Sich selbst bleiben für eine stärkere Wirkung im Job – 5 einfache Tipps

Früher oder später steht das bei jedem an: Ein Jobinterview, eine Lohnverhandlung oder ein Promotionsgespräch. Wie man seine Wirkung in solchen Gesprächen verbessert, dazu gibt es Bücher und Videos. Doch das Wichtigste ist, sich selbst zu bleiben.

von Christoph Negri, Leiter IAP Institut für Angewandte Psychologie

Wir alle wirken. Jeder auf seine Art. Aber nicht jeder wirkt gleich gewinnend für sein Gegenüber. Das liegt vielleicht daran, dass es uns schwer fällt, mit anderen in Kontakt zu treten, oder daran, dass wir in Stresssituationen nicht wie gewohnt reagieren. Als ich vor einiger Zeit angefragt wurde, zu diesem Thema ein Radiointerview zu geben, bekam ich vermehrt Anfragen wie man seine Wirkung in bestimmten (Job)situationen verbessern kann.

Christoph Negri an der Fachtagung "Dialog".


Sich selbst bleiben
Eine der wichtigsten Regeln ist: Ich muss authentisch wirken. Was einfach klingt, ist für manche Menschen aber schwierig. Besonders wenn sie überzeugt sind, selbst keine oder zu wenig Wirkung zu haben, oder von anderen Leuten bereits gesagt bekamen, dass sie nicht so klar rüber kommen. Dann beginnen die Zweifel. Man schaut, wie es andere machen, liest vielleicht einen Ratgeber und lernt: Du musst gerade sitzen, eine klare Stimme haben, direkter formulieren, was du sagen willst… Nichts gegen ein gutes Buch mit guten Tipps. Vieles lässt sich trainieren. Allzu oft wirkt das aber leider einstudiert und die eigentliche persönliche Wirkung geht verloren.

Bewusst reflektieren und gezielt ansetzen
Meine Erfahrung in der Beratung hat gezeigt, dass man oft zu viel von sich selbst verlangt. Wer möchte nicht am liebsten gleich ein anderer Mensch sein? Selbstsicher, redegewandt und gewinnend! Wer so viel auf einmal will, der weiss nicht, wo er ansetzen soll. Deshalb ist es hilfreich, sich zu überlegen, in welchen konkreten Situationen man seine Wirkung verbessern möchte. Will ich mich auf ein Lohngespräch oder ein Bewerbungsgespräch vorbereiten? Steht mir ein Gespräch mit dem Vorgesetzten, mit einem neuen Kunden oder einem Anwalt bevor? Wenn man die Parameter einer bestimmten Situation genauer anschaut, erkennt man schnell, ob es bestimmte Muster in diesen Situationen gibt, die zum Stolperstein werden können. Komme ich vielleicht ins Stocken, sobald mehr als drei Leute involviert sind? Werde ich unsicher, wenn meine Chefin dabei ist, oder immer nur im Kundenumfeld? Viele Menschen fühlen sich automatisch unter Druck, wenn ein Thema ihnen besonders wichtig ist. Wer die eigenen Muster erkennt, kann hier gezielter ansetzen.

Der Einfluss der Situation
Es gibt auch Menschen, die auf eine Drucksituation nicht mit Rückzug, sondern mit Konfrontation reagieren und ein eher aggressives Verhalten zeigen: Sie unterbrechen andere, werden plötzlich sehr laut oder vergreifen sich in der Wortwahl. In solchen Fällen reden wir von einem Angriffsverhalten. Das ist ein uraltes Grundmuster für klassische Konfliktsituationen: Du kannst kämpfen, fliehen oder in der Angst erstarren. Wenn man Alltagssituationen reduziert, haben wir häufig genau diese drei Reaktionsmöglichkeiten zur Auswahl. In unserer Gesellschaft streben wir ein adäquates, ein akzeptiertes Verhaltens an, um das Gegenüber zu gewinnen. Wenn ich in einem Vorstellungsgespräch plötzlich drauflos plappere, ist das zum Beispiel nicht adäquat. Beim Apéro hingegen ist genau das erwünscht. Die Situation hat also einen enormen Einfluss darauf, wie unser Verhalten wirkt.

Gesellschaftliche Erwartungshaltung
Haben Frauen genau deshalb eine zusätzliche Hürde in Lohnverhandlungen? Manche Frauen haben tatsächlich eine zusätzliche Hürde zu nehmen, denn sie sind mit alten Denkmustern konfrontiert. Schnell einzulenken wurde lange Zeit als „adäquates“ Verhalten von Frauen betrachtet. Im gesellschaftlichen Bereich gelten Frauen auch heute noch als gewinnend, wenn sie zurückhaltend, integrierend und schlichtend reagieren. Wir machen in vielen unserer Weiterbildungslehrgänge auch Development Centers, in denen wir das Verhalten in bestimmten Situationen beobachten. Und ja, es stimmt, dass wir dort vermehrt über Frauen die Rückmeldung bekommen, dass sie mehr wagen, sich mehr exponieren und ihre Meinung mehr zum Ausdruck bringen sollten. Was die wenigsten Frauen wissen: Ihre Meinung wird von den männlichen Teilnehmern sehr gerne gehört. Frauen sollten sich nicht selbst sabotieren, indem sie denken, ihre Meinung sei nicht wichtig, oder „das hat ja schon jemand gesagt“. Sie sollten sich selbst mehr Raum geben. Sich selbst zu vertrauen und bei sich zu sein, das ist ein grosser Teil der Wirkung im Arbeitsumfeld.

Wer führen will muss wagen
Man kann also schon viel erreichen, wenn man sich selbst beobachtet und aus den Beobachtungen lernt. Wer allerdings höhere Ziele anstrebt, der sollte sich auch härteren Trainings stellen, wo er mit externen Feedback-Ebenen konfrontiert wird. Wer führen will muss wagen, sich selbst besser kennen zu lernen. Gute Möglichkeiten dazu sind Medientrainings oder Coachings. Aber auch eine Führungsausbildung oder ein Mentoring eignen sich dazu. Ich persönlich finde es aber wichtig, dass man – egal welchen Weg man wählt – immer auch Wert darauf legt, sich in den erarbeiteten Schritten wiederzuerkennen.

5 Tipps um den Druck in kritischen Momenten zu verringern:

  1. Gelassenheit
    Jeder hat andere Stärken. Und jeder hat Schwächen. Akzeptiere deine Persönlichkeit in jeder Situation, und übe dich in Gelassenheit. Das nimmt den schlimmsten Druck raus.
  2. Wahrnehmung und Reflektion
    Nimm dich und die Situation, die dir Mühe bereitet, wahr und reflektiere beides. Wenn du immer in der gleichen Situation unter Druck kommst, kannst du spezifischer nach Verbesserungen suchen.
  3. Kopiere nichts
    Positiv wirken kann man nur, wenn man authentisch wirkt. Es ist daher wichtig, bei sich zu bleiben – und zwar bei allem, was man macht und sagt. Sich andere zum Vorbild zu nehmen ist okay, aber sie zu kopieren, birgt die Gefahr, „unecht“, aufgesetzt und dadurch negativ zu wirken.
  4. Die eigenen Ressourcen zur Hilfe nehmen
    Ein Beispiel: Wenn ich in einer bestimmten Situation gelernt habe, dass mir ein tiefer Atemzug hilft, kann das vielleicht auch in anderen Situationen funktionieren. Nutze also die eigenen Ressourcen, die dir bereits bekannt sind, und finde heraus, ob du durch neue Techniken (Affirmationen, Bilder, Motto, etc) eine ruhige, positive, mutige Grundhaltung finden oder diese noch weiter verbessern kannst.
  5. Gute Vorbereitung
    Es ist immer ein Vorteil, wenn man nicht nur inhaltlich, sondern auch auf die spezifische Gesprächssituation vorbereitet ist. Frage dich: Was genau kommt auf mich zu? Wo findet das Gespräch statt, wer ist dabei und wie läuft das ab? Wie viel Zeit ist eingeplant, muss ich schnell auf den Punkt kommen oder kann ich es langsam angehen? Solche Fragen helfen, sich auch mental gut vorzubereiten. Wenn man nervös ist, sollte man sich auch bewusst fragen: Was brauche ich, um in dieser Situation ruhig und zentriert zu bleiben? Und: Kann ich die anstehende Situation mit jemandem üben? Wer sich gut vorbereitet, gewinnt auf jeden Fall an Sicherheit!

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Zum Autor:
Christoph Negri leitet das IAP Institut für Angewandte Psychologie. Er arbeitet als Dozent, hält Beratungsmandate für verschiedene Profit- und Non-Profit-Organisationen inne und berät diverse Schweizer Spitzensportlerinnen und Spitzensportler. Christoph Negri ist Mitglied der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (SASP) und des Schweizerischen Berufsverbandes für Angewandte Psychologie (SBAP)

 

 


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