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Ein Blog der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

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In der Arbeitswelt 4.0 geht es nicht um das Sein, sondern um das Tun

Posted on 19. Januar 2018 by Redaktion

Am 30. Januar geht es an der Fachveranstaltung «IAP Kompakt» um Digitalisierung und den Menschen in der Arbeitswelt 4.0. Dabei werden aus arbeitspsychologischer Sicht vor allem die Veränderungen und die Folgen für die Gesundheit unter die Lupe genommen.

Interview mit Birgit Werkmann-Karcher, Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie

Birgit Werkmann-Karcher, Sie sprechen am nächsten «IAP Kompakt» über den Menschen in der Arbeitswelt 4.0. Welches Thema treibt die Leute am Arbeitsplatz am stärksten um?
Das kommt auf die Perspektive an: Wenn man aus der breiten Konsumentensicht auf die Digitalisierung schaut, ist da oft erst einmal die Faszination der vielfältigen Möglichkeiten, all der Spielereien, der Apps. Auch der Umgang mit Geräten und der Zugang zu Inhalten, die sich einem schnell und einfach erschliessen, zieht viele in Bann. Wir am IAP schauen aber vorwiegend aus der Sicht von Organisationen und Arbeitnehmenden auf die Digitalisierung. Die Mitarbeitenden beschäftigt, ganz praktisch betrachtet, der Umgang mit digitalen Tools – kann ich das, wie organisiere ich mich? Auch die dadurch veränderten Arbeitsprozesse und Rollen werfen Fragen auf. Ausserdem beschäftigen sie die neuen Möglichkeiten des «working anywhere» und eben auch «anytime». Im Zusammenhang mit Digitalisierung und dem Aufkommen der Künstlichen Intelligenz geht es auch um die Frage, wie sich das eigene Berufsbild entwickeln wird. Was wird gleich bleiben? Was wird anders werden? Wird es das Berufsbild in naher Zukunft überhaupt noch geben? So weit denkt vielleicht noch nicht jeder, aber am Ende mündet es in die Frage: Wird es für mich noch Jobs geben?

Wenn man die Veränderungen für ein spezifisches Berufsbild noch nicht genau einschätzen kann, kann man sich dann überhaupt fit machen für die Zukunft?
Davon gehen wir aus. Aber dazu muss man die traditionellen Vorstellungen von Laufbahnentwicklung ein wenig loslassen und umdenken. Es ist ein alter Hut, dass es die lebenslange Beschäftigung nicht mehr als Normalfall geben wird. Während eine lebenslange Anstellung mit klar definierten Aufstiegs- und Entwicklungschancen innerhalb der Firma früher das gängige Modell war, gibt es heute viele Modelle. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, die Arbeitsinhalte zu wechseln, sich neu auszurichten, sich zu entwickeln. Man kann innerhalb des bestehenden Jobs die Arbeitsinhalte verändern, neue dazu nehmen, andere eher weglassen, mit anderen Menschen stärker in Austausch kommen und neue Ideen verfolgen, also «Job Crafting» betreiben. Und wenn in diesem Job nichts mehr zu lernen ist, stellt sich viel schneller die Frage: «Wie gehe ich weiter zum nächsten Job, wie kann ich meine Kompetenzen gut darstellen und verkaufen, und wie kann ich sie stetig erweitern?». Wichtig ist, tatsächlich Spass zu haben am Lernen neuer Dinge und dafür offen zu sein. Es gilt zu verstehen, dass Lernen nie vorbei sein wird, und diese Erkenntnis positiv zu besetzen. Im Moment wird sehr viel davon gesprochen, dass wir im Alltag extrem viel Wertvolles lernen, also informell lernen. Das tun wir vor allem dann, wenn wir Gelegenheiten erkennen, etwas abzuschauen, jemanden zu fragen, der etwas kann, das man selbst nicht kann; wenn wir etwas anders machen, neu machen. Wichtig ist auch, eine gute Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu haben oder sie zu entwickeln, also die Überzeugung, dass man selber etwas erreichen kann, wenn man es möchte. Das liegt zu guten Teilen auch in der eigenen Hand. Das heisst also, man kann sich fit machen. Aber es wird mehr als zuvor ein sich-immer-wieder-neu-fit-machen sein. Die Zielsetzungen wie «Ich möchte einmal Friseur oder Architekt werden, und das bin und bleibe ich dann, das definiert mich dann» gehören immer mehr der Vergangenheit an. Vielmehr geht es in der Arbeitswelt 4.0 um eine kurzfristigere Perspektive – darum, was man als nächstes tun möchte. Es wird weniger um das professionelle «Sein» gehen, sondern um das «Tun».

Am «IAP Kompakt» legen Sie und ihr Kollege Urs Blum den Fokus auf die Folgen der neuen Arbeitswelt für die Gesundheit. Viele Menschen fühlen sich getrieben und fremdgesteuert durch die digitalen Medien und die ständige Erreichbarkeit…
Das ist eine Diskrepanz, die sich nicht nur in der «Arbeitswelt 4.0» zeigt, sondern generell in der «Welt 4.0». Wenn man die Arbeitswelt anschaut, sieht man einerseits, dass die direkte Steuerung von Mitarbeitenden runtergefahren wird. Der Chef steht also nicht mehr ständig neben deinem Schreibtisch und kontrolliert, was du gerade machst. Andererseits wird durch die Informatisierung die indirekte Steuerung hochgefahren. Darunter versteht man die Steuerung von menschlichem Verhalten über Systeme, die dazu da sind, Daten zu erfassen. Das ist auch schon nicht mehr so neu, aber wir werden uns der Auswirkungen immer bewusster. In der indirekten Steuerung wird zum Beispiel ausgewertet, für welchen Mausklick ich wie lange gebraucht habe, wie viel Output ich täglich schaffe, wann ich Pausen mache und wann sich die Maus gar nicht mehr bewegt. Die Möglichkeiten dieser Art von Steuerung steigt exponentiell. Und auch wenn nicht überall alles getrackt wird: Wir werden bis auf breiteste Mitarbeitendenebene mit Ergebniszahlen und Effizienzinformationen versorgt, so dass wir selber rechnen können, ob wir uns lohnen. Wenn man so schnelle und direkte Rückmeldungen aus den Daten bekommt, neigt man auch dazu, sich selbst zu optimieren. Wo gemessen wird, gibt es immer einen Benchmark. Dabei kann es dann zu Korrekturen im Selbstmanagement kommen, die nicht gesund sind, und die über eine Selbstoptimierung hinaus in eine Selbstausbeutung übergehen. Aber das ist eben nicht nur ein Thema der Arbeitswelt 4.0. Wir kennen diese Selbstoptimierung auch aus der Welt 4.0. Das beste Beispiel dafür ist das Fitnessarmband, das dich mit einer Menge von Informationen über deine Körperfunktionen und dein Gesundheitsverhalten versorgt, damit du dich optimieren kannst. In der Dimension Gesundheit beinhaltet die Arbeitswelt 4.0 also potentiell förderliche und potentiell schädigende Seiten. Am IAP Kompakt werden wir anhand von Beispielen die Veränderungen unserer neuen Arbeitswelt aufzeigen und sie aus arbeitspsychologischer Sicht beleuchten.

Birgit Werkmann-Karcher ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Sie leitet den Bereich Human Resources, Development & Sportpsychologie und ist auf Arbeitswelt 4.0, die Entwicklung von Teams und HR-Beratung spezialisiert.

 


IAP Kompakt – Wie Psychologie im Alltag wirkt
In der Event-Reihe IAP Kompakt erhalten Teilnehmende Einblick in die spannende Welt der Psychologie und erfahren, wie psychologische Phänomene unseren Alltag (mit)bestimmen. Psychologinnen und Psychologen erzählen aus ihrem Fachgebiet und zeigen, wie sich die Vielfalt der Psychologie im erweiterten Berufs- und Lebensalltag von Menschen widerspiegelt.

30.01.2018 «Arbeitswelt 4.0 – Folgen der Digitalisierung für Menschen, Organisationen und die Gesundheit» Birgit Werkmann-Karcher & Urs Blum
27.02.2018 «In Kontakt mit anderen Kulturen – wie wir Nähe schaffen und Stereotypisierungen verhindern können» Stefanie Neumann
27.03.2018 «Soziale Medien – was sie zu unserem Wohlbefinden oder Unglück beitragen können» Prof. Dr. Daniel Süss

 

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