Arbeitszufriedenheit – die grosse Herausforderung

Wie oft werden wir gefragt: “Und, was arbeitest du”? Dabei wird in erster Linie wohl weniger nach den Interessen und Kompetenzen gefragt, sondern viel mehr gemeint: Bist du für die Gesellschaft nützlich? Die Arbeit bestimmt unseren sozialen Stellenwert – ich arbeite, also bin ich. Hat in diesem verordneten Tun eine erfüllende und erstrebenswerte Tätigkeit überhaupt eine Chance, sich zur Zufriedenheit des Einzelnen zu entwickeln?

Von Susanna Borner, Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie

Arbeit hat verschiedene psychosoziale Funktionen. Das merken wir spätestens dann, wenn wir über einen längeren Zeitraum nicht mehr im Arbeitsprozess stehen. Zum Beispiel ermöglicht die Arbeit uns Aktivität, das heisst wir erwerben durch kognitive und soziale Aufgaben neue Fähigkeiten und Erkenntnisse. Arbeit passiert meist in einem strukturierten Zeitablauf und gibt uns einen Rahmen im Alltag. In der Arbeitslosigkeit müssen wir uns darum selbst kümmern und geeignete Aufgaben finden, welche uns Strukturen geben. Eine andere wichtige Funktion ist die der Kooperation und Kontaktmöglichkeit, welche in der Zusammenarbeit mit anderen trainiert wird. Aufgrund von Leistungserbringung und Mitarbeit erhalten wir soziale Anerkennung, weil wir mit unserer Arbeit einen nützlichen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Und schliesslich ist das Ausfüllen einer Berufsrolle ein wichtiger Aspekt in der Bildung und Entwicklung der persönlichen Identität. Arbeit ist also nicht nur eine Last für den Menschen, sondern hilft ihm, sich im Alltag in die Gesellschaft zu integrieren und eigene persönliche Motive zu befriedigen. So könnte eine speziell herausfordernde Aufgabe für eine ehrgeizige Person ihr Leistungsmotiv abdecken. Ein Anderer schätzt die Teamarbeit so sehr, dass die Wertschätzung und Anerkennung in der Zusammenarbeit sein Anschlussmotiv erfüllt. Die Arbeitszufriedenheit kann also auch bei langweiligen Tätigkeiten durchaus positiv ausfallen. Für eine ehrgeizige Person hingegen, wären fehlende inhaltliche Anreize ein Grund, die Stelle zu künden.

Sinnstiftender Inhalt – Motivation für Freude an der Arbeit

Grundsätzlich sollte Arbeit das Interesse einer Person wecken, den Einsatz und die Weiterentwicklung von Wissen ermöglichen, die Kooperation und Kommunikation mit anderen stärken und die psychische wie physische Gesundheit nicht beeinträchtigen. Der Wunsch nach einer sinnerfüllenden Aufgabe, welche mit persönlichem wie gesellschaftlichem Nutzen einhergeht, steht immer wieder im Zentrum einer Laufbahnberatung. So individuell wie Menschen ihre Bedürfnisse wahrnehmen und sich Ziele setzen, so subjektiv wird Arbeit in ihren Möglichkeiten und Begrenzungen wahrgenommen.

Ein Beispiel: Oliver H., Jurist, 42 Jahre alt, erschien bei mir zu einem Erstgespräch. Er war enttäuscht und verärgert über seinen Arbeitgeber. Was war passiert? Oliver H. hatte vor 10 Jahren eine Stelle in einem mittelgrossen Produktionsbetrieb angenommen, mit der Aussicht, sich in den folgenden Jahren auf die Leitungsstelle des Bereiches vorzubereiten. Die Arbeit entsprach seiner Motivation, später Verantwortung zu übernehmen und mehr Gestaltungsspielraum in der Struktur der Arbeit vorzufinden. Dann wurde aber ein jüngerer Jurist eingestellt, welcher diese Leitungsaufgabe in absehbarer Zeit übernehmen sollte. Oliver H. fühlte sich übergangen und konnte diesen Entscheid in keiner Weise nachvollziehen. Es war klar, dass er sich eine neue Aufgabe suchen wollte. Im Prozess der Laufbahnberatung haben sich seine Arbeitsmotive verändert, nicht zuletzt weil er in dieser Zeit Vater wurde. Heute möchte er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und in einem Betrieb arbeiten, der sich besser mit einer umweltverträglichen Lebensführung verbinden lässt. Er strebt einen Branchenwechsel an und will sich für eine spätere Selbständigkeit mit Engagements in sozialen Netzwerken vorbereiten. Oliver H. hat deutlich erkannt, dass seine Arbeitszufriedenheit weniger von dem Karriereschritt “Führungsjob” abhängt, als früher.

In der Laufbahnberatung ist es wichtig, den Blick mehr auf intrinsische als auf extrinsische Motivation zu lenken, also auf den Inhalt und die Gestaltung einer Arbeitsaufgabe. Bei der intrinsischen Motivation geht mehr darum, wofür eine Arbeitsaufgabe wichtig ist, welches Ziel die Firma damit verfolgt und wie nachvollziehbar dies für die Mitarbeitenden ist. Die extrinsische Motivation stellt äussere Anreize wie einen Bonus oder einen eigenen Geschäftswagen in den Vordergrund. Die Arbeitszufriedenheit und so auch die Sinnerfüllung im eigenen Tun finden aber nachhaltig in der intrinsischen Motivation mehr Rückhalt.

Arbeitszufriedenheit in der Schweiz

Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer ist für ein Unternehmen bedeutsam, weil sie eine wichtige Voraussetzungen für hohe Leistungsbereitschaft und Engagement sicherstellt. Gerade in sich rasch verändernden Wirtschaftswelten ist die Basis von Vertrauen und Loyalität gefragt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Ergebnisse des Schweizer HR-Barometers 2014 zeigen, dass 81 Prozent der Befragten mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Dabei wird der grosse Handlungsspielraum positiv gewertet, gleichzeitig hingegen Arbeitstempo und Termindruck negativ – und genau diese beiden letzteren Faktoren haben sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Die zunehmende Arbeitsbelastung bereitet den Arbeitnehmern Sorge. Die Kombination von niedriger intrinsischer Motivation, also mangelndem sinnstiftendem Inhalt, bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung ist der erste Schritt hin zu einem Burnout. Deshalb wird das Thema Burnout Gegenstand meines nächsten Beitrags sein.


Susanne Borner_3517_Zur Autorin
Susanna Borner ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Nach ihrem Psychologiestudium an der Universität Zürich absolvierte sie verschiedene Nachdiplomstudien in Systemischer Familien- und Paartherapie, Personalmanagement sowie Berufs- und Laufbahnberatung. An der ZHAW leitet sie den MAS Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung und arbeitet als Coach mit Menschen, die sich weiterentwickeln möchten.


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