Value-Based Healthcare Management – Teil 2: Zentrale Bausteine

Von PD Dr. Florian Liberatore

Mit einer Reihe von Blogbeiträgen möchte ich, gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Dr. Alfred Angerer, die praktische Umsetzung des Konzepts Value-Based Healthcare im Sinne eines Value-Based Healthcare Managements darstellen. Das Wissen stammt dabei aus unserem Kompetenzspektrum und unseren Erfahrungen als Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie in Forschungs- und Beratungsprojekten auf diesem Gebiet.

Im ersten Teil der Reihe wurden bereits die Multidimensionalität des Value-Begriffs aufgezeigt sowie zentrale Grundprinzipien des Value-Based Healthcare Managements vorgestellt. In diesem Teil sollen nun die zentralen Bausteine im Management auf den drei Ebenen Value-Based Strategy, Value-Based Organisation und Value-Based Healthcare Provision präsentiert werden, die als Schaltstellen eine strukturierte und zielführende Umsetzung von Value-Based Healthcare ermöglichen.

Abbildung 1: Zentrale Bausteine des Value-Based Healthcare Managements für einen Leistungserbringer im Gesundheitswesen

Im Folgenden werden die Bausteine auf den verschiedenen Ebenen kurz umrissen. Dabei wird jeweils auf den spezifischen Fokus und das Massnahmenspektrum eingegangen.

Bausteine auf Ebene 1: Value-Based Strategy: Auf strategischer Ebene sind grundlegende Entscheidungen zu treffen, welche Values mit welchen Geschäftsmodellen generiert und nach Aussen kommuniziert werden.

  • Baustein Kooperationen:
    • Fokus: Das eigene Geschäftsmodell durch Kooperationen entlang der Supply Chain werthaltiger machen.
    • Massnahmen: Vertikale und horizontale Integration von Leistungserbringern entlang der Versorgungspfade, um die eigene Position im Markt zu stärken; Anwendung von Coopetition[1]-Strategien gegenüber Mitbewerbern.
  • Baustein Reputations-Management:
    • Fokus: Die eigene Positionierung im System der Gesundheitsversorgung mit einem klaren und attraktiven Profil stärken sowie Werteversprechen und Value Outcomes an relevante Stakeholder kommunizieren.
    • Massnahmen: Darstellung der Systemrelevanz des eigenen Leistungsspektrums gegenüber Gesundheitsdirektionen; Schaffung einer attraktiven Arbeitgebermarke gegenüber Gesundheitsfachpersonen; An Patienten [2] und Zuweiser gerichtete effektive kommunikationspolitische Massnahmen.
  • Baustein Innovationsmanagement:
    • Fokus: Ein nachhaltiges Geschäftsmodell als Teil der Gesundheitsversorgung der Zukunft schaffen.
    • Massnahmen: kontinuierliche Identifikation, Evaluation und Implementierung von Prozess- und Produktinnovationen unter Berücksichtigung der Value-Pluralität.
  • Baustein Organisationales Lernen:
    • Fokus: Ausbau des QM zu einem Enabler von Organisational Learning.
    • Massnahmen: Konsequente Umsetzung des PDCA[3]-Zyklus; Nutzung aller Informationsquellen (interne, externe) für die Identifikation von Optimierungspotentialen.

Bausteine auf Ebene 2: Value-Based Organisation: Auf Organisationsebene müssen Potentiale geschaffen werden, um das multidimensionale Value-Verständnis umsetzen zu können.

  • Baustein Key Account Management:
    • Fokus: Aufbau und Pflege werthaltiger, langfristiger Beziehungen zu Schlüsselpartnern sowie Erschliessung von Co-Creation-Potentialen.
    • Massnahmen: professionelles Beziehungsmanagement, Optimierung von Schnittstellen, Entwicklung gemeinsamer Lösungen für die Gesundheitsversorgung.
  • Baustein Value-Based Controlling:
    • Fokus: Aufbau und Nutzung eines Controllings, das Value-bezogene Parameter gleichwertig mit anderen wirtschaftlichen Kennzahlen behandelt und wechselseitige Abhängigkeiten berücksichtigt.
  • Baustein Interprofessionelle Zusammenarbeit:
    • Fokus: Schaffung attraktiver Arbeitsumgebungen, die eine interprofessionelle, interdisziplinäre Systemleistung am Patienten ermöglichen.
    • Massnahmen: Teamkultur und -zusammenhalt stärken; Interprofessionelle Teams entlang der Versorgungspfade bilden; Mitarbeiterpartizipation fördern.
  • Baustein agiles Management:
    • Fokus: Reaktion auf Änderungen in den Value Expectations und Ressourcenbedarfen, um der Value-Generierung in einer VUCA-Welt[4] gerecht zu werden. 
    • Massnahmen: agilere Entscheidungsprozesse durch mehr Entscheidungsverantwortung in einzelnen Abteilungen und Teams; flexibleres Ressourcenmanagement (z. B. durch Ressourcen-Pools); Fokussierung auf kritische Elemente der Leistungserbringung (u. a. Engpässe, CIRS[5]-Fälle). 

Bausteine auf Ebene 3: Value-Based Healthcare Provision:  Die Leistungserbringung muss als wertschöpfender Prozess die Value Expectations aufgreifen. Es muss ein geeignetes Mass an Co-Creation mit den Patienten etabliert werden. Insgesamt müssen auf diese Weise die gewünschten Value Outcomes generiert werden.

  • Baustein Patienten-Fokussierung:
    • Fokus: Ausgestaltung der Leistungserbringung gemäss Präferenzen, Kompetenzen und Erwartungen der Patienten.
    • Massnahmen: Analyse der Patientenerfahrungen; Schaffung attraktiver Serviceangebote; Orientierung der Therapien an Outcome-Vorstellungen der Patienten.
  • Baustein Patientenintegration:
    • Fokus: optimale Einbindung der Patienten in die Behandlungsprozesse als Co-Designer, Co-Producer und Co-Interaktor, die sowohl den Präferenzen und Erwartungen der Patienten entspricht als auch den Anforderungen an eine effiziente und optimale Versorgung gerecht wird.
    • Massnahmen: kontinuierliche Identifikation, Evaluation und Implementierung von Ansätzen der Patientenintegration (z. B. IT-gestützte Self-Service-Technologien).
  • Baustein Lean Health:
    • Fokus: Optimale Gestaltung der Versorgungsprozesse entlang des Patientenpfades und Vermeidung von Verschwendung in der Leistungserbringung.
    • Massnahmen: Verschlankung, Standardisierung und Digitalisierung von Prozessen; optimale räumliche und interprofessionelle Anordnung der Behandlungsschritte um den Patienten; Schaffen einer Kultur ständiger Verbesserung (Kaizen).
  • Baustein koordinierte Versorgung:
    • Fokus: Optimierung der Versorgungsprozesse zu vor- und nachgelagerten Akteuren.
    • Massnahmen: Auslotung und Nutzung der Potentiale optimierter interprofessioneller Zusammenarbeit, des Task Shiftings, sowie von Synergieeffekten in den Schnittstellen.

In einem strukturierten Value-Based Healthcare Management ist es das Ziel diese Bausteine gesamthaft so zu gestalten, dass man den verschiedenen Value-Dimensionen (Kunden-bezogener Value, gesellschaftsbezogener Value, Netzwerk-bezogener Value, Finanzieller Value) in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Dabei sollten mögliche Synergien genutzt und mögliche Zielkonflikte in der Value-Generierung abgewogen werden.  

Im dritten Teil der Reihe wird thematisiert werden, welche Parallelen Value-Based Healthcare Management mit dem heutigen Marketing-Verständnis in Forschung und Praxis hat. Mehr Informationen dazu lesen Sie gerne in unserem nächsten Blogbeitrag Teil 3: «Value-Based Healthcare – Wie uns die Marketing-Denkweise bei der Umsetzung von Value-based Healthcare Management hilft».

Sie möchten das Value-Based Healthcare Management-Konzept auch bei Ihnen in der Organisation einführen oder Ihren Status Quo analysiert haben? Anfragen an Dr. Florian Liberatore, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie unter: florian.liberatore@zhaw.ch

Dr. Florian Liberatore, stellvertretender Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen und Experte für Value-Based Management.


1 Coopetition bezeichnet die Kooperation von konkurrierenden Unternehmen
2 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechteridentitäten
3 PDCA steht für Plan, Do, Check, Act
4 CIRS steht für Critical Incident Reporting System
5 VUCA steht für die englisch formulierten Herausforderungen (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität), mit denen das Gesundheitswesen konfrontiert wird.


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