Hilfe, mein Kind hat zu Weihnachten ein Smartphone bekommen!

Von Isabel Willemse, Medienpsychologin am Psychologischen Institut der ZHAW

Die Feiertage nahen – und damit auch die grosse Geschenkeflut. Ihre Kinder kriegen von Götti, Gotti, Tanten und Onkeln Spielsachen geschenkt. Und das sind nicht nur Teddybären, sondern auch Games, Smartphones und andere digitale Spielzeuge. Vielleicht haben Sie aber auch selbst Ihrem Kind versprochen, dass es zu Weihnachten ein Tablet oder einen iPod-Touch bekommt. Und Sie als Eltern müssen nun mit den Konsequenzen dieser Geschenke umgehen. Es lohnt sich, wenn man sich von vornherein Gedanken macht, wie man als Eltern mit möglichen Schwierigkeiten umgeht. Aber auch, wie es gelingen kann, dass diese Geschenke sowohl für die Kinder als auch für Sie zu positiven Erfahrungen führen.

Vereinbarungen treffen und Vorbild sein

Digitale Medien üben eine Faszination aus, welche dazu führt, dass man nicht so schnell einfach abschalten kann. Kinder beginnen zu weinen, wenn man ihnen das Tablet wegnimmt, auf dem sie gerade «Die Sendung mit der Maus» angeschaut haben. Jugendliche vertrösten mit «gleich» wenn man sie daran erinnert, dass sie ausschalten sollten. Das nervt ganz schön, wenn man das Nachtessen gekocht hat und dieses langsam kalt wird, während man noch auf den Sohn wartet, der «nur noch kurz» ein Spiel fertig spielen muss oder auf die Tochter, die noch schnell ein Update posten will. Immer wieder kann es dann auch zu lautstarken Streitereien kommen.

Um solche Szenen zu reduzieren (ganz vermeiden kann man sie kaum), hilft es, von Anfang an klar zu vereinbaren, wie lange die Geräte genutzt werden dürfen. Bei älteren Jugendlichen ist es vielleicht sinnvoller, Zeiträume zu definieren, die medienfrei sind (z.B. die Nacht ab 22 Uhr und gemeinsame Mahlzeiten). Bei der Festlegung dieser Zeiten macht es auch Sinn, die Kinder miteinzubeziehen, denn vielleicht spielen sie ein Game mit einem Schulkollegen, der vorher noch im Fussballtraining ist und erst ab einer bestimmten Zeit spielen kann. Wenn es möglich ist, solchen Wünschen entgegenzukommen, erhöht das oft die Bereitschaft der Kinder, sich an die Abmachungen zu halten. Dennoch ist es auch wichtig zu überlegen, was geschieht, wenn sich ein Kind nicht daran hält – und zwar im Vorfeld und nicht erst in dem Moment, in dem man wütend ist und im Affekt den Stecker des Modems zieht. Wenn Kinder wissen, was die Konsequenz ist, akzeptieren sie diese auch viel eher. Und ebenso wichtig ist: Wenn Ihre Kinder sehen, dass auch Sie als Eltern immer wieder auf die Nutzung digitaler Medien verzichten und sich selbst an gewisse Regeln halten (z.B. keine Geräte bei Mahlzeiten oder kein Blick aufs Smartphone während der Gutenacht-Geschichte), fällt es ebenfalls leichter. Sie als Eltern sind noch immer die wichtigsten Vorbilder für Ihre Kinder – das wird gerne unterschätzt.

Das Weglegen eines Gerätes fällt Kindern und Jugendlichen auch viel einfacher, wenn sie Alternativen abseits digitaler Medien haben: sei dies, etwas mit den Eltern und/oder Geschwistern zu unternehmen, einem Hobby nachzugehen oder Freundschaften zu pflegen.

Werte und Haltungen weitergeben

Nicht nur die Dauer der Mediennutzung kann ein Problem sein. Es geschieht manchmal auch, dass man als Eltern mit den Inhalten nicht einverstanden ist. Das können gewalthaltige Games sein, die der Sohn spielt oder etwas zu freizügige Fotos der Tochter auf Instagram. Vielleicht kriegen Sie auch mit, dass Ihre Kinder auf Facebook oder einer anderen Plattform schlecht über Schulkameraden reden, oder es «liken», wenn andere dies tun.

Wenn Kinder oder Jugendliche ihr erstes Smartphone erhalten, ist es sinnvoll mit ihnen nicht nur über Nutzungsdauer zu sprechen, sondern auch, wofür sie es nutzen werden. Dieser Punkt geht leider zu oft vergessen. Sie haben bestimmt Wertehaltungen, die Sie Ihren Kindern vermitteln wollen. Diese sollten auch in der digitalen Welt erhalten bleiben. Vielleicht kann es hilfreich sein, wenn Sie sich im Voraus überlegen, welche Werte das sind und was Ihnen wichtig ist. Bei Elternpaaren geschieht das sinnvollerweise zu zweit, um eine gemeinsame Haltung vertreten zu können. Alleinerziehende können sich das aber gut auch alleine überlegen.

Gemeinsame Schritte in die digitale Welt

Um Ihrem Kind zu helfen, auch in der digitalen Welt seinen Weg zu finden, müssen Sie als Eltern auch das ein oder andere wissen und Ratschläge geben können. Bei gewissen Problembereichen wie Gewalt und Pornografie gibt das Gesetz schon einiges vor. Mehr dazu findet man z.B. bei der Schweizerischen Kriminalprävention. Altersangaben auf Filmen und Games helfen Eltern einzuschätzen, ab wann ein Kind diese schauen oder spielen kann. Bei Filmen findet man Informationen direkt auf der DVD-Hülle oder auch unter: http://filmrating.ch. Bei Games ist in der Schweiz das PEGI-System verbreitet, auch hier finden sich die Infos auf der Hülle oder man kann auf der PEGI-Webseite nach dem Titel suchen und erhält Informationen über den Inhalt und die Altersfreigaben. Wenn Sie nach Games suchen, die für eine Altersgruppe gar pädagogisch sinnvoll sind, finden Sie unter www.bupp.at sehr gute Hinweise. Viele Bereiche müssen aber im Rahmen der Erziehung abgedeckt werden. Kinder und Jugendliche freuen sich meist, wenn sich ihre Eltern dafür interessieren, was sie genau machen. Sie zeigen oft gerne, wie ein Game funktioniert und was man machen muss, um zu gewinnen. Wenn man als Eltern eine gesunde Neugier zeigt für die mediale Lebenswelt der eigenen Kinder, sind Gespräche darüber auch einfacher. Fragen wie «was gefällt dir so an diesem Spiel oder an dieser Figur?» oder «Warum hast du dieses Bild gewählt, um es zu posten?» sind neutral und nicht wertend. Wenn dadurch ein gegenseitiges Vertrauen entsteht, kann man Jugendliche die digitale Welt auch mit immer mehr Freiheiten erkunden lassen. Genauso wie in der analogen Welt.

Gewappnet mit diesen Überlegungen und Abmachungen stehen jetzt die Türen offen für die vielen positiven Seiten digitaler Medien. Mit dem neuen Smartphone kann Ihr Kind ja zum Beispiel die Dokumentation der Weihnachtsfeier übernehmen. Es gibt genügend Apps, in denen man Bilder auch noch bearbeiten kann. Vielleicht ein paar Schneeflocken im gemütlichen Wohnzimmer? Oder ein Geweih und eine rote Rudolph-Nase für Opa? Es ist ganz schön spannend ein Familienfest mal durch Kinderaugen zu sehen.

Porträt Isabel Willemse
«Da ich selbst eine engagierte Mediennutzerin bin, kenne ich die Chancen und Risiken digitaler Medien gut und kann sowohl für Eltern als auch für Kinder und Jugendliche viel Verständnis aufbringen, das hilft mir im Beratungsalltag sehr.» (Isabel Willemse)

Zur Autorin:
Isabel Willemse arbeitet in der Forschung und im Studium als Medienpsychologin am Psychologischen Institut der ZHAW. Zudem bietet sie Therapien und Beratungen zu Onlinesucht und Cybermobbing am IAP Institut für Angewandte Psychologie an. Ihr Fachwissen und ihre praktischen Erfahrungen hat sie in ihrem Ratgeber «Onlinesucht – Ein Ratgeber für Eltern, Betroffene und ihr Umfeld» gesammelt. Auch für die Informationen zu Onlinesucht für Eltern und für Jugendliche auf der Plattform feel-ok.ch ist sie verantwortlich.

 

 


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert