Alles, was wir tun, muss Sinn machen

Zusammen mit Nadine Bienefeld hat Birgit Werkmann-Karcher am 1. Januar 2016 die Leitung des Zentrums für Human Resources, Development & Sportpsychologie am IAP übernommen. Im Interview verrät sie, wie es zu dieser Co-Leitung kam, wo die neuen Stärken des Zentrums liegen und welche Werte ihr wichtig sind.

von Joy Bolli, Redaktorin ZHAW Angewandte Psychologie

Werkmann_4298Birgit, du hast zusammen mit deiner Kollegin Nadine die Co-Leitung des Zentrums “Human Resources, Development & Sportpsychologie“ übernommen. Wie kam es zu dieser Doppel-Besetzung?
Wir wurden beide unabhängig voneinander angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, die Leitung des Zentrums zu übernehmen. Nadine hat das aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht ernsthaft in Betracht gezogen. Bei mir war es so, dass ich schon eine Zeit lang über eine Dissertation nachdachte und wusste, dass beides gleichzeitig für mich nicht gut möglich wäre. Kurz vor einer Projektsitzung kam dann im Gespräch mit unserem Kollegen Jan Rauch, aus der Sportpsychologie, das Thema nochmals auf. Dabei kam ihm die Idee, dass wir uns doch gemeinsam auf die Stelle bewerben könnten. Wir haben beide erst einmal herzlich gelacht. In der darauf folgenden Projektsitzung hallte die Idee aber in uns nach. Wir haben uns schon in früheren Zusammenarbeiten hervorragend in unseren Fähigkeiten ergänzt und schnell erkannt, dass wir zusammen auf Ergebnisse kommen, die besser sind als es eine alleine in ihrem Einsatz schaffen könnte. Während der Sitzung merkte ich, dass eine Co-Leitung für mich absolut stimmen würde. Als ich Nadine später darauf ansprach, bestätigte sie mir, dass es ihr genauso ging. Es war ein gutes Beispiel für das, was wir “somatische Marker” nennen. Wenn man ein Ziel hat und es wirklich erreichen will, dann sollte man unter anderem auf den eigenen Körper hören und schauen, ob eine Option ein stimmiges Gefühl, also ein „Flow-Gefühl“, erzeugt. Bei der Idee einer Co-Leitung standen all unsere somatischen Marker auf “Go”!

Job Sharing gibt es ja öfter. Aber kann das in einer Führungsposition nicht schwierig werden?
Man muss sich fragen, was es braucht, um sich einen Führungsjob zu teilen. Das ist zunächst mal ein hohes Mass an Sympathie und Akzeptanz für einander und eine Übereinstimmung in der Arbeitshaltung. Man muss das, was der Andere professionell leistet, gut finden können und darauf vertrauen, dass er gute Entscheidungen trifft, hinter denen man stehen kann. Ausserdem darf das Dominanzstreben nicht übermässig ausgeprägt sein. Das würde die Bereitschaft zu teilen behindern. Wenn zwei Personen sich eine Führungsposition teilen, bedingt das einerseits, dass man situativ auch einmal zurück stehen kann. Das können wir beide ganz gut. Dann muss es auch fachlich gut passen, so dass man sich zum Beispiel Aufgabengebiete teilen kann. Was man aber nicht vergessen darf: Wir machen ja am Ende alle das, was uns irgendwie zum Vorteil gereicht. Nadine und ich sind beide in Lebensphasen, in denen wir noch andere Interessen neben dem Job haben. Bei Nadine ist das im Moment das Thema Kinder. Bei mir ist es der Wunsch, mich noch einmal in ein Forschungsthema vertiefen zu können. Wir hatten also beide – jede aus ihrer eigenen Perspektive heraus – gute Gründe, uns zu überlegen, wie wir eine so interessante Aufgabe übernehmen könnten, ohne unsere anderweitigen Verpflichtungen bzw. Interessen aufzugeben. Und letztlich ist es einfach so, dass das Zentrum uns beiden am Herzen liegt, und mit dieser Lösung können wir unsere Vielseitigkeit im Zentrum gut einsetzen.

Inwiefern ergänzen sich eure fachlichen Kompetenzen?
Nadine hat ihren Schwerpunkt im Bereich Betriebliche Bildung und Teamarbeit. Sie ist Spezialistin in Human Factors und berät Organisationen darin. Ich komme aus der Personal- und Organisationsentwicklung und habe meinen Schwerpunkt im Human Resources Management und der Organisationsentwicklung. Das Thema „Gruppe“ bzw. „Team” ist in beiden Bereichen wichtig, und darin liegt auch die Schnittmenge mit der Sportpsychologie, die ebenfalls zum Zentrum gehört.

Wo wird der Fokus des Zentrums in der Zukunft liegen?
Dieser Frage gehen wir in der zweiten Jahreshälfte systematischer nach, wenn die IAP-Strategie für die kommenden Jahre entwickelt und Nadine aus dem Mutterschaftsurlaub zurück ist. Generell sehen wir eine Chance darin, die thematischen Überschneidungen in unseren Themenbereichen – Betriebliche Bildung, Human Resources Management und Sportpsychologie – stärker zu nutzen. Zum Beispiel haben wir eine Kompetenz in den Teamthemen, die wir für Weiterbildung und Beratung nutzen wollen. Die Digitalisierung begünstigt zudem die virtuelle Zusammenarbeit und das wirft Fragen auf: Wie kann man ein “high-performance team” aufbauen, wenn man sich wenig bis gar nicht sieht? Mit welchen Arbeitsprozessen und Tools kann man die Kooperation auf Distanz unterstützen, welche Interventionen und Vereinbarungen sind hilfreich? Wie spielen interkulturelle Aspekte in die Zusammenarbeit hinein usw. Oder: Was ist aus Human Factors-Sicht für Teams in sicherheitssensiblen Arbeitsbereichen wichtig? Die Wirkungen von Digitalisierung – und allgemeiner von Arbeitsweltveränderungen – sind immens und beinhalten eine Menge psychologischer Fragestellungen auf verschiedenen Ebenen. Wir sind mit unserem Human Resources-Schwerpunkt prädestiniert, diese Veränderungen zu reflektieren und in unseren Angeboten aufzugreifen. Das geht von Teamarbeit über Lernen und Entwicklung in Organisationen bis hin zu den klassischen HRM-Fragen.

Worauf freust du dich persönlich am meisten in der neuen Position?
Ich freue mich sehr auf die kommenden Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Team. Also auf die sogenannten Mitarbeitergespräche. Ich finde es allerdings sperrig, von “Mitarbeitenden” zu sprechen, weil ich selbst aus dem Team komme und zumindest ich es so empfinde, dass sich diese kollegiale Ebene nicht komplett verändert hat. Es gibt die bisherige Ebene der Zusammenarbeit und es sind jetzt einfach Aufgaben, Verantwortungen und Befugnisse dazu gekommen. Ich freue mich sehr darauf, die Dinge aus der neuen Rollenlogik heraus zu betrachten und mit allen im Team zu schauen, wie sie ihre eigene Entwicklung sehen, wo ihre Interessen sind, wie sie das Zentrum als Arbeitsumfeld erleben. Ich bin gespannt, was wir dann daraus machen können. Und natürlich freue ich mich besonders auf den Tag, an dem Nadine wieder einsteigt. Dann wollen wir das systematisch zusammen anschauen und überlegen: Wo wollen wir hin? Welche Zielgruppen haben wir, und welche werden vielleicht in der Zukunft stärker gewichtet? Welche Produkte werden neu platziert? Bei uns hängt das natürlich mit viel Abstimmungsarbeit im Institut zusammen. Aber ich freue mich darauf, die Synergien zu identifizieren und zu aktivieren und dabei auch auf den Lustfaktor zu achten: Was macht uns Freude? Was können wir gut, und wo wollen wir hin?

Hast du ein Motto in der Führung?
Ich war über Silvester in Hong Kong und habe dort im Financial District ein überdimensioniertes Werbeplakat für ein Fitness-Studio gesehen, auf dem eine Frau beim Bodybuilding abgebildet war. Sie selbst war bereits super geformt, arbeitete aber noch weiter an sich; und das Motto darüber lautete: “Work Hard, Party Hard”. Da musste ich lachen. Erst soll man sich quasi zu Tode arbeiten und dazwischen zu Tode trinken. Solche schwarz/weiss-Ideen von Arbeit und Leben mag ich überhaupt nicht. Natürlich sind auch wir effizienzorientiert. Aber ich würde das nicht in so eine Floskel packen. Wenn ich meine Einstellung in einen Satz fassen müsste, wäre es wohl am ehesten: Alles was wir tun, muss Sinn machen – und zwar einen nachvollziehbaren Sinn für alle Beteiligten im Team. Ansonsten funktioniert es nicht. Man muss Zusammenhänge verstehen können, und man muss überzeugt sein, dass die Richtung, die man einschlägt, Sinn macht und man das Ziel erreichen kann.


Zur Person
Birgit Werkmann-Karcher ist Co-Leiterin des Zentrums für Human Resources, Development & Sportpsychologie am IAP Institut für Angewandte Psychologie. Sie studierte Psychologie und Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz und bildete sich weiter in Organisationsentwicklung, in Supervision & Coaching und in Konfliktmanagement. Sie arbeitete als interne Personal- und Organisationsentwicklerin und als freiberufliche Beraterin. Am IAP Institut für Angewandte Psychologie leitet sie den MAS Human Resource Management, den DAS Personalpsychologie und das Modul Beratung im HR-Praxisfeld. Ihre Schwerpunkte als Dozentin und Beraterin sind HRM / HR-Beratung, Flexibilisierung der Arbeitswelt und Boundary Management, Teamarbeit, Konfliktmanagement und Organisationsentwicklung.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert