Der Kopf ist voll und die To-do-Liste endlos. Viele von uns tragen eine unsichtbare Last, die unser Wohlbefinden und unsere Beziehungen beeinträchtigen kann: den Mental Load. Wir fragen uns, warum diese mentale Last trotz Strategien und guter Vorsätze nicht abnimmt. Liegt es an mangelnder Disziplin? Meistens nicht. Oft spielen Lebensphasen, gesundheitliche Herausforderungen oder finanzielle Sorgen eine entscheidende Rolle und machen Veränderungen schwieriger, als sie auf den ersten Blick erscheinen.
Autorin: Filomena Sabatella

Wer von uns hat nicht schon etliche Methoden ausprobiert, um den eigenen Mental Load zu reduzieren? Viele fühlen sich schuldig oder als würden sie scheitern, wenn es ihnen nicht gelingt, alte Muster zu durchbrechen und nachhaltige Veränderungen umzusetzen.
Auch wenn uns bewusst ist, dass der Mental Load zu gross ist und uns belastet, ist es sehr anspruchsvoll, langfristig etwas an der eigenen Situation zu verändern. Das liegt unter anderem daran, dass sich Verhaltensmuster über Jahre hinweg verfestigt haben und familiäre oder berufliche Dynamiken schon lange bestehen. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt für Veränderungen nicht immer ideal ist.
Es gibt Faktoren, die Mental Load verstärken können. Dadurch steigt zwar der Wunsch nach Veränderung, gleichzeitig wird deren Umsetzung jedoch erschwert.
- Die «Rushhour des Lebens»
Die Lebensphase zwischen etwa 30 und 45 Jahren wird häufig als Rushhour des Lebens bezeichnet. In dieser Zeit fallen viele zentrale Lebensereignisse zusammen: beruflicher Aufstieg, Familiengründung, wachsende Verantwortung im Job oder im privaten Umfeld. Gleichzeitig benötigen die eigenen Eltern möglicherweise mehr Unterstützung oder Pflege. Diese Verdichtung kann den Mental Load deutlich erhöhen und es schwieriger machen, den Energieaufwand für Veränderungen aufzubringen. - Gesundheitliche Herausforderungen
Hierbei geht es nicht nur um eigene gesundheitliche Themen, sondern auch um jene von Familienmitgliedern. Wird jemand im nahen Umfeld krank, steigt der organisatorische und emotionale Aufwand automatisch. Auch persönliche gesundheitliche Veränderungen, etwa die Perimenopause mit Symptomen wie Vergesslichkeit oder Erschöpfung, können zu zusätzlicher Belastung führen. - Finanzielle Sorgen
Finanzielle Unsicherheiten wirken oft dauerhaft belastend. Sie erzeugen Grübeln, Zukunftsangst und ein Gefühl der Ohnmacht. Fragen wie «Reicht das Geld für die Miete?» oder «Wie bezahle ich die nächste Rechnung?» begleiten Betroffene häufig durch den Alltag und lassen sich kaum ausblenden. Diese permanente gedankliche Beanspruchung kann Schlafprobleme, Ängste und chronischen Stress verstärken. - Zusätzliche Belastungsspitzen
Nicht immer sind es die grossen Lebensereignisse, die Mental Load erhöhen. Auch wiederkehrende Phasen wie die Vorweihnachtszeit können kurzfristig zu einer deutlichen Steigerung des inneren Drucks führen.
Was kann helfen?
Es gibt wirksame Strategien, um Mental Load zu reduzieren. Ein erster, wichtiger Schritt kann das sichtbar machen der mentalen Belastung sein, zum Beispiel mit dem Fragebogen von Equal care. Auch können Aufgaben klarer verteilt, priorisiert oder delegiert werden oder feste Verantwortungsbereiche festgelegt werden. Wenn diese Massnahmen jedoch wenig Wirkung zeigen, lohnt sich ein Blick auf die Lebensumstände: Befindet man sich gerade in einer besonders anspruchsvollen Phase? Gibt es äussere Faktoren, die Veränderungen erschweren? Diese Reflexion dient dazu, realistisch einschätzen zu können, was im Moment hilfreich ist und welche Methoden gegebenenfalls angepasst werden müssen, damit sie tatsächlich funktionieren.
Was ist Mental Load?
Der Begriff «Mental Load» stammt ursprünglich aus dem Arbeitskontext, man versteht darunter die Planung, Organisation, Koordinierung und das Management alltäglicher Arbeiten und Pflichten. Bei Eltern, aber auch bei Arbeitnehmenden, spiegelt sich zudem die Sorge über ihre Fähigkeit wider, den Tag effizient und zeitgerecht zu bewältigen.
Es handelt sich um einen mentalen Plan, der dabei hilft, tägliche Aktivitäten zu bewältigen, die geistige Anstrengung erfordern, wie z. B. die Vorbereitung auf Besprechungen bei der Arbeit, das Organisieren von Fahrgemeinschaften für die Kinder, die Planung von Terminen oder die Einhaltung von Fristen am Arbeitsplatz.
Hilfestellung bietet auch ein Kartenset «Der ständige Stress im Kopf – Mental Load erkennen und reduzieren», das von Filomena Sabatella und Isabel Willemse vom ZHAW Departement Angewandte Psychologie entwickelt wurde. Sie verwenden und empfehlen es für Beratung und Therapie, es kann aber auch individuell verwendet werden. Das Set enthält 77 Karten, aufgeteilt in sieben Module, sowie ein Booklet mit unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten. Ziel ist, die Ursachen mentaler Belastung zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um den Stress im Kopf zu reduzieren. Die Karten sind nach Themengebieten wie «Emotional Load» oder «Konkrete Aufgaben» aufgeteilt und zeigen so klar auf, was alles zum Mental Load gehört.
Das Kartenset kann beim Beltz-Verlag bezogen werden.
Bild: Aus dem Kartenset.
Weitere Informationen:
- Psychologie konkret – IAP Podcast auf Spotify: Mental Load: Wenn das Gedankenkarussell nie stoppt
- Mental Load: Interview im ZHAW-Magazin Impact mit F. Sabatella und S. Willemse
- Buchtipps zum Thema Mental Load
- Podcast mit F. Sabatella von «mal ehrlich»
- Webseite F. Sabatella zum Thema Mental Load

Dr. Filomena Sabatella ist Dozentin und Co-Leiterin der Fachgruppe Klinische Psychologie im Kindes- und Jugendalter am Departement Angewandte Psychologie der ZHAW. Daneben leitet sie Forschungsprojekte zu Mental Load und lässt wissenschaftliche Erkenntnisse direkt in ihre Workshops und Vorträge einfliessen.
