Immer wieder ist an der ZHAW von Living Labs oder Reallaboren die Rede. Was darunter zu verstehen ist, zeigen wir hier anhand einiger Beispiele.
Eine Umfrage unter den Empfängern des Newsletters von ZHAW sustainable brachte im November 2023 ein unerwartetes Ergebnis zutage: nur rund 25 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie sich im Klaren darüber sind, was mit einem Reallabor genau gemeint ist. Auch wenn dieses Umfrageergebnis nicht repräsentativ ist, so scheint doch zumindest tendenziell Klärungsbedarf zu bestehen. «An der ZHAW bedeutet Reallabor, dass mögliche Lösungen für bestehende Probleme und Herausforderungen auf dem Campus oder dessen Umfeld experimentell mit Studierenden und Mitarbeitenden getestet werden», erklärt Francesco Bortoluzzi, Leiter Nachhaltigkeitsprogramme an der ZHAW. Das Sustainable Impact Program fördert Projekte finanziell, die im Rahmen eines Reallabors einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung an der ZHAW oder in der Region leisten oder zu kontextspezifischem Wissen beitragen.
Kaltgetränke selbst abfüllen
In der Schweiz werden jährlich 1,6 Milliarden PET-Flaschen produziert. Dies verbraucht nicht nur viel Energie und Ressourcen, sondern sorgt auch für grosse Mengen an Abfall. Dies wollen Luca und Alexander Pfyffer mit der Entwicklung ihres Zero Waste-Getränkeautomaten namens «fountain» ändern: In Zukunft sollen alle die Möglichkeit haben, beliebte Kaltgetränke mit der eigenen Mehrwegflasche zu konsumieren. Dadurch soll der Energie- und CO2-Fussabdruck der Getränke um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Doch funktioniert das Konzept und spricht es durstige Menschen an? Im Zuge des Projekts dient die ZHAW als Reallabor, um die Akzeptanz und Nutzung des Automaten zu testen. Der Automat steht im Hauptgebäude der School of Management and Law.
Emotionen statt Emissionen
In ihrer Bachelorarbeit hat Lotta Widmer die Winterthurer Musikfestwochen im Bereich der sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit untersucht. Aus ihrer Analyse folgerte sie einen Aktionsplan mit über 70 Massnahmen, die seitdem schrittweise umgesetzt werden. In diesem Fall ist nicht die ZHAW, sondern das Festival zum Reallabor geworden. Die Erkenntnisse können künftig richtungsweisend für andere Veranstaltungen sein. Für ihre hervorragende Arbeit wurde Lotta Widmer am Swiss Green Economy Symposium 2022 mit dem SDG Award ausgezeichnet.
Du bist, was du isst
Gehen Mitarbeitende und Studierende lieber woanders essen, wenn die Mensa weniger Fleisch und mehr vegane Menus im Angebot hat? Das Reallabor Farm to Table im Toni-Areal zeigt, dass offenbar gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Während des vierwöchigen Versuchs stellte die Gastronomiebetreiberin ZFV in Zusammenarbeit mit der ZHAW und der ZHdK die Mittagsmenus auf dem Campus Toni-Areal um. Auf die Gäste warteten vier Themenwochen mit Fokus auf nachhaltiger und saisonaler Ernährung. Noch ist die Auswertung nicht im Detail abgeschlossen, aber die ersten Eindrücke zeigen bereits, dass die Emissionen drastisch reduziert werden konnten. Die Zahl der Mittagsgäste sowie deren Zufriedenheit mit dem Angebot ist hingegen während des Projekts konstant geblieben.
Wissen, was Wirkung zeigt
Dass gerade über das Thema Ernährung viele Personen für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden können, weiss auch Evelyn Lobsiger-Kägi, Co-Teamleiterin «Energy Behaviour» am Institut für Nachhaltige Entwicklung. Sie erforscht seit Jahren, wie eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit in der konkreten Umsetzung in Haushalten, Siedlungen oder ganzen Stadtteilen gelingen kann. «In Reallaboren erforschen wir, welche Ansätze tatsächlich eine Wirkung haben und wie sich solche Ansätze in anderen Kontexten skalieren lassen.» Eine systematische Beobachtung und Begleitung durch die Forschung kann dabei helfen, aus den Initiativen zu lernen, andernorts Ähnliches anzustossen und somit eine breitere Wirkung zu entfalten. Gemeinsam mit anderen Reallabor-Forschenden hat sie das Buch «Interventionen in Reallaboren: ein Handbuch für die Praxis» herausgegeben.
Text: Matthias Kleefoot