WO PRAXIS, LEHRE UND FORSCHUNG HAND IN HAND GEHEN

Das Therapie-, Trainings- und Beratungszentrum Thetriz am Departement Gesundheit bietet der Bevölkerung verschiedene Therapien und Behandlungen an. Und es eröffnet den Studierenden die einzigartige Möglichkeit, schon zu Beginn ihrer Ausbildung Erfahrungen mit echten Patientinnen und Patienten zu sammeln.

VON ANDREA SÖLDI

Auf den ersten Blick wirkt das Thetriz wie eine ganz normale Praxis: Eine Rezeption, ein kleiner Warteraum sowie diverse Behandlungszimmer. Wer genauer hinschaut, entdeckt in den Räumen jedoch ungewöhnlich viel Technik: Bildschirme, Kameras, Mikrofone, Kabel. Denn das Therapie-, Trainings- und Beratungszentrum im neuen Haus Adeline Favre bildet eine Schnittstelle zwischen Praxis, Lehre und Forschung. Hier werden künftig sämtliche Institute des Departements Gesundheit ihre spezifischen Fachkenntnisse direkt anwenden. Studierende erhalten zugleich die Gelegenheit, Patientinnen und Patienten unmittelbar zu begegnen und unter Anleitung erste Erfahrungen zu sammeln. Der Ansatz ist bis anhin im deutschsprachigen Raum einzigartig.

Zusammenspiel als grosser Gewinn

Reto Westermann war einer der ersten Patienten im Thetriz, das Anfang Jahr mit einem physiotherapeutischen Angebot den Betrieb aufgenommen hat. Der Winterthurer liess sich wegen eines Tennisarms behandeln – einer Reizung des Sehnenansatzes am Ellenbogen – den er sich beim Aufhängen seines Velos im Zug zugezogen hatte. Nach fünf Sitzungen sind die Beschwerden bereits deutlich abgeklungen. «Ich kann wieder fast schmerzfrei bremsen beim Velofahren», freut sich Westermann. Der Architekturjournalist ist vom Thetriz auch ästhetisch angetan: «Die hohen Räume mit Tageslicht wirken luftig. Und als Patient fühle ich mich wohl, wenn ich von der Behandlungsliege aus auf das coole Sulzerareal blicken kann.» Ins Thetriz gefunden hat Westermann über seinen Physiotherapeuten, der ihn bereits früher erfolgreich behandelte. Fabian Pfeiffer arbeitet als Therapeut, Dozent und Forscher an der ZHAW. «Das Zusammenspiel dieser drei Bereiche ist ein grosser Gewinn», findet Pfeiffer, der im Rahmen seines Doktorats gegenwärtig zum Thema Rückenschmerzen forscht. Die Daten für dieses Projekt hat er zwar bereits vorgängig zusammengetragen. Doch er ist überzeugt, dass das Thetriz für künftige Forschungsarbeiten deutliche Vorteile bieten wird: «Hier können wir unkompliziert erste Ideen ausprobieren und auch interdisziplinäre Ansätze pflegen.»

Gleich in einer der ersten Therapiestunden hat Pfeiffer mit Patient Westermann ein Video erstellt, das er künftig in seinen Vorlesungen nutzen will. «Der Tennisellenbogen ist ein häufiges Thema in der Physiotherapie», erklärt er. Studierende können so unmittelbar beobachten, wie ihr Dozent selber einen betroffenen Patienten behandelt und ihn bei der Ausführung von Übungen anleitet.

Sobald die Studierenden wieder mehr Präsenzunterricht haben, werden sie regelmässig selber im Thetriz anzutreffen sein. Bereits im Bachelorstudiengang erhalten sie erste Möglichkeiten, erfahrene Fachpersonen bei ihrer Arbeit zu beobachten – selbstverständlich stets mit Einwilligung der Patienten. «So können sie Theorie und Praxis besser verknüpfen», erklärt Lydia Bucher, Fachverantwortliche der Physiotherapie im Thetriz und ebenfalls Dozentin. «Zudem bauen sie Berührungsängste gegenüber den Patienten ab.»

Heikle Gespräche üben

Masterstudierende werden im Zentrum unter Anwesenheit von Experten selber Behandlungen vornehmen. Die Interventionen können aufgezeichnet und nachher gemeinsam analysiert werden. Wertvoll ist dieses Vorgehen auch für das Verfeinern sozialer Kompetenzen und Gesprächstechniken. Davon werden besonders angehende Pflegefachpersonen und Hebammen profitieren – etwa wenn sie ein heikles Familiengespräch führen. Ebenfalls möglich ist es, Behandlungen oder Beratungen direkt in einen Vorlesungssaal oder sogar in eine andere Bildungsinstitution zu übertragen. Weiter können Gruppen von Studierenden Therapien aus einem Nebenraum durch eine Spiegelglasscheibe live mitverfolgen.

Schwangerenvorsorge und Fatigue

Das Angebot im Thetriz wird seit Anfang Jahr laufend um neue Dienstleistungen erweitert. So bietet das Institut für Ergotherapie seit kurzem Gruppentherapien an für Menschen, die am Erschöpfungssyndrom Fatigue leiden, etwa in folge von Krebs, Multipler Sklerose, eines Herzinfarkts oder einer Infektionskrankheit wie Covid-19. Sie lernen gemeinsam, ihren Alltag unter den erschwerten Bedingungen besser zu meistern. Im April startete die erste hebammengeleitete Schwangerenvorsorge-Gruppe unter dem Namen «zäme schwanger» – ein in der Schweiz bisher einmaliges Angebot. Zusätzlich zu den medizinischen Checkups und der Geburtsvorbereitung können die Frauen ihre Erfahrungen austauschen und Kontakte knüpfen. Und im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention werden Workshops zum Thema Stressmanagement und Burnout-Prophylaxe für Privatpersonen und Firmen durchgeführt.

Vernetzung mit externen Fachleuten

In den nächsten Monaten werden stetig neue Dienstleistungen dazukommen. So wird das Institut für Pflege im Thetriz Familien in komplexen Situationen beraten. Bei der Physiotherapie will man künftig auch Fachberatungen für externe Therapeutinnen mit oder ohne Patienten sowie Gutachten anbieten. «An der ZHAW haben wir stets ein Bein in der Forschung und sind nahe an der aktuellen Evidenz», sagt Lydia Bucher. «Dieses gebündelte Wissen wollen wir teilen.» Ebenfalls denkbar sei eine erweiterte Diagnostik in Zusammenarbeit mit dem Bewegungslabor am Departement, das Analysen von Bewegungsabläufen und Muskelaktivitäten durch modernste Technik erlaubt.

Notfallsituationen mit Simi üben

Dem Thetriz angegliedert sind zudem Simulationsräume mit bester technischer Infrastruktur, in denen sich Studierende auf reale Notfallsituationen vorbereiten können. Auf einem Regal wartet zum Beispiel Simi auf einen Einsatz. Das Modell in der Grösse eines erwachsenen Mannes kann atmen, hat einen spürbaren Puls und unter anderem eine Blase, die mit einem Katheter geleert werden kann. Simi ist in guter Gesellschaft von mehreren Babys sowie SimMom, einer hochschwangeren Frau. Bei einer Simulation können Dozierende die lebensechten Modelle aus einem abgetrennten Regieraum kontrollieren und beispielsweise ihre Vitalwerte steuern.

«Die Infrastruktur im Thetriz ermöglicht ganz neue, spannende Lernformen», freut sich Zentrumsleiterin Claudia Putscher. Zudem würden die Zusammenarbeit und das gemeinsame Lernen der verschiedenen Berufsgruppen gestärkt. «Hier werden Dozierende, Forschende, Studierende, die Bevölkerung sowie ansässige Therapeutinnen ein- und ausgehen und sich begegnen. So erhalten angehende Gesundheitsfachleute vom ersten Studientag an eine praxisnahe Ausbildung.» //

Auf www.zhaw.ch/gesundheit/thetriz finden Sie alle Angebote des Thetriz sowie die aktuellen Termine
für Gruppentherapien und Kurse. Auf der Website können Sie sich für die Angebote an melden oder auch individuelle Termine für Einzeltherapien und ­beratungen vereinbaren.

Vitamin G, Seite 36-37


WEITERE INFORMATIONEN

Magazin «Vitamin G – für Health Professionals mit Weitblick»


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