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„Fratelli“ – Auf der Suche nach menschlicher Verbindung

Posted on 23. Oktober 2017 by Redaktion

Diesen Herbst verabschiedete das Junge Schauspielhaus nach 66 Aufführungen die atemberaubende Inszenierung von Regisseur Antonio Viganòs „Fratelli“. Im Anschluss an eine der letzten Vorstellungen wurde die Psychologin Anna Sieber-Ratti zur anschliessenden Diskussion mit den Schauspielern und dem Publikum eingeladen.

Text: Joy Bolli, Redaktion ZHAW Angewandte Psychologie
Bilder: Raphael Hadad, Fotograf 

„Fratelli“ – Brüder. In diesen einfachen Titel hüllte Autor Carmelo Samonà in den 1970er-Jahren seine Erfahrungen als Vater eines autistischen Kindes. Im Stück beschreibt er das Zusammenleben zweier Brüder. Während der eine Bruder autistische Züge hat und in seiner eigenen Welt lebt, bemüht sich der andere Bruder darum, das Leben für beide zu meistern. Anfangs erlebt man ihn als einfühlsam. Er versucht nicht nur, den Alltag seines kranken Bruders zu erleichtern, sondern fordert sich selbst immer wieder heraus, den Bruder und dessen Welt zu verstehen, eine Logik in seinen Handlungen zu finden und kommunikativ zu ihm durchzudringen. Was zu Beginn herzerwärmend anmutet, entpuppt sich bald als herzzerreissender Konflikt. Ist es nur der Versuch, den Bruder zu verstehen oder geht es auch darum, ihm die eigene Sicht auf die Welt aufzuzwingen? Geht es nur darum, den anderen sprachlich zu erfassen, oder darum, ihn durch die eigene Sprache in neue Fesseln zu legen? Und ist die totale Fokussierung auf den kranken Bruder Aufopferung oder verbirgt sich dahinter Egoismus? Im Zuschauer keimt die Frage auf, wo die Liebe endet und die Unterdrückung beginnt.

Der autistische Bruder (Fabian Müller) auf der Bühne.

Fabian Müller in „Fratelli“ (Bild: Raphael Hadad)

Wenn Sprache an ihre Grenzen kommt

Antonio Viganòs Inszenierung des Stückes birgt eine tiefe Sensibilität für die menschliche Beziehung. Es geht nicht nur um das Leben mit Autismus. Es geht vielmehr um das Verständnis des Menschseins selbst, um Erwartungen an eine gewünschte „Norm“ und um die Erkenntnis der allgemeinen Andersartigkeit eines jeden. Um die emotionalen Aspekte genauer zu beleuchten, lud das Junge Schauspielhaus im Anschluss an eine der letzten Vorstellungen die Psychologin Anna Sieber-Ratti zu einer Diskussionsrunde mit den Schauspielern Silvan Kappeler und Fabian Müller, der Dramaturgin und Leiterin des Jungen Schauspielhauses Petra Fischer und dem Publikum ein. In ihrer Eröffnung spannte die Psychologin den Themenschirm weit auf und setzte die Problematik der erschwerten Kommunikation mit psychisch kranken Menschen in Relation zur Sprache zwischen Menschen allgemein: „Worte sind nur ein kleiner, wenn auch wichtiger, Teil unseres Sprachvermögens. Der grösste Teil unserer Kommunikation funktioniert jedoch über unsere Körpersprache“, erklärt sie. Und hier liegt die erste und vielleicht bedeutendste Diskrepanz zwischen dem „gesunden“ und dem „kranken“ Bruder. Bereits in der Eröffnung des Stücks, versucht der sorgende Bruder, die Gedanken des Autisten durch rein körperliche Nachahmung zu erfassen. Sein Körper, sein Blick, seine Gesten – in allem versucht er, die innere Logik seines Bruders nachzuvollziehen. Er sucht dessen gedankliche Sprachwelt zu erfassen, in Worte seiner eigenen Sprachnorm zu übersetzen. Er schreibt sie auf, ordnet sie. Doch so sehr er sich bemüht: Weder in der körperlichen noch in der verbalen Sprachwelt dringt er zum anderen durch.

Laut Anna Sieber-Ratti kennen wir alle Situationen von erschwerter oder missglückter Kommunikation. Wer hat sich nicht schon einmal mit einer Freundin oder einem Freund an einem Ort verabredet und wartete dann an der falschen Ecke? „In jeder Beziehung gehen wir davon aus, dass unser Gegenüber uns so versteht wie wir uns selbst“, erklärt die Psychologin. „Wenn wir nicht merken, dass es ein Missverständnis gibt, kann es zu Auseinandersetzungen und sogar zu handfesten Streitigkeiten kommen. In den meisten Fällen geht es dabei um ein Missverstehen, das wir selbst nicht als solches zu enttarnen vermögen“. Und oft, so bestätigen die Stimmen aus dem Publikum, kommt man mit Worten auch einfach an Grenzen. Speziell Kinder und ältere Leute kommen unter Druck, wenn sie den richtigen Ausdruck nicht finden oder bestimmte Gefühle nicht beschreiben können. Auch die missglückte Kommunikation zwischen Eltern und (pubertierenden) Kindern ist ein alltägliches Phänomen. Da kann eine unachtsame Bemerkung zu lebenslangen Narben führen. Und nicht zuletzt berichten einzelne Zuschauer im Publikum über ihre Erfahrungen mit Demenz-Patienten, wo die Kommunikation in ganz bestimmten Formen ablaufen muss, so sie denn überhaupt eine Chance haben soll, beim anderen anzukommen. «Die Kunst erlaubt es uns, auf unsere eigene Beschränktheit aufmerksam zu werden», meint Anna Sieber-Ratti. «Alle Wesen unterliegen bestimmten Beschränkungen und da, wo Sprache an ihre Grenzen kommt, wird sie oft mit Gewalt überwunden». So kommt es auch auf der Bühne zum Gewaltausbruch.

Szene auf der Bühne: Der autistische Bruder (Fabian Müller) hängt am Bein des gesunden Bruders (Silvan Kappeler).

Silvan Kappeler und Fabian Müller in „Fratelli“ nach Carmelo Samonà (Bild: Raphael Hadad)

Loslassen gehört zur Liebe

Während Regisseur Antonio Viganò die Zuschauer langsam in den Strudel der Emotionen hineinsaugt, wird klar, dass der Wunsch nach Verbindung an dem Punkt enden muss, an dem die Liebe die Freiheit in die Enge treibt. Das Spiel mit den Worten wird zur Jagd zwischen Holzkisten und Kronleuchtern, zur Zerreissprobe zwischen eingepferchten Denkmustern und Quellen des Lichts. Die Aufopferung des sorgenden Bruders weicht der Erschöpfung und die Grenzen zwischen Gesundheit und (selbstverschuldeter) Krankheit werden spürbar. So kann nicht ausbleiben, dass sich der Körper irgendwann gewaltsam Luft macht. Der unerwartete Gewaltausbruch des Fürsorgers gegen den autistischen Bruder ist einer der Glanzpunkte der Aufführung, der das zwischen Verständnis und Betroffenheit hin und her gerissene Publikum tief berührt. Die grausame Kraft, die aus dem Nichts zu kommen scheint, die Hilflosigkeit jenseits der Worte, die traurige Wahrheit der Unvollständigkeit des Seins und die Einsicht, dass in der Grenze des Machbaren unsere eigene Ohnmacht liegt. „Gefühle von Schuld, Scham, Angst, Wut, bis hin zur Gewalt; das ist ein Teufelskreis, den wir nicht nur in der Psychotherapie beobachten können“, erklärt Anns Sieber-Ratti. „Sie spiegelt sich auf allen Ebenen und in allen Dimensionen unserer Gesellschaft: im Kreis der Familie, in der Arbeitswelt und sogar in der Politik.“

Der gesunde Bruder (Silvan Kappeler) legt sich neben den kranken (Fabian Müller)

Silvan Kappeler und Fabian Müller in „Fratelli“ nach Carmelo Samonà (Bild: Raphael Hadad)

Nach einem komplexen Bogen um die Kommunikation zwischen zwei Menschen schliesst das Stück mit einer wortlosen Szene: Der gesunde Bruder bettet sich neben den kranken. Er misst den Körper seines ruhenden Bruders im Detail aus, positioniert seinen eigenen Körper exakt in dessen Position und schliesst – nachdem er sich in seelischer Einsamkeit isoliert und sein Denken über Jahre einer autistischen Welt angepasst hat – am Ende auch seinen Körper in die Form des Bruders ein. Ob es der Sieg des Verständnisses in wortloser Hingabe ist oder das letzte Opfer, das ein Mensch einem anderen bringen kann, bleibt offen. Das Publikum ist sich aber einig: Sowohl in der Liebe zu Partnern und Kindern, als auch in der Pflege von bedürftigen Menschen ist das Loslassen und sich selbst nähren ein wichtiger Bestandteil, um selbst gesund zu bleiben. Die konstante Aufopferung bringt weder dem Bedürftigen noch dem Sorgenden auf Dauer Erleichterung. „Erschwerte oder gar missglückte Kommunikation kann dazu führen, dass wir in Annahmen geraten, die uns emotional enttäuschen“, führt die Psychologin aus. „Das beste Beispiel ist wohl die Enttäuschung in der Liebe. Man dachte, man hätte die Liebe des Lebens gefunden und steht sich am Ende vor dem Scheidungsrichter gegenüber, wo die Anwälte das Reden übernehmen müssen“.

Die beiden Brüder sitzen auf der Bühne, Rücken an Rücken lehnend, in liebevollem Gespräch miteinander.

Silvan Kappeler und Fabian Müller in „Fratelli“ nach Carmelo Samonà (Bild: Raphael Hadad)

Suche mich – immer wieder aufs Neue!

Auch die beiden Schauspieler loten die Palette der verbalen und der körperlichen Kommunikation auf der Bühne aus. Die Brüder erschöpfen sich in Sprachspielen, in der wiederkehrenden Rekapitulation von Pinocchios Geschichte, auf der Suche nach gemeinsamen sprachlichen Nennern, dem gemeinsamen Verstehen der Kindergeschichte. Doch während die Spiele für den einen Bruder eine immer dringlichere Suche nach dem Kern seines Gegenübers werden, bleiben sie für den anderen einfach nur Spiele, deren Regeln sich nach seinen Impulsen richten. So erstaunt es nicht, dass der hoffnungsvollste Moment jener ist, in dem die beiden Brüder glauben, sich in sprachlichem Verständnis gefunden zu haben. Nach unzähligen Repetitionen von Pinocchios Abenteuern erreichen beide den springenden Punkt: Pinocchio wird ein Mensch. In dieser Erkenntnis bleiben sie kurze Zeit verbunden – überglücklich. Doch während sich im einen Bruder die Erwartung breit macht, dass nun endlich eine gemeinsame Kommunikation stattfinden kann, entsteht im autistischen Bruder ein eigener Gedanke: „Und dann – dann wird Geppetto zur Holzpuppe!“ Die Freude über diesen neuen Gedanken ist ihm übers Gesicht geschrieben. Ein neuer Anfang, ein neues, noch ungeschriebenes Kapitel, ein eigener, kreativer Schritt in der ewigen Repetition einer alten, vorgegebenen Geschichte. Für den einen ist es ein Erfolgserlebnis. Für den anderen bricht die Hoffnung zusammen. Verzweifelt versucht er, den Bruder auf den gemeinsamen Nenner zurück zu holen: „Pinocchio wird ein Mensch!“ ruft er im zu und will ihn dazu bringen, den neuen Gedanken zu vergessen. Doch der Unverstandene antwortet jedes Mal: „Und Geppetto wird eine Holzpuppe!“ Was soll daran falsch sein? Die Fassungslosigkeit seines Bruders versteht er nicht. „Ich hatte dich doch gefunden“, klagt dieser. Und der Autist antwortet: „Suche mich.“ Seine Stimme kommt aus einer unbewussten Tiefe. Ein Missverständnis? Oder vielleicht die eigentliche Erkenntnis des erfolgreichen Zusammenlebens: Suche mich, erkenne mich – immer wieder aufs Neue! „Wir alle haben eine ‚Blackbox‘ in uns“, erzählt Anna Sieber-Ratti. “Wir werden niemals alles im Anderen verstehen und umgekehrt. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir uns in gewissen (extremen) Situationen sogar selbst überraschen können, weil wir nicht wussten, dass das, was da aus uns herauskommt, überhaupt in uns steckte“. So gern sich der Mensch der Illusion hingibt, er könne sich selbst oder andere finden: Allein in dieser Erwartung muss er scheitern – im Stück genauso wie im alltäglichen Leben. Wie oft hören wir im eigenen Umfeld: „Er ist einfach nicht mehr der Mann, den ich vor 20 Jahren kennengelernt habe.“ Oder: „Wir haben uns einfach auseinander gelebt.“ Das bleibt ein Selbstbetrug. Wer denkt, er könne stehen bleiben in dem Moment, in dem er einen anderen gefunden zu haben glaubt, der wird am Ende einsam sein. Und so verlassen die Zuschauer das Theater an diesem Abend mit der Einsicht, dass eine glückliche Beziehung vom Freiraum abhängt, den man sich selbst und anderen gibt, dass Hingabe auch darin besteht, den anderen so zu akzeptieren wie er ist (auch wenn man ihn oder sie nicht versteht), und dass man sein Gegenüber immer wieder mit neuen Augen anschauen muss, um zu erkennen, wie er oder sie sich verändert hat. Denn nichts bleibt, wie es ist. Auch wir selbst nicht.

Video-Trailer der Erstaufführung von „Fratelli“ nach Carmelo Samonà.


Anna Sieber-Ratti ist Dozentin, Supervisorin und Psychotherapeutin am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Nach ihrem Studium der klinischen Psychologie an der Universität Zürich machte sie ein Postgraduales Studium in psychoanalytischen Kurztherapien und spezialisierte sich unter anderem in Katathym Imaginativer Psychotherapie (KIP), Psychodynamisch imaginativer Traumatherapie (PITT) und Neuropsychologie. Ihr besonderes Interesse gilt den Zusammenhängen zwischen Mentalisierung, Kunst, Kreativität und Neuropsychologie in den psychotherapeutischen Prozessen. Am IAP begleitet sie als Psychotherapeutin sowohl Einzelpersonen, wie auch Paare in Krisensituationen.

 

 

 

 

 

Fabian Müller, Anna Sieber-Ratti und Silvan Kappeler im Gespräch mit dem Publikum (Bilder: Joy Bolli)


 

„Wenn du nie scheiterst, steckst du deine Ziele zu tief“

Posted on 12. Oktober 2017 by Redaktion

Daniel Albrecht wollte schon als Kind Ski-Weltmeister werden. Er erreichte alles, was er sich vorgenommen hatte – auch nach seinem lebensverändernden Unfall 2009. Im November erzählt er am IAP Dialog «Scheitern – und weiter?!», wie er sich ins Leben zurück gekämpft hat. Uns hat er im Interview verraten, warum es für ihn kein «Scheitern» gibt.

Daniel, du hast sehr früh mit dem Skirennsport begonnen. Wie bist du als junger Mensch mit Niederlagen umgegangen?

Als Kind war ich immer sauer, wenn es nicht zum Sieg gereicht hatte. Ich haderte mit mir und meiner Leistung und versuchte – wie die anderen auch – Fehler zu vermeiden und Schwächen zu verbessern. Ich hatte aber das Glück, dass mein Vater, selber Skibob-Weltmeister, mich regelmässig zu den Kinder- und Juniorenrennen begleitete. Er hat ein sehr ruhiges Wesen und wusste instinktiv, was er sagen musste, wenn ich mal wieder unzufrieden mit einem Resultat war. Statt zu schimpfen oder zu belehren, resümierte er: „Stimmt, es war nicht alles perfekt, aber grundsätzlich war das eine ganz gute Leistung.“ Mein Vater brachte mir das Wichtigste überhaupt bei, nämlich mit mir selbst zufrieden zu sein. „Konzentriere dich auf das, was du gut kannst, trainiere hart und gib dein Bestes“, wiederholte er immer wieder, „dann darfst du mit dir selbst zufrieden sein, egal was die Tabelle oder der Trainer sagt.“ Diese Einstellung hat mich bis an die Weltspitze getragen, auch wenn mich solche Aussagen als Kind richtig auf die Palme brachten.

Warum hast du dich darüber geärgert?

Weil ich enttäuscht von mir war und seine Bestätigung suchte, dass die Wut auf mich selbst gerechtfertigt war. Aber er war immer zufrieden mit mir. Kennst du das, wenn man so richtig sauer ist und das Gegenüber überhaupt nicht mitspielt? Als Kind hat es mich unglaublich geärgert, dass er immer so zufrieden war, obwohl es offensichtlich gute Gründe gab, es nicht zu sein. Im Nachhinein weiss ich, wie wichtig das für meine Entwicklung war. Ich habe bei Kollegen miterlebt, wie man sich fühlt, wenn man in solchen Momenten von der Bezugsperson harsch kritisiert wird. Es hiess dann: „Dieses hättest du besser machen sollen, jenes war Mist und sowieso hast du dir keine Mühe gegeben.“ Die negative Haltung der Eltern und Trainer hat auch auf die Kids abgefärbt, sie verloren zusehends ihre Motivation und konnten die notwendige Energie für das viele Training und die langen Reisen nicht mehr aufbringen. Sie hatten einfach keinen Spass mehr daran, weil sie ständig auf das schauten, was sie noch nicht konnten, auch wenn sie talentiert waren. Ständiges Negativ-Feedback lässt das Selbstvertrauen schwinden. Und die Fokussierung auf das, was noch nicht klappt, macht einen nicht besser, sondern vielmehr unglücklich.

Daniel Albrecht in Aktion beim Riesenslalom in Soelden 2008.  Albrecht gewinnt das Rennen. Foto: Sven Thomann

Heisst das, auf dem Weg zum Erfolg ist Lob besser als Kritik? Es geht weniger um Lob und Kritik. Es geht um intrinsische Motivation und Vertrauen in sich selbst. Bei Kindern kann man das gut beobachten. Eltern sagen oft: „Nein, da fährst du sicher nicht mit dem Fahrrad runter. Das ist viel zu steil, du könntest hinfallen, dich verletzen, das ist gefährlich.“ Dabei wird die eigene Unsicherheit oder Angst auf das Kind übertragen. Warum sagen wir nicht einfach: „Ja, genau das machen wir! Aber zuerst probieren wir es hier an diesem flacheren Hang.“ So sagt man nicht einfach „nein“. Man redet dem Kind keine Angst ein, sondern bestätigt seine Motivation und hilft ihm, den eigenen Entscheid und sich selbst besser einschätzen zu können, indem man es Schritt für Schritt heranführt. Dasselbe gilt für Erwachsene, für Büroangestellte, für Vorgesetzte, für Jugendliche und natürlich auch für Spitzensportler.

Wie wichtig ist es, Fehler zu analysieren, um weiterzukommen?

Natürlich musst du als Top-Sportler auch die eigenen Fehler erkennen und darüber mit anderen diskutieren können. Aber die Grundhaltung darf nicht negativ belastet sein. Es geht ja darum, die Dinge zu verbessern. Das sollte mit einer positiven Haltung angegangen werden. Mein Vater wusste das. Mit seiner positiven Herangehensweise hat er eigentlich nur erreicht, dass ich von mir aus mehr erreichen wollte und selbst Wege suchte, an mir zu arbeiten und das, was ich schon gut konnte weiter zu verbessern. Jeder hat Schwächen und macht Fehler, aber das, was einen Sportler an die Weltspitze bringt, sind seine Stärken. Daran sollte man immer denken, wenn man mit Leuten arbeitet, die hoch hinaus wollen.

Über deinen schlimmen Unfall und wie du dich zurück gekämpft hast, wirst du am IAP Dialog im Detail sprechen. Was mich fasziniert ist, dass du nur sechs Monate nachdem du ein schweres Schädelhirntrauma erlitten hattest und aus dem Koma aufgewacht bist, bereits wieder auf den Skiern standst. Wie hast du das gemacht?

Schon während der Sportlaufbahn sagte mir mein professionelles Umfeld, ich sei mental sehr stark. Nach meinem Unfall habe ich auch von meinen Ärzten immer wieder gehört, dass ich über eine aussergewöhnliche mentale Stärke verfüge. Aber keiner konnte mir sagen, was mentale Stärke ausmacht, worin ihr Wesen liegt, wie sie sich entwickelt und ob man sie erlernen kann oder ob sie quasi „in den Genen liegt“. Später habe ich die Ausbildung zum Mentaltrainer gemacht. Nicht, um als Mentaltrainer zu arbeiten, sondern vielmehr um herauszufinden, was mich mental stark gemacht hat. Ich wollte für mich selbst diese Antwort finden, wissen, warum ich über die notwendige mentale Widerstandsfähigkeit verfüge, die es mir möglich machte, nach meinem Unfall wieder zurück ins Leben zu finden.

Wie sieht „scheitern“ heute für dich aus? Woran „scheiterst“ du in deinem zweiten Leben als (Mental-)Trainer?

„Scheitern“ gibt es nicht. Ich sehe die schwierigen Momente als lehrreich oder positiv an. Das ist natürlich nicht immer so einfach, gerade auch in der Berufswelt. Aber im Sport habe ich gelernt: Um wirklich gut zu sein, musst du Fehler machen und auch mal ein gestecktes Ziel nicht erreichen. Es ist ein ständiger Lernprozess, in dem du immer besser wirst. Je mehr du scheiterst, desto mehr lernst du, und je mehr du lernst, desto besser wirst du. Wenn du nie in deinem Leben scheiterst, hattest du entweder unverschämtes Glück oder du hast einfach deine Ziele zu tief gesetzt.


Daniel Albrecht wurde 2007 als 23-Jähriger Weltmeister in der Super-Kombination und Vizeweltmeister im Riesenslalom. Es folgten mehrere Weltcupsiege. 2009 stürzte er schwer und erlitt ein lebensbedrohliches Schädelhirntrauma mit diversen Einblutungen. Nachdem er aus dem Koma erwachte begann für ihn der Kampf zurück ins Leben. Nur sechs Monate nach seinem Sturz stand er wieder auf den Skiern. Ein Jahr später fuhr er wieder Skirennen. Heute arbeitet Daniel Albrecht unter anderem als (Mental-)Trainer.

Am IAP Dialog „Scheitern – und weiter?!“ erzählt er anhand eindrucksvoller Bilder und Videos seine Geschichte und erklärt, wie er die mentale Stärke fand, nach dem Sturz den beruflichen Weg und vor allem sich selbst wiederzufinden.

Mentales Training to go: Wir stellen uns vor

Posted on 10. Oktober 2017 by Redaktion

Im Marathonlauf spielt neben der körperlichen auch die mentale Fitness eine entscheidende Rolle. Am Zürich Marathon 2018 bietet das IAP das «Mentale Training to go» an, um Läuferinnen und Läufer in ihrem Vorbereitungstraining zu unterstützen.

Am «Mentalen Training to go» machen auch die beiden Läufer Ephraim und Pascal mit. Sie berichten regelmässig in kurzen Videos, wie sie die Tipps und Inputs der Psychologinnen und Psychologen umsetzen konnten und was es für ihr Training bewirkt. Ihre Erfahrungen tauschen sie mit unserem Sportpsychologen Jan Rauch aus. Er steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Macht mit beim «Mentalen Training to go» und vergleicht eure Fortschritte mit Ephraim und Pascal. Auch eure Fragen beantwortet Jan gerne während der kommenden Wochen.

Im ersten Video-Beitrag stellen sich die beiden Läufer Ephraim und Pascal vor und berichten über ihre Motivation.

Ephraim joggt nach einem strengen Arbeitstag gerne, um abzuschalten und die Natur zu geniessen. Im Anschluss an seinen letzten Marathon hat er sich geschworen, nie mehr einen zu laufen. Doch mit dem Mentalen Training to go wagt er sich nochmals an den Start. Seine Marathon-Bestzeit (2009 / 2013) lag bei rund 3:45h. Für 2018 setzt er sich bewusst kein zeitliches Ziel. Im Vordergrund steht für ihn die Erfahrung der mentalen Trainingsvorbereitung und erfolgreich im Ziel anzukommen. Für unser Marathon-Publikum wird er die Inputs von Jan Rauch und anderen Sportpsychologinnen und -psychologen ausprobieren und sie im Training einbauen.Was er zu berichten hat – darauf freuen wir uns schon jetzt.  

 

Pascal ist bereits ein sehr erfahrener Läufer. Zu Hause ist er vor allem in der Triathlonszene. Für den Zürich Marathon 2018 hat er sich ein hohes Ziel gesetzt: Er möchte den Marathon in 3 Stunden laufen. Auf die Tipps von Jan ist er gespannt und freut sich, diese ins Training einzubauen und seine Erfahrungen mit euch zu teilen. Wir sind gespannt, was er in diesen Wochen erreicht.

 

Unser Sportpsychologe Jan Rauch  ist Psychologe FSP und am IAP Institut für Angewandte Psychologie als Dozent und Berater tätig. Er ist Studienleiter der Zertifikatslehrgänge CAS Psychologisches & mentales Training im Sport sowie CAS Teams erfolgreich steuern & begleiten und bietet sportpsychologische Beratungen im Einzel- und Teamsport an. Er ist ausserdem Vizepräsident der Swiss Association of Sport Psychology (SASP).

 

 

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