Stressmanagement – wie geht das?

Der Begriff Stress ist in aller Munde – immer mehr Menschen fühlen sich erschöpft und derart kraftlos, dass sie das Gefühl haben, weder Arbeit noch Alltag bewältigen zu können. Doch gerade in einer Gesellschaft, in welcher alles als machbar gilt, ist es umso schwieriger, wenn man den geforderten Ansprüchen nicht mehr gerecht werden kann.

Von Susanna Borner, Dozentin und Beraterin am IAP

Klienten, welche bei mir eine Laufbahnberatung in Anspruch nehmen, fühlen sich in den allermeisten Fällen im Arbeitsleben gestresst. Dies kann verschiedene Gründe haben, mitunter die Bewältigung von neuen Aufgaben, Reorganisation der Firma oder Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld. Nur bedeutet dies tatsächlich Stress oder sprechen wir besser eher von momentanen Anpassungsschwierigkeiten? Oft befürchten die Ratsuchenden, sich bereits in einer Erschöpfungsdepression (Burnout) zu befinden und haben Angst, ihren Arbeitsanforderungen nicht mehr gerecht zu werden.

Diese Befürchtungen sind nicht unberechtigt. Überstunden, ständige Erreichbarkeit, hoher Zeitdruck und die Zunahme der Arbeitsleistung in einer sich immer schneller wandelnden Arbeitswelt stellen viele Menschen vor grosse persönliche Probleme. Dazu gesellen sich zunehmend anspruchsvolle Aufgaben im privaten Umfeld, wie zum Beispiel die Doppelbelastung von Beruf und Familie oder die Betreuung von pflegebedürftigen Eltern, welche zusätzlich Zeit und Energie beanspruchen.

Wann reden wir von Stress?

Grundsätzlich ist Stress eine Aktivierungsreaktion unseres Körpers. Diese kann positiv (z.B. Verliebtsein) oder negativ (z.B. Kündigung) beurteilt werden und hängt davon ab, wie wir eine Situation einschätzen. Fühlen wir uns bedroht, erscheint uns die Situation unkontrollierbar. Belastet sie uns zudem über längere Zeit, werden die Stresshormone nicht abgebaut und die körperliche Anspannung bleibt bestehen. Meist bemerken wir dann im Alltag, dass wir nicht mehr so gelassen und ruhig auf weitere Anforderungen reagieren. Es wird uns alles zu viel.

Welches sind nun aber klar feststellbare Veränderungen in unserem Selbsterleben? Hier einige ausgewählte Beispiele, welche erste Anzeichne für Stress sein können:

  • Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, Störungen des Magen-Darmtraktes, Allergien, Schlafstörungen, die sich im Ein- und Durschlafen zeigen
  • Verminderte Konzentrationsfähigkeit, Vergesslichkeit, Denkblockaden, chronische Müdigkeit, Nervosität
  • Sich fremdbestimmt, innerlich unruhig, lustlos und unzufrieden fühlen
  • Angst und Verzweiflung, Wut und Ärger über die eigene nachlassende psychische Belastbarkeit

Im ersten Gespräch zur belastenden beruflichen Situationsklärung stelle ich den Klienten Fragen zu diesen Symptomen. Eine Person kann sich derart einer Aufgabe verpflichtet fühlen, dass sie zwar Schlafstörungen und Gereiztheit wahrnimmt, diese jedoch nicht mit den erhöhten Anforderungen in Verbindung bringt. Ein Beispiel:

Martina F., 45 Jahre alt, arbeitete mehr als 20 Jahre als Direktionsassistentin in einem mittelgrossen Unternehmen. Sie bezeichnete sich als zuverlässige, korrekte, fachlich versierte und effiziente Arbeitskraft, welche immer die Erledigung ihrer Aufgaben in den Vordergrund und persönliche Anliegen zurück gestellt hat. Vor zwei Jahren erkrankte ihr alleinstehender Vater an Krebs. Da sich niemand ausser ihr um ihn kümmern konnte, wollte sie das Arbeitspensum reduzieren. Doch ihr Arbeitgeber konnte dem Wunsch nicht entsprechen, und so reiste Martina F. von nun an täglich abends nach der Arbeit zu ihrem Vater und später noch heim zur Familie. Natürlich fühlte sie sich ab und zu müde und sie bemerkte, dass ihre Arbeitsleistung aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten abnahm. Für Martina F. war die Pflege des Vaters und die Betreuung der Kinder eine Selbstverständlichkeit und sie kam auch den beruflichen Aufgaben unvermindert nach. Die Folge: Sie konnte geistig nicht mehr abschalten und im Schlaf keine Erholung finden. Kurz nach dem Tod ihres Vaters erfolgte auch ihr eigener körperlicher Zusammenbruch.

Was können wir gegen Stress tun?

Das Beispiel von Martina F. könnte neue Denk- und Verhaltensgewohnheiten anregen: Zum Beispiel, sich nicht innerlich unter Druck zu setzen und auch einmal einen Konflikt zu riskieren. Sich gegen ungerechtfertigte Ansprüche durchzusetzen, scheitert jedoch oft daran, dass wir den konstruktiven Umgang mit Konflikten zu wenig gelernt haben. Wir haben Angst davor, vom Arbeitgeber nicht mehr geschätzt oder von der Familie nicht mehr geliebt zu werden, sobald wir unsere eigenen Bedürfnisse ins Zentrum stellen. Hier kann es wichtig sein, den Teufelskreis der eigenen und fremden Erwartungen zu durchbrechen. Delegieren Sie Aufgaben. Setzen Sie Prioritäten und erstellen Sie eine realistische Zeitplanung. Das kann helfen, dass wir auch bei punktuell erhöhtem Einsatz unsere Bedürfnisse nicht aus den Augen verlieren. Mentales Training, Sport und andere Freizeitaktivitäten, gesundes Essverhalten und soziale Begegnungen verbessern die Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen. Dazu gehört auch, einer Arbeit nachzugehen, die unseren Interessen und Kompetenzen Rechnung trägt und somit unsere Lebenszufriedenheit allein schon durch die Arbeitszufriedenheit massgeblich unterstützen kann.


Susanne Borner_3517_Zur Autorin
Susanna Borner ist Dozentin und Beraterin am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Nach ihrem Psychologiestudium an der Universität Zürich absolvierte sie verschiedene Nachdiplomstudien in Systemischer Familien- und Paartherapie, Personalmanagement sowie Berufs- und Laufbahnberatung. An der ZHAW leitet sie den MAS Berufs-, Studien- & Laufbahnberatung und arbeitet als Coach mit Menschen, die sich weiterentwickeln möchten.


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