen und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen, war sein Lebenselixier. Wir besprachen seine Lebensumstände, und ich hatte den Eindruck, dass Roger W. die negativen Veränderungen in seinem Wohlbefinden wahrnahm. Unter Tränen berichtete er, dass er ja schon mehr Leistung bringen wolle, er aber einfach nicht mehr könne. Roger W. kündigte die Stelle und erschien gelöst zum zweiten Termin. Er wollte beruflich ganz neue Wege gehen und nichts mehr mit Finanzen zu tun haben. Wir erarbeiteten sein Kompetenzprofil und erörterten Interessen und Bedürfnisse. Er war froh, proaktiv seine berufliche Zukunft zu überdenken und sich nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen.

Bis dahin war diese Beratung eine Erfolgsgeschichte. Doch wie so oft bei Burnout-gefährdeten Personen keimt die Hoffnung auf, doch noch das angestrebte Ziel erfolgreich erreichen zu können. Die neuen Erkenntnisse werden in der Realität nicht umgesetzt, und so kam es, dass Roger W. mir in der dritten Sitzung freudestrahlend erklärte, er werde befristet bei der Firma weiter arbeiten und die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters sowie die Aufgleisung eines neues Produkts in Angriff nehmen. Er wusste, dass dies mehr Arbeitsbelastung bedeutete, doch er sah die Chance, an dieser Herausforderung zu wachsen und zu beweisen, dass er es schaffen konnte.

Nein sagen: ein erster wichtiger Schritt

Das Beispiel von Roger W. ist typisch. Eine nachhaltige Veränderung in der Lebensführung aufgrund eines Burnouts gelingt meist nicht umgehend. Der Leidensdruck und der damit verbundene Wille, sich neuen beruflichen Möglichkeiten zu öffnen, sind individuell verschieden. Burnout kann neben zu hoher Arbeitsbelastung und überhöhtem Leistungsstreben auch andere Auslöser haben. So sind auch Personen, welche die Sympathie und Anerkennung anderer zur Aufrechterhaltung ihres Selbstwertgefühls brauchen, hochgradig gefährdet. Es allen recht machen zu wollen, lässt Tugenden wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zur Falle werden. „Nein“ sagen fällt sowohl ehrgeizigen als auch hilfsbereiten Menschen schwer. Doch wer lernt, hin und wieder einfach „nein“ zu sagen, wird oft sogar mehr geachtet und lebt erwiesenermassen gesünder.

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Susanna Borner ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Nach ihrem Psychologiestudium an der Universität Zürich absolvierte sie verschiedene Nachdiplomstudien in Systemischer Familien- und Paartherapie, Personalmanagement sowie Berufs- und Laufbahnberatung. Am IAP leitet sie den MAS Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung und arbeitet als Coach mit Menschen, die sich weiterentwickeln möchten.

Laufbahnberatung kann Burnout-Betroffene unterstützen
Eine Laufbahnberatung befasst sich nicht nur mit dem nächsten Karriereschritt. Burnout-Betroffenen kann es helfen, sich der Bahn, auf der ihr Leben verläuft, bewusst zu werden, sich zu fragen, will ich diesen Weg wirklich gehen, oder gibt es einen besseren Weg für mich? In der Laufbahnberatung können verschiedene stressauslösende Verhaltensmuster aufgedeckt und Verbesserungen für den Alltag und die Lebensqualität gefunden werden.


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