NEUE BERUFSPROFILE TEIL 4: PFLEGE

Pflegefachfrau, Physiotherapeut, Ärztin, Hebamme: Die Rollen innerhalb des Gesundheitswesens haben sich in der Vergangenheit immer wieder verschoben, vermischt und neuen Gegebenheiten angepasst. An welchem Punkt stehen wir heute? Wo werden starre Berufsbilder aufgelöst und neue Profile entwickelt – etwa um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die integrierte Versorgung zu fördern? In Teil vier berichtet Caroline Sidler, Dipl. Pflegefachfrau und Klinische Assistentin Neurochirurgie am Kantonsspital Luzern.

AUFGEZEICHNET VON RITA ZIEGLER

Caroline Sidler, Klinische Assistentin Neurochirurgie, Luzerner Kantonsspital
Dipl. Pflegefachfrau, CAS Klinische Fachspezialistin

Als Klinische Assistentin bin ich das Bindeglied zwischen dem Ärzte- und dem Pflegeteam. Am Morgen nehme ich beim Ärzterapport teil und gehe danach mit einem Assistenzarzt auf Visite. Oft teilen wir die Patientinnen und Patienten unter uns auf. Zum Teil sind wir aber auch zu zweit unterwegs, gerade bei komplexen Fällen. Ich gehe von Zimmer zu Zimmer, bespreche mit der Pflege offene Fragen und das weitere Vorgehen. Dann kontrolliere ich die Wunde beim Patienten, führe die körperliche Untersuchung durch und frage nach, wie es ihm geht. Vielleicht muss ich seine Schmerzmedikation anpassen, eine Röntgenverordnung ausfüllen oder ihn zur Physiotherapie anmelden. Bin ich alleine auf Visite, spreche ich mich für Verordnungen mit dem Assistenzarzt ab. Wir sind daran, Schemen zu entwickeln, die es mir zum Beispiel erlauben, bestimmte Medikamente aus der Richtlinie delegiert zu verordnen. Nach der Visite kontrolliere ich die Werte zuvor verordneter Blutentnahmen oder Röntgenbilder, dokumentiere den Verlauf im System und bereite Austrittsunterlagen vor. Der relativ grosse Administrationsteil macht mir nichts aus. Im Gegenteil. Es ist mir aber wichtig, nach wie vor direkten Kontakt zu den Patienten zu haben. Meine Stelle ist die bisher einzige dieser Art an unserem Spital und Teil eines Pilotprojekts. Für mich ist es spannend, ein neues Berufsprofil mitzuentwickeln und dabei auch Grenzen auszuloten – denn diese gibt es. Die Aufklärung zu grösseren Operationen etwa, Entscheide zum weiteren Therapieverlauf oder die Verschreibung bestimmter Medikamente werden auch in Zukunft zum Aufgabengebiet der Ärztinnen und Ärzte gehören. Angehörigengespräche oder Aufklärungen zu kleinen Eingriffen hingegen werde ich übernehmen können. 

Das Ärzteteam, aber auch die Pflege erlebe ich als wohlwollend. Die Assistenzärzte sind dankbar, dass ich sie entlaste. So können sie sich auf die Operationen konzentrieren, die sie für ihre Weiterbildung brauchen, und ihre Arbeitszeit optimal nützen. Die Pflegefachleute schätzen es, dass ich immer auf der Station bin und mich auch kurzfristig um ihre Anliegen kümmern kann – zum Beispiel um eine Anmeldung oder einen Austrittsbericht.

Die Abläufe auf der Station kenne ich in- und auswendig, ich arbeite schon seit vielen Jahren hier: zuerst als diplomierte Pflegefachfrau, später zusätzlich als Case Managerin. Als solche war ich dem Ärzteteam zugeordnet und zuständig für die ambulanten Voruntersuchungen, das Eintrittsmanagement und die Koordination der Operationen. Als ich in meine jetzige Funktion wechselte, kannte ich also schon beide Seiten: die der Pflege und die der Ärzteschaft.

Mein Vorgesetzter, der Chefarzt der Neurologie, hat acht Jahre als Neurochirurge in New York gearbeitet und dort die Konzepte von Physician Assistant respektive Nurse Practitioner kennen- und schätzengelernt. Seine Begeisterung hat mich angesteckt. Ich habe mir sogar überlegt, ein entsprechendes Bachelorstudium in Deutschland zu machen. Dass die ZHAW seit Kurzem eine Weiterbildung zur klinischen Fachspezialistin anbietet und das Luzerner Kantonsspital gleichzeitig ein Projekt dazu lancierte, war für mich eine glückliche Fügung. //

«Vitamin G», Seite 18


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