Leben retten mit Statistik?

Von Dr. Marc Höglinger

Datenanalyse, Data Science oder, ganz klassisch, Statistik: wie immer man es nennt, die Auswertung grosser Datenmengen gewinnt in allen Lebensbereichen an Bedeutung. Die Routenwahl unseres Smartphone-Kartentools, Google-Suchvorschläge, diagnostische Tests im Gesundheitsbereich und Therapievorschläge, um nur einige Beispiele zu nennen, stützen sich alle auf statistische Analysen und Schätzungen.

Statistik als elementares Grundlagenfach?

Beste Voraussetzungen dafür, Statistik in sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen als essentielles Fach zu etablieren. Würde man meinen – denn die Realität sieht etwas anders aus. Dies zeigte kürzlich ein Treffen von Statistik-Interessierten an der ZHAW. Das Fach stösst bei den Studierenden häufig auf Desinteresse und muss sich immer wieder legitimieren. Auch bei manchen Forscherkolleginnen und -kollegen.

«Ich bin nicht der Durchschnitt…»

Statistik wird immer wichtiger, aber das Interesse am Fach ist gering: Woher kommt dieser Widerspruch? Mangelnde mathematisch-formale Bildung beim Publikum, die grosse Komplexität und der hohe Abstraktionsgrad des Themas werden gern als Gründe angeführt. Wie so oft ist die Wahrheit vielschichtig. Ein zentraler Grund ist meiner Meinung nach aber folgender: Die Statistik macht keine klaren Aussagen zum Einzelfall. Sie argumentiert mit Wahrscheinlichkeiten, Durchschnittswerten und Unsicherheit. Konzepte, die wir intuitiv mit Ungewissheit und Irrelevanz gleichsetzen. Statistische Aussagen sind uns im Alltagsleben deshalb meist egal.

Händewaschen hilft – im Durchschnitt

Bedeutsame auf statistischen Analysen beruhende Erkenntnisse sind abstrakt. Etwa, dass gute Hygiene das wirksamste Mittel gegen einen verfrühten Tod von Patientinnen und Patienten ist. Die Bedeutung von Hygienemassnahmen muss deshalb Spitalangestellten ständig von neuem vor Augen geführt werden, zum Beispiel mittels Hinweisschildern. Und noch kein Patient hat einem Verantwortlichen (oder gar einer Statistikerin…) dankbar die Hand geschüttelt für die dadurch geschenkte höhere Wahrscheinlichkeit, noch einige Jahre weiter zu leben. Obwohl es allen Grund dazu gäbe.

Die Leistung der Statistik klar formulieren

Was kann getan werden, um die wichtige Rolle der Statistik besser aufzuzeigen? Es braucht – ganz statistik-untypisch – eine klare Aussage zur Bedeutung des Fachs: Ja, Statistik rettet Leben und zwar tagtäglich – zumindest in den Gesundheitswissenschaften. Aus diesem Grund ist sie relevant und interessant. Punkt.

Dr. Marc Höglinger ist Gesundheitsversorgungsforscher am WIG und unterrichtet seit Jahren statistische Datenanalyse – mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Inspiriert zu diesem Beitrag wurde er durch zahlreiche Kommentare zu Statistiklehrveranstaltungen, insbesondere auch zu seinen eigenen, und durch ein Lehrbuch zur Statistik von Marianne Müller.

 

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