Virtuelle Assessments: Segen der Technik oder unpersönliches Abfragen?

Als die Massnahmen zur Eindämmung von Covid-19 immer restriktiver wurden, musste man sich auch im Bereich der Management-Diagnostik umstellen. So bekamen sogenannte Remote-Assessments eine ganz andere Bedeutung.

Text: Kathrin Fink
Bild: Pixabay


Assessments sind seit einigen Jahrzehnten fester Bestandteil der Personalselektion, vor allem auf Kaderebene. Durch Interviews, Intelligenz- und Persönlichkeitstests, Fallstudien und Rollenspiele möchten die Assessoren/-innen herausfinden, wie gut der Kandidat oder die Kandidatin auf das betreffende Job-Profil passt.

Viele Assessment-Methoden basieren auf einer intensiven Interaktion mit den Kandidaten. Real, vor Ort, eins zu eins. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie ist allerdings genau das zum Problem geworden und die Assessoren/-innen waren gezwungen, vermehrt Online-Settings anzuwenden.

Komplette Online-Assessments sind zwar möglich, werden aber in der Praxis sehr spezifisch eingesetzt. «Vorabklärungen eigenen sich zum Beispiel gut, um sie online durchzuführen», sagt Maja Goedertier Spezialistin im Bereich Assessments am IAP Institut für Angewandte Psychologie. So wird der Kandidat aufgefordert, im Voraus Fragen per Online-Test zu beantworten, die Ergebnisse fliessen dann in das Präsenz-Assessment mit ein.

Was in der Corona-Zeit beliebter geworden ist, sind sogenannte Remote-Assessments. Also Verfahren die aus einem virtuellen und einem Präsenz-Teil bestehen. Auch das IAP wendet diese Methode an.
Um die Distanzregeln einzuhalten, sitzt etwa ein Assessor vor Ort beim Kandidaten und der zweite ist online über ein Video-Kommunikations-Tool zugeschaltet. So können beide mit dem Kandidaten interagieren und gewinnen, genau wie bei einem Assessment vor Ort, einen differenzierten Eindruck. Bei dieser Variante können auch Rollenspiele und Präsentationen durchgeführt werden.

Wie hoch ist die Akzeptanz von Online-Tools?

Die Forschung stellt allerdings fest, dass es gerade beim Remote-Modus sehr darauf ankommt, wie hoch die Akzeptanz des Online-Tools bei einem Kandidaten ist und wie versiert er oder sie damit umgeht. «Wenn jemand überhaupt nichts mit einem Onine-Kommunikations-Programm anfangen kann, beeinflusst das natürlich das Ergebnis des Assessments», erklärt Maja Goedertier. Eine Beobachtung ist, dass jüngere Kandidaten sich von solchen Verfahren weniger verunsichern lassen als ältere.

Dieser Einfluss ist auch klar einer der Nachteile von Online- oder Remote-Assessments. Weitere sind das Nicht-Funktionieren der Technik, Datenschutz-Fragen und eine ungewollte Verbreitung des Aufgabenmaterials.

Als Vorteile sind die zeitliche und örtliche Flexibilität zu nennen, das Image einer Unternehmung, die so ihr «Employer Branding» stärkt sowie die niedrigeren Kosten. Professionalisierung im «Employer Branding» und Fairness in der Personalauswahl beeinflussen sich gegenseitig positiv und erhöhen damit die Arbeitgeberattraktivität. Weitere Vorteile sind die Steigerung der Effizienz und die Einhaltung von Qualitätsstandards.

Allerdings ist allen Beteiligten klar, dass in Bezug auf Verhaltensbeobachtungen und allen Aufgabenstellungen, die mit menschlicher Interaktion zu tun haben, die Remote-Varianten den «echten», vor Ort Assessments nicht das Wasser reichen können.

Die Remote-Assessments bleiben mit Sicherheit immer eine Ausweich-Möglichkeit für Umstände, bei denen nicht alle Involvierten zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein können.

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